OGH 7Ob717/87

OGH7Ob717/8726.11.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Angst und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*** (E***) W***, Wien 1., Wollzeile 2, vertreten durch Dr. Emmerich Fritz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dkfm. Heinz R***, Kaufmann, Wels, Herrengasse 4, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 6. August 1987, GZ 48 R 233/87-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 25. Februar 1987, GZ 48 C 222/86-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.719,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 247,20 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht hob die unter anderem auf den Kündigungsgrund nach § 30 Abs. 2 Z 4 erster Fall MRG gestützte Aufkündigung der Geschäftsräumlichkeiten Wien 1., Wollzeile 2, auf. Nach seinen für das Revisionsverfahren noch relevanten Feststellungen benützt das Bestandobjekt die im Jahre 1974 protokollierte Firma P*** & Co Gesellschaft mbH, die in dem Bestandobjekt den Tucheinzelhandel betreibt. Gesellschafter dieser Gesellschaft mbH sind Traute R***, Imogen R***, Christian R*** und der Beklagte, wobei die Stammeinlage eines jeden Gesellschafters nach dem Stand 1. Jänner 1984 S 25.000,-- beträgt. Geschäftsführer sind der Beklagte und Traute R***.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteigt. Nach der Rechtsansicht der Vorinstanzen sei der Kündigungsgrund nach § 30 Abs. 2 Z 4 erster Fall MRG trotz Überlassung des Bestandobjektes an einen anderen dann nicht gegeben, wenn der Mieter an den in dem Bestandobjekt geführten Unternehmen wirtschaftlich beteiligt sei und in dem Unternehmen tatsächlich mitarbeite. Dies gelte auch bei Überlassung der Bestandräume an eine Gesellschaft mbH. Die Voraussetzungen der wirtschaftlichen Beteiligung des Beklagten und seiner Mitarbeit an dem in den Bestandräumen betriebenen Unternehmen der Gesellschaft mbH seien im vorliegenden Fall gegeben. Daß diese Beteiligung alleinige Grundlage für die wirtschaftliche Existenz des Bestandnehmers bilden müsse, sei nicht Voraussetzung. Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der klagenden Partei ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsansicht der Vorinstanzen entspricht der auch im Schrifttum gebilligten ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (MietSlg. 37.426/31, 31.394, 29.339, 15.373/11; 1 Ob 530/86; Würth in Rummel, ABGB, Rdz 23 zu § 30 MRG; vgl. auch MietSlg. 25.311). Dies wird von der Revisionswerberin auch nicht bestritten. Ihrer Auffassung nach widerspricht diese Rechtsansicht aber dem klaren Gesetzestext des § 30 Abs. 2 Z 4 erster Fall MRG und der Intention des § 12 Abs. 3 MRG, daß dann, wenn ein anderer als der Mieter das Bestandobjekt benütze, ein angemessener Mietzins zu bezahlen sei. Die letztgenannte Bestimmung werde umgangen, wenn ein Interesse des Bestandnehmers an einer Kapitalgesellschaft hergestellt werde.

Nach § 30 Abs. 2 Z 4 erster Fall MRG ist es als wichtiger Kündigungsgrund anzusehen, wenn der Mieter den Mietgegenstand mit oder ohne Beistellung von Einrichtungsgegenständen ganz weitergegeben hat und ihn in offenbar naher Zeit nicht für sich oder für eintrittsberechtigte Personen dringend benötigt. Der Begriff der gänzlichen Weitergabe des Mietgegenstandes ist im Gesetz nicht definiert, sodaß keine Rede davon sein kann, daß die von der Revisionswerberin bekämpfte Rechtsansicht schon dem klaren Gesetzestext widerspricht. Bei der Auslegung ist überdies nicht bloß eine Wortinterpretation vorzunehmen, sondern der Sinn der Regelung klarzustellen (Koziol-Welser8 I 23). Der Kündigungsgrund nach § 30 Abs. 2 Z 4 erster Fall MRG ist nicht schon bei gänzlicher Weitergabe des Mietgegenstandes verwirklicht, der Mieter kann vielmehr nachweisen, daß er in naher Zeit einen dringenden Bedarf an dem Mietgegenstand hat. Daraus ergibt sich, daß das Wesen dieses Kündigungsgrundes im Wegfall eines schutzwürdigen Interesses des Mieters besteht. Dem entspricht aber die Auslegung des Begriffes der gänzlichen Weitergabe durch die von der Revision bekämpfte Rechtsprechung, weil unter den bezeichneten Voraussetzungen jedenfalls dem Mieter ein schutzwürdiges Interesse zukommt. Die Bestimmung des § 12 Abs. 3 MRG bildet keinen Grund, von der bisherigen Rechtsprechung abzugehen. Diese Bestimmung setzt eine Unternehmensveräußerung voraus, die eine gesetzliche Vertragsübernahme mit der für den Vermieter vorteilhaften Wirkung zur Folge hat, daß er eine Anhebung des Mietzinses auf den angemessenen Mietzins gemäß § 16 Abs. 1 MRG fordern kann. Liegt keine Unternehmensveräußerung vor, sondern etwa eine Verpachtung, besteht ein Vorteil des Mieters, da der Vermieter nur den bisherigen Zins verlangen kann. Dieser Vorteil kann legitimerweise genützt werden, solange kein Scheingeschäft geschlossen wird (Fenyves in Korinek-Krejci, Handbuch zum MRG 322). Nichts anderes gilt, wenn der Vermieter an dem in dem Bestandobjekt geführten Unternehmen wirtschaftlich beteiligt ist und in dem Unternehmen tatsächlich mitarbeitet. Das Vorliegen eines Scheingeschäftes wurde nicht einmal behauptet. Entgegen der Meinung der Revisionswerberin liegt somit kein Widerspruch zu der "Intention" des § 12 Abs. 3 MRG vor. Nach dem Prozeßstandpunkt der klagenden Partei ist der Beklagte Bestandnehmer. Diese Frage ist aber nicht unbestritten (vgl. 48 C 253/86 des Erstgerichtes), kann aber hier unerörtert bleiben, weil sich am Ergebnis nichts ändern würde, wenn der Beklagte nicht oder nicht mehr Bestandnehmer wäre.

Zu der nicht bestrittenen Frage der Parteifähigkeit und der Parteibezeichnung der klagenden Partei kann auf die Entscheidung SZ 37/3 verwiesen werden.

Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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