OGH 7Ob536/90

OGH7Ob536/908.3.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eckhard M*****, geboren am ***** in *****, vertreten durch Dr. Manfred Lampelmayer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Herta M*****, geboren am ***** in *****, vertreten durch Dr. Leopold Schön, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ehescheidung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 13. Oktober 1989, GZ 2 R 156/89-48, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 7. April 1989, GZ 37 Cg 173/85-38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1990:0070OB00536.900.0308.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.706,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 617,70 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile haben am 11. 4. 1984 die Ehe geschlossen. Es war beiderseits die erste Ehe, die kinderlos blieb. Beide Teile sind österreichische Staatsbürger, ihr gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt ist Wien.

Das Erstgericht schied die Ehe aus beiderseitigem, gleichteiligem Verschulden. Nach seinen Feststellungen hatte die Beklagte zum Zeitpunkt der Eheschließung ihr Gehaltskonto um S 15.000 überzogen. Dies war dem Kläger bekannt und er deckte die Schuld ab. Die Beklagte hatte aber aus der Zeit vor der Eheschließung weitere Schulden, von denen sie dem Kläger nichts erzählte. Bereits im Oktober 1984 kam es deshalb zu Exekutionen gegen die Beklagte. Diese führte auch während der Ehe Bestellungen durch, von denen sie dem Kläger nichts sagte und die sie nicht bezahlte. Zur Vermeidung von Pfändungen setzte sich der Kläger mit den Vertretern der betreibenden Parteien in Verbindung und bezahlte teilweise die Schulden der Beklagten, die diese vor und während der Ehe eingegangen ist, teilweise übernahm er die Haftung. Insgesamt bezahlte der Kläger S 90.000, für einen Betrag von S 40.000 übernahm er die Haftung. Der Kläger war mit der Eingehung von Verbindlichkeiten durch die Beklagte nicht einverstanden und machte ihr Vorhalte. Die Beklagte versprach zwar, daß sie nichts mehr ohne Wissen des Klägers bestellen werde, hielt dieses Versprechen aber nicht ein. Der Kläger verdient S 36.000 bis S 40.000 monatlich netto. Die Beklagte verdiente zur Zeit der Eheschließung als Putzfrau zwischen S 7.000 und S 8.000 monatlich netto. Vom 17. 2. 1986 bis 31. 12. 1986 verdiente sie rund S 3.000 monatlich netto. Seit 1. 3. 1988 verdient sie S 6.500 monatlich netto. Im Jahre 1987 war sie während eines nicht mehr feststellbaren Zeitraums arbeitslos. Sie war damals nicht arbeitswillig und teilte dem Kläger schriftlich mit, daß es ihr Problem sei, arbeiten zu gehen. Sie wolle es sich gut gehen lassen, was jede Frau tue, wenn der Mann arbeite. Der Kläger bestreitet sämtliche Zahlungen für die Wohnung. Er leistete vor Einbringung der Scheidungsklage (28.6.1985) einen monatlichen Unterhalt von S 5.000 bis S 6.000. Seit Beginn des Scheidungsverfahrens überweist er der Beklagten monatlich S 4.000, wovon S 1.000 für die Zahlung von Schulden gewidmet sind. Der letzte eheliche Verkehr fand vor Einbringung der Scheidungsklage statt. Seither verweigert der Kläger die ehelichen Beziehungen. Die Beklagte wäre dazu bereit. Die Beklagte wurde acht- bis zehnmal beobachtet, als sie zur Nachtzeit allein auf der Straße betrunken torkelte. Es kam zu Streitigkeiten zwischen den Parteien, die einmal auch zur Intervention der Funkstreife führten, weil der Kläger begeistert regelmäßig bis 24 Uhr Videofilme sieht, während die Beklagte das Fernsehprogramm ansehen möchte. Die Streitteile warfen sich gegenseitig ehewidrige Beziehungen vor, für die es aber keine Anhaltspunkte gab. Sie beschimpften einander, wobei die Verwendung ordinärer Ausdrücke nicht festgestellt werden konnte. Einmal bezeichnete der Kläger aber die Beklagte als faule Drecksau, weil sie um 10 Uhr noch im Bett lag. Der Kläger dreht die Heizung bereits um 19,30 Uhr ab. Die Beklagte spricht abfällig über den Kläger, wobei sie sich aber an die Katze wendet. Sie vernachlässigt die Sauberkeit und Ordnung im Haushalt.

Nach der Auffassung des Erstgerichtes habe die Beklagte zur Zerrüttung der Ehe schuldhaft wesentlich dadurch beigetragen, daß sie ohne Wissen des Klägers und gegen seinen Willen laufend Verbindlichkeiten eingegangen sei. Der Kläger habe zwar seine Unterhaltspflicht verletzt, weil der von ihm der Beklagten gewährte Unterhalt nicht der Höhe seines Einkommens entsprochen habe, doch könne dies das Verhalten der Beklagten nicht rechtfertigen. Auch die Vernachlässigung des Haushalts und die Trunkenheit der Beklagten seien schwere Eheverfehlungen. Daß der Kläger den ehelichen Verkehr verweigere, falle nicht entscheidend ins Gewicht, weil die Weigerung bereits in den Zeitraum falle, in dem die Ehe schon unheilbar zerrüttet gewesen sei. Dagegen seien dem Kläger als schwere Eheverfehlungen noch anzulasten, daß er ohne Rücksicht auf die Wünsche der Beklagten laufend bis Mitternacht Videofilme ansehe und die Heizung bereits gegen 19,30 Uhr abschalte. Der unbegründete Vorwurf der Verletzung der ehelichen Treue sei gleichfalls als schwere Eheverfehlung anzusehen und von beiden Streitteilen zu vertreten. Eine Verschuldensabwägung ergebe, daß das Verschulden des einen Ehegatten nicht erheblich schwerer wiege als das des anderen, sodaß der Ausspruch eines überwiegenden Verschuldens nicht in Betracht käme.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und teilte auch dessen Rechtsansicht. Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der Beklagten ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs.3 ZPO).

Insoweit die Beklagte bereits vor der Eheschließung Schulden einging, kann ihr dies zwar nicht als Eheverfehlung angelastet werden. Als Eheverfehlung kommt nur ein Verhalten in Betracht, das während der Ehe gesetzt wurde (EFSlg.20.323; Pichler in Rummel, ABGB, Rz 1 zu § 49 EheG). Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ging die Beklagte aber auch während der Ehe Schulden ein, obwohl der Kläger damit nicht einverstanden war und ihr deshalb Vorhalte machte. Das Eingehen von Schulden durch die Ehefrau trotz Abmahnung des Ehemannes stellt aber eine schwere Eheverfehlung dar (EFSlg.57.118; vgl. auch EFSlg.48.759 und 13.798), es sei denn, daß der Mann seine Unterhaltspflicht verletzte und die Frau sich in einer Notlage befindet (Hoffmann-Stephan 2 481). Auf eine Notlage kann sich die Beklagte aber nicht berufen, weil sie die Bezahlung ihrer alten Schulden im wesentlichen dem Kläger überließ, über ein eigenes Einkommen verfügte und vom Kläger, der die gesamten Wohnungskosten trug, auch ein monatliches Wirtschaftsgeld erhielt. Entgegen der Meinung der Revision bedarf es keiner ergänzenden Feststellungen darüber, wann und in welcher Höhe jeweils die Schulden von der Beklagten eingegangen wurden. Nach § 91 ABGB haben die Ehegatten die eheliche Lebensgemeinschaft, besonders die Haushaltsführung und die Erwerbstätigkeit, unter Rücksichtnahme aufeinander einvernehmlich zu gestalten. Daß Schulden eines Ehegatten aus der Zeit vor der Eheschließung einen erheblichen Einfluß auf die Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft haben können, kann nicht zweifelhaft sein. Bei Beachtung der gebotenen Rücksichtnahme aufeinander wäre die Beklagte gehalten gewesen, sich selbst um eine Schuldenregulierung zumindest in Form von Ratenvereinbarungen mit den Gläubigern, wie sie zum Großteil auch vom Kläger angestrebt und letztlich auch erreicht wurde, zu bemühen. Die Beklagte hat in dieser Richtung nicht nur nichts unternommen, sondern den Kläger auch nicht über das Ausmaß der Schulden informiert und ist darüber hinaus trotz Abmahnung des Klägers weitere Schulden eingegangen, sodaß es auch zur Pfändung von Gegenständen des Klägers kam. Dies haben die Vorinstanzen der Beklagten zur Recht als schwere Eheverfehlung angelastet. Aus den Feststellungen ergibt sich aber auch, daß dies erheblich zur Zerrüttung der Ehe beigetragen hat. Es bedarf aber auch hinsichtlich der Frage, ob der Kläger seiner Unterhaltspflicht voll entsprochen hat, keiner Verfahrensergänzung. Die Vorinstanzen haben dem Kläger eine Verletzung der Unterhaltspflicht angelastet. Unerörtert blieb hiebei die Frage nach der autonomen Gestaltung der Lebensverhältnisse (vgl. hiezu Pichler in Rummel 2 Rz 2 zu § 94 ABGB) und inwieweit sich die Beklagte die Zahlung ihrer Schulden durch den Kläger anrechnen lassen muß. Selbst unter Annahme einer Unterhaltspflichtverletzung des Klägers ändert sich aber am Ergebnis nichts. Die grundlose Beschuldigung ehewidriger Beziehungen ist eine schwere Eheverfehlung (EFSlg.57.112) und fällt beiden Teilen in gleicher Weise zur Last. Die einseitige Verfolgung seiner Interessen bei Gestaltung der Abende durch den Kläger ist ebenso als Eheverfehlung anzusehen (vgl. EFSlg.57.104), wie die Trunkenheit (EFSlg.57.095 f) und die dauernde Haushaltsvernachlässigung, die der Beklagten zur Last fällt (EFSlg.57.114 ua). Zur Zeit der Einbringung der Ehescheidungsklage durch den Kläger beschränkte sich die eheliche Gemeinschaft nur mehr auf das gemeinsame Wohnen. Es fand kein ehelicher Verkehr mehr statt und die Streitteile sprachen kaum miteinander. Zu Recht sind daher die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß damals die Ehe bereits unheilbar zerrüttet war. Eine solche liegt nämlich nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn die geistige, seelische und körperliche Gemeinschaft zwischen den Ehegatten objektiv und wenigstens bei einem der Ehegatten auch subjektiv zu bestehen aufgehört hat (EFSlg.57.129 mwN). Den Vorinstanzen ist aber auch darin beizupflichten, daß nach unheilbarer Zerrüttung der Ehe begangene Eheverfehlungen bei der Verschuldensabwägung keine entscheidende Rolle spielen (EFSlg.54.464, 51.653 ua). Davon ausgehend ist auch der Verschuldensausspruch nicht zu beanstanden, da der Ausspruch eines überwiegenden Verschuldens nach ständiger Rechtsprechung nur dann möglich ist, wenn die Schuld eines Ehegatten erheblich schwerer ist und der Unterschied offenkundig und augenscheinlich hervortritt, wobei subtile Abwägungen nicht vorzunehmen sind (EFSlg.57.228 f). Die Betrachtung des Gesamtverhaltens beider Ehegatten (vgl. EFSlg.57.209) läßt einen solchen augenscheinlichen Unterschied nicht erkennen. Dem Hinweis der Revision auf die Klagefrist des § 57 Abs.1 EheG ist entgegenzuhalten, daß ein fortgesetztes ehewidriges Verhalten als Einheit aufzufassen ist (EFSlg.57.199), sodaß jedenfalls hinsichtlich der Haushaltsvernachlässigung die Frist noch nicht abgelaufen war. Es konnten dann aber auch im Rahmen der Verschuldensabwägung verfristete Eheverfehlungen berücksichtigt werden (EFSlg.54.468). Für eine Verzeihung genügt bloßer Geschlechtsverkehr ohne ausdrücklichen Verzeihungswillen nicht. Der Vollzug des Geschlechtsverkehrs kann nur dann als Verzeihung des bisher vorgefallenen Ehescheidungstatbestandes gewertet werden, wenn die Ehegatten damit die Absicht verbinden, eine Aussöhnung herbeizuführen (EFSlg.57.188). In dieser Richtung fehlt es aber hier an jeglichen Anhaltspunkten. Schließlich kann auch dem Standpunkt der Beklagten nicht gefolgt werden, daß dem Scheidungsbegehren des Klägers die sittliche Rechtfertigung fehle. Der Zweck des zweiten Satzes des § 49 EheG ist es, zu verhindern, daß derjenige Ehegatte, der durch sein Verhalten die Ehe schon geraume Zeit mißachtet hat, aufgrund seiner Scheidungsklage von der Ehe loskommt, wenn der andere Teil auch Eheverfehlungen begeht, die in einem ursächlichen Zusammenhang mit den Eheverfehlungen des Klägers stehen oder von diesen bei weitem überwogen werden (EFSlg.54.397). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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