OGH 7Ob503/90

OGH7Ob503/908.3.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Kinder Stefan D***, geboren am 28. September 1977, und Teresa D***, geboren am 8.Februar 1980, beide Wien 23., Schloßgartenstraße 53, beide vertreten durch das Bezirksjugendamt für den 23.Bezirk, Wien 23., Häckelstraße 4, infolge Revisionsrekurses des Vaters Walter D***, Verkaufsleiter, Wien 13., Larochegasse 25, vertreten durch Dr. Hilbert Aubauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 21.September 1989, GZ 47 R 483/89-17, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Liesing vom 18.Mai 1989, GZ 1 P 291/85-13, teilweise bestätigt, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Ehe der Eltern der beiden Minderjährigen wurde mit Beschluß des Erstgerichtes vom 29.10.1985 zu 1 Sch 102/85, nach § 55 a EheG rechtskräftig geschieden. Im gleichzeitig geschlossenen pflegschaftsgerichtlich genehmigten Scheidungsvergleich verblieben die beiden Kinder in Pflege und Erziehung ihrer Mutter. Der Vater verpflichtete sich ab 1.12.1985 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung in der Höhe von je S 3.900,-- für die beiden Minderjährigen und von S 3.800,-- (wertgesichert) für die Dauer von 5 Jahren für die Mutter. Dieser Vergleich gibt keine Bemessungsgrundlage wieder, die beiden Kinder wohnen in dem dem Vater gehörenden Haus.

Das Erstgericht erhöhte über Antrag des Bezirksjugendamtes vom 27.1.1989 die Unterhaltsverpflichtung des Vaters für beide Kinder

für die Zeit vom 27.1.1986 bis 30.9.1987 auf monatlich je S 4.200,

für die Zeit vom 1.10.1987 bis 31.12.1988 auf monatlich S 5.000,-- für den mj. Stefan und auf monatlich S 4.200,-- für die mj. Teresa, sowie ab 1.1.1989 auf monatlich S 5.000,-- für den mj. Stefan und S 4.300,-- für die mj. Teresa. Es verpflichtete den Vater die bis zur Rechtskraft fällig werdenden Beträge, abzüglich geleisteter Zahlungen, binnen 14 Tagen, die weiters fällig werdenden Beträge jeweils am Monatsersten im vorhinein bei Exekution zu bezahlen. Das Unterhaltsmehrbegehren der Kinder wurde abgewiesen. Mit dem angefochtenen Beschluß gab das Rekursgericht dem Rekurs der beiden Kinder gegen den abweisenden Teil aus für das Revisionsrekursverfahren nicht mehr relevanten Gründen keine Folge, jedoch dem des Vaters, der sich generell gegen eine Unterhaltserhöhung ausgesprochen hat, teilweise Folge und wies das Unterhaltsmehrbegehren der Kinder für die Zeit vom 27.1.1986 bis 31.12.1987 ab. Es bestätigte die Erhöhung der monatlichen Unterhaltsverpflichtung des Vaters ab 1.1.1988 für den mj. Stefan auf monatlich S 5.000,-- und für die mj Teresa für die Zeit vom 1.1.1988 bis 31.12.1988 auf monatlich S 4.200,-- und für die Zeit ab 1.1.1989 auf monatlich S 4.300,--, es hob jedoch den Leistungsbefehl hinsichtlich des bis zum Entscheidungstag aufgelaufenen Unterhaltsrückstandes auf, weil das Erstgericht die zwischenzeitig vom Vater geleisteten Unterhaltsbeträge darin nicht ziffernmäßig berücksichtigt hat. Das Rekursgericht folgerte rechtlich, daß sich die dem Unterhaltsvergleich zugrunde liegenden Verhältnisse dadurch wesentlich geändert hätten, daß sich die Bedürfnisse der beiden Kinder ab 1.1.1988 altersgemäß so beträchtlich erhöht hätten, daß ab diesem Zeitpunkt eine Unterhaltsneufestsetzung gerechtfertigt sei. Nach der neueren Rechtsprechung könnten Unterhaltsansprüche auch für die Vergangenheit geltend gemacht werden. Die ab 1.1.1988 dem Vater für die beiden Minderjährigen auferlegten Unterhaltsbeträge lägen im Rahmen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Vaters, wobei die Bemessung ohne Ausschöpfung der Prozentkomponente erfolgt sei. Diese Unterhaltsleistungen seien daher dem Vater, dessen Einkommensverhältnisse sich nicht verschlechtert hätten, jedenfalls zumutbar. Darüber hinaus habe sich der Vater am 3.3.1989 vor dem Erstgericht zur Leistung erhöhter Unterhaltsbeträge für die beiden Minderjährigen in der Höhe von je S 4.300,-- ab 1.1.1989 bereit erklärt.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den die Unterhaltserhöhung für die Zeit vom 1.1.1988 bis 31.12.1988 bestätigenden Teil des Beschlusses des Rekursgerichtes erhebt der Vater Revisionsrekurs, dessen Zulässigkeit sich nach der Übergangsregelung des Art. XLI Z 5 WGN BGBl.1989/343 nach dem § 14 und dem § 16 AußStrG in der vor der Änderung durch Art. II WGN 1989 geltenden Fassung richtet. Die Frage, wie sich der Unterhaltsvergleich auf die neue Unterhaltsbemessung auswirkt, ist kein Bemessungsproblem (EFSlg.55.597 ua), sondern betrifft den Grund des Unterhaltsanspruches (EFSlg.55.600 ua). Gleiches gilt für die Lösung der hier aufgeworfenen Frage, ob eine Änderung der mit Vergleich geregelten Unterhaltsleistung erst ab dem Zeitpunkt der darauf gerichteten Antragstellung oder auch rückwirkend seit der eingetretenen Änderung der Bemessungsgrundlagen stattfinden kann. Der Rechtsmittelausschluß des § 14 Abs.2 AußStrG hindert nicht die Bekämpfung der rekursgerichtlichen Ansicht, wohl aber kann der bestätigende Teil des Beschlusses nur im Falle einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit oder einer begangenen Nullität angefochten werden (§ 16 Abs.1 AußStrG in der alten Fassung). Die behauptete offenbare Gesetzwidrigkeit der Entscheidung liegt aber nicht vor. Das Rekursgericht hat im Ergebnis mit seiner bestätigenden Entscheidung eine Erhöhungsverpflichtung des Vaters für seine beiden Kinder für das Jahr 1988 für gerechtfertigt erachtet und hat nur den Zahlungsbefehl für den bis zur erstgerichtlichen Entscheidung aufgelaufenen Rückstand aufgehoben, weil das Erstgericht die bisherigen Zahlungen des Vaters nicht ziffernmäßig berücksichtigt hat und diesem dadurch in einem allfällig auf den insgesamt aufgelaufenen Unterhaltsrückstand geführten Exekutionsverfahren keine Möglichkeit verbliebe, sich gegen den exekutiven Einzug der Gesamtleistung zur Wehr zu setzen. Verfahrensverstöße begründen überdies nur dann eine Nichtigkeit, wenn dargetan wird, daß sie für die Sachentscheidung von ausschlaggebender Bedeutung wären (zuletzt 1 Ob 653/88). Wie der Rechtsmittelwerber selbst einräumt, gilt auch für den Unterhaltsvergleich die Umstandsklausel (Rummel in Rummel2 zu § 901 ABGB Rz 8 a; Koziol-Welser8 I, 128; SZ 34/96; EFSlg.53.728 uva). Eine nicht bloß unbedeutende Änderung in den für den Unterhaltsanspruch maßgebenden Verhältnissen seit dem Zeitpunkt der einverständlichen Regelung ist daher zu berücksichtigen. Die Wirkung des Vergleiches hält ebenso wie die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung der Änderung der Verhältnisse nicht stand, das Abgehen von der früheren Unterhaltsregelung ist daher schon zulässig, sobald die wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten ist, ohne daß es zu einer Anfechtung des früher geschlossenen Vergleiches bedarf. Solange die Rechtsprechung daran festhielt, daß Unterhalt für die Vergangenheit nicht gefordert werden kann (JB 40), und daher eine rückwirkende Festsetzung oder Erhöhung des nach dem Gesetz zu leistenden Unterhaltes ablehnte, konnte auch die Anwendung der Umstandsklausel auf den gerichtlichen Unterhaltsvergleich nur zu einer Neubemessung ab dem darauf abzielenden Verfahrensschritt (Antragstellung im Verfahren außer Streitsachen oder Erhebung der Klage) führen. Da aber diese Rechtsprechung nicht aufrecht gehalten wurde und grundsätzlich auch für vor Stellung des Begehrens verstrichene Zeiträume Unterhaltsansprüche gestellt werden können (EvBl.1988/123 = JBl 1988, 586 = ÖA 1988, 79), kann eine Änderung der Unterhaltsbemessung für die Vergangenheit auch dann erfolgen, wenn für diese Zeit eine gerichtliche Festsetzung oder eine vergleichsweise Regelung vorlag, die aber wegen Änderung der Verhältnisse etwa einer Bedarfssteigerung der Kinder zufolge Altersfortschrittes zufolge der ihr innewohnenden Umstandsklausel nicht mehr bindend blieb. Die Bindung der Vergleichsregelung besteht eben nur so lange, bis eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eintritt. Ab diesem Zeitpunkt bindet der Vergleich die Parteien nicht mehr. Es kann daher auch noch später die Neufestsetzung der Unterhaltsleistung ab der wesentlichen Änderung der Verhältnisse auch für den vor Antragstellung liegenden Zeitraum erfolgen. Würde die Regelung mittels Vergleiches anders behandelt als eine gerichtliche Entscheidung, die ebenso auch für die Vergangenheit in Anwendung der Umstandsklausel abgeändert werden kann, wäre eine sachlich nicht zu rechtfertigende Unterscheidung zwischen der gerichtlichen Festsetzung und der zu bevorzugenden Bereinigung durch Vergleich gegeben (vgl 5 Ob 610/89).

Die Ansicht der Vorinstanzen, daß die durch die Änderung der Verhältnisse überholte Unterhaltsregelung im Vergleich auch für die Vergangenheit geändert werden kann, ist daher nicht offenbar gesetzwidrig.

Mangels eines die Anfechtung nach § 16 Abs.1 AußStrG aF zulassenden Rechtsmittelgrundes war daher der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

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