Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das Urteil des Berufungsgerichtes wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind wie weitere Kosten des Berufungsverfahrens zu behandeln.
Text
Begründung
Der Klägerin steht ein Besitznachfolgerecht für je einen Hälfteanteil zweier im Eigentum der Viktoria N*** stehender Liegenschaften samt dem Recht auf Sicherung desselben durch ein Belastungs- und Veräußerungsverbot zu (Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 24.April 1985, 3 Ob 530/85, den Parteien zugestellt am 5.Juni 1985).
Mit zwei einstweiligen Verfügungen des Erstgerichtes war Viktoria N*** bis zur rechtskräftigen Entscheidung des über das Besitznachfolgerecht anhängigen Rechtsstreites gemäß § 382 Z 6 EO die Veräußerung, Belastung und Verpfändung der beiden Liegenschaften verboten worden.
Am 12.Juli 1985 beantragte Viktoria N*** unter Hinweis auf die rechtskräftige Erledigung des Rechtsstreites die Aufhebung der einstweiligen Verfügungen. Mit Beschlüssen vom 19.Juli 1985 gab das Erstgericht dem Antrag ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung statt. Das Grundbuchsgericht ordnete mit den Beschlüssen vom 25. und 26.Juli 1985 zu den Tagebuchzahlen 15.700/85 und 15.914/85 den Vollzug an.
Am 30.Juli 1985 langte beim Grundbuchsgericht ein Antrag der Viktoria N*** auf Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Verpfändung beider Liegenschaften bis zum Höchstbetrag von 5,040.000 S ein, welcher am 31.Juli 1985 bewilligt und vollzogen wurde.
Am 5.August 1985 langte beim Grundbuchsgericht der Antrag der Klägerin auf Einverleibung des ihr laut dem eingangs erwähnten Urteil des Obersten Gerichtshofes zustehenden Belastungs- und Veräußerungsverbotes ein, der am 3.September 1985 zur Tagebuchzahl 16.655/85 vollzogen wurde.
Am 8.August 1985 beantragten Viktoria N*** und die Ehegatten T***, denen der zu besichernde Kredit gewährt wurde, beim Grundbuchsgericht im Range der erwähnten Rangordnungsanmerkung die Einverleibung des Simultanpfandrechtes an beiden Liegenschaften bis zum Höchstbetrag von 5,040.000 S zugunsten der beklagten Partei. Diese Eintragung wurde bewilligt und am 3.September 1985 vollzogen. Am 8.August 1985 langte beim Erstgericht auch der Rekurs der klagenden Partei gegen die Aufhebung der einstweiligen Verfügungen ein, der aber nicht dem Grundbuchsgericht übermittelt wurde und somit nicht zur Anmerkung des Rekurses führte. Erst am 16. August 1985 erhob die klagende Partei Rekurs gegen die oben angeführten Beschlüsse auf Anordnung des Vollzuges der Aufhebung der einstweiligen Verfügungen, was zu zwei Tagebuchzahlen des Grundbuchsgerichtes führte.
Im vorliegenden Rechtsstreit geht es vor allem um die Frage, ob dieser Pfandrechtserwerb wegen Gutgläubigkeit der beklagten Partei rechtswirksam ist, obschon ihm einerseits die nicht rechtskräftig gelöschten Verbote nach § 382 Z 6 EO und seit 5.August 1985 überdies das Gesuch auf Verbücherung des urteilsmäßig zuerkannten Verbotes entgegenstanden.
Die klagende Partei machte in ihrer am 30.Oktober 1986 eingebrachten Löschungsklage geltend, die beklagte Partei hätte durch entsprechende Erhebungen Kenntnis von den dargestellten Vorgängen haben müssen. Überdies sei Viktoria N*** bei Abschluß des Pfandvertrages nicht geschäftsfähig gewesen. Sie begehrt die Unwirksamerklärung und die Löschung der Pfandrechtseintragungen. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß sie keine Kenntnis vom erwähnten Prozeß gehabt und den Erklärungen von Viktoria N*** und ihres Rechtsfreundes vertrauen habe dürfen, nachdem die Grundbuchsauszüge die erwähnten Verbote im kritischen Zeitraum der Verpfändung nicht ausgewiesen hätten.
Dem Verfahren trat der seinerzeitige Rechtsfreund der Viktoria N*** auf seiten der beklagten Partei als Nebenintervenient bei. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt.
Die Vorinstanzen gingen im wesentlichen von folgenden Tatsachenfeststellungen aus:
Der zuständige Sachbearbeiter der beklagten Partei machte die Gewährung eines Kredites an die Ehegatten T*** von der Verpfändung von Liegenschaften abhängig, die dann durch Viktoria N*** und ihren Rechtsfreund zugesagt wurde. Nach den vorgelegten Grundbuchsauszügen standen der Verpfändung keine Hindernisse entgegen. An Hand der als "letzte Tagebuchzahlen" angeführten TZ 15.700/85 und 15.914/85 hätte die beklagte Partei erheben können, daß die Aufhebung der beiden einstweiligen Verfügungen noch nicht rechtskräftig war. Seit dem 5. August 1985 hätte die beklagte Partei weiters in Erfahrung bringen können, daß die Klägerin jetzt die Verbücherung ihres Veräußerungs- und Belastungsverbotes beantragt hatte. Infolge von Zusicherungen der Kreditnehmer und des Nebenintervenienten vertraute jedoch die beklagte Partei darauf, daß keine Buchhindernisse vorlägen, sondern die beiden verpfändeten Liegenschaften in jeder Hinsicht geldlastenfrei seien und von Viktoria N*** ohne Probleme verpfändet werden könnten. Von den Ansprüchen der Klägerin erfuhr die beklagte Partei erst am 12.August 1985 durch einen Anruf des Erstgerichtes.
In rechtlicher Hinsicht vertraten die Vorinstanzen die Auffassung, daß die beklagte Partei nicht verpflichtet gewesen sei, den "letzten Tagebuchzahlen" nachzugehen und vor der Überreichung des Gesuches auf Pfandrechtseinverleibung durch Viktoria N*** nochmals Nachforschungen im Grundbuch durchzuführen. Sie sei daher als gutgläubig zu behandeln.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der klagenden Partei ist berechtigt.
Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens ist nicht gegeben. Angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, deren Vorliegen das Berufungsgericht verneint hat, können im Revisionsverfahren nicht neuerlich geltend gemacht werden (EFSlg 52.235, 55.101; MietSlg 38.792, 38.793; vgl selbst für den Bereich des Arbeits- und Sozialrechtsverfahrens E wie RZ 1989/16 und SZ 60/197). Die in der Revision zitierte Entscheidung JBl 1959, 458 bezieht sich auf den Fall, daß Mängel in zweiter Instanz nicht gerügt wurden, und spricht aus, daß solche Mängel nicht erstmals in dritter Instanz geltend gemacht werden können; sie ist daher nicht gegenteilig. Die allerdings ohne nähere Begründung im Ergebnis gegenteilige Entscheidung JBl 1960, 564 ist in der jüngeren Rechtsprechung vereinzelt geblieben. Im Schrifttum vorhandene ablehnende Stellungnahmen zur sonst ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (Nowak, JBl 1960, 565; Fasching, ZPR, Rz 1909) sind nicht überzeugend: Wenn wegen der Rechtsmittelbeschränkung des § 519 ZPO (auch in der Fassung seit der WGN 1989) selbst eine von der zweiten Instanz verneinte Nichtigkeit des Verfahrens erster Instanz in dritter Instanz nicht geltend gemacht werden kann, so muß dies umsomehr für einen minder wichtigen Verfahrensverstoß gelten. Dieser wohl zwingende Größenschluß ist von der gegenteiligen Lehre bisher nicht widerlegt worden. Es liegt auch keine unrichtige rechtliche Beurteilung der Streitsache im Zusammenhang mit der Gutgläubigkeit der beklagten Partei vor:
Vorauszuschicken ist, daß die klagende Partei, der der unrichtige Beschluß auf Aufhebung der erwähnten einstweiligen Verfügungen und Löschung der betreffenden Grundbuchsanmerkung zugestellt wurde, von der Möglichkeit des § 63 Abs 1 GBG, innerhalb der Rekursfrist die Anmerkung zu erwirken, daß die Löschung streitig sei, keinen Gebrauch gemacht hat. Gemäß § 63 Abs 2 GBG kann daher die klagende Partei mit ihrer Klage nur mehr durchdringen, wenn sich die beklagte Partei beim Erwerb des streitigen Pfandrechtes nicht im guten Glauben befunden hat.
Gutgläubig (redlich) in diesem Sinn ist, wer die Abweichung der wahren außerbücherlichen Rechtslage vom Grundbuchsstand kennt oder bei gehöriger Aufmerksamkeit kennen mußte (Schubert in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 1500 mwN). Voraussetzung des guten Glaubens ist die Einsicht in das Grundbuch (§ 443 ABGB). Leichte Fahrlässigkeit genügt (anderer Ansicht Faistenberger-Barta-Call-Eccher in Gschnitzer; Sachenrecht2, 41). Besondere Nachforschungen sind aber immer nur dann anzustellen, wenn sich aus den besonderen Umständen im Einzelfall Bedenken gegen die Vollständigkeit des Grundbuchsstandes ergeben (SZ 28/64 und 256; JBl 1976, 642). Besondere Erhebungen über die seit der Umstellung auf das ADV-gestützte Grundbuch in jedem Grundbuchsauszug angeführte "letzte Tagebuchzahl" sind für den guten Glauben nicht erforderlich. Der letzten Tagebuchzahl kommt für den Grundbuchbenützer kein besonderer Informationswert zu (Stefan in Kralik-Rechberger, Aktuelle Probleme des Grundbuchsrechts I/1, 132). Es ist nur ein Zufall, daß im vorliegenden Fall die beiden angeführten Tagebuchzahlen gerade die Aufhebung und Löschung der strittigen einstweiligen Verbote betrafen. Ohne das Vorliegen von konkreten Verdachtsmomenten ist aber auch keine Einsicht in das Verzeichnis der gelöschten Eintragungen erforderlich. Zwar unterscheidet sich die neue Löschungstechnik, nämlich die sofortige Auslagerung einer gelöschten Eintragung aus dem Hauptbuch noch vor Eintritt der Rechtskraft, vom alten Grundbuch dadurch, daß ein Grundbuchsbenützer nur durch die Einsicht in den Grundbuchsauszug ohne gleichzeitige Einsicht in das Verzeichnis der gelöschten Eintragungen nicht mehr so deutlich wie früher auf die Gefahr hingewiesen wird, die ihm aus einer noch nicht rechtskräftigen Voreintragung erwachsen kann. Aber auch vor der Grundbuchsumstellung bewirkte die Kenntnis von einer noch nicht rechtskräftigen Voreintragung für sich allein noch keinen schlechten Glauben. Trotz seiner Gutgläubigkeit muß jedoch ein solcher Dritter mit seinen in der Zeit zwischen noch nicht rechtskräftiger Voreintragung bis zur allfälligen Anmerkung des Rekurses gegen diese Voreintragung - von da an ist er schlechtgläubig - erworbenen Rechten weichen, wenn der von der Voreintragung betroffene Berechtigte rechtzeitig die schon erwähnte Anmerkung iSd § 63 Abs 1 GBG erwirkt hat (Demelius, Grundbuchsrecht 89). Die Kriterien der Schlechtgläubigkeit wurden also durch die Grundbuchsumstellung nicht verändert. Auch wenn die beklagte Partei durch Einsichtnahme in das Verzeichnis der gelöschten Eintragungen festgestellt hätte, daß eine noch nicht rechtskräftige Voreintragung, nämlich die Löschung eines früher bestandenen Verbotes nach § 382 Z 6 EO, existiert, wäre noch kein Indiz für eine Schlechtgläubigkeit entstanden, und das gleiche muß gelten, wenn eine solche Einsichtnahme unterlassen wurde. Wenn verschiedentlich darauf hingewiesen wird, daß ein besonders vorsichtiger Grundbuchsbenützer immer auch in das Verzeichnis der gelöschten Eintragungen Einsicht nehmen wird (Hofmeister und Stefan in Kralik-Rechberger, Aktuelle Probleme des Grundbuchsrechts I/1, 17 und 151), so ist damit nicht gemeint, daß er sonst schlechtgläubig werde, sondern nur, daß er bei einer noch nicht rechtskräftigen Voreintragung wegen der Gefahr einer Anmerkung nach § 63 Abs 1 GBG besonders vorsichtig sein müsse. Richtig ist, daß im Fall der Ausnützung einer Rangordnungsanmerkung der gute Glaube auch noch im Zeitpunkt der Überreichung des Gesuchs um Eintragung des Rechtes, für das die Rangordnung angemerkt worden ist, gegeben sein muß (NZ 1988, 113). Aus dem Umstand, daß im vorliegenden Fall zu diesem Zeitpunkt schon das noch unerledigte Gesuch der klagenden Partei auf Eintragung des ihr urteilsmäßig zuerkannten Belastungs- und Veräußerungsverbotes überreicht war, ist aber für die klagende Partei nichts zu gewinnen. Gemäß § 56 Abs 2 GBG kann eine Eintragung in der angemerkten Rangordnung selbst dann bewilligt werden, wenn die Liegenschaft nach dem Einschreiten um die Anmerkung der Rangordnung belastet worden ist (Demelius, Anmerkung der Rangordnung, 48, 49 mit Erwähnung einer der Pfandanmerkung nachstehenden Verpfändungsbeschränkung). Das Gesuch wurde nicht von der beklagten Partei, sondern von Viktoria N*** überreicht. Anhaltspunkte dafür, daß der für diese einschreitende Rechtsanwalt im Zusammenhang mit der Kreditgewährung und der Pfandeinräumung Stellvertreter der beklagten Partei gewesen sei, sind im Verfahren nicht hervorgekommen, sodaß dessen etwaiger böser Glaube der beklagten Partei zu diesem Zeitpunkt nicht zuzurechnen wäre.
Im Zeitpunkt der Überreichung des Gesuches auf Einverleibung der Hypothek im Range der Ranganmerkung lag aber nur das noch unerledigte Gesuch der Klägerin auf Eintragung des neuen (urteilsmäßig zuerkannten) Belastungs- und Veräußerungsverbotes vor, dem aus den oben angeführten Gründen für die Ausnützung der angemerkten Rangordnung keine Bedeutung zukam.
Die Sache ist jedoch nicht spruchreif, weil die Vorinstanzen die Frage der Geschäftsfähigkeit der Viktoria N*** im Zeitpunkt der bekämpften Pfandbestellung nicht geprüft haben.
Die Wirksamkeit eines Pfandrechtes hängt neben dem Erfordernis der gültigen Erwerbungsart in der Regel einerseits vom Bestand der zu sichernden Forderung und andererseits vom gültigen Abschluß des Pfandvertrages ab. Die von der klagenden Partei bekämpfte Eintragung könnte daher wegen Nichtigkeit der Pfandforderung oder des Titels zur Hypothekenbestellung materiell unwirksam sein.
Volle Geschäftsunfähigkeit oder eine sog partielle Geschäftsunfähigkeit iSd § 865 S 1 ABGB liegt vor, wenn eine Person des Gebrauches der Vernunft gänzlich beraubt oder unfähig ist, die Bedeutung und Tragweite zumindest des bestimmten Geschäfts, um dessen Gültigkeit es geht, zu erkennen (Rummel in Rummel, ABGB2, Rz 3 zu § 865 mwN). Eine solche Geschäftsunfähigkeit bewirkt absolute Nichtigkeit, die bei bestehendem rechtlichem Interesse an der Nichtigerklärung auch von einem Dritten geltend gemacht werden kann (RZ 1977/60 mwN). Da das bekämpfte Pfandrecht die der klagenden Partei aus ihrem Besitznachfolgerecht und dem verbücherten Belastungs- und Veräußerungsverbot zustehenden Rechte unmittelbar berührt, ist dieses rechtliche Interesse im vorliegenden Fall gegeben.
Die klagende Partei hat vorgebracht, daß Viktoria N*** im Zeitpunkt des Abschlusses des Kreditvertrages nicht mehr im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte war und den Geschäftsumfang und dessen Inhalt nicht mehr erfassen konnte und in der Folge auch ein Sachwalter für sie bestellt worden sei, und als Beweis den Sachwalterakt angeboten. Trotz der Dürftigkeit dieses Vorbringens kann seine Berechtigung nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Es ist daher die notwendige Ergänzung der Verhandlung durch das Berufungsgericht angezeigt (§ 496 Abs 3 ZPO).
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 Abs 1 ZPO.
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