OGH 6Ob533/90

OGH6Ob533/9022.2.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Schlosser, Dr.Redl und Dr.Kellner als weitere Richter in der Abhandlung des Nachlasses nach der am 3.Jänner 1988 gestorbenen Johanna Maria T***, zuletzt Pensionistin in Wien 22., Quadenstraße 2, wegen Anerkennung der Ausweisung des Erbrechtstitels und Zugrundelegung eines eidesstättigen Vermögensbekenntnisses, infolge Revisionsrekurses der Ingeborg B***, Wien 8., Haspingergasse 3/27, vertreten durch Dr.Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 19. Dezember 1989, GZ 43 R 792/89-40, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Donaustadt vom 30.Oktober 1989, GZ 17 A 22/88-33, in seinen Punkten 2 und 3 im Sinne einer Aufhebung zur Verfahrensergänzung ersatzlos aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht stattgegeben und der angefochtene Beschluß mit der Maßgabe bestätigt, daß der erstinstanzliche Beschluß vom 30.Oktober 1989 in seinen Punkten 2 und 3 zwecks neuerlicher, nach Verfahrensergänzung zu fällender Entscheidung aufgehoben wird.

Text

Begründung

Die Erblasserin ist nach dem Inhalt

der - ergänzten Todfallsaufnahme am 3.Jänner 1988 im 66. Lebensjahr als Witwe ohne Hinterlassung von Verwandten der 1. und 2. Linie, wohl aber von Verwandten der 3. Linie, nämlich von drei Cousinen und drei Kindern einer vorverstorbenen Cousine gestorben. Nach der Kundmachung einer außergerichtlichen mündlichen letztwilligen Erklärung habe die Stieftochter der Erblasserin "alles erben" sollen und mit anderen Worten habe nach dem Tode der Erblasserin ihrer Stieftochter ohnedies "alles gehören" sollen.

Die solcherart bedachte Stieftochter der Erblasserin gab auf Grund des mündlichen Testamentes die unbedingte Erbserklärung zum gesamten Nachlaß ab, stellte den formellen Antrag, diese Erbserklärung zu Gericht anzunehmen, ihr Erbrecht auf Grund der Aktenlage als ausgewiesen zu erkennen (ON 13) und erstattete in der Folge ein eidesstättiges Vermögensbekenntnis, dessen Zugrundelegung sie im Sinne ihrer Schlußanträge (ON 23) ebenfalls formell beantragte.

Das Abhandlungsgericht ging zwar auf Grund der eidlichen Vernehmung der drei als Testamentszeugen namhaft gemachten Personen von einer Äußerung der Erblasserin am Tage vor ihrer Spitalsaufnahme in Gegenwart der drei Zeugen und der Stieftochter über deren Erbeneigenschaft aus, hegte aber nach dem Inhalt der abgelegten Zeugenaussagen erhebliche Bedenken über den Testierwillen der Erblasserin und das Zeugenbewußtsein der Anwesenden. Das Abhandlungsgericht nahm daher die unbedingte Erbserklärung der Stieftochter auf Grund des Testamentes zu Gericht an (Punkt 1), erklärte aber ausdrücklich, das Erbrecht auf Grund der Aktenlage als nicht ausgewiesen (Punkt 2), und sprach ferner aus, daß das eidesstättige Vermögensbekenntnis der Stieftochter der Abhandlung nicht zugrundegelegt werde (Punkt 3).

Das von der Stieftochter wegen der Aussprüche über die Ausweisung des Erbrechtes und über die Zugrundelegung des eidesstättigen Vermögensbekenntnisses angerufene Rekursgericht billigte die vom Abhandlungsgericht dargelegten Zweifel an der inneren Form des kundgemachten mündlichen Testamentes, folgerte daraus die Notwendigkeit, der Abhandlung auch die gesetzlichen Erben beizuziehen und wertete deshalb die angefochtenen erstinstanzlichen Entscheidungen über die hinreichende Ausweisung des Erbrechtstitels sowie über die Zugrundelegung des eidesstättigen Vermögensbekenntnisses der Stieftochter ausdrücklich als "verfrüht", da eine Entscheidung über die Anträge der Rekurswerberin erst nach Abgabe der Erbserklärung der gesetzlichen Erben "möglich" sei. Spruchmäßig gab das Rekursgericht dem Rechtsmittel der Stieftochter dahin Folge, daß es die angefochtenen Aussprüche des Abhandlungsgerichtes "im Sinne einer ersatzlosen Behebung" abänderte.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen von der Stieftochter der Erblasserin erhobene Rekurs an den Obersten Gerichtshof unterliegt nach dem Datum der Rekursentscheidung gemäß Art. XLI Z 5 WGN 1989 noch der Zulässigkeitsbeurteilung nach den vor dem Inkrafttreten der Erweiterten Wertgrenzen-Novelle 1989 in Geltung gestandenen Rechtsmittelregelungen des Außerstreitgesetzes.

Die "ersatzlose Behebung" der erstinstanzlichen Aussprüche über die formell gestellten Anträge einer Verfahrensbeteiligten als "verfrüht", weil vor der Entscheidung noch die Erklärungen anderer Personen abzuwarten seien, ist der Sache nach eine Aufhebung zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung. Gegen derartige rekursgerichtliche Aufhebungsbeschlüsse war der Rekurs an den Obersten Gerichtshof im Sinne des Jud. 203 in ständiger Rechtsprechung als zulässig angesehen worden. In diesem Sinne bestehen keine Zweifel an der Rechtsmittelzulässigkeit. Der Rekurs ist aber nicht berechtigt.

Die Antretung einer Erbschaft durch die formelle diesbezügliche Erklärung eines Erbansprechers an das Abhandlungsgericht ist abgesehen von ihrer materiellrechtlichen, insbesondere haftungsrechtlichen Bedeutung verfahrensrechtlich als Antrag auf Einantwortung der Erbschaft zu verstehen. Jede derartige formgerechte Erklärung ist nach dem zweiten Satz des § 122 AußStrG vom Gericht anzunehmen. In einer am verfahrensrechtlichen Ziel der Einantwortung ausgerichteten teleologischen Reduktion schränkt die Rechtsprechung dieses Gebot allerdings auf die Fälle ein, in denen eine Einantwortung von vornherein ausgeschlossen werden muß. Mit der Annahme der Erbserklärung zu Gericht anerkennt dieses zunächst vor allem den verfahrensrechtlichen Beteiligungsanspruch des Erklärenden als eines Erbansprechers.

Die gehörige (= hinreichende) Ausweisung des geltend gemachten Erbrechtstitels ist dagegen materielle Anspruchsvoraussetzung für die mit der Erbserklärung beantragte Einantwortung (§ 174 AußStrG) und für besondere Befugnisse während des Abhandlungsverfahrens (§ 145 Abs 1 AußStrG). Dementsprechend ist das Prüfungsrecht und die Prüfungspflicht des Abhandlungsgerichtes bei der Beurteilung des Beteiligungsanspruches bei der Entscheidung über eine abgegebene Erbserklärung und bei der Beurteilung des Besitzrechtsnachfolgeanspruches bei der Entscheidung über die Einantwortung qualitativ unterschieden. Die von der Rechtsmittelwerberin aufgestellte These einer Gleichwertigkeit der dem Abhandlungsgericht in beiden Fällen zustehenden Prüfungsbefugnis ist abzulehnen (vgl. SZ 40/135; NZ 1978, 147 ua).

Die Vorinstanzen haben zutreffend erkannt, daß der vor drei als Testamentszeugen fähigen Personen abgegebenen mündlichen Erklärung der Erblasserin über ihre erbrechtliche Rechtsnachfolge keinesfalls mit Sicherheit die Eignung als testamentarischer Berufungsgrund mangle, aber doch wohl wegen der bei dieser Erklärung vorhandenen oder fehlenden Anordnungsabsicht (Testierwille) und dem Urkundenbewußtsein (Zeugeneigenschaft) der die Erklärung bezeugenden Personen ernstlich in Zweifel zu ziehen ist (vgl. SZ 43/193). Das steht einer hinreichenden Ausweisung des Erbrechtstitels entgegen, die nach dem klaren Gesetzeswortlaut nur dann gehörig ist, wenn sie zur Einantwortung positiv hinreicht (§ 174 AußStrG). Daraus folgt, wie das Rekursgericht zutreffend erkannt hat, die Notwendigkeit der gerichtlichen Verständigung der nächsten gesetzlichen Erben im Sinne des § 75 AußStrG (vgl. SZ 40/135; NZ 1978, 174 ua.). Inzwischen hat auch bereits eine Cousine der Erblasserin eine bedingte Erbserklärung auf Grund des Gesetzes abgegeben. Im Falle einer Annahme auch dieser Erbserklärung zu Gericht wird die Vorgangsweise nach den §§ 125 ff AußStrG unvermeidbar und insbesondere eine Beendigung der Abhandlung im Sinne der Schlußanträge der Rechtsmittelwerberin erst nach einem fruchtlosen Verstreichen der für die Erbrechtsklage zu setzenden Frist oder nach Maßgabe des Prozeßausganges im Erbrechtsstreit in Betracht kommen. Das Ergebnis der nach der Aktenlage gebotenen Verständigung der nächsten gesetzlichen Erben war vor einer Entscheidung über die Anträge der Stieftochter, ihrem Erbrechtstitel als ausgewiesen zu erkennen und ihr eidesstättiges Vermögensbekenntnis der Abhandlung zugrundezulegen, abzuwarten. Nach dieser Verfahrensergänzung wird aber auch über diese Anträge, sofern die Rechtsmittelwerberin nicht ihren Beteiligungsanspruch am Verlassenschaftsverfahren zur Gänze verloren haben sollte, vom Abhandlungsgericht zu entscheiden sein. Die rekursgerichtliche Entscheidung war daher als Aufhebungsbeschluß im technischen Sinne, wie sie entgegen dem Wortlaut des Spruches nach ihrer Begründung zu verstehen ist, zu bestätigen.

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