OGH 6Ob748/89

OGH6Ob748/898.2.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Schlosser, Dr.Redl und Dr.Kellner als weitere Richter in der Pflegschaftssache der serbischen griechisch-orientalischen Kirchengemeinde "Zum heiligen Sava" in Wien wegen Einstellung des Pflegschaftsverfahrens infolge Revisionsrekurses der Kirchengemeinde, als deren Vertreter, Aleksandar M*** und Bozidar J*** einschreiten, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 11.Oktober 1989, GZ 43 R 575,576/89-159, womit unter anderem a) der durch Aleksandar M*** und Bozidar J*** namens der Kirchengemeinde gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 11.April 1989, GZ 8 P 221/85-149, erhobene Rekurs zurückgewiesen und b) dem durch Dr.Robert K*** namens der Kirchengemeinde gegen den erwähnten erstinstanzlichen Beschluß erhobenen Rekurs nicht stattgegeben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Für die im § 4 Abs 1 Orthodoxengesetz (BGBl. Nr. 229/1967) an erster Stelle genannte Kirchengemeinde ist gemäß § 12 Abs 2 OrthG ein Rechtsanwalt zum Kurator bestellt. (Einzelheiten können der Sachverhaltsdarstellung der Entscheidung vom 6.November 1986, 6 Ob 666/86 = ON 49 a entnommen werden.) Unter den Mitgliedern der Kirchengemeinde bestehen Gruppierungen mit unterschiedlichen Auffassungen über die innerkirchlich wirksamen Statuten und demgemäß über die innerkirchlich gültig bestellten Organe. Eine Gruppierung beruft sich auf die bei einer am 6.April 1986 abgehaltenen außerordentlichen Generalversammlung gefaßten Beschlüsse und Wahlen. (Vergleiche die Sachverhaltsdarstellung in der Entscheidung vom 14. April 1988, 6 Ob 556,557/88 = ON 121.) Zwei Kirchengemeindemitglieder, die sich aufgrund dieser Wahl als Präsident und Sekretär zum Einschreiten namens der Kirchengemeinde befugt erachteten, stellten am 30.März 1989 namens der Kirchengemeinde den Antrag auf "Abschaffung" der Kuratorbestellung und "Einführung" des aus den Wahlen vom 6.April 1986 hervorgegangenen Generalausschusses "in die Besitznahme" des Kirchenvermögens (ON 145). Der Sache nach handelte es sich um einen Antrag auf Einstellung der Pflegschaft. In einer nachfolgenden Eingabe vom 10.April 1989 teilten die beiden Kirchengemeindemitglieder einen Vollmachtswiderruf mit, den sie mit einer Beendigung ihrer - dreijährigen - Funktionsperiode begründet hatten (ON 147).

Bereits am 1.Juni 1987 hatte eine andere Gruppierung namens der Kirchengemeinde die Enthebung des gerichtlich bestellten Kurators beantragt (ON 73).

Das Pflegschaftsgericht wies sowohl den namens der Kirchengemeinde auf Einstellung der Pfegschaft gerichteten Antrag (ON 145) als auch den namens der Kirchengemeinde gestellten Antrag auf Enthebung des Kurators (ON 73) ab (ON 149). Eine Ausfertigung dieser Entscheidung wurde den als Präsident und als Sekretär aufgetretenen Personen am 19.April 1989 zugestellt.

Den am 10.Mai 1989, also am 21. Tag nach der Zustellung des erstinstanzlichen Beschlusses, überreichten Rekurs (ON 154), der von den beiden als Präsident und als Sekretär einschreitenden Personen verfaßt worden war, wies das Rekursgericht mangels Vertretungsbefugnis der Einschreiter zurück. Gleichzeitig gab das Gericht zweiter Instanz dem Rekurs (ON 156) gegen die Abweisung des Antrages auf Kuratorbestellung nicht statt. Eine Ausfertigung dieser Rekursentscheidung (ON 159) wurde den beiden als Präsident und als Sekretär der Kirchengemeinde eingeschrittenen Personen am 23. November 1989 zugestellt.

Rechtliche Beurteilung

Das von ihnen namens der Kirchengemeinde gegen die Rekursentscheidung am 12.Dezember 1989 überreichte Rechtsmittel (ON 163) ist verspätet. Die Rekursfrist beträgt gemäß § 11 Abs 1 AußStrG vierzehn Tage. Sie endete daher mit Ablauf des 7.Dezember 1989. Der erst am 19. Tag nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung überreichte Rekurs ist ebenso verspätet, wie dies bereits der zurückgewiesene Rekurs gegen die erstinstanzliche Entscheidung war.

Nach der Regelung des § 11 Abs 2 AußStrG ist es zwar dem pflichtgemäßen Ermessen des Rechtsmittelgerichtes überlassen, eine angefochtene Entscheidung auch aufgrund eines verspäteten Rechtsmittels einer sachlichen Prüfung zu unterziehen, allerdings nur dann, wenn die angefochtene Entscheidung noch ohne Nachteil eines Dritten abänderbar ist.

Dritter im Sinne des § 11 Abs 2 AußStrG ist jeder vom Rechtsmittelwerber verschiedene Verfahrensbeteiligte. Ein die Zulässigkeit der Sachprüfung ausschließender Nachteil kann auch schon in einer Verschlechterung der rein verfahrensrechtlichen Stellung eines anderen Verfahrensbeteiligten gelegen sein. Die zur Vollziehung des Orthodoxengesetzes berufene Verwaltungsbehörde hat im Falle einer bescheidmäßigen Aussetzung der Handlungsfähigkeit einer Kirchengemeinde in äußeren Angelegenheiten beim zuständigen Gericht die Bestellung eines Kurators zu beantragen. Der Verwaltungsbehörde kommt damit für das Bestellungsverfahren die einer Partei kraft Amtes eigene Verfahrensstellung zu. Gleiches muß nach dem Sinn der Regelung auch für ein Einstellungsverfahren gelten, zu dem es nach der Antragstellung der für die Kirchengemeinde einschreitenden Personen kommen sollte. In der Frage der Aufrechterhaltung einer nach § 12 Abs 2 OrthG eingeleiteten Sachwalterschaft kommt der Verwaltungsbehörde Beteiligtenstellung zu. Diese übt sie kraft Gesetzes im Interesse aller jener privaten Rechtspersonen und öffentlichen Rechtsträger aus, die aufgrund der verschiedensten Beziehungen der Kirchengemeinde in deren Eigenschaft als Rechtssubjekt gegenüberstehen oder gegenübertreten könnten und dazu eines mit Vertretungsmacht für den staatlichen Bereich ausgestatteten Organes oder Vertreters bedürfen. Dem mit dem Vollzug des Orthodoxengesetzes betrauten Bundesministerium kommt in einem nach § 12 Abs 2 OrthG eingeleiteten gerichtlichen Pflegschaftsverfahren nicht nur eine allgemeine Kontrollaufgabe im öffentlichen Interesse, sondern eine konkrete Interessenwahrung aller potentiellen Rechtsgeschäftspartner im weitesten Sinne der Kirchengemeinde zu.

Die Behörde ist daher als Dritter im Sinne des § 11 Abs 2 AußStrG anzusehen, deren verfahrensrechtliche Stellung auch nicht dadurch verschlechtert werden darf, daß die endgültige Entscheidung über einen abgewiesenen Antrag auf Einstellung der Pflegschaft in Schwebe gelassen, hinausgeschoben oder gar in das Gegenteil verkehrt würde.

Das schließt eine sachliche Behandlung des verspäteten Rechtsmittels gemäß § 11 Abs 2 AußStrG aus.

Der erkennende Senat vermochte aus den oben dargestellten Erwägungen der in der Entscheidung vom 17.Juni 1986, 2 Ob 608/86 (= EFSlg 52.637), und in den dort zitierten Entscheidungen vertretenen Ansicht, Dritte im Sinne des § 11 Abs 2 AußStrG könnten nur Privatrechtssubjekte sein, nicht zu folgen. Der zweite Senat hat im übrigen in seiner Entscheidung vom 11.Januar 1983, 2 Ob 614/82, die Sozialabteilung der Bezirkshauptmannschaft Baden als Dritte im Sinne des § 11 Abs 2 AußStrG angesehen.

Der Rekurs war schon aus diesen Erwägungen zurückzuweisen.

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