OGH 8Ob511/90

OGH8Ob511/9025.1.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Graf, Dr. Schwarz und Dr. Jelinek als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Claudia, geb. 7. Dezember 1975, und der mj. Bianca L***, geb. 5. Juni 1986, Antragsteller Gerhard L***, Angestellter, Ungargasse 12a, 1030 Wien, vertreten durch Peter G***, Wienerstraße 104, 3400 Klosterneuburg, wider die Antragsgegnerin Ingrid L***, Angestellte, Glockengasse 8a/1, 1020 Wien, vertreten durch Dr. Peter Fichtenbauer und Dr. Klaus Krebs, Rechtsanwälte in Wien, wegen Zuweisung der Elternrechte, infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 19. Oktober 1989, GZ. 43 R 476, 477/89-66, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 1. Mai 1989, GZ. 6 P 287/88-49, infolge Rekurses beider Teile aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Das Erstgericht übertrug die Pflege und Erziehung der mj. Claudia deren Vater Gerhard L*** und jene der mj. Bianca deren Mutter Ingrid L***.

Das Rekursgericht gab den von beiden Eltern erhobenen Rekursen teilweise Folge. Es hielt zwar den angefochtenen Beschluß als vorläufige Maßnahme aufrecht, hob ihn aber im übrigen auf und wies die Sache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Vor endgültiger Entscheidung sei in diesem besonderen Fall, der nicht nur durch fortgesetzte Feindseligkeit der Eltern und deren Unversöhnlichkeit, sondern auch dadurch gekennzeichnet sei, daß es zu einer Trennung der in ungewöhnlicher Weise aneinander hängenden Geschwister komme, die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Bereich der Kinderpsychologie unentbehrlich. Erst auf Grund eines sich mit den Auswirkungen der vom Erstgericht angestrebten Regelung auf die Kinder im einzelnen auseinandersetzenden Gutachtens werde eine endgültige Entscheidung über die Elternrechte möglich sein.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters. Er macht im Umfang der Aufhebung hinsichtlich der mj. Claudia Nichtigkeit geltend und bekämpft im übrigen die Aufhebung hinsichtlich der mj. Bianca als gesetzwidrig. Er beantragt die Entscheidung, soweit sie die mj. Claudia betrifft, als nichtig zu beheben, und, soweit sie die mj. Bianca betrifft, die Abänderung durch Übertragung ihrer Pflege und Erziehung an ihn ohne weiteres Verfahren.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Der Rekurswerber meint, der Kindesmutter habe es an einer Beschwer gefehlt, weil sie am 21. Februar 1989 der Übertragung der Pflege und Erziehung hinsichtlich der mj. Claudia an ihn zugestimmt habe. Ihr Rekurs wäre daher vom Rekursgericht als unzulässig zurückzuweisen gewesen; die Entscheidung sei in diesem Umfang nichtig.

Es trifft zwar zu, daß die Mutter ursprünglich damit einverstanden war, die elterlichen Rechte und Pflichten hinsichtlich der älteren Tochter Claudia deren Vater zu übertragen, nachdem dies auch das Jugendamt befürwortet hatte. Sie wollte damit offensichtlich die angespannte Situation beruhigen und meinte, dadurch dem Kindeswohl am ehesten zu entsprechen, weil Claudia bei ihrem Vater bleiben wollte. Nach Beschlußfassung erster Instanz widerrief sie jedoch ihre Zustimmung, weil der Vater Claudia zwischenzeitig in den Mittelpunkt von Zeitungsartikeln gestellt hatte, mit der er auch die Zuweisung ihrer Schwester an ihn erreichen wollte (vgl. ON 51).

Wegen geänderter Verhältnisse, zumindest aber wegen Gefährdung des Kindeswohls, kann jederzeit ein Antrag auf Abänderung der getroffenen Regelung gestellt werden (Pichler in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 178 mwN). Das Gericht ist an eine Vereinbarung der Eltern nicht gebunden, wenn diese nach seiner Ansicht dem Kindeswohl nicht entspricht. Es hat auf Antrag eines Elternteils zu entscheiden, welchem Elternteil die Rechte künftig allein zustehen sollen (§ 177 Abs 2 ABGB); dies muß keineswegs der antragstellende Elternteil sein. Im vorliegenden Fall stellte die Mutter im Rekurs einen derartigen Antrag.

Im allgemeinen kann im Außerstreitrekursverfahren das vorliegende Tatsachenmaterial ergänzt oder berichtigt oder für bisher unbewiesene Behauptungen neuer Beweise erbracht werden, es dürfen aber nicht von den bisherigen Behauptungen abweichende Tatsachenbehauptungen oder solche vorgetragen werden, die bisher überhaupt noch nicht aufgestellt worden sind. Als Neuerungen können nur solche Umstände vorgebracht werden, die vor der erstgerichtlichen Beschlußfassung eingetreten sind. Das gilt aber dort nicht, wo zum Vorteil von Kindern geänderten Verhältnissen sofort Rechnung getragen werden muß (EvBl. 1965/133 ua, zuletzt 3 Ob 557/89). Das durch die Vorlage von Zeitungsartikeln bescheinigte Vorbringen der Mutter durfte daher vom Rekursgericht berücksichtigt werden, so daß die Aufhebung des erstgerichtlichen Beschlusses auch hinsichtlich der mj. Claudia nicht zu beanstanden ist. Da im übrigen der Oberste Gerichtshof auch im Verfahren außer Streitsachen Rechts- und nicht Tatsacheninstanz ist, kann er einem Ergänzungsauftrag des Rekursgerichtes nicht entgegentreten, wenn dieser, wie hier, nicht auf unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache beruht, sondern den entscheidungswesentlichen Sachverhalt betrifft (JBl. 1966, 149 uva., zuletzt 7 Ob 622/89). Durch Einholung des Gutachtens eines Sachverständigen aus dem Gebiet der Kinderpsychologie soll geprüft werden, ob die vom Erstgericht getroffene und vom Rekursgericht nur als vorläufige Maßnahme aufrechterhaltene Zuteilung der Elternrechte dem Kindeswohl am besten entspricht (§ 178 a ABGB).

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