OGH 8Ob521/90

OGH8Ob521/9025.1.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber, Dr.Schwarz, Dr.Graf und Dr.Jelinek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj.Nikolaus M***, geboren am 25.Feber 1978, Schüler, Knappenweg 5 b, 6020 Innsbruck, vertreten durch seinen Vater Nikolaus M***, Studienassistent, ebendort, vertreten durch Dr.Wilfried Plattner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Karl Z***, Angestellter, Feldstraße 4, 6020 Innsbruck, vertreten durch Dr.Heinz Mildner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 75.000 sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 10.März 1989, GZ 4 R 374/88-26, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 4.Oktober 1988, GZ 17 Cg 135/87-21, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 9.622,95 (darin enthalten S 1.389,45 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des gesamten Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte hatte im Jahr 1979 einen schwarzen männlichen Langhaardackel (Welpen) gekauft, der mit Kindern aufgewachsen und ausgesprochen gutmütig und kinderfreundlich ist. Der Kläger, dessen Großmutter Uta M*** in der Nähe des Beklagten wohnt, kannte den Hund schon zwei Jahre vor dem Zeitpunkt des verfahrensgegenständlichen Vorfalles vom 31.7.1984, und hatte schon öfter mit diesem Hund gespielt. Auch andere Kinder haben im Garten des Beklagten mit dem Hund gespielt, ohne daß es dabei Schwierigkeiten gegeben hätte; allerdings hatte der Hund ein bis zwei Jahre vor dem 31.7.1984 nach einem Kind - ebenfalls einem Enkelkind der Uta M*** - geschnappt und dieses in die Wange gebissen, weil es über den Gartenzaun geklettert und direkt neben dem Hund auf den Boden gesprungen war. Die Großmutter des Klägers wußte von diesem Vorfall, sah aber keinen Anlaß, dem Kläger besondere Verhaltensmaßregeln für den Hund zu geben, weil auch das damals gebissene Kind wie andere Kinder in der Folge weiter mit dem Hund spielten.

Am 31.Juli 1984 gegen 18.30 Uhr begaben sich der Kläger und seine Großmutter Uta M*** zum Haus des Beklagten, um dort einen Schlüssel abzuholen. Die Schwester des Beklagten, Dr.Hildegard T***, die wie schon öfters zuvor während dessen Abwesentheit seit 29. Juli 1984 mit der Beaufsichtigung des Hundes betraut war, bat die Großmutter des Klägers und diesen, in den Garten einzutreten. Dort war bereits eine andere Frau mit ihren beiden Kindern, die miteinander spielten. Auch der Hund des Beklagten war im Garten, lief neben den Kindern mit und bellte. Nach dem Eintreten begaben sich der Kläger und seine Großmutter mit Dr.Hilde T*** zu einem Gartentisch, wo sich die beiden Frauen auf Gartensessel niederließen. Unter einen dritten Sessel, der noch unbesetzt war, legte sich der Hund. Der Kläger, der neben seiner Großmutter stehen geblieben war, ging auf diesen Stuhl zu und beugte sich, als er den Hund darunter bemerkte, zu diesem hinab, um ihn mit dem Namen "Wasti" zu begrüßen. Der Hund, der vorher ganz ruhig unter dem Sessel gelegen war, sprang plötzlich auf und biß den Kläger in das Gesicht, so daß dieser Bißverletzungen an der Oberlippe und Unterlippe sowie eine ausgedehnte Verletzung am linken Augenunterlid mit einer Gewerbszerstörung erlitt. Das Augenunterlid war abgerissen und hing nur noch an einem kleinen Läppchen. Die Wundversorgung erfolgte in Allgemeinnarkose, wobei mit dem vorhandenen Material eine Unterlidrekonstruktion durchgeführt wurde. Auch die Oberlippenwunde wurde mit Wundnaht versorgt. Im Anschluß daran wurde der Kläger an der Universitätskinderklinik stationär aufgenommen und am 2.8.1984 in ambulante Weiterbetreuung entlassen. Am 7.8.1984 wurden die Operationsnähte entfernt, die Entfernung der Restnaht erfolgte am 17.8.1984. Der Kläger erlitt bei diesem Vorfall eine ausgeprägte Hundebißverletzung im Gesichtsbereich, die in besonderer Ausdehnung am linken Augenunterlid vorlag. Dazu kam noch eine kleine Hautverletzung an der Oberlippe links der Mitte sowie eine kleine perforierende Verletzung an der Unterlippe links der Mitte. Das linke Auge selbst war von der Verletzung nicht betroffen. Durch die Behandlung konnte eine weitgehende anatomische Rekonstruktion des linken Augenunterlides erzielt werden. Als Verletzungsfolge im Sinne einer Dauerfolge ist eine an sich reizlose Narbe am linken Augenunterlid zurückgeblieben, welche insbesondere durch das Fehlen der Wimpern an der Unterlidkante auf einer Strecke von 2 mm einen gewissen Auffälligkeitswert besitzt und somit eine kosmetische Beeinträchtigung darstellt. Auch ist die Lidspalte links etwas weiter als jene rechts, was im Zustand der Ermüdung auffälliger sein kann. Im übrigen erlitt der Kläger verletzungsbedingte Schmerzen, welche unter Einschluß der psychischen Komponente die Dauer von drei Tagen starker Schmerzen, zwölf Tagen mittlerer Schmerzen und vier bis fünf Wochen leichter Schmerzen erreichten.

Die Schwester des Beklagten, Dr.Hilde T***, hatte bei ihrem Bruder wiederholt den Urlaub verbracht und war auch sonst öfters zu ihm auf Besuch gekommen, so daß sie den Hund des Beklagten kannte. Seit 1983 betreute sie ihn auch schon einige Male während der Abwesenheit ihres Bruders, und zwar insgesamt etwa zwei Monate lang. Der Beklagte hatte weder von seiner Schwester noch von Bekannten erfahren müssen, daß der Hund während seiner Abwesenheit Schwierigkeiten machte, indem er darauf etwa gereizt oder traurig reagiert hätte. Ob der Beklagte seiner Schwester Dr.Hilde T*** den ein- bis eineinhalb Jahre vor dem prozeßgegenständlichen Hundebiß erfolgten Vorfall, bei dem der Hund des Beklagten ein anderes Kind gebissen hatte, Mitteilung machte, ist nicht feststellbar. Er gab ihr jedenfalls keine besonderen Anweisungen, wie sie sich bei der Betreuung des Hundes zu verhalten hätte, wenn dieser mit Fremden oder Kindern in Kontakt komme.

Der Kläger begehrt auf Grund der dargestellten Verletzung durch den Hund des Beklagten Schadenersatz von S 55.000 Schmerzengeld und S 20.000 Verunstaltungsentschädigung mit dem Vorbringen, der Beklagte habe die ihm als Tierhalter auferlegte erforderliche Verwahrung oder Beaufsichtigung seines Hundes vernachlässigt, weil er seine als Aufsichtsperson für den Hund bestellte Schwester nicht darüber informiert habe, daß der Hund schon einmal ein Kind gebissen habe. Die daraus sich ergebende besondere Gefährlichkeit des Hundes hätte eine sorgsamere Verwahrung im Umgang mit Kindern, wie dem Kläger, erfordert. Die verletzungsbedingten Unfallsfolgen rechtfertigten das begehrte Schmerzengeld und eine Verunstaltungsentschädigung, weil im Bereich des Unterlides beim Kläger noch immer Narben sichtbar seien, innerhalb eines wenn auch nur millimetergroßen Bereiches die Wimpern fehlten und der linke Lidspalt etwas weiter sei als der rechte, woraus sich eine bleibende Verunstaltung im Sinne des § 1326 ABGB ergebe.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, er sei passiv nicht klagslegitimiert, weil er die Aufsicht- oder Verwahrungspflicht über seinen Hund nicht vernachlässigt, sondern vielmehr seine Schwester als Aufsichtsperson für die Zeit seiner urlaubsbedingten Abwesenheit bestellt habe, die nicht als untüchtige Person anzusehen sei. Der Hund sei gutmütig und kinderfreundlich. Der Umstand, daß er bereits einmal nach einem neben ihm zu Boden gesprungenen Knaben geschnappt habe, zeige keine Gefährlichkeit des Hundes; darüber hätte er auch die als Aufsichtsperson für den Hund bestellte Schwester nicht informieren müssen. Vielmehr sei die Großmutter des Klägers, deren anderer Enkelsohn damals vom Hund gebissen worden sei, über den Vorfall hinreichend informiert gewesen, so daß sie dem Kläger entsprechende Verhaltensmaßregeln erteilen hätte müssen. Entstellende Narben beim Kläger seien jedenfalls nicht zurückgeblieben, so daß eine Verunstaltungsentschädigung nicht gerechtfertigt sei. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren in den Kapitalbeträgen samt gesetzlichen Zinsen - unter rechtskräftiger Abweisung des Zinsenmehrbegehrens - statt. Der Beklagte hafte gemäß § 1320 ABGB, weil er es unterlassen habe, seiner zur Aufsichtsperson des Hundes bestellten Schwester irgendwelche Maßregeln im Zusammenhang mit der Betreuung des Tieres zu geben, obwohl er gewußt habe, daß sein Hund bereits einmal ein Kind gebissen habe. Er habe daher den ihm obliegenden Beweis, für die erforderliche Verwahrung oder Beaufsichtigung des Tieres gesorgt zu haben, nicht erbracht. Neben dem - im Revisionsverfahren nicht mehr strittigen - Schmerzengeld sei auch der als Verunstaltungsentschädigung gemäß § 1326 ABGB geforderte Betrag von S 20.000 zuzusprechen, da wegen des äußeren Erscheinungsbildes des Klägers nicht ausgeschlossen werden könne, daß er eine Beeinträchtigung sowohl seiner beruflichen Möglichkeiten, als auch seiner Heiratsaussichten erleiden könnte. Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Nach ausführlicher Darlegung der in der Lehre und Rechtsprechung für die Tierhalterhaftung bestehenden Grundsätze erblickte es darin, daß der Beklagte seiner Schwester vom festgestellten Vorfall, wonach der Hund etwa ein bis zwei Jahre vorher einmal nach einem Kind geschnappt habe, keine Mitteilung gemacht habe, keine Verletzung der Verwahrungs- oder Aufsichtspflicht des Hundehalters. Daß ein Hund nach einer Person, die über den Zaun in seinen Garten springe, schnappe, lasse noch nicht den Schluß zu, daß bei "normalem Verhalten" (wohl von Personen oder Kindern) von diesem Hund irgendeine Gefahr für andere Personen ausgehe. Unter den für den vorliegenden Fall festgestelten Umständen seien besondere Anweisungen des Beklagten an die von ihm bestellte Aufsichtsperson - insbesondere für den konkreten Fall des Betretens des Gartens durch Personen, die den Hund bereits kannten - nicht erforderlich gewesen, sodaß darin, daß der Hund im umzäunten Garten ohne Maulkorb frei herumlaufen habe können, eine Verletzung der Pflichten des Hundehalters nach § 1320 ABGB nicht erblickt werden könne. Der Beklagte habe somit den Beweis erbracht, für die erforderliche Verwahrung und Beaufsichtigung seines Hundes während seiner Abwesenheit gesorgt zu haben; der von ihm bestellten Aufsichtsperson Dr.Hilde T*** sei kein Verschulden an der Verletzung des Klägers anzulasten, für welches der Beklagte einzustehen hätte.

Rechtliche Beurteilung

Die ao Revision des Klägers ist zulässig und berechtigt, weil das Berufungsgericht zwar nicht bei der Darstellung der in Lehre und Rechtsprechung für die Tierhalterhaftung erarbeiteten Grundsätze, aber bei der konkreten Lösung der vorliegenden erheblichen materiellrechtlichen Rechtsfrage von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist.

Gemäß § 1320 zweiter Satz ABGB ist derjenige, der ein Tier hält (für den durch das Tier verursachten Schaden) verantwortlich, wenn er nicht beweist, daß er für die erforderliche Verwahrung oder Beaufsichtigung gesorgt hatte. Der Grund dieser besonderen gesetzlichen Regelung der Tierhalterhaftung liegt in der Unberechenbarkeit des triebhaften Tierverhaltens, das auf menschliche Interessen nicht Rücksicht nimmt, so daß Tiere grundsätzlich eine besondere Gefahrenquelle darstellen, die nach der Größe und Kraft des Tieres, seiner Art und Individualität und überhaupt den besonderen Verhältnissen, in denen es sich jeweils mit Menschen oder Sachen in Kontakt befindet, im Einzelfall mehr oder weniger groß sein kann, aber eben grundsätzlich vorhanden ist (JBl 1982, 150 mwH). Dabei müssen an die Verwahrungs- und Aufsichtspflichten des Tierhalters umso strengere Anforderungen gestellt werden, je größer die durch das Tier drohenden Schadensmöglichkeiten sind. Eine wesentliche Rolle kann dabei auch spielen, ob das Tier mit vielen Menschen und darunter auch Kindern in Kontakt kommt oder kommen kann, weil Kinder durch ihre eigene Unberechenbarkeit und mangelnde Einsicht in die von einem Tier ausgehenden typischen Gefahren die Schädigungsmöglichkeit durch das Tier noch vergrößern (JBl 1982, 150; 8 Ob 564/87; 1 Ob 513/86 uam). In der Nähe von kleinen Kindern ist auch bei sonst gutmütigen oder sogenannten kinderfreundlichen Hunden für den Halter (oder Aufseher) besondere Vorsicht geboten (Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 18 zu § 1320 mwH). Die besondere Tiergefahr, die zur Normierung der strengeren Haftung Anlaß gab, liegt eben darin, daß auch gutmütige Tiere durch ihre von Trieben und Instinkten gelenkten Bewegungen und Reaktionen, die nicht durch Vernunft kontrolliert werden, Schaden stiften können (ZVR 1984/234; 1 Ob 513/86; 5 Ob 559/85 uam; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht2 II, 405).

Da der Beklagte wußte, daß sein sonst kinderfreundlicher Rauhaardackel bereits ein bis zwei Jahre vorher ein Kind, das über den Zaun kletterte und neben ihm zu Boden sprang, ins Gesicht gebissen hatte, durfte er nicht mehr davon ausgehen, der Hund werde auf ähnliches, bei Kindern nicht ausschließbares und vom Hund mit einer Schreckreaktion beantwortetes Verhalten nicht wieder mit dem Zubeißen reagieren, und das Tier sohin im Umgang mit Kindern nicht mehr ohne jede Maßnahme frei sich bewegen lassen. Der Hund hätte entweder mit einem Beißkorb versehen oder doch von Kindern ferngehalten werden müssen, die überdies vom Halter oder der von ihm bestellten Hundeaufsichtsperson entsprechend gewarnt hätten werden müssen. Nur auf diese Weise hätte der Beklagte seiner Beaufsichtigungs- und Verwahrungspflicht entsprochen. Ein derartiger Beweis ist ihm aber - entgegen der vom Berufungsgericht aus dem festgestellten Sachverhalt abgeleiteten Rechtsansicht - nach Ansicht des erkennenden Senates des Obersten Gerichtshofes nicht gelungen. Er haftet daher im Grund für die durch seinen Hund dem Kläger zugefügten Verletzungen. Auf eine Haftung der Großmutter des Klägers, die in Kenntnis des ersten Hundebisses allenfalls ihren (anderen) Enkel, den Kläger, warnen hätte können, kann der Beklagte nicht verweisen. Deren - allfällige - (Mit-)Verantwortlichkeit steht im vorliegenden Verfahren nicht zur Entscheidung.

Der vom Berufungsgericht wegen seiner zur grundsätzlichen Haftung des Beklagten als Hundehalter vertretenen, vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht nicht weiter geprüften (Berufungs-)Einwand des Beklagten gegen den Klagsanspruch auf Verunstaltungsentschädigung gemäß § 1326 ABGB ist nicht berechtigt. Zwar hat der Kläger im Verfahren erster Instanz lediglich vorgebracht, die ihm zugefügte Bißverletzung habe eine Verunstaltung seines Gesichtes im Bereich des linken Auges, nämlich am unteren Augenlid mit einer 2 mm breiten Lücke des Wimpernbewuchses und eine Vergrößerung der Lidspalte, bewirkt, und allein daraus den Ersatz von S 20.000 als Verunstaltungsentschädigung begehrt. Dem Beklagten kann nicht gefolgt werden, daß der Kläger damit seiner Behauptungspflicht im Hinblick auf den geltend gemachten Anspruch gemäß § 1326 ABGB nicht entsprochen habe. Nach ständiger Rechtsprechung dürfen an diese Behauptungspflicht nicht allzu hohe Anforderungen gestellt werden; dies gilt besonders dann, wenn sich die Behinderung des besseren Fortkommens schon nach der Lebenserfahrung von selbst als möglich erweist (ZVR 1982/114 uva). Geht man davon aus, daß der Kläger im Zeitpunkt der erlittenen Bißverletzung sechs Jahre alt war, so konnte wohl noch keineswegs konkret von der Gefahr einer künftigen Beeinträchtigung im Erwerb oder bei Heiratsaussichten gesprochen werden. Daß aber im Sinne der zutreffenden Rechtsausführungen des Erstgerichtes eine solche Gefahr durch die vorliegende und optisch sowie kosmetisch bleibende, nach allgemeiner Lebensanschauung als Verunzierung und daher auch als Verunstaltung anzusehende Abweichung des linken Augenbereiches vom Normalbild eines Gesichtes nicht ausgeschlossen werden kann, begegnet keinen Bedenken. Es muß sich nämlich bei der für eine Entschädigung nach § 1326 ABGB geforderten Beeinträchtigung nicht um eine medizinisch beurteilte Verunstaltung handeln; es genügt als Anspruchsgrundlage eine nach allgemeiner menschlicher Anschauung als wesentlich zu beurteilende Beeinträchtigung, die im vorliegenden Fall schon deshalb angenommen werden kann, weil jeder menschliche Kontakt in erster Linie über den Blickkontakt erfolgt und dabei die am Auge des Klägers verbleibende Beeinträchtigung sofort auffällt. Daß diese aber sowohl bei der Anknüpfung zwischenmenschlicher Beziehungen, die auf eine Eheschließung oder nähere Verbindung ausgerichtet sind, oder bei manchen beruflichen Voraussetzungen störend und daher beeinträchtigend sein können, kann nicht von der Hand gewiesen werden. Eine konkrete, bereits in der Vergangenheit liegende oder künftig drohende Behinderung des Fortkommens der betroffenen Person muß aber nicht feststellbar sein. Diese Darlegungen führen zur Wiederherstellung des Urteils der ersten Instanz.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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