Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Text
Entscheidungsgründe:
Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin ab 1. September 1987 eine Berufsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren und trug der beklagten Partei eine vorläufige Zahlung von monatlich S 6.000,- auf.
Es stellte fest, daß die am 30. September 1936 geborene Klägerin körperlich leichte bis fallweise mittelschwere Arbeiten verrichten kann, was bedeutet, daß annähernd drei Viertel der Arbeiten als leicht bezeichnet werden müssen. Dies infolge des psychiatrischen Befundes, der mit körperlichem Erschöpfungsgefühl einhergeht. Die Arbeiten müssen eher geistig einfacher Natur sein. Die Klägerin kann im Gehen, Stehen und Sitzen, im Freien und in geschlossenen Räumen arbeiten, starke Kälte- oder Nässeexpositionen sind jedoch zu vermeiden. Ein Achtstundentag ist nur bei monotonen, geistig einfachen Arbeiten ohne besonderen Leistungsdruck zumutbar. Nach ein bis eineinhalbstündiger Arbeit mit hohen Anforderungen an Konzentration, Auffassungsvermögen, Tempo usw. benötigt die Klägerin eine Ruhepause von 20 Minuten. Das Heben und Tragen von Lasten ist von 5 kg bis 8 kg zumutbar, gelegentlich von zwischen 12 kg und 15 kg. Arbeiten in Hockstellung sowie häufiges in die Hocke gehen ist nicht möglich. Der Anmarschweg zur Arbeitsstätte soll 1 km Gehstrecke nicht übersteigen, mit großer Wahrscheinlichkeit besteht das jetztige Krankheitsbild mindestens seit Jahresmitte 1987. Die Klägerin leidet an einer depressiven Verstimmung des körperlichen Rückbildungsalters, das Ausmaß einer Psychose ist nahezu erreicht. Die Klägerin hat Volksschulausbildung, daran anschließend arbeitete sie als Hausgehilfin, Küchenhilfe und Serviererin. Seit 1959 bis zur Schließung des Betriebes im Jahre 1987 war sie in der Fleischhauerei ihres Mannes als angelernte Verkäuferin tätig. Diese Verkaufstätigkeit kann die Klägerin nicht mehr ausüben. Als Verweisungsberuf für eine angelernte Verkäuferin kommen einfache kaufmännische Tätigkeiten in Betracht wie Büro- und Kanzleihilfstätigkeiten oder Kassierin in Sportstätten, Kinos udgl. Bei beiden der genannten Tätigkeiten sind jedoch länger andauernde Konzentrationsleistungen notwendig (genaues Übertragen von Zahlen, Umgang mit Geld). Fallweise sind auch höhere Tempoanforderungen zu erwarten (Terminarbeiten, starker Kundenandrang). Bei den genannten Arbeitsbedingungen würde die Klägerin zusätzliche Ruhepausen benötigen, die ein Ausmaß annehmen, das von einem Arbeitgeber nur unter besonderem Entgegenkommen akzeptiert werden könnte. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ist die Klägerin nicht mehr einsetzbar. Die genannten Verweisungstätigkeiten sind fallweise mit höheren Tempoanforderungen sowie Konzentration verbunden, insbesondere kommt es im Kassierinnenberuf bei Sportstätten oder in Museen fallweise vor, daß Zusammenrechnungsarbeiten und Abrechnungsarbeiten gemacht werden müssen. Bei Sportveranstaltungen, bei Gruppenbesuchen in Museen tritt verstärkter Zeitdruck zusammen mit Konzentrationsanforderungen auf, da zahlreiche Eintrittskarten innerhalb kürzester Zeit ausgegeben und abkassiert werden müssen. Im Büro- und Kanzleihilfsdienst müßte die Klägerin nach dem medizinischen Leistungskalkül zwei Drittel der Arbeitszeit sitzen können, es kommen daher nur Tätigkeiten in Frage, die in sitzender Weise verrichtet werden, also überwiegend Schreib- und Kalkulierarbeiten. Dabei sind größere Konzentrationsanforderungen gegeben. Kalkulationsarbeiten im Büro sind eher monoton, aber mit hoher Konzentrationsanforderung verbunden, da über einen Achtstundentag hindurch Daten mit Genauigkeit und besonderer Sorgfalt übertragen werden müssen. Auch diese Berufe kann die Klägerin nicht mehr ausüben.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt dahin, daß der bisher von der Klägerin ausgeübte Beruf wegen starker Steh-, Hebe- und Tragebelastungen ausscheide. Auf Grund des stark eingeschränkten, geistig-psychischen Leistungskalküls seien ihr auch die vom berufskundlichen Sachverständigen genannten Verweisungsberufe als Kassierin bzw. Angestellte im einfachen Bürobetrieb nicht mehr zumutbar, da hier Konzentrationsbelastungen auftreten, denen die Klägerin gesundheitlich nicht mehr gewachsen sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei keine Folge. Es billigte die auf den Ausführungen des berufskundlichen Sachverständigen beruhenden Feststellungen über die mit den genannten Verweisungsberufen verbundenen körperlichen und insbesondere geistig-psychischen Anforderungen, übernahm die Feststellungen und teilte auch die Rechtsansicht des Erstgerichtes. Der wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Revision der beklagten Partei kommt keine Berechtigung zu.
Soweit die beklagte Partei ausführt, es sei nicht ausreichend geklärt worden, wie lange (durch welche Zeitspannen eines Arbeitstages) hohe Anforderungen an Tempo, Konzentration und Auffassungsvermögen in den einzelnen Verweisungsberufen einer Kassierin oder Bürohilfskraft gestellt werden, ist auf die Feststellungen zu verweisen, daß die Klägerin bei den Arbeitsbedingungen einer Büro- und Kanzleihilfskraft und auch bei Kassierinnentätigkeiten zusätzliche Ruhepausen benötigen würde, die ein Ausmaß annehmen, das von Arbeitgebern nur unter besonderem Entgegenkommen akzeptiert wird. Die Frage aber, ob diese Feststellungen auf einem mangelhaften Verfahren beruhen, kann mit Revision nicht mehr bekämpft werden.
Rechtliche Beurteilung
Unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung bekämpft die beklagte Partei im wesentlichen lediglich die schon in der Berufung als unrichtig gerügten, vom Erstgericht festgestellten und vom Berufungsgericht im vorliegenden Fall als unbedenklich übernommenen körperlichen und geistig-psychischen Anforderungen in den für die Klägerin in Frage kommenden Verweisungsberufen. Bedienen sich die Tatsacheninstanzen zur Lösung der Frage, auf welche Tätigkeiten ein Versicherter verwiesen werden darf, eines berufskundlichen Sachverständigen der, wie hier, diese Anforderungen darlegt und legen sie ein solches Gutachten ihren Feststellungen als unbedenklich zugrunde, so stellt, wenn das Gutachten nicht gegen zwingende Denkgesetze oder zwingende Gesetze des sprachlichen Ausdruckes verstößt, dessen Bekämpfung den irrevisiblen Anfechtungsgrund der unrichtigen Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung dar (SSV-NF 2/74, 10 Ob S 40/89). Ein solcher Verstoß liegt aber hier nicht vor.
Mangels einer für die Klägerin in Betracht kommenden Verweisungstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt haben die Vorinstanzen zu Recht die Berufsunfähigkeit der Klägerin bejaht. Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
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