OGH 6Ob691/89

OGH6Ob691/8918.1.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Schlosser, Dr. Redl und Dr. Kellner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann T***, Landwirt, 8045 Graz, Rotmoosweg 3, vertreten durch Dr. Michael Nierhaus, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Rudolf B***, Kaufmann, 8045 Graz, Andritzer Reichsstraße 32 a, vertreten durch Dr. Alois Ruschitzger, Rechtsanwalt in Graz, und dem der beklagten Partei beigetretenen Nebenintervenienten Bruno L***, Pensionist, 8045 Graz, Stattegger Straße 32, vertreten durch Dr. Norbert Scherbaum, Rechtsanwalt in Graz, wegen 372.593,35 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Berufungsgerichtes vom 29. März 1989, GZ 3 R 39/89-67, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 31. Oktober 1988, GZ 8 C 101/86-53, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei sowie dem auf ihrer Seite beigetretenen Nebenintervenienten die mit je 13.602,60 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten je 2.267,10 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist grundbücherlicher Alleineigentümer der Liegenschaften EZ 193 (bestehend aus dem Grundstück 772/7) und EZ 9 (bestehend aus dem Grundstück 137) KG Andritz. Klementine L*** (zur Hälfte) und Christine L*** sowie der Nebenintervenient (zu je einem Viertel) sind grundbücherliche Eigentümer der Liegenschaft EZ 192 KG Andritz, bestehend aus den Grundstücken 772/4 und 209. Der Kläger schloß am 18.12.1974 mit dem Beklagten eine schriftliche "Vereinbarung", deren Punkt I wie folgt lautete:

"Herr T*** als grundbücherlicher Eigentümer des Grundstückes 772/7, KG Andrit, bewilligt dem Pächter des Geschäftes L***, Herrn Rudolf B***, 8045 Graz-Andritz, Reichsstraße 32 A, oder dessen Rechtsnachfolger, den Weg vom Grundstück T***, Grundstück Nr.772/7, zur Stattegger Straße (Andritzbachbrücke) über die Breite des Geschäftsgebäudes hinweg, uneingschränkt zu benützen."

Die Vereinbarung sollte "zu Gunsten von Herrn Rudolf B***" am 1.Jänner 1975 beginnen und auf die Dauer von 20 Jahren abgeschlossen werden. In den Punkten II bis IV dieses Vertrages wurde ein wertgesichertes "monatliches Entgelt von 2.000,- S + MWSt." vereinbart. In Punkt VI des Vertrages verpflichtete sich der Beklagte, "den Weg im Bereich des Grundstückes 772/7 pfleglich zu behandeln...." und "an der Andritzbachbrücke und am westlichen Ende des" von ihm "benützten Geschäftsgebäudes je eine Türe zu errichten, die verhindern, daß Unbefugte das Grundstück des Herrn T*** und die Brücke betreten können."

Mit seiner am 22.3.1984 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrte der Kläger vom Beklagten unter Berufung auf den "Mietvertrag" vom 18.12.1974 nach mehrmaliger Ausdehnung des Begehrens letztlich die Zahlung von 372.593,35 S sA als ausständige Mietzinse für die Zeit vom März 1983 bis einschließlich Mai 1988 sowie als sich aus der Wertsicherung ergebende Steigerungsbeträge für die Zeit vom Jänner 1982 bis März 1988. Der Kläger brachte vor, er sei grundbücherlicher Eigentümer des an den Beklagten vermieteten Weges, weil dieser ein Teil des ihm gehörigen Grundstückes 772/7 sei. Jedenfalls habe er diesen Teil des Grundstückes so wie seine Vormänner seit mehr als 30 Jahren wie Eigentum genutzt, sodaß er das Eigentumsrecht ersessen habe. Sollte der Kläger aber nicht Eigentümer des vermieteten Weges sein, so hätten die Parteien den Mietvertrag doch in Kenntnis des Umstandes geschlossen, daß dem Kläger daran ein Nutzungsrecht zustehe. Das Klagebegehren werde daher allenfalls auch als Nutzungsentgelt oder Nutzungsentschädigung geltend gemacht bzw auf "sämtliche anderen in Frage kommenden Rechtsstandpunkte gestützt" (ON 28 AS 200).

Der Beklagte hielt dem entgegen, er habe die Vereinbarung vom 18.12.1974 mit dem Kläger nur deshalb abgeschlossen, weil er bereits vom Nebenintervenienten die durch den gegenständlichen Weg getrennten Grundstücke 772/4 und 209 als Parkfläche und zum Betrieb eines A***-Marktes angemietet habe. Der Kläger habe ihn bei Abschluß des Vertrages in Irrtum geführt, weil der Weg nie in dessen Eigentum gestanden sei, sondern zum Grundstück 209 gehöre. Dennoch habe der Kläger ausdrücklich erklärt, daß der Weg ihm gehöre. Wenn dem Beklagten der wahre Sachverhalt bekannt gewesen wäre, so hätte er die Vereinbarung nicht getroffen. Nachdem er Kenntnis von den wahren Eigentumsverhältnissen erhalten habe, sei er mit Schreiben des Beklagtenvertreters vom 21.4.1983 vom Vertrag zurückgetreten. Als Nichteigentümer könne der Kläger die von ihm versprochene Leistung (Wegbenützung) gar nicht erbringen. Damit sei jedenfalls auch die Geschäftsgrundlage des Mietvertrages weggefallen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren auch im zweiten Rechtsgang ab. Es traf noch folgende wesentliche Feststellungen, wobei deren Wiedergabe bereits den Umstand berücksichtigt, daß sie später vom Berufungsgericht nicht zur Gänze übernommen worden sind (die Vorinstanzen gingen dabei jedenfalls stillschweigend davon aus, daß sämtliche festgestellten rechtsgeschäftlichen Verfügungen über die jeweiligen Grundstücke bzw Grundflächen jeweils auch Gegenstand von nachfolgenden entsprechenden Grundbuchseintragungen waren):

Mit Kaufvertrag vom 19.7.1891 hatte Stefan H*** von der Gemeinde Andritz die bisher dem öffentlichen Gut zugehörigen und durch die Planskizze vom 22.12.1890 geschaffenen Grundstücke 772/5 und 772/6 erworben (Beilage 9).

Mit Teilungsplan vom 13.9.1891 war das Grundstück 772/6 in dieses und das Grundstück 772/7 mit der Baufläche 137 (Kapelle) geteilt worden. Dabei war an der Nordseite der Kapelle ein 3 m breiter Grundstücksstreifen entstanden.

Mit Kaufvertrag vom 2.7.1892 hatte Stefan H*** die Liegenschaft EZ 192, ausgenommen das Grundstück 772/7 und die Bauparzelle 137, an Alois H*** verkauft. Mit Übergabsvertrag vom 5.7.1902 war das Grundstück 772/7 mit der Baufläche 137 von Stefan H*** den Eheleuten Theresia und Johann T*** übertragen worden, wobei im § 6 dieses Vertrages auch eine an das Grundstück angrenzende Wegparzelle (offenbar gemeint: als Übergabsgegenstand) aufscheint.

Am 19.6.1914 hatten Theresia und Johann T*** mit Maria F*** (als damalige grundbücherliche Eigentümerin des Grundstückes 772/5 = nunmehr 209: Beilage 12) einen Tauschvertrag abgeschlossen, mit dem letztere dem Ehepaar T*** den 3 m breiten Grundstücksstreifen nördlich der Baufläche 137 übertragen und dafür im Tauschwege die erwähnte, bisher zum Grundstück 772/7 gehörige Wegparzelle erhalten hatte (Beilage 12; demgegenüber sind die Feststellungen der Vorinstanzen insoferne mißverständlich formuliert, als die genannte Wegparzelle "mit dem Grundstück 772/7 einverleibt und dafür der Grundstücksstreifen von 3 m Breite nördlich der Baufläche 137 abgetreten" worden wäre). Zur gleichen Zeit waren auf dem angrenzenden Grundstück 772/6 unter Änderung seiner Grundstücksnummer auf 209 (Baufläche) Bauwerke errichtet worden, so auch an der Ostseite des Grundstückes 772/7 ein - später immer wieder in Richtung Bachrand (Grundstück 773)

erweitertes - Bauwerk, wobei südlich zum angrenzenden Grundstück 772/4 (nur) ein schmaler Grundstücksstreifen (das ist die erwähnte abgetauschte "Wegparzelle", der im vorliegenden Rechtsstreit strittige Weg) unverbaut geblieben war. Dieser Grundstücksstreifen war im Zuge einer Neuvermessung der Katastralgemeinde Andritz im Jahre 1924 in der neu angelegten Katastralmappe irrtümlich mit dem Grundstück 772/7 verbunden worden. Erst nach einer Intervention des Nebenintervenienten und einer darauf folgenden Begehung in der Natur ist der Mappenzustand (im Jahre 1983) wieder richtig gestellt worden. Der somit zum Grundstück 209 gehörende Weg verläuft von einem Steg über den Andritzbach in nordwestlicher Richtung zum Grundstück 772/7 des Klägers. Im Norden ist er durch das bereits genannte Bauwerk begrenzt. An seinem Südrand befand sich ehemals ein Holzzaun mit einer Türe zum Grundstück 772/4, um so vom Grundstück 209 in den Gemüsegarten des Grundstückes 772/4 gelangen zu können, wo auch Wäsche aufgehängt wurde. Der Weg wurde auch immer vom Nebenintervenienten und von dessen Angestellten verwendet, insbesondere um Waren vom Gemüsegarten in das anliegende Geschäft zu bringen. Er wurde weiters vom Kläger und den Voreigentümern des Grundstückes 772/7 sowie allgemein auch von anderen Personen benützt, um zu einem am Andritzbach gelegenen Waschplatz zu gelangen. Ein Wegbenützungsverbot ist gegenüber niemandem ausgesprochen worden. Der Weg wurde vom Kläger und den Voreigentümern des Grundstückes 772/7 gepflegt, aufgeschottert und hergerichtet, insbesondere vor Prozessionen. Er wurde jedoch auch vom Nebenintervenienten und von dessen Angestellten "geputzt". Die Grundstücke 772/4 und 209 sind vom Nebenintervenienten an den Beklagten verpachtet worden. Johann K***, der Geschäftsführer der A***-Graz, war mit der Planung und Errichtung des Geschäftes des Beklagten betraut. Er vermittelte und verfaßte auch den zwischen den Streitteilen geschlossenen "Mietvertrag". Da sowohl der Nebenintervenient als auch der Kläger Eigentum am gegenständlichen Weg behauptet hatten, nahm Johann K*** Kontakt zum Kläger auf. Eine Überprüfung der Eigentumsverhältnisse fand jedoch nicht statt. Johann K*** und dem Beklagten erschien nur wesentlich, daß letzterer eine Genehmigung zur Wegbenützung erhalte. Anläßlich der Unterzeichnung des Mietvertrages am 18.12.1974 fragte der Beklagte den Kläger aber ausdrücklich, ob dieser der Eigentümer sei. Die Frage wurde vom Kläger bejaht. Der Beklagte schloß den Vertrag unter der Voraussetzung, daß der Kläger grundbücherlicher Eigentümer sei. Hätte der Kläger gesagt, daß er (nur) außerbücherlicher oder Ersitzungseigentümer sei oder ein Benützungsrecht hinsichtlich des Wegstreifens habe, hätte der Beklagte den Vertrag nicht geschlossen.

Nach Vertragsabschluß entfernte der Beklagte ohne Beanstandung den an der Südseite des Weges verlaufenden Holzzaun. Er errichtete auch an beiden Wegenden je eine Eisentüre und händigte die Schlüssel hiezu dem Kläger aus.

Mit Schreiben vom 21.4.1983 erklärte der Beklagte dem Kläger den "Rücktritt" vom Vertrag. Dieses Schreiben ging dem Kläger jedoch nicht zu.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht die Vereinbarung vom 18.12.1974 als Bestandvertrag. Es führte aus, der Kläger sei weder grundbücherlicher Eigentümer des Bestandgegenstandes noch habe er daran mangels einer andere Personen ausschließenden Besitzausübung Eigentum ersessen. Die Feldskizze aus dem Jahre 1924 habe den Weg nur irrtümlich dem Grundstück 772/7 zugeordnet. Der Kläger habe lediglich ein - grundsätzlich vermietbares - Wegerecht ersessen. Darauf komme es aber im vorliegenden Fall nicht an, weil einerseits auch bei mangelnder Berechtigung des Bestandgebers an der Sache inter partes ein wirksamer Bestandvertrag zustande komme, und andererseits die Parteien bei Vertragsabschluß vom Eigentum des Klägers an der Bestandsache ausgegangen seien. Der Beklagte habe sich daher in einem wesentlichen Irrtum befunden, der auch kausal gewesen und vom Kläger veranlaßt worden sei. Dennoch sei eine Irrtumsanfechtung wegen Ablaufes der dreijährigen Verjährungsfrist ausgeschlossen. Es komme aber der vom Beklagten hilfsweise geltend gemachte Wegfall der Geschäftsgrundlage zum Tragen, für den eine dreißigjährige Verjährungsfrist gelte. Der Vertrag sei nur unter der Voraussetzung der Eigentümereigenschaft des Klägers geschlossen worden, weil ansonsten der Weg bereits von dem zwischen dem Beklagten und dem Nebenintervenienten abgeschlossenen Pachtvertrag mitumfaßt gewesen wäre. Der Mietvertrag vom 18.12.1974 habe daher keine Rechtswirkungen ausgelöst.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes in der oben wiedergegebenen Fassung als Ergebnis eines mangelfreien Verfahrens und einer unbedenklichen Beweiswürdigung. Das Berufungsgericht billigte auch die Rechtsansicht des Erstgerichtes, wonach sich der Beklagte bei Abschluß des Vertrages vom 18.12.1974 in einem wesentlichen, vom Kläger veranlaßten Irrtum über dessen zugesagte Eigenschaft als grundbücherlicher Eigentümer des Bestandgegenstandes befunden habe. Das Berufungsgericht führte aus, darauf, ob der Kläger allenfalls das Eigentum am Bestandobjekt ersessen habe, komme es im Hinblick auf die Feststellung, daß mit ihm auch in diesem Falle nicht kontrahiert worden wäre, nicht mehr an. Im übrigen scheitere eine derartige Ersitzung des Eigentumsrechtes am Weg schon am mangelnden Alleinbesitz des Klägers und seiner Rechtsvorgänger während der gesamten Ersitzungszeit. Das Erstgericht habe aber zu Unrecht von Amts wegen auf die Verjährung des Rechtes zur Irrtumsanfechtung Bedacht genommen. Auch bei einem Dauerschuldverhältnis sei eine Irrtumsanfechtung nicht ausgeschlossen. Wenn auch die Frage, ob eine Irrtumsanfechtung bei einem Dauerschuldverhältnis, das bereits zum Teil verwirklicht worden sei, auf den Vertragsabschluß zurückwirke oder den Vertrag ex nunc auflöse, in der Rechtsprechung nicht einheitlich gelöst werde, so sei doch im vorliegenden Fall nicht zu erkennen, weshalb durch eine Vertragsaufhebung ex tunc die im § 877 ABGB normierte Erstattungspflicht Schwierigkeiten begegnen sollte. Die erfolgreiche Irrtumsanfechtung des Beklagten habe daher die rückwirkende Aufhebung des Vertrages vom 18.12.1974 zur Folge und stehe bereits der Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung des Mietzinses entgegen.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers aus den Anfechtungsgründen des § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO mit dem Antrag auf Abänderung des Urteiles im Sinne einer gänzlichen Klagsstattgebung, hilfsweise auf dessen Aufhebung. Der Beklagte und der Nebenintervenient stellen den Antrag, dem Rechtsmittel des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Soweit der Rechtsmittelwerber mit seiner Mängelrüge nicht überhaupt in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung der Vorinstanzen angreift oder Verfahrensmängel erster Instanz behauptet, die das Berufungsgericht bereits nicht als solche erkannt hat, liegt die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Der Kläger übersieht auch, daß sein Unterbrechungsantrag bereits mit Beschluß des Erstgerichtes vom 10.12.1985, ON 22, abgewiesen worden ist (§ 192 Abs 2 ZPO). In seiner Rechtsrüge beharrt der Kläger im wesentlichen darauf, daß er Eigentümer des in Rede stehenden Weges sei, weil das Vermessungsamt keine neuen Eigentumsverhältnisse schaffen könne; jedenfalls hätten aber er und seine "Voreigentümer" daran den Alleinbesitz während der Ersitzungszeit ausgeübt. Im übrigen könne eine erfolgreiche Irrtumsanfechtung bei einem bereits zum Teil verwirklichten Dauerschuldverhältnis nicht zu dessen rückwirkender Auflösung führen. Dem ist jedoch folgendes entgegenzuhalten:

Der Rechtsmittelwerber zieht die zutreffende Ansicht der Vorinstanzen, wonach im vorliegenden Fall in Bezug auf die in Betracht kommenden Grundstücke seit dem Jahre 1891 stets nur derivative Eigentumserwerbungsakte statgefunden haben, nicht in Zweifel. Gemäß den §§ 431, 440 ABGB ist für den derivativen Erwerb des Eigentums an Grundstücken unter Lebenden die Eintragung des Erwerbsgeschäftes in das Grundbuch erforderlich. Der Titel allein ergibt kein dingliches Recht, sondern nur einen obligatorischen Anspruch (SZ 59/145 mwN). Das bedeutet, daß weder der bloße Titel verbunden mit der Einräumung des faktischen Besitzes noch die bloße Eintragung jeweils für sich allein Eigentum verschaffen können (SZ 58/177; BankArch.1988, 401 ua). Wenn daher auf Grund des Tauschvertrages vom 19.6.1914, abgeschlossen zwischen den damaligen Eigentümern der Grundstücke 772/7 und 209, die in Rede stehende Wegparzelle an die Eigentümerin des Grundstückes 209 übertragen und dieses Erwerbsgeschäft nach den Feststellungen auch grundbücherlich durchgeführt worden ist, so befindet sich dieser Grundstücksteil im bücherlichen Eigentum der durch eine ununterbrochene Kette von (verbücherten) Erwerbsgeschäften ausgewiesenen Miteigentümer der Liegenschaft EZ 192 KG Andritz und nicht des Klägers. An diesem Ergebnis vermögen auch die festgestellten Ersichtlichmachungen in der Katastralmappe nichts zu ändern. Alle diese Grundstücke können noch nicht im Grenzkataster gemäß dem Vermessungsgesetz BGBl. Nr.306/1968 eingetragen sein, weil ansonsten die Führung des gegenständlichen Rechtsstreites überhaupt sinnlos gewesen wäre (§§ 49, 50 VermG). Nach § 3 AGAG dient aber außerhalb des Geltungsbereiches des Vermessungsgesetzes die Mappe lediglich zur Veranschaulichung der Lage einer Liegenschaft. Die Grundbuchsmappe macht daher keinen Beweis über das Eigentum an Grundstücken oder über deren Größe und Grenzen (Koziol-Welser, Grundriß8, II, 95; SZ 60/2 mwN).

Der Kläger hat aber entgegen seiner Meinung das Eigentumsrecht am strittigen Weg auch nicht durch Ersitzung originär erworben. Hiezu wäre sein Sachbesitz (bzw derjenige seiner Vormänner), und zwar Alleinbesitz am Weggrundstreifen in der Form, daß er anderen Besitz ausschließt, ununterbrochen durch mindestens 30 Jahre hindurch (§ 1468 ABGB) erforderlich gewesen. Als typische Art der Ausübung des Sachbesitzes kommen dabei das Betreten, das Verrainen, die Einzäunung, die Bezeichnung oder Bearbeitung (§ 312 ABGB) in Frage, also eine solche, die die volle Zugehörigkeit der Sache zum Ausübenden sichtbar zum Ausdruck bringt (Schubert in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 1460 mwN). Bei einem Weg wäre daher dessen Absperrung oder entsprechende Bezeichnung erforderlich, sodaß andere von dessen Benützung ausgeschlossen oder doch darauf hingewiesen werden, daß sie diesen nur durch Zustimmung des Berechtigten benützen. Die bloße Pflege des Weges und dessen Aufschotterung bringt die Inanspruchnahme als Eigentümer noch nicht sinnfällig zum Ausdruck, weil solches auch dem aus einer Wegservitut Berechtigten obliegt. Das muß im vorliegenden Fall umso mehr gelten, als nach den Feststellungen der Weg auch vom Nebenintervenienten und von dessen Angestellten "geputzt" worden ist. Der Kläger und seine Rechtsvorgänger im Eigentum am Grundstück 772/7 haben niemals ein Verbot der Wegbenützung anderen gegenüber ausgesprochen. Vielmehr ist der Weg nicht nur von ihnen, sondern allgemein auch von anderen Personen, insbesondere aber vom Nebenintervenienten und von dessen Angestellten, benützt worden.

Ob der Kläger allenfalls eine Wegedienstbarkeit ersessen hat, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, weil er dem Beklagten die uneingeschränkte Wegbenützung gegen Entgelt nicht in dieser Eigenschaft, sondern als grundbücherlicher Eigentümer des Weges eingeräumt hat. Da der Beklagte mit den Eigentümern der Grundstücke 772/4 und 209 (und damit auch des Weges) bereits einen Pachtvertrag abgeschlossen hatte, hätte er nach den Feststellungen mit dem Kläger als bloßen Dienstbarkeitsberechtigten keinen Bestandvertrag mehr abgeschlossen. Ihm war im Hinblick auf die divergierenden Behauptungen über die Eigentumsverhältnisse am Weg wesentlich, daß ihm ein obligatorisches Benützungsrecht durch den wirklich dazu Berechtigten eingeräumt wird. Wenn daher der Kläger die ihm bei Vertragsabschluß vom Beklagten gestellte ausdrückliche Frage dahin beantwortet hat, daß er Eigentümer des Weges sei und dies auch in die Vereinbarung vom 18.12.1974 Aufnahme gefunden hat, so handelt es sich hier um eine für das Geschäft bedeutsame Eigenschaft des Geschäftspartners und damit um einen wesentlichen Geschäftsirrtum (vgl. Koziol-Welser, Grundriß8, I, 117), den der Kläger beim Beklagten veranlaßt hat. Dieser hätte nach den Feststellungen bei Kenntnis der wahren Sachlage den Bestandvertrag mit dem Kläger nicht abgeschlossen.

Nach ständiger Rechtsprechung ist die Irrtumsanfechtung durch Klage oder Einrede geltend zu machen (Rummel in Rummel, ABGB Rz 19 zu § 871; Schwimann/Apathy, ABGB, IV/I, Rz 15 zu § 871 mwN). Auch die bei einem Bestandvertrag als Dauerschuldverhältnis durch die §§ 1117 und 1118 ABGB eröffnete Möglichkeit der vorzeitigen Vertragsauflösung schließt einen Irrtumseinwand nach § 871 ABGB nicht aus. Während aber eine erfolgreiche Irrtumsanfechtung regelmäßig zur Aufhebung des Vertrages ex tunc führt, sollen bereits begonnene Dauerschuldverhältnisse im allgemeinen nicht rückwirkend aufgelöst werden können. Die Gründe, die bei Umsatzgeschäften zur Anfechtung wegen List oder Irrtum berechtigen, sollen aber als Vertragslösungsgründe herangezogen werden können (Gschnitzer in Klang2, IV/1, 137; Koziol-Welser, aaO, 124; SZ 35/120; MietSlg. 31.084, 34.131 ua). Dem liegt der Gedanke zugrunde, daß bei Dauerschuldverhältnissen eine Rückabwicklung außerordentlich schwierig ist und eine Anfechtung ex tunc auch in Rechte Dritter eingreifen und dadurch die Verkehrssicherheit beeinträchtigt werden könnte, was insbesondere für Gesellschaftsverträge anerkannt ist (Gschnitzer, aaO). Schon die Entscheidung MietSlg.23.071 lehnte aber diese Auffassung für Bestandverträge ab und gewährte eine rückwirkende Anfechtung, da eine Schwierigkeit der Rückabwicklung nicht gegeben sei. Gegenteilig wurde jedoch in der Entscheidung MietSlg.31.084 entschieden (Rummel, aaO Rz 24 zu § 871). Demgegenüber wurde in der Entscheidung MietSlg.35.089 wiederum die Rückwirkung der erfolgreichen Irrtumsanfechtung bei einem Bstandvertrag bejaht. Desgleichen ging die Entscheidung MietSlg.33.096 bei einem Leasingvertrag ohne weiteres von einer Rückwirkung der Anfechtung aus (Schwimann/Apathy, aaO, Rz 16 zu § 871). Die Frage muß hier für bereits in das Erfüllungsstadium getretene Bestandverträge nicht grundsätzlich entschieden werden (für rückwirkende Auflösung des Vertrages bei erfolgreicher Irrtumsanfechtung: Gschnitzer, aaO; Koziol-Welser, aaO, 124; Mayer-Maly in Münchener Kommentar § 142 BGB Anm.15). Das Berufungsgericht hat nämlich bereits zutreffend erkannt; daß jedenfalls unter den hier gegebenen besonderen Umständen keinerlei größere Schwierigkeiten bei der Rückabwicklung des Bestandvertrages auftreten können. Etwaige Rückabwicklungsansprüche sind auch gar nicht Gegenstand des Verfahrens. Ebensonwenig wird im vorliegenden Fall durch die Anfechtung ex tunc in die Rechte Dritter eingegriffen, weil der Beklagte mit einem der wahren Miteigentümer des Weges bereits einen Bestandvertrag abgeschlossen hat und sein diesbezüglicher Vertragspartner dem Rechtsstreit sogar auf seiner Seite als Nebenintervenient beigetreten ist.

Da somit im vorliegenden Fall durch die erfolgreiche Irrtumsanfechtung des Beklagten der die Grundlage des Zahlungsbegehrens bildende Bestandvertrag mit Wirkung ex tunc erloschen ist, erweist sich die Klagsabweisung bereits als berechtigt. Der Revision mußte deshalb ein Erfolg versagt bleiben. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Streitgenossenzuschlages an den Nebenintervenienten liegen nicht vor. Nebenintervenient und Beklagter sind nicht durch denselben Rechtsanwalt vertreten.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte