Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Das Erstgericht wies das Begehren des Klägers auf Gewährung einer Invaliditätspension ab. Es traf im wesentlichen folgende Feststellungen:
Der Kläger erlitt am 5. August 1975 während seiner Tätigkeit als Hilfsarbeiter bei der Firma E*** UND S*** AG einen Arbeitsunfall und wurde mit Hirnprellung und einer kleinen Rißquetschwunde am Hinterhauptbein in das Arbeiterunfallkrankenhaus eingeliefert. Mit Bescheid vom 19. November 1975 gewährte die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt dem Kläger bis auf weiteres eine Versehrtenrente von 20 v.H. der Vollrente. Als für diese Entschädigung maßgebende Verletzungsfolgen wurden dabei ein posttraumatisches Psychosyndrom sowie Restbeschwerden nach einer Kopfverletzung festgestellt. Mit Bescheid vom 8. Juni 1977 wurde die bisher vorläufige Rente in Form einer Dauerrente im Ausmaß von 20 v.H. der Vollrente weiterhin zugesprochen. Mit Bescheid vom 16. Juli 1981 wurde dem Kläger die Versehrtenrente zur Gänze mit einem Betrag von S 134.101,80 abgefunden.
Aus neurologischer Sicht findet sich beim Kläger ein beginnender zerebraler Gefäßprozeß und ein leichtes organisches Psychosyndrom sowie ein Zustand nach Schädelhirntrauma derzeit ohne neurologische Ausfälle und ohne Herdzeichen im EEG. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß die neurologischen Beschwerden und das daraus resultierende Kalkül als unfallkausal anzusehen sind. Rein neurologisch kann der Kläger noch leichte und mittelschwere Arbeiten in der normalen Arbeitszeit mit den üblichen Pausen verrichten. Arbeiten unter dauerndem besonderen Zeitdruck, an exponierten Stellen (bei Glaubhaftigkeit der Anfälle) und Feinarbeiten sind ausgeschlossen. Der Kläger ist für einfache Arbeiten unterweisbar und kann eingeordnet werden.
Unter Berücksichtigung sämtlicher medizinischer Teilgutachten sind dem Kläger noch alle leichten und halbzeitig mittelschweren körperlichen Arbeiten in der normalen Arbeitszeit unter Einhaltung der üblichen Pausen zumutbar. Auszuschließen sind Arbeiten in Kühlhäusern sowie in ständiger Staub- und Reizgasatmosphäre sowie Arbeiten in ständigem Gehen und Stehen. Diese Arbeiten sind nur zur Hälfte in nicht geschlossener Folge möglich. Band- und Akkordarbeiten scheiden aus. Darüber hinaus können nur Arbeiten geleistet werden, bei denen ein Gehör für die Umgangssprache von fünf bis sechs Metern genügt. Arbeiten unter besonderem dauerndem Zeitdruck und bei Glaubhaftigkeit der Anfälle an exponierten Stellen sind nicht möglich. Der Kläger ist für einfache Arbeiten unterweisbar die Fingerfertigkeit ist außer für Feinarbeiten erhalten. Dieser Zustand besteht seit Antragstellung, eine gegenseitige Potenzierung der Leidenszustände liegt nicht vor. Dem Kläger sind noch einfache Kontrollarbeiten in Fertigungskontrollabteilungen zuzumuten, weiters Tätigkeiten als Portier, Betriebs- oder Bauplatzwächter und Lagerplatzaufseher. Der Kläger hat keinen Beruf erlernt. Innerhalb der letzten 15 Jahre vor Antragstellung war er als Hilfsarbeiter beschäftigt. Der Kläger hat in Jugoslawien keine Versicherungszeiten erworben. In Österreich, im Zeitraum von Februar 1971 bis Dezember 1976 71 Monate an Pflichtversicherung sowie im Zeitraum Jänner bis Februar 1977 2 Monate Ersatzzeit.
Rechtlich führte das Erstgericht aus, der Kläger habe die Wartezeit nicht erfüllt. Das Erfordernis der Wartezeit entfalle zwar, wenn der Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit als Folge eines Arbeitsunfalles eingetreten sei. Es könne wohl nicht ausgeschlossen werden, daß die neurologischen Beschwerden des Klägers als unfallkausal anzusehen seien, doch ergebe das neurologische Kalkül weder für sich allein noch im Zusammenhalt mit den übrigen medizinischen Einschränkungen die Arbeitsunfähigkeit des Klägers.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge. Es verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln und übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes. Daß der Kläger nicht durch einen Sachverständigen für Augenheilkunde untersucht worden sei, obwohl er gegenüber dem internistischen Sachverständigen über schlechte Sehvermögen geklagt habe, begründe im Hinblick auf die besondere Lagerung des gegenständlichen Falles keinen Verfahrensmangel. Der Kläger habe nämlich das allgemeine Erfordernis der Wartezeit nicht erfüllt. Nur die Unfallkausalität der in das neurologische Fachgebiet fallenden Beschwerden liege im Bereich der Möglichkeit, diese begründeten aber keine Invalidität, weil der Kläger aus neurologischer Sicht leichte und mittelschwere Arbeiten leisten könne und nur besonderer Zeitdruck und allenfalls exponierte Stellen auszuschließen seien. Der Kläger habe aber durch den Arbeitsunfall keine in den augenärztlichen Bereich fallenden Verletzungsfolgen erlitten. Selbst wenn es daher zuträfe, daß der Kläger ein schlechtes Sehvermögen habe, könnte dieser Umstand doch mangels Unfallkausalität nicht zum Entfall des Erfordernisses der Wartezeit führen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt.
Soweit der Kläger in der Revision schon in der Berufung geltend gemachte Verfahrensmängel erster Instanz - es liege kein ausreichendes zusammenfassendes Gutachten vor - rügt, ist er darauf zu verweisen, daß das Berufungsgericht diesen angeblichen Verfahrensmangel bereits verneint hat, er daher mit Revision nicht mehr geltend gemacht werden kann (SSV-NF 1/32).
Zu dem erst mit der Berufung vorgelegten Gutachten eines jugoslawischen Arztes hat das Berufungsgericht zu Recht nicht Stellung genommen, da dessen Berücksichtigung gegen das auch in Sozialrechtssachen geltende Neuerungsverbot verstoßen hätte. Der Revisionswerber meint, die vom Gericht eingeholten und den Feststellungen zugrundegelegten Gutachten seien nicht ausreichend und nicht auf alle Leidenszustände des Klägers eingegangen. Die Frage, ob ein eingeholtes Sachverständigengutachten die von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen rechtfertigt, gehört ebenso wie jene, ob ein Gutachten erschöpfend ist, in das Gebiet der irrevisiblen Beweiswürdigung.
Auch die Rechtsausführungen des Berufungsgerichtes sind zutreffend. Der Oberste Gerichtshof teilt die bereits vom Oberlandesgericht Wien als dem damaligen Höchstgericht vertretene Rechtsansicht, daß auch ohne Vorliegen der allgemeinen Anspruchsvoraussetzung der Erfüllung der Wartezeit ein Anspruch auf Invaliditätspension besteht, wenn die Folgen eines Arbeitsunfalles die vor dem Unfall vorhandene wenn auch geminderte aber noch bestehende Arbeitsfähigkeit des Versicherten so vermindern, daß durch deren Zusammenwirken Invalidität gemäß § 255 ASVG anzunehmen ist (SSV 21/25 u.a.). Nach § 235 Abs 3 ASVG entfällt nämlich für eine Leistung aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit die Wartezeit, wenn der Versicherungsfall die Folge eines Arbeitsunfalles und/oder einer Berufskrankheit ist. Die Folgen (oder Spätfolgen) des Arbeitsunfalles müssen also die vor dem Unfall vorhanden gewesene Arbeitsfähigkeit des Versicherten, die zwar schon herabgesetzt gewesen sein kann, aber noch bestanden haben muß, so vermindern, daß Invalidität anzunehmen ist (Überschreiten der kritischen Schwelle). Die Invalidität muß daher, wenn schon nicht die ausschließliche so doch eine wesentliche Folge des Arbeitsunfalles oder der Berufskrankheit sein. Eine zur Invalidität führende Minderung der Arbeitsfähigkeit durch Leiden, die erst nach dem Unfall entstehen, kann jedoch den Tatbestand des § 235 Abs 3 ASVG nicht herstellen. Bei der Beurteilung solcher Leiden ist das Erfordernis der Erfüllung der Wartezeit beachtlich. Dies wird auch in der Revision nicht ernsthaft in Frage gestellt. Als Unfallfolgen käme aber nur der Ausschluß von Arbeiten an exponierten Stellen in Frage. Alle anderen Einschränkungen einschließlich des Ausscheidens von Arbeiten unter Zeitdruck (Band- und Akkordarbeiten) ergeben sich bereits aus dem internistischen und bezüglich des Hörvermögens aus dem otologischen Gutachten. Da im vorliegenden Fall feststeht, daß durch den Arbeitsunfall des Klägers im Jahre 1975 nur in das neurologische Fachgebiet fallende Verletzungen, deren Folgen derzeit selbst im Zusammenhang mit anderen Einschränkungen keine Invalidität mehr begründen, nicht aber auch Beeinträchtigungen des Sehvermögens erfolgt sind, könnte eine zur Invalidität führende nachträgliche Verminderung des Sehvermögens nur dann zur Zuerkennung einer Invaliditätspension führen, wenn auch die allgemeine Voraussetzung der Erfüllung der Wartezeit gegeben ist. Dies ist hier unstrittig nicht der Fall.
Im übrigen sind die Vorinstanzen auch zutreffend davon ausgegangen, daß der Kläger auf Grund seiner Einschränkungen auf die festgestellten Tätigkeiten verwiesen werden kann; denn daß der Versicherte nur eine andere als die deutsche Sprache oder nur eine andere als die Lateinschrift beherrscht, ist für die Frage seiner Invalidität ohne Bedeutung (SSV-NF 1/22 u.a.).
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Der Ausspruch über die Revisionskosten beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
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