OGH 3Ob575/89

OGH3Ob575/8929.11.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I*** Realitäten Vermittungsgesellschaft m. b.H., Klagenfurt, Villacher Straße 53, vertreten durch Dr. Wolfgang Tautschnig, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei M***C*** D***'S Deutschland Inc., Zweigniederlassung München, München 71, Drygalsky Allee 51, vertreten durch Dr. Viktor Cerha ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen Rechnungslegung und Leistung iSd Art XLII Abs 3 EGZPO, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgerichtes vom 12.Juli 1989, GZ 2 R 116/89-10, womit ihr Rekurs gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 5.April 1989, GZ 26 Cg 323/88-5, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Gericht zweiter Instanz die neue Entscheidung über den Rekurs der beklagten Partei aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind als weitere Kosten des Rekursverfahrens zweiter Instanz zu behandeln.

Text

Begründung

Die beklagte Partei erhob in ihrer gemäß § 243 Abs. 4 ZPO mit schriftlichem Beschluß aufgetragenen Klagebeantwortung ua die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit. Das Erstgericht beraumte mit ZP-Form 27 eine "mündliche Verhandlung" an, wobei der Ladung der Beisatz beigegeben wurde: "Gegenstand ist die Verhandlung über die örtliche Zuständigkeit". In dieser Tagsatzung wurde gemäß dem Verhandlungsprotokoll die Klage vorgetragen. Die beklagte Partei wendete ein wie in ihrer Klagebeantwortung, und die klagende Partei replizierte wie in ihrem Schriftsatz ON 3 (der Ausführungen zur Einrede und zur Sache enthielt). Die beklagte Partei erhob weiters neu die Einrede der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit und ergänzte ihr Vorbringen zur Unzuständigkeitseinrede. Nach der Vorlage von Urkunden gab der Erstrichter bekannt, daß die Entscheidung über die Zuständigkeit schriftlich ergehe. Die Parteienvertreter legten Kostennoten.

Das Erstgericht fertigte in der Folge einen Beschluß auf Verwerfung der Einrede der örtlichen Unzuständigkeit aus. Den dagegen von der beklagten Partei erhobenen Rekurs wies das Gericht zweiter Instanz mit der Begründung als unzulässig zurück, es sei über die Einrede im Sinne des § 261 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit der Hauptsache verhandelt worden, weshalb die Entscheidung über die Abweisung der Einrede nicht besonders auszufertigen, sondern in die über die Hauptsache ergehende Entscheidung aufzunehmen gewesen wäre. Durch die unrichtige gesonderte Ausfertigung sei kein abgesonderter Rechtszug eröffnet worden. Das Gericht zweiter Instanz sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Zurückweisungsbeschluß erhobene Revisionsrekurs ist berechtigt.

Das Erstgericht hat im Sinne des § 260 Abs. 1 ZPO schon vor Beginn der mündlichen Streitverhandlung die abgesonderte Verhandlung über die Unzuständigkeitseinrede angeordnet. Die Ausschreibung der Tagsatzung vom 13.12.1988 lautet nicht dahin, daß die mündliche Streitverhandlung stattfinde, sondern es ist nur von einer mündlichen Verhandlung ("MV") die Rede. Die Verwendung des ZP-Formulars 27 "Anberaumung einer Tagsatzung" ist nicht etwa auf die mündliche Streitverhandlung beschränkt (siehe dazu die Erläuterungen im amtlichen Formbuch). Als Gegenstand der Tagsatzung wurde "die Verhandlung über die örtliche Zuständigkeit" angeführt. Mögen daher auch nicht gerade die Worte verwendet worden sein, es werde "die abgesonderte Verhandlung" über die erhobene Einrede angeordnet, so wurde durch die dargestellten Formulierungen doch in anderer Weise eindeutig klargestellt, daß eine solche Anordnung getroffen wurde.

Auch der Ablauf der Verhandlung spricht nicht gegen die Durchführung einer abgesonderten Verhandlung über die Unzuständigkeitseinrede. Der Vortrag der Klage kommt auch bei der abgesonderten Verhandlung über die Unzuständigkeitseinrede in Betracht, weil auch die Art des Klagsanspruches dafür ausschlaggebend sein kann, ob und welcher Gerichtsstand gegeben ist. Gleiches gilt für die Protokollierung, daß die beklagte Partei wie in ihrer Klagebeantwortung und die klagende Partei wie in ihrem Schriftsatz ON 3 vortrugen. Die vorgelegten Urkunden beziehen sich auch auf die Zuständigkeitsfrage. Nur der protokollierte Satz, die beklagte Partei bestreite das Klagebegehren und beantrage die kostenpflichtige Klagsabweisung, paßt nicht in das Programm einer Verhandlung über eine Unzuständigkeitseinrede. Es ist aber nicht erkennbar, daß das Erstgericht damit zum Ausdruck brachte, es werde nunmehr entgegen der Ausschreibung das Programm der Verhandlung auf jenes der mündlichen Streitverhandlung erweitert. Die Stellungnahme der klagenden Partei in ihrer Revisionsrekursbeantwortung zeigt, daß nicht nur das Erstgericht, sondern auch beide Parteien den Ablauf der strittigen Verhandlung im obigen Sinn auffaßten. Im vorliegenden Fall kann daher eine Erörterung der abgesonderten Anfechtbarkeit eines vom Erstgericht entgegen der Bestimmung des § 261 Abs. 1 oder 2 ZPO nicht in die Entscheidung über die Hauptsache aufgenommenen, sondern besonders ausgefertigen Beschlusses über eine Unzuständigkeitseinrede unterbleiben. Der vom Gericht zweiter Instanz zutreffend dargestellten, trotz teilweiser Kritik im Schrifttum (Novak, JBl. 1965, 522) aufrecht erhaltenen Rechtsprechung (EvBl. 1956/219, EvBl. 1967/405, EvBl. 1986/20) lagen nämlich Fälle zugrunde, in denen einerseits kein Beschluß auf abgesonderte Verhandlung über die Einrede gefaßt worden war und andererseits über die Einrede in Verbindung mit der Hauptsache verhandelt wurde. Dies gilt auch für die in der Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz zitierte Entscheidung 1 Ob 19/86. Dort wurde die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung sowie zur Verhandlung über die Einrede angesetzt, in der Tagsatzung zunächst zur Hauptsache verhandelt und ein Beweisbeschluß gefaßt, und sodann "wie bisher mit der Sache gemeinsam" über die Einrede verhandelt. Dann allerdings schloß der Erstrichter die Verhandlung über die Einrede und erstreckte die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung auf unbestimmte Zeit. Ein solcher Prozeßverlauf läßt sich mit dem vorliegenden nicht vergleichen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 52 Abs. 1 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte