OGH 16Os40/89

OGH16Os40/8924.11.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.November 1989 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Melnizky als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Walenta, Dr. Rzeszut und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Edelmann als Schriftführer, in der Strafsache gegen Christian G*** wegen des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 19.Juli 1989, GZ 22 Vr 88/89-41, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das ansonsten unberührt bleibt, in den mit Beziehung auf den Schuldspruch zu Punkt II/ (wegen gefährlicher Drohung) und zu Punkt III/2 (wegen versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt) erfolgten Aussprüchen, der Angeklagte habe jeweils mit dem Tod gedroht, und in der darauf beruhenden Beurteilung dieser Taten (zu II/) nach dem 2.Absatz des § 107 StGB und (zu III/) nach dem 2.Strafsatz des § 269 Abs. 1 StGB sowie demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die auch den Strafausspruch umfassende kassatorische Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 25-jährige Christian G*** (zu I/) des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB, (zu II/) des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB, (zu III/1 und 2) des Vergehens (richtig: Verbrechens) des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 (zweiter Strafsatz) StGB und (zu IV/1 und 2) des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 4 StGB schuldig erkannt und hiefür nach dem zweiten Strafsatz des § 269 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er am 31.Dezember 1988 in Innsbruck

(zu I/) fremde Sachen beschädigt und verunstaltet, indem er die Wand und einen Tisch im Lokal "U***" mit einem Farbstift beschmierte, wobei er durch die Tat einen 25.000 S jedenfalls nicht übersteigenden Schaden herbeigeführt hat;

(zu II/) den Barkeeper des "U***" Peter M*** durch

Erheben einer Motorradkette gegen diesen und die wiederholte Äußerung, er werde ihn umbringen, mit dem Tod gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen;

(zu III/) nachangeführte Polizeibeamte mit Gewalt und gefährlicher Drohung mit dem Tod an Amtshandlungen zu hindern versucht, und zwar

1. Insp. Florian P*** und RevInsp. Peter B*** sowie den zur Assistenz gerufenen RevInsp. Gerhard G***, die im Begriffe waren, ihn festzunehmen und abzuführen, durch Versetzen von Schlägen und Tritten, wildes Umsichschlagen und Losreißen, durch Beißen in das rechte Schienbein des RevInsp. B*** und in den rechten Daumen des Insp. P***;

2. im Polizeigefangenenhaus Innsbruck die Polizeibeamten Insp. Florian P***, RevInsp. Peter B***, RevInsp. Gerhard K***, Insp. Johannes G*** und RevInsp. Alois S*** sowie RevInsp. Andreas E***, die im Begriffe waren, ihn in die Korrektionszelle zu verbringen, durch die mehrfachen gefährlichen Drohungen, er werde sie und ihre Kinder umbringen bzw. ihnen bei der nächsten Demonstration eine Kugel ins Auge schießen und ihre Kinder kreuzigen, sowie durch Versetzen von heftigen Schlägen und Tritten; (zu IV/) nachangeführte Polizeibeamte während der Vollziehung ihrer Aufgaben durch die unter Punkt III/ geschilderten Tätlichkeiten vorsätzlich am Körper verletzt, und zwar

1. Insp. Gerhard K*** durch Zufügen mehrerer Kratzwunden am Hals und

2. Insp. Florian P*** durch Zufügen einer Bißwunde am rechten Daumen.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch (mit Ausnahme des Punktes I/ wegen Sachbeschädigung) bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5, 5 a, 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der teilweise Berechtigung nicht abgesprochen werden kann.

Das Schöffengericht hat zu Punkt II/ des Schuldspruchs angenommen, daß der Angeklagte die gefährliche Drohung begangen hat, indem er mit dem Tod gedroht hat, und die Tat daher (auch) dem Abs. 2 des § 107 StGB unterstellt. Weiters ist es zu Punkt III/2 des Schuldspruchs davon ausgegangen, daß der Angeklagte die Polizeibeamten mit dem Tode bedroht, den versuchten Widerstand gegen die Staatsgewalt mithin unter den Voraussetzungen einer schweren Nötigung (iS § 106 Abs. 1 Z 1 StGB) begangen hat, sodaß der zweite Strafsatz des § 269 Abs. 1 StGB anzuwenden ist. In beiden Fällen hat es jedoch, wie der Beschwerdeführer zutreffend rügt, keine Feststellungen darüber getroffen, daß die vom Angeklagten geäußerten Drohungen unter den gegeben Umständen objektiv geeignet waren, den Bedrohten die Besorgnis (nicht nur einer Körperverletzung, sondern) eines Anschlages auf ihr Leben (bzw. im Falle des Punktes III/2 das Leben der Kinder der Polizeibeamten) einzuflößen (Mayerhofer-Rieder StGB3 ENr. 2 zu § 106; ENr. 15, 16 zu § 107) und daß der Vorsatz des Angeklagten (auch) darauf gerichtet war, in den Bedrohten die Vorstellung zu erwecken, er sei willens und in der Lage, die angedrohte Todesfolge herbeizuführen (Mayerhofer-Rieder aaO ENr. 1, 3 zu § 106; ENr. 15 zu § 107). In Ansehung des Peter M*** wird im Urteil nur festgehalten, daß der Beschwerdeführer den Genannten durch das Heben der Motorradkette und die von ihm gebrauchten Worte "sehr wohl gefährlich bedroht hat", daß sich für M*** "eine für ihn doch gefährlich erscheinende Situation" ergeben hat und er in Furcht und Unruhe versetzt wurde, und daß der Beschwerdeführer ihn "gefährlich bedrohen wollte" (US 6). In Ansehung der Bedrohung der Polizeibeamten hinwieder wird festgestellt, daß die Bedrohten die ausgesprochenen Drohungen durchaus ernstgenommen haben, da der Angeklagte "bereits mehrmals Beamte verletzt hatte", daß die Drohungen aufgrund des Persönlichkeitsbildes des Angeklagten auch ernstzunehmen waren und daß sie besonders schwerwiegend waren, weil der Angeklagte nicht nur den Beamten selber mit dem Tod drohte, sondern auch deren Familien und vor allem den Kindern (US 8); nicht festgestellt wurde hingegen, daß der Vorsatz des Angeklagten (auch) darauf gerichtet war, in den Bedrohten die Vorstellung zu erwecken, er sei willens und in der Lage, die angedrohte Todesfolge herbeizuführen.

Die insoweit dem Ersturteil somit anhaftenden, von der Beschwerde gerügten Feststellungsmängel zwingen demnach zur Kassierung des Urteils in den betreffenden Aussprüchen über die Tatqualifikationen nach § 107 Abs. 2 StGB bzw. § 269 Abs. 1 zweiter Strafsatz iVm § 106 Abs. 1 Z 1 StGB, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen hiezu eingegangen zu werden braucht. Im übrigen ist die Nichtigkeitsbeschwerde jedoch teils offenbar unbegründet, teils nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt. Daß der Angeklagte gegen die Polizeibeamten P***, B*** und G*** Gewalt angewendet hat, um seine Festnahme und Abführung zu verhindern, konnte das Erstgericht formal mängelfrei auf die Aussagen der genannten Beamten stützen. Daß die Festnahme eine Folge der Aggressionen gegen die Beamten gewesen sei, hat das Gericht - entgegen dem bezüglichen Beschwerdeeinwand - nicht angenommen; es ist vielmehr im Einklang mit den Verfahrensergebnissen davon ausgegangen, daß der Angeklagte erst nach seiner (wegen der Anzeige des M*** und weil der Angeklagte die Beamten zu beschimpfen begann) erfolgten Festnahme Gewalt gegen die Beamten anwendete. Mit dem Einwand, in den Gründen des Urteils werde davon ausgegangen, daß der Angeklagte den Insp. B*** in den rechten Daumen und den Insp. P*** in das rechte Schienbein gebissen hat (US 7), während im Schuldspruch zu Punkt III/1 angeführt wird, der Angeklagte habe B*** in das rechte Schienbein und P*** in den rechten Daumen gebissen (US 3), wird eine Undeutlichkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen, bezogen auf den Schuldspruch wegen versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt, nicht aufgezeigt. Richtig ist, daß dem Gericht in den Urteilsgründen insoweit ersichtlich eine Namensverwechslung unterlaufen ist; das ändert aber nichts an der für die Tatbeurteilung allein entscheidenden Tatsache, daß der Angeklagte gegen Polizeibeamte Gewalt angewendet hat. Die Beschwerdebehauptung schließlich, in bezug auf das Geschehen vor dem Lokal "U***" sei im Urteil nur von einem Umsichschlagen des Angeklagten die Rede, übergeht die Feststellung des Erstgerichts, wonach der Angeklagte (nicht nur) wild um sich schlug, (sondern auch) gegen die Beamten trat, um sich loszureißen, und Beamte biß (US 7). In Ansehung des Schuldspruchs zu Punkt III/1 haftet dem Urteil somit ein formaler Begründungsmangel in der Bedeutung der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO nicht an.

Die Feststellengen bezüglich der vorsätzlichen Verletzung des Insp. K*** finden in den Bekundungen des Genannten (vgl. S 171, 172 dA) Deckung. Aus diesen Angaben konnte das Gericht sehr wohl denkrichtig auf ein Handeln des Angeklagten mit Verletzungsvorsatz schließen (US 8, 9).

Was letztlich den Schuldspruch zu Punkt IV/2 betrifft, so betrifft auch diesbezüglich die dem Erstgericht bei der Tatschilderung (US 7) unterlaufene Namensverwechslung keine entscheidungswesentliche Tatsache. Im übrigen übersieht der Beschwerdeführer, daß P*** sowohl am rechten Daumen als auch am linken Daumen eine Verletzung hatte und daß das Gericht lediglich die letztere dem Angeklagten nicht anlastete (US 9), sehr wohl aber - gestützt auf die Angaben des Zeugen P*** (S 164 dA; s. auch S 15 dA) - die Verletzung am rechten Daumen.

Die Tatsachenrüge (Z 5 a) in Ansehung der Schuldspruchfakten III/1 und IV vermag keine aus den Akten sich ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der tatrichterlichen Feststellungen zu erwecken; sie beschränkt sich im wesentlichen auf eine Wiederholung der Einwände der Mängelrüge.

Die aus § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO erhobene Rechtsrüge in bezug auf den Schuldspruch zu Punkt IV/1 negiert die Urteilsfeststellung, wonach der Beschwerdeführer den Polizeibeamten K*** vorsätzlich am Körper verletzt hat (US 9). In bezug auf den Schuldspruch zu Punkt IV/2 hinwieder geht sie urteilsfremd davon aus, daß Insp. P*** "keine dem Angeklagten zurechenbare Verletzung am Daumen erlitten" habe; übersieht sie doch, daß das Urteil auf Seite 9 - worauf sich die Beschwerde bezieht - die Verletzung am linken Daumen dem Angeklagten nicht zugerechnet hat, sehr wohl aber die Verletzung am rechten Daumen.

In Ansehung der Schuldspruchfakten III/1 und IV/1 und 2 war die Nichtigkeitsbeschwerde demnach gemäß § 285 d Abs. 1 StPO in nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen.

Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte ner die Staatsanwaltschaft auf den kassatorischen Teil des Erkenntnisses zu verweisen.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO2 ENr. 11 zu § 390 a).

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