OGH 1Ob670/89

OGH1Ob670/8915.11.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Roy Mark R***, geboren am 23. September 1982, infolge Revisionsrekurses der Mutter Hedwig (auch Jadwiga) R*** (auch P***), Angestellte, Wien 20., Vorgartenstraße 87/1/5, vertreten durch Dr. Erhard J.C. Weber, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 17. August 1989, GZ 44 R 511/89-80, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 12. Juni 1989, GZ 3 P 168/86-75, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Vater ist syrischer Staatsbürger christlichen Bekenntnisses. Er hat für Österreich eine dauernde Aufenthaltsbewilligung und geht hier als selbständiger Kaufmann seinem Beruf nach. Mutter und Kind sind österreichische Staatsbürger. Die eheliche Lebensgemeinschaft der Eltern wurde im Mai 1987 gelöst. Die Mutter verließ mit dem Kind den ehelichen Haushalt und wohnt seither in einer dem Vater gehörenden Eigentumswohnung in Wien 20. Mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom 4.3.1988, 3 C 517, 521/87-26, wurde die Ehe der Eltern aus dem überwiegenden Verschulden der Mutter geschieden. Am 21. Mai 1988 übergab die Mutter das Kind dem Vater und teilte ihm in der Folge mit, sie wolle das Kind nicht behalten, da es lieber beim Vater sei. Mit rechtskräftigem Beschluß des Erstgerichtes vom 31.Mai 1988, ON 56, wurde das Kind in vorläufige Pflege und Erziehung des Vaters eingewiesen.

Das Erstgericht führte aus, die Mutter sei nicht bereit, das Kind der Wiener Jugendgerichtshilfe vorzustellen, um eine Begutachtung zu ermöglichen. Die Verhältnisse bei der Mutter, die nach wie vor dem Alkohol zuneige und ihren elterlichen Pflichten nicht nachkomme, seien undurchsichtig und ungeklärt. Das Kind weise einen Entwicklungsrückstand von einem Jahr auf.

Mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 6.7.1988, 3 C 24/88-5, wurde festgestellt, daß das von der Mutter am 28.4.1988 geborene Kind David Benjamin kein Kind aus der Ehe mit Joseph Peter R*** sei. Dieses Kind befand sich vom 17.5. bis 13.7.1988 in einem Säuglingsheim, seit 13.7.1988 ist es bei Pflegeeltern untergebracht. Die Mutter gab das Kind zur Adoption frei. Mit rechtskräftigem Beschluß des Jugendgerichtshofes Wien vom 27.11.1988, 13 P 98/88-8, wurde für das Kind David Benjamin die gerichtliche Erziehungshilfe angeordnet und seine Unterbringung bei Pflegeeltern genehmigt.

Beide Elternteile beantragen, ihnen die Obsorge für das Kind zu übertragen.

Das Erstgericht sprach die Obsorge dem Vater zu. Es stellte fest, das Kind erlebe eine stabile Situation beim Vater und sei in dessen Umgebung gut eingebunden. Der Bub besuche seit September 1988 die 1.Klasse der International School im 22.Bezirk und werde von seinem Vater und seiner Halbschwester Diana betreut. Diana R*** führe seit Abschluß ihrer Schulausbildung den Haushalt des Vaters. Sie habe eine recht gute Beziehung zum Kind und bemühe sich sehr um das Kind. Der Minderjährige sei altersentsprechend entwickelt, er habe einen auffallend guten Wortschatz. Er werde mehrsprachig erzogen. An der Situation bei der Mutter habe sich nichts geändert. Besonders im Sommer 1988 sei es zu mehreren Polizeieinsätzen infolge großer Turbulenzen zwischen ihr und ihrem Lebensgefährten in der Wohnung in Wien 20 gekommen. Sie arbeite derzeit im Kunsthistorischen Museum zwischen 10 und 17 Uhr als Übersetzerin und Buffetkraft.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, die stabile Situation beim Vater solle zum Wohle des Kindes und dessen Entwicklungsmöglichkeiten beibehalten werden. Die Befürchtung der Mutter, der Vater könnte als syrischer Staatsbürger mit dem Kind in seinen Heimatstaat zurückkehren, sei von der Hand zu weisen, da in Syrien derzeit ein Religionskrieg zwischen Christen und Moslems herrsche und der Vater als Christ der Verfolgung ausgesetzt sein würde. Überdies habe der Vater seinen Lebensmittelpunkt als Kaufmann in Österreich gefunden und eine dauernde Aufenthaltsbewilligung, sodaß er in glaubwürdiger Weise die Befürchtungen der Mutter habe zerstreuen können. Das Kind habe während der Betreuung durch die Mutter einen Entwicklungsrückstand von etwa einem Jahr aufgewiesen; dieser Entwicklungsrückstand habe bereits aufgeholt werden können. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Mutter nicht Folge. Die Mutter habe im Aufteilungsverfahren selbst zugegeben, daß der Vater in günstigen finanziellen Verhältnissen lebe. Der Vater sei in Österreich integriert, alle Umstände sprächen dafür, daß er mit dem Kind in Österreich bleiben werde. Das Verhalten der Mutter gegenüber dem am 28.4.1988 unehelich geborenen Kind David Benjamin sei ein entscheidendes Argument dafür, daß sie nicht geeignet sei, die Obsorge für das eheliche Kind zu übernehmen. Sie habe nicht aufklären können, weshalb sie den mj. David Benjamin bereits am 15.5.1988 zu Pflegeeltern gegeben und die Zustimmung zu seiner Adoption erteilt habe. Dieses Verhalten stehe durchaus im Einklang mit ihrer aus dem Akteninhalt hervorgehenden Persönlichkeitsstruktur. Die Mutter sei eine psychisch labile Person mit wechselnden Männerbekanntschaften. Das Kind benötige aber stabile Verhältnisse und eine Kontinuität in der Pflege und Erziehung. Da es notwendig geworden sei, im Zuge des Verfahrens den Minderjährigen vorläufig in Pflege und Erziehung des Vaters zu überstellen, würde die von der Mutter im Rekurs angestrebte Entscheidung nichts anderes bedeuten, als dem Kind nach rund 1 1/4 Jahren einen neuerlichen Pflegeplatzwechsel zuzumuten. Eine solche Maßnahme wäre nur dann gerechtfertigt, wenn eine Überstellung zur Mutter dem Wohl des Kindes wesentlich besser entspräche als ein Verbleib beim Vater. Davon könne aber keine Rede sein, vielmehr sei das Gegenteil der Fall.

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter ist unzulässig. Bei der Entscheidung über die Zuteilung der Obsorge stellte zwar die gänzliche Mißachtung des Kindeswohles den Revisionsgrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit her (EFSlg. 55.638, 52.759, 49.932), die von der Rekurswerberin pauschal aufgestellte Behauptung, die Vorinstanzen hätten das Kindeswohl nicht berücksichtigt, ist aber unzutreffend. Die Vorinstanzen haben vielmehr alle zur Beurteilung des Kindeswohles maßgeblichen Gesichtspunkte in ihre Erwägungen miteinbezogen und daraus abgeleitet, dem Wohl des Kindes entspräche es besser, wenn dem Vater die Obsorge künftig allein zukommt. Eine offenbare Gesetzwidrigkeit ist darin nicht zu erblicken (EFSlg. 55.650, 55.679, 52.781, 52.782, 49.963 uva). Die Mutter will eine andere Gewichtung der zu ihrem Nachteil ausschlagenden Sachverhaltselemente erreichen. Dies ist aber durch den geltend gemachten Rekursgrund nicht gedeckt. Daß Feststellungen der Vorinstanzen auf Grund der Angaben der Hausbesorgerin des Hauses Wien 20., Vorgartenstraße 87 bei der MA 11-Jugendamt getroffen wurden, würde nicht einmal einen keinen geeigneten Anfechtungsgrund bildenden Verfahrensmangel darstellen: Das außerstreitige Verfahren ist nicht vom Unmittelbarkeitsgrundsatz beherrscht (EFSlg. 49.665, 44.374, SZ 47/35 uva).

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zurückzuweisen.

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