OGH 2Ob592/89

OGH2Ob592/8914.11.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Renate C***, Hausfrau, Salzburg, Haunspergstraße 43, vertreten durch Dr. Lothar Troll, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Dragisa C***, Arbeiter, derzeit unbekannten Aufenthalts, vertreten durch Dr. Franz Kodolitsch, Rechtsanwalt in Graz, als Abwesenheitskurator, wegen Ehescheidung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 31. Mai 1989, GZ. 6 R 89/89-32, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 22. Februar 1989, GZ. 25 Cg 228/88-25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.706,20 (darin keine Barauslagen und S 617,70 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin beantragte mit der am 25. August 1982 erhobenen Klage die Scheidung der Ehe aus dem Alleinverschulden des Beklagten und brachte im wesentlichen vor, daß sie der Beklagte am 20. Juli 1982 grundlos mißhandelt habe, wobei er sie geohrfeigt, zu Boden gestoßen und ihr einige Tritte versetzt habe. Weiters sei er am 21. Juli 1982 gewaltsam in ihre Wohnung eingedrungen und habe ihr mit dem Umbringen gedroht und sie wieder mißhandelt, weshalb sie in die I. chirurgische Klinik des Landeskrankenhauses Graz eingeliefert werden mußte.

Das Erstgericht sprach die Scheidung der Ehe aus dem Alleinverschulden des Beklagten aus, wobei es seiner Entscheidung im wesentlichen folgende Feststellungen zugrunde legte:

Die Streitteile schlossen am 3. April 1982 vor dem Standesamt Graz zu Nr. 201/1982 die Ehe. Für beide Teile war es die erste Ehe. Die Klägerin ist römisch-katholisch, österreichische Staatsbürgerin und von Beruf Hausfrau. Der Beklagte ist serbisch-orthodox, jugoslawischer Staatsbürger und von Beruf Arbeiter. Die Ehe blieb kinderlos. Ehepakte wurden anläßlich der Eheschließung keine geschlossen. Der letzte gemeinsame Wohnsitz war Graz. Der Beklagte wurde zu 6 E Vr 2486/82 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz am 24. August 1982 rechtskräftig zu 8 Monaten bedingter Freiheitsstrafe verurteilt. Er hat sich des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und 2 StGB, des Vergehens des Hausfriedensbruchs nach § 109 Abs. 1 und 3 Z 1 StGB und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB schuldig gemacht.

Der Verurteilung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Beklagte hat in Graz

1.) die Klägerin auch mit dem Tod gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar:

a) Am 20. Juli 1982 nach einer tätlichen Auseinandersetzung durch die Äußerung, daß er die Klägerin "umbringen" werde,

b) am 21. Juli 1982 durch die Äußerung, daß er die Genannte "umbringen und zerstückeln werde, daß es ihm nichts ausmache, in das Gefängnis zu gehen, wenn er sie umgebracht habe" und daß er sie "so zurichten werde, daß sie kein Arzt mehr zusammenflicken könne",

2.) am 21. Juli 1982 den Eintritt in die Wohnstätte der mit ihm nicht mehr in Haushaltsgemeinschaft befindlichen Klägerin mit Gewalt erzwungen, wobei er gegen die dort befindliche Klägerin Gewalt zu üben beabsichtigte, indem er die versperrte Wohnungstüre durch Tritte öffnete,

3.) die Klägerin am Körper verletzte, und zwar

a) am 20. Juli 1982 durch Verdrehen des rechten Arms, Versetzen eines Schlages in das Gesicht und eines Tritts gegen das Gesäß, wodurch die Genannte zu Boden stürzte und Prellungen im Bereiche des Schädels und des Gesäßes, Zerrungen im rechten Schulter- und Handgelenk sowie einen Bluterguß am rechten Unterarm erlitt,

b) am 21. Juli 1982 (anläßlich der zu Punkt 2.) angeführten Gelegenheit) durch Versetzen von Schlägen, wodurch die Klägerin gegen Möbelteile stieß, durch Würgen und versuchtes Anlegen eines Knebels, wodurch die Klägerin Prellungen im Bereich des Nackens, der Oberarme, Oberschenkel und Bauchgegend erlitt.

Der Beklagte befand sich vom 21. Juli 1982 bis 24. August 1982 in Haft. Die Klägerin hat den Beklagten während seiner Haft nie besucht und mit ihm auch in der Hauptverhandlung vor dem Landesgericht für Strafsachen Graz nicht gesprochen. Die Klägerin hatte den Beklagten einmal in Jugoslawien gesehen, wo er ihr seine Adresse gegeben hat. Der Beklagte hat die Klägerin nicht aufgefordert, ihm nach Jugoslawien zu folgen. Der Beklagte wurde im September 1982 nach Jugoslawien abgeschoben und es wurde die eheliche Gemeinschaft nach diesem Zeitpunkt nie wieder aufgenommen. Die Klägerin hat dem Beklagten auch nie verziehen. Der Beklagte hat sich überall nach Jugoslawien abgemeldet und es liegt dem Beklagtenvertreter trotz Edikts keinerlei Nachricht vom Beklagten vor. Der Beklagte hat an die Klägerin auch niemals einen Unterhaltsbetrag bezahlt.

Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht aus, der Beklagte habe sich auf Grund seiner strafbaren Handlungen der Klägerin gegenüber einer schweren Eheverfehlung im Sinne des § 49 EheG schuldig gemacht. Der Beklagte habe dadurch die Ehe schuldhaft so tief zerrüttet, daß die Wiederherstellung einer ihrem Wesen entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht erwartet werden könne. Diese Zerrüttung liege auch vor, wenn die eheliche Gesinnung nur bei einem der Ehegatten zerstört sei. Auf Grund des Verhaltens des Beklagten nach der Abschiebung aus Österreich könne auch bei ihm keinerlei eheliche Gesinnung angenommen werden. Die Klägerin habe die Klage innerhalb der im § 57 EheG normierten Frist erhoben und dem Beklagten die Verfehlungen nie verziehen, wofür schon die Erhebung der Scheidungsklage spreche. Die als Scheidungsgründe geltend gemachten Eheverfehlungen seien von der Klägerin als ehezerrüttend empfunden worden. Auch die Verletzung der Unterhaltspflicht sei eine Eheverfehlung des Beklagten.

Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos; das Berufungsgericht führte aus, die Rechtsrüge werde ausschließlich in zweierlei Hinsicht, nämlich in der Richtung einer Verjährung des Scheidungsanspruchs wegen nicht gehöriger Fortsetzung des Verfahrens bzw. einer in der Untätigkeit der Klägerin zu erblickenden Verzeihung der Eheverfehlungen des Beklagten ausgeführt. Dazu sei zu sagen, daß nach den Feststellungen des Erstrichters die Eheverfehlungen des Beklagten ausnahmslos innerhalb von sechs Monaten vor der Einbringung der Ehescheidungsklage am 25. August 1982 liegen. Das Recht der Klägerin auf Scheidung wegen Verschuldens sei daher im Zeitpunkt der Erhebung der Klage noch nicht erloschen gewesen. Sei die Klage aber rechtzeitig erhoben worden, dann komme mangels einer im Ehegesetz enthaltenen, dem § 1497 ABGB entsprechenden Bestimmung, daß das Recht auf Scheidung trotz rechtzeitiger Klagseinbringung durch nicht gehörige Fortsetzung des Verfahrens erlösche, ein später eingetretener Rechtsverlust infolge Fristablaufs nicht in Betracht. Es könne daher ununtersucht bleiben, ob darin, daß die Klägerin erst im Jahre 1988 die Bestellung eines Abwesenheitskurators beantragte, eine nicht gehörige Fortsetzung des Verfahrens im Sinn des § 1497 ABGB zu erblicken wäre. Zu prüfen bleibe, ob im Verhalten der Klägerin eine Verzeihung im Sinn des § 56 EheG zu erblicken sei. Auch dies sei zu verneinen. Verzeihung im Sinn des § 56 EheG sei ein innerer Vorgang, dessen Annahme auf Schlüssen beruhe, die aus dem nach freier Beweiswürdigung ermittelten Sachverhalt vom Richter zu ziehen seien. Die Frage, ob Verzeihung vorliege, sei daher zunächst - soweit sie nämlich den festgestellten Sachverhalt betrifft - eine Frage der Beweiswürdigung, also eine Tatfrage. Hiezu habe der Erstrichter auf Grund der Parteiaussage der Klägerin festgestellt, daß sie dem Beklagten die von ihm begangenen Eheverfehlungen nie verziehen habe. Diese Feststellung werde in der Berufung nicht bekämpft. Schon deshalb komme die Annahme einer Verzeihung nicht in Betracht. Im übrigen sei Verzeihung im Sinn des § 56 EheG nur anzunehmen, wenn der gekränkte Ehegatte durch sein gesamtes Verhalten zum Ausdruck bringe, daß er das als Eheverfehlung empfundene Verhalten seines Partners nicht mehr als solches betrachte und daher vorbehaltlos bereit sei, mit ihm die Ehe fortzusetzen. Davon könne im vorliegenden Fall umsoweniger die Rede sein, als es nach Einbringung der Ehescheidungsklage praktisch keinen Kontakt zwischen den Streitteilen mehr gegeben habe. Es müsse aber ein Verhalten des beleidigten Ehegatten vorliegen, aus dem unzweideutig hervorgehe, daß die Verfehlungen des anderen Teils nicht mehr als solche empfunden werden. Zu Recht habe der Erstrichter daher keine Verzeihung angenommen.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts wendet sich die Revision des Beklagten aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Klagsabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Beklagte macht in seinem Rechtsmittel geltend, die Frist des § 57 Abs. 1 EheG sei eine Ausschlußfrist "sui generis", die sich ihrem Wesen nach "verstärkt einer Verjährungsfrist annähere" bzw. einer solchen gleichzuhalten sei; dies zumindest insoweit, als die Versäumung einer Verjährungsfrist gleichfalls noch nicht den Rechtsverlust bedeute. Wohl habe das Berufungsgericht zu Recht darauf verwiesen, daß das Ehegesetz keine dem § 1497 ABGB entsprechende Bestimmung enthalte, es bleibe jedoch ungeklärt, aus welchen Gründen die Anwendung dieser Bestimmung im Ehescheidungsverfahren versagt bleiben solle. Für den Bereich des Ehescheidungsverfahrens hätten mangels entsprechender Detailbestimmungen im Ehegesetz verfahrensrechtlich die Bestimmungen der Zivilprozeßordnung bzw. nicht zuletzt auch des § 1497 ABGB zu gelten.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Wie der Oberste Gerichtshof mehrfach ausgesprochen hat (11 Ob 726/76 = EFSlg. 27.450, EFSlg. 8.629, 7 Ob 629/88 ua.), ist dem Ehegesetz kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, daß eine Eheverfehlung auch dann verfristet sein könnte, wenn sie zwar fristgerecht mit Klage geltend gemacht wurde, dann aber das Verfahren längere Zeit geruht hat (EFSlg. 8.629). Nach ständiger Rechtsprechung handelt es sich bei der Frist des § 57 EheG nicht um eine Verjährungsfrist, sondern um eine materiellrechtliche Ausschlußfrist (vgl. SZ 21/151, EFSlg. 27.450, 48.809 ua.). Die Anwendung des § 1497 ABGB kommt hier auf Grund der Fassung der §§ 57, 59 EheG, die nur auf die Klageerhebung abstellen, nicht in Betracht (EFSlg. 27.450, 7 Ob 629/88 ua.). Der erkennende Senat sieht sich auf Grund der in der Revision vorgebrachten Argumente nicht veranlaßt, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Zur Frage, ob im Verhalten der Klägerin, insbesondere auf Grund der erst im Jahre 1988 erfolgten Antragstellung auf Bestellung eines Abwesenheitskurators für den Beklagten eine Verzeihung erblickt werden könnte, enthält die Revision keinerlei Vorbringen, sodaß diesbezüglich auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts verwiesen werden kann, wobei noch zu ergänzen ist, daß dem Revisionsgericht eine Überprüfung des von den Tatsacheninstanzen angenommenen Nichtvorliegens der Verzeihung, als zum Bereich der Beweiswürdigung gehörend, verwehrt ist (EFSlg. 46.219 ua.).

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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