Spruch:
Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
II. zu Recht erkannt:
Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben. Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Text
Entscheidungsgründe:
Im Oktober 1988 wandte sich die Beklagte mit folgendem Schreiben an rund 300.000 namentlich bezeichnete Kunden in ganz Österreich:
"Für Sie persönlich habe ich 14 unentbehrliche Basisprodukte für Ihre natürliche Schönheitspflege ausgewählt. Ich biete sie Ihnen heute zu ganz außergewöhnlichen Sparpreisen an: So haben Sie Gelegenheit, möglichst viele davon kennenzulernen.
Urteilen Sie selbst: heute kostet jedes Produkt nur 66,-- Schilling, ganz gleich, wie hoch der Katalogpreis sonst ist.
Sie fragen sich: warum so vorteilhaft? Ganz einfach: Sie sollen meine qualitativ hochwertigen Schönheitsprodukte zu diesen günstigen Bedingungen kennenlernen.
Sie finden alle Produkte, die für Ihre Schönheit unentbehrlich sind: ob Tagescreme oder Körpermilch, ob Pfanzen-Peeling oder Antifalten-Creme, ob Tönungs-Shampoos oder Schönheitsmasken, ob Parfum-Deodorant oder Wimperntusche.
Entscheiden Sie sich also rasch... profitieren Sie von diesen einmaligen Sparpreisen. Sie gelten nur für kurze Zeit - damit Sie mit meinen Schönheitsprodukten vertraut werden".
Diesem Schreiben war ein "Y***
R***-Test-Bsetellschein mit sechs vorgedruckten Feldern beigelegt, in welche die der Aussendung gleichfalls angeschlossenen "Marken" - welche eine bestimmte Produktangabe, einen jeweils durchgestrichenen "Statt-Preis" (zwischen S 89,- und S 169,-) und die Preisangabe "S 66,--" enthielten - aufgeklebt werden konnten.
Auf dem Bestellschein selbst hieß es: "Für 3, 4, 5 oder 6 Schönheitsprodukte zum Kennenlernen!".
Während der Dauer dieser Aktion galt der Preis von S 66,-- für die angekündigten Produkte auch gegenüber jenen Kunden, die von der Aktion erfahren und sich dann auf irgendeine Weise - durch Anruf oder sonstige Bestellung - in den Besitz der "Bestell-Marken" gebracht hatten. Die Produkte konnten auch einzeln zum Preis von S 66,-- gekauft werden.
Mit der Behauptung, daß diese Werbeaktion als Ankündigung unzulässiger Rabatte zu verstehen sei, begehrt der klagende Schutzverband, die Beklagte schuldig zu erkennen, es im geschäftlichen Verkehr, insbesondere im Versandhandel, zu unterlassen, "Marken" für bestimmte Produkte an namentlich angeschriebene Konsumenten zu senden, die in bestimmte Felder eines beigeschlossenen "Test-Bestellscheins" eingeklebt werden können, und anzukündigen, daß für 3, 4, 5 oder 6 "Schönheitsprodukte zum Kennenlernen!" anstelle eines um mehr als 20 % höheren Normalpreises nur ein Preis von S 66,-- für jedes Produkt gezahlt werden müsse; hilfsweise begehrt der Kläger, die Beklagte schuldig zu erkennen, es im geschäftlichen Verkehr, insbesondere im Versandhandel, zu unterlassen, an Kunden Marken auszusenden und anzukündigen, daß anstelle eines auf der Marke angekündigten höheren Normalpreises durch Verwendung dieser Marken und eines beigegebenen Bestellscheins nur ein Pauschalpreis von S 66,-- gezahlt werden müsse, was einer Preisersparnis von mehr als 20 % entspreche. Ferner beantragt der Kläger die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung in vier Tageszeitungen.
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Sie habe in ihrer Werbeankündigung klargestellt, daß sie die Preise für 14 bestimmte Produkte allgemein herabgesetzt habe; der durchschnittlich verständige Konsument werde auch nicht den Eindruck haben, daß der günstige Angebotspreis nur bestimmten Personen gewährt werde. Ein Preisnachlaß im Sinne des Rabattgesetzes liege daher nicht vor.
Der Erstrichter wies das Klagehauptbegehren ab und gab dem Eventualbegehren mit einer geringfügigen sprachlichen Abweichung ("Verwertung" statt "Verwendung") sowie dem Veröffentlichungsbegehren statt. Die Beklagte habe dadurch, daß sie die Bestellmarken und -scheine an namentlich bestimmte Kunden versandt und diesen mitgeteilt habe, sie habe für sie persönlich 14 unentbehrliche Basisprodukte ausgewählt, sowie durch die Angabe der "Statt-Preise" den Eindruck hervorgerufen, der angeschriebene Kunde erhalte durch das Aufkleben der Bestellmarken auf dem Bsetellschein einen den weiterhin geltenden Normalpreis unterschreitenden, begünstigten Preis. Der Unterlassungsanspruch des Klägers sei zu bejahen, weil der Preisnachlaß in einer Mitteilung, die für einen größeren Kreis von Personen bestimmt war, enthalten war (§ 12 Abs 1 RabG idF RabG-Novelle 1988 BGBl 423). Der Klage sei daher im Sinne des Eventualbegehrens stattzugeben gewesen. Die Urteilsveröffentlichung erscheine im Hinblick auf die Auflage der Aussendungen und die zahllosen, zum Teil völlig gleichartigen Wettbewerbsverstöße der Beklagten geboten.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteige. Den Berufungsausführungen der Beklagten erwiderte das Gericht zweiter Instanz, daß für die Einholung eines demoskopischen Gutachtens darüber, wie die Werbung der Beklagten von den Kunden allgemein verstanden werde, kein Raum sei; sollte nur ein unerheblicher Teil des Käuferpublikums über den Sinn der Werbung (nur) mit den Rabattmarken die darin gebotenen Begünstigungen zu erhalten, in Irrtum geführt worden sein (§ 2 UWG), erwiese sich das Unterlassungsbegehren schon an sich als berechtigt. Was die Berufung der Klägerin anlange, so sei wohl nach allgemeiner Erfahrung damit zu rechnen, daß in erster Linie jene Kunden den Nachlaß ansprechen würden, die Rabattmarken und -karten erhielten. Durch die Stattgebung des gegenüber dem Hauptbegehren wesentlich allgemeiner gehaltenen Eventualbegehrens könne sich der Kläger nicht beschwert erachten; er könne auch nicht geltend machen, daß die Beklagte nur bei kombinierter Bestellung von mindestens drei Produkten ihren Kunden einen begünstigten Preis habe gewähren wollen. Auch die Voraussetzungen des § 12 RabG idF RabG-Novelle 1988 seien gegeben. Da die Beklagte Werbematerial an 300.000 Kunden ausgeschickt habe, habe sie von vornherein damit rechnen müssen, daß ein Teil des Reklamematerials sozusagen auf unfruchtbaren Boden falle und nur durch die Gesamtwirkung auch der gewünschte Reklameeffekt erzielt werde; es wäre daher lebensfremd, im Zusenden der Rabattmarken und des Bestellscheins nur den ersten Akt des konkreten Kaufabschlusses mit jedem der angeschriebenen 300.000 Kunden zu erblicken. Umgekehrt mache die Beklagte der Wirkung nach damit wohl nicht auf eine allgemeine Preisherabsetzung aufmerksam, weil in erster Linie die angesprochenen Kunden von den Angeboten Gebrauch machen würden und daher auch im Sinne des Klägers der Unterlassungsanspruch nicht nur mit dem Irreführungseffekt im Sinne des § 2 UWG, sondern auch mit dem Ablauf des Gesamtgeschehens gerechtfertigt werden könne. Daß die Beklagte sicherheitshalber auch für jedermann solche Rabattmarken in ihren Geschäften oder in den Zentralen bereithalte, ändere nichts an der gewünschten Reklamewirkung, die sich auch in der Geschäftsabwicklung äußern müsse.
Gegen dieses Urteil wenden sich die Revisionen beider Parteien:
Der Kläger macht Aktenwidrigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt, die Urteile der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß seinem Hauptbegehren stattgegeben werde. Die Beklagte beantragt in ihrer auf unrichtige rechtliche Beurteilung gestützten Revision, das angefochtene Urteil im Sinn einer Klageabweisung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Beide Parteien beantragen, dem Rechtsmittel des Gegners nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
I./ Die Revision des Klägers ist unzulässig:
Nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre setzt jedes Rechtsmittel eine Beschwer, also ein Anfechtungsinteresse, voraus;
es ist nicht Sache der Rechtsmittelinstanzen, rein theoretische Fragen zu entscheiden (SZ 49/22; SZ 53/86; EvBl 1988/100;
Heller-Berger-Stix 648; Fasching IV 13 f und LB Rz 1709 ff). Fehlt die Beschwer zur Zeit der Entscheidung über das Rechtsmittel oder gar schon - wie hier - zur Zeit der Einlegung des Rechtsmittels, dann ist das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen (SZ 49/22; EvBl 1988/100 uva; Heller-Berger-Stix aaO).
Mit Recht hat schon das Gericht zweiter Instanz - ohne freilich daraus die zutreffende prozessuale Konsequenz zu
ziehen - ausgesprochen, daß sich der Kläger nicht dadurch beschwert erachten kann, daß sein Hauptbegehren (ohne Begründung) abgewiesen, gleichzeitig aber seinem Eventualbegehren stattgegeben worden ist. Es trifft zwar im allgemeinen zu, daß ein Kläger auch beim Obsiegen mit dem Eventualbegehren durch die Abweisung des Hauptbegehrens beschwert ist (SpR 32 neu = SZ 24/264); das kann aber nicht in dem - völlig atypischen - Fall gelten, daß dem Kläger mit dem Eventualbegehren ohnehin all das zugesprochen wird, was Gegenstand des Hauptbegehrens war. In einem solchen Fall wurde ja in Wahrheit - ungeachtet der Formulierung des Urteilsspruches - dem Hauptbegehren stattgegeben und - sofern das Eventualbegehren umfassender war - dem Kläger darüber hinaus noch mehr zugesprochen.
Gerade das trifft hier zu: Da der Beklagten von den Vorinstanzen die Ankündigung verboten wurde, daß anstelle eines auf der Marke angekündigten höheren Normalpreises durch Verwertung der Marke und eines beigegebenen Bestellscheins nur ein Pauschalpreis von S 66,-- gezahlt werden müsse, kann der Kläger in Hinkunft auch dann gegen die Beklagte Exekution führen, wenn sie abermals - wie im Hauptbegehren ausdrücklich angeführt - ankündigen sollte, "daß für 3, 4, 5 oder 6 Schönheitsprodukte zum Kennenlernen anstelle eines um mehr als 20 % höheren Normalpreises nur ein Preis von S 66,-- gezahlt werden müsse". Der Kläger hat damit nicht nur das Verbot einer Werbeaktion erwirkt, die genau der in der Klage beanstandeten entspricht; der von ihm angefochtene Unterlassungsausspruch der Vorinstanzen geht sogar noch weiter. Auf seine formelle Beschwer kann sich der Kläger, dessen Hauptbegehren damit voll entsprochen wurde, also nicht berufen (vgl Fasching III, 654).
Auch eine materielle Beschwer des Klägers, dh eine Schmälerung seiner Rechte, ist aber nicht zu sehen: Der Kläger erblickt sie darin, daß er bei einem künftigen Verstoß gegen dieses Unterlassungsgebot nicht klagen und daher auch keine Urteilsveröffentlichung erreichen könnte. Dem ist zu erwidern, daß der Kläger in einem solchen Fall sogleich Exekution nach § 355 EO führen und damit ein Zuwiderhandeln der Beklagten viel rascher abstellen kann als durch eine neue Klage; die von den Vorinstanzen bewilligte Urteilsveröffentlichung führt schon jetzt zur Aufklärung des Publikums darüber, daß alle im Unterlassungsausspruch näher bezeichneten Verstöße wettbewerbswidrig sind. Im übrigen stünde einer neuen Klage mangels Identität des rechtserzeugenden Sachverhaltes - nämlich des konkreten Wettbewerbsverstoßes - nicht der Einwand der Rechtskraft (sowie der Streitanhängigkeit) im Wege (JBl 1981, 41); dem Kläger könnte allerdings die Einrede des mangelnden Rechtsschutzbedürfnisses wegen Vorhandenseins eines Exekutionstitels (ÖBl.1979,81; JBl 1981, 41 ua) entgegengehalten werden. Ob er diesen Einwand im Einzelfall unter gewissen Umständen mit dem Hinweis auf ein besonderes Interesse an einer Urteilsveröffentlichung entkräften könnte, ist hier nicht zu untersuchen; sollte nämlich diese Möglichkeit bestehen, dann wäre im vorliegenden Fall das rechtliche Interesse des Klägers an der Erlassung des (engeren) Hauptbegehrens umso mehr zu verneinen. Aus diesen Erwägungen war die Revision des Klägers als unzulässig zurückzuweisen.
II./ Die Revision der Beklagten ist nicht berechtigt. Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, daß die Beklagte mit der beanstandeten Werbeaktion gegen das Rabattgesetz verstoßen hat, ist zu billigen. Nach § 1 Abs 2 RabG gelten als Preisnachlässe im Sinne dieses Gesetzes Nachlässe von Preisen, die der Unternehmer ankündigt oder allgemein fordert, sowie Sonderpreise, die wegen der Zugehörigkeit zu bestimmten Verbraucherkreisen, Berufen, Vereinen oder Gesellschaften eingeräumt werden. Der wesentliche Unterschied zwischen einem solchen nach dem Rabattgesetz zu beurteilenden Preisnachlaß und einer rabattrechtlich unbedenklichen generellen Preissenkung liegt darin, daß der Rabatt ein individueller, Einzelpersonen oder bestimmten Personengruppen im Sinne des § 1 Abs 2 RabG angekündigter oder gewährter Nachlaß von den sonst geforderten Normalpreisen ist, die der Unternehmer selbst gegenüber dem Letztverbraucher als seine Preise kenntlich macht oder regelmäßig von ihm verlangt. Wird der frühere Normalpreis gegenüber allen Interessenten durch einen neuen, niedrigeren Normalpreis ersetzt, dann liegt eine generelle Preissenkung vor; steht dagegen dem unverändert gebliebenen Normalpreis des Unternehmers ein individueller, durch einen entsprechenden Nachlaß im Einzelfall gewonnener Ausnahmepreis gegenüber, dann ist eine Rabattgewährung im Sinn des § 1 Abs 2 RabG anzunehmen (SZ 53/50; ÖBl. 1987, 105 uva). Der Begriff der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Verbraucherkreis ist nach ständiger Rechtsprechung weit auszulegen; es genügt eine Gemeinsamkeit äußerer Umstände (ÖBl 1983, 91; ÖBl 1987, 105 ua). Für die Beantwortung der Frage, ob ein Unternehmer einen Nachlaß von seinem Normalpreis oder einen Sonderpreis ankündigt oder gewährt, ist die Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise maßgeblich (SZ 53/147 mwN); dabei muß der Unternehmer bei einer mehrdeutigen Äußerung die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen (ÖBl 1985, 51; MR 1986, 24 uva). Erweckt ein Angebot bei den Angehörigen des begünstigten Personenkreises den - wenn auch irrigen - Eindruck, daß daneben ein höherer Normalpreis besteht, dann liegt ein (echter) Sonderpreis und damit ein Preisnachlaß im Sinne des § 1 Abs 2 RabG vor (ÖBl 1978, 73; ÖBl 1983, 18 ua). Mit Recht hat aber schon das Erstgericht darauf hingewiesen, daß die Empfänger(innen) des beanstandeten Werbeschreibens den Eindruck gewinnen mußten, sie erhielten einen begünstigten Sonderpreis, während der als "Statt-Preis" bezeichnete und durchgestrichene Preis von der Beklagten im allgemeinen weiterhin verlangt werde, wurde doch in dem Schreiben hervorgehoben, daß Y*** R*** "speziell" für die jeweilige Adressatin ("Für Sie persönlich") 14 unentbehrliche Basisprodukte zu einem Preis von nur S 66,-- ausgewählt habe; auch die Beigabe eines Bestellscheins und eigener Bestellmarken mußte sinnlos erscheinen, wenn die genannten 14 Produkte von jedermann zum Preis von S 66,- hätten gekauft werden können. Für die Annahme, daß die Beklagte für die näher bezeichneten Waren allgemein nur noch S 66,-- verlangen würde, fehlt in der Werbeankündigung jeder Anhaltspunkt.
Die Beklagte macht in der Revision ausschließlich geltend, daß die Beurteilung des Eindrucks einer Werbeankündigung keine Rechts-, sondern eine Tatfrage sei; ihrem Antrag auf Einholung des Gutachtens eines Meinungsforschungsinstitutes zum Beweis dafür, daß ihre Werbeankündigung nicht den Eindruck erwecke, daß damit nur einem bestimmten Personenkreis Sonderpreise gewährt würden (S.63), wäre daher stattzugeben gewesen, zumal die erkennenden Richter nicht den beteiligten Verkehrskreisen angehörten. Dem ist nicht zu folgen:
Zunächst ist darauf zu verweisen, daß diese Rüge entgegen der Meinung des Klägers meritorisch zu behandeln ist, weil die Beklagte damit keinen (primären) Verfahrensmangel, sondern einen auf vermeintlich unrichtiger rechtlicher Beurteilung beruhenden Feststellungsmangel geltend macht; die betreffenden Ausführungen können daher nicht damit abgetan werden, daß die zweite Instanz den in der Berufung geltend gemachten Mangel des Verfahrens erster Instanz verneint hat.
Nach ständiger Rechtsprechung wird die Beurteilung der Wirkung einer Werbeankündigung auf die angesprochenen Verkehrskreise als Rechtsfrage angesehen (SZ 47/31; SZ 49/70 ua), soweit dazu die Erfahrungssätze des täglichen Lebens genügen (ÖBl 1979, 73; ÖBl 1985, 105 ua); wo dem Richter die erforderliche Erfahrung fehlt, sieht es die Rechtsprechung als notwendig an, daß zur Beurteilung der Frage, welche Wirkung eine bestimmte Werbung auf die angesprochenen Verkehrskreise hat, Beweise aufgenommen werden (ÖBl 1974, 82; ÖBl 1987, 78 ua). Diese zu § 2 UWG entwickelte Rechtsprechung beruht - wie in ÖBl 1985, 105 eingehend dargelegt wurde - darauf, daß es dem Richter nach herrschender Lehre gestattet ist, seiner Entscheidung Erfahrungssätze ohne Beweisaufnahmen zugrunde zu legen; das gilt insbesondere für (notorische) Erfahrungssätze des täglichen Lebens. Dienen solche Erfahrungssätze nicht zur Feststellung von Tatsachen, sondern zur Ergänzung, Ausfüllung und Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe, dann gehören sie nicht mehr zum Beweisverfahren, sondern sind Teil der rechtlichen Beurteilung und können damit - ebenso wie Rechtssätze - auch noch im Rechtsmittelverfahren vor dem Obersten Gerichtshof gerügt und überprüft werden. Die Heranziehung solcher Erfahrungssätze zur Ergänzung, Ausfüllung und Konkretisierung von Rechtssätzen bedarf keiner Zustimmung der Parteien. Auch nach der in der Bundesrepublik Deutschland herrschenden Ansicht können die (Tat-)Richter jedenfalls dann ohne fremde Hilfe, also ohne Beweisaufnahme, feststellen, was der Verkehr denkt, wenn sie dem von der Werbung angesprochenen Verkehrskreis angehören (Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht15, 1125, Rz 111 und 112 zu § 3 dUWG).
Die hier zur Beurteilung stehende Frage, ob die Empfänger des beanstandeten Werbeschreibens - zumindest zu einem nicht unerheblichen Teil - angenommen haben, daß damit nur einem bestimmten Personenkreis der Sonderpreis von S 66,-- eingeräumt, nicht aber die Normalpreise für die 14 Produkte allgemein herabgesetzt wurden, kann ohne jeden Zweifel auf Grund der allgemeinen Lebenserfahrung beantwortet werden. Daß die von der Beklagen vertriebenen Artikel vor allem, wenn nicht sogar ausschließlich an Personen weiblichen Geschlechtes vertrieben werden, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung, weil die Auffassung einer Preisankündigung nicht vom Geschlecht des Betrachters abhängt. Auch die Beklagte hat in erster Instanz mit keinem Wort begründet, weshalb gerade im vorliegenden Fall nicht die allgemein menschliche Lebenserfahrung zur Beurteilung ausreichen sollte. Mit Recht haben daher die Vorinstanzen die von der Beklagten beantragte Beweisaufnahme unterlassen.
Da schon der Erstrichter zutreffend darauf hingewiesen hat, daß die beanstandete Mitteilung für einen größeren Kreis von Personen bestimmt war und daher der Unterlassungsanspruch auch nach § 12 Abs 1 RabG idF RabG-Novelle 1988 besteht, war der Revision der Beklagten der Erfolg zu versagen.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 43 Abs 1, § 50 ZPO. Obwohl die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung nicht die Zurückweisung der Revision des Klägers beantragt hat, muß ihr Schriftsatz doch als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung dienlich angesehen werden, weil sie der Sache nach zutreffend darauf hingewiesen hat, daß dem Kläger die Beschwer fehlt.
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