OGH 1Ob515/51

OGH1Ob515/5110.10.1951

SZ 24/264

Normen

ZPO §226
ZPO §462
ZPO §502
ZPO §226
ZPO §462
ZPO §502

 

Spruch:

Spruchrepertorium Nr. 32.

Werden von einer Partei neben dem Hauptantrag noch Eventualanträge gestellt, so ist der Partei das Beschwerdeinteresse nicht schon deshalb abzusprechen, weil sie mit einem Eventualantrag Erfolg gehabt hat.

Entscheidung vom 10. Oktober 1951, 1 Ob 515/51.

II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Das Berufungsgericht hat die Revision der beklagten Partei gegen sein Urteil vom 6. April 1951, 2 R 32/51-14, unter Berufung auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 6. September 1950, 2 Ob 524/50, zurückgewiesen, weil sie in der Hauptsache über das von ihr im zweiten Rechtsgange gestellte Begehren hinausgehe, Beklagte aber an dieses Begehren gebunden bleibe. Sie habe dort begehrt, entweder das Scheidungsbegehren abzuweisen oder ein Verschulden des Klägers auszusprechen. Dem zweiten Begehren habe das Berufungsgericht entsprochen. Die Beklagte habe sich, wenn auch nur eventualiter, mit diesem Prozeßerfolg ausdrücklich einverstanden erklärt, womit ihr aber die Revisionsberechtigung genommen sei. Auch das Eventualbegehren entspreche dem Parteiinteresse, wenngleich es nicht an erster Stelle geltend gemacht werde. Durch Stellung eines Eventualbegehrens gebe die Partei zu erkennen, daß sie sich äußerstenfalls auch mit diesem Prozeßerfolg zufrieden zu geben bereit sei.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurse der beklagten Partei Folge, hob den Beschluß des Berufungsgerichtes auf und trug diesem die Vorlage der Revision auf.

Rechtliche Beurteilung

Begründung

Richtig ist, daß die vom Berufungsgerichte bezogene Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in einem ähnlich gelagerten Falle eine Revision mit der Begründung, wie sie aus dem angefochtenen Beschlusse hervorgeht, zurückgewiesen hat. Dieser Entscheidung kann jedoch aus folgenden Erwägungen nicht gefolgt werden. Die Zulässigkeit der Revision hängt hier lediglich von der Beantwortung der Frage ab, ob die Revisionswerberin in zweiter Instanz vollen Erfolg gehabt hat, ihr daher jedwedes Beschwerdeinteresse abzusprechen ist, im besonderen, ob diese Frage auch dann zu bejahen ist, wenn nur einem von der Partei im Berufungsverfahren gestellten Eventualantrag Erfolg beschieden war. Der Hauptantrag der beklagten Partei im Berufungsverfahren ging auf Abänderung des Ersturteils durch Abweisung des Klagebegehrens.

Nur für den Fall der Abweisung dieses Antrages ist das weitere Begehren gestellt worden, das Urteil dahin abzuändern, daß den Kläger ein Verschulden an der Scheidung treffe, allenfalls das Urteil aufzuheben und die Rechtssache an die erste Instanz zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen oder nach Beweisergänzung und Wiederholung in der Sache, wie beantragt, zu entscheiden. Das Wesen eines Eventualbegehrens liegt nun darin, daß es erst dann einer Erledigung zugeführt werden kann, wenn das Hauptbegehren abgewiesen worden ist. Der Richter kann nicht das primäre Begehren unerledigt lassen und sofort auf das Eventualbegehren greifen, es steht ihm somit kein Wahlrecht offen. Denn die Zulässigkeit eines Eventualantrages besagt, daß die Partei für das Gericht wirksam bestimmen kann, daß dem Eventualantrage erst dann näher zu treten ist, wenn das erste Begehren sich als unbegrundet erweist (vgl. RG. 30. Mai 1940, VIII 48/39, angeführt unter Nr. 28 zu § 226 der großen Manz'schen Ausgabe der ZPO. 1951). Die Partei, die nur mit einem Eventualantrag, der eine Einschränkung und ein Minus gegenüber dem Hauptbegehren darstellt, durchgedrungen ist, hat nicht vollständig obsiegt. Eine Partei ist aber nur dann nicht beschwert, wenn vollständig nach ihrem weitestgehenden Antrage erkannt worden ist.

Der Sinn des Eventualbegehrens ist der, daß es nur für den Fall der Abweisung des Hauptbegehrens gemeint und gewollt ist. Durch ein beispielsweise im erstgerichtlichen Verfahren gestelltes Eventualbegehren wird in den Rechtsstreit daher sozusagen ein zweiter, parallellaufender eingeschoben. Dem nur mit dem Eventualbegehren durchgedrungenen Kläger ist daher das Berufungsrecht zugestanden worden (EvBl. 1934, Nr. 570).

Die Erledigung der Berufung durch das Berufungsgericht im gegenständlichen Falle hat der beklagten Partei keinen vollen Erfolg gebracht, was schon im Spruch des Berufungsurteiles zum Ausdruck kommt, der besagt, daß der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil erster Instanz nur teilweise Folge gegeben wird. Es bedarf keiner langen Erörterung, daß die beklagte Partei dadurch, daß nur ihrem Eventualantrag Erfolg beschieden war, den geringeren Erfolg erzielt hat, als wenn ihrem Hauptantrage auf Abänderung des Ersturteils in Abweisung des Scheidungsbegehrens überhaupt stattgegeben worden wäre. Die Auffassung, daß in der Stellung eines Eventualbegehrens schon das Einverständnis mit der Abweisung des Hauptbegehrens gelegen sei, ist nach dem Ausgeführten nicht vertretbar. Der Oberste Gerichtshof sieht sich daher nicht veranlaßt, an der Rechtsmeinung, wie sie die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 6. September 1950, 2 Ob 524/50, vertritt, festzuhalten. Da die Revision von einer gesetzlich legitimierten Partei angebracht und auf Rechtsmittel nach Verkundung des Berufungsurteils nicht verzichtet wurde, war die Revision nicht als unzulässig zurückzuweisen, sondern vorzulegen.

Der Rekurs mußte demnach Erfolg haben.

Kostenentscheidung gemäß § 52 ZPO. Da die Zurückweisung der Revision nicht auf Antrag des Revisionsgegners erfolgt ist, wird auf die Kosten des Rekurses im Revisionsverfahren Bedacht zu nehmen sein.

Unter einem hat der erste Senat die Eintragung des voranstehenden Rechtssatzes unter Nr. 32 in das Spruchrepertorium beschlossen.

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