Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem Endurteil vorbehalten.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin wurde, als sie am 16.März 1983 mit dem Rollstuhl auf der Völkermarkter Straße in Klagenfurt fuhr, von dem mit seinem PKW mit dem Kennzeichen K 130.371 in gleicher Fahrtrichtung fahrenden Erstbeklagten niedergestoßen und verletzt. Die Zweitbeklagte ist der Haftpflichtversicherer des Kraftfahrzeugs des Erstbeklagten. Die Haftung der Beklagten für den der Klägerin bei diesem Verkehrsunfall zugefügten Schaden ist dem Grund nach nicht strittig.
Die Klägerin begehrte im vorliegenden Rechtsstreit aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus diesem Verkehrsunfall die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 870.130,40 s A (Schmerzengeld, Pflegekosten); überdies stellte sie ein auf Feststellung der Haftung der Beklagten - der Zweitbeklagten im Rahmen des Haftpflichtversicherungsvertrags - für ihre künftigen Unfallschäden gerichtetes Feststellungsbegehren.
Nur dieses Feststellungsbegehren ist Gegenstand des Revisionsverfahrens.
Die Klägerin stützte es im wesentlichen darauf, daß sie am 24. Februar 1981 einen Arbeitsunfall erlitten habe, der zu einer Querschnittlähmung geführt habe. Diese habe sich wesentlich gebessert. Die Klägerin habe nicht nur den Rollstuhl selbst betriebsfertig machen können, sie sei auch so weit beweglich gewesen, daß sie mit Hilfe von zwei Stützkrücken stehen, gehen und unter Zuhilfenahme des Treppengeländers auch Stiegen bewältigen habe können. Ihre Darm- und Blasenfunktion sei im wesentlichen nicht gestört gewesen. Diese Besserung sei durch den neuerlichen Unfall vom 16.März 1983 zunichte gemacht worden. Ihr körperlicher Zustand habe sich infolge ihrer bei diesem Unfall erlittenen Verletzungen so weit verschlechtert, daß sie völlig querschnittgelähmt sei. Auch im Bereich der linken oberen Körperhälfte sei es zu Lähmungserscheinungen gekommen. Sie habe jede Gefühlsempfindung in der unteren Körperhälfte verloren; auch die Funktionen von Blase und Darm seien total gestört. Sie habe keine Aussicht auf Besserung dieses Zustands und sei für den Rest ihres Lebens ständig an den Rollstuhl gebunden. Deshalb habe sie ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung.
Die Beklagten wendeten im wesentlichen ein, daß die Klägerin bei dem Verkehrsunfall vom 16.März 1983 nur eine Gehirnerschütterung und Prellungen erlitten habe und deswegen vom 16. bis 30.März 1983 in stationärer Behandlung des Landeskrankenhauses Klagenfurt gewesen sei. Diese Verletzungen seien folgenlos ausgeheilt. Die übrigen von der Klägerin behaupteten Beschwerden seien, soweit sie überhaupt gegeben sein sollten, auf ihren früheren Unfall vom 24.Februar 1981 zurückzuführen.
Das Erstgericht verurteilte die Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 185.900,-- s A; das auf Zahlung eines weiteren Betrags von S 684.230,40 s A gerichtete Leistungsmehrbegehren der Klägerin und ihr Feststellungsbegehren wies es ab.
Eine ins einzelne gehende Wiedergabe der Feststellungen des Erstgerichts kann, da sie für die Entscheidung über das vorliegende Feststellungsbegehren entbehrlich ist, unterbleiben. Das Erstgericht ging in tatsächlicher Hinsicht jedenfalls davon aus, daß sich der gesundheitliche Zustand der Klägerin, die nach ihrem Arbeitsunfall vom 24.Februar 1981 subtotal (zu zwei Dritteln) querschnittgelähmt war, durch ihre Verletzung beim Verkehrsunfall vom 16.März 1983 im Sinne einer totalen Querschnittlähmung (komplette Lähmung an den Beinen) verschlechterte und daß eine Besserung dieses Zustands nicht zu erwarten ist. Davon gehen im übrigen auch die Beklagten in ihrem Rechtsmittel aus.
Rechtlich führte das Erstgericht im wesentlichen aus, daß die Zunahme der Lähmung an den Beinen durch den zweiten Unfall mangels nennenswerter erhöhter Pflegebedürfnisse kein Feststellungsinteresse der Klägerin begründe; ihr Feststellungsbegehren sei daher abzuweisen.
Diese Entscheidung des Erstgerichts wurde (abgesehen vom in Rechtskraft erwachsenen Zuspruch eines Betrags von S 85.900,-- s A an die Klägerin) von beiden Teilen mit Berufung bekämpft. Das Berufungsgericht gab beiden Rechtsmitteln Folge. Mit dem nunmehr angefochtenen Teilurteil änderte es die Entscheidung des Erstgerichts über das Feststellungsbegehren dahin ab, daß es diesem Begehren stattgab. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstands, über den es in Ansehung des Feststellungsbegehrens entschieden hat, S 15.000,--, aber nicht S 300.000,-- übersteigt und daß die Revision gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO nicht zulässig sei. Im übrigen, nämlich hinsichtlich des Zuspruchs eines Betrags von S 100.000,-- s A an die Klägerin und der Abweisung ihres Leistungsmehrbegehrens von S 684.230,40 s A, hob das Berufungsgericht mit Beschluß die Entscheidung des Erstgerichts ohne Rechtskraftvorbehalt auf; in diesem Umfang verwies es die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.
Rechtlich führte das Berufungsgericht zur Frage des Feststellungsinteresses der Klägerin im wesentlichen aus, allein der durch den Verkehrsunfall hervorgerufene unbestrittene totale Gefühls- und Aktivitätsverlust thorakal XII abwärts, verbunden mit der Aufhebung der Blasen- und Darmfunktion, werde die Inanspruchnahme einer Pflegeperson rechtfertigen und begründe das Feststellungsinteresse, weshalb dem Feststellungsbegehren jedenfalls schon auf Grund der bisherigen Verfahrensergebnisse stattzugeben sei. Gegen das Teilurteil des Berufungsgerichs richtet sich das als "außerordentliche Revision" bezeichnete Rechtmittel der Beklagten. Sie bekämpfen es aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es aufzuheben und die Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht bzw das Erstgericht zurückzuverweisen; hilfsweise beantragen sie die Abänderung des Teilurteils des Berufungsgerichts im Sinne der Abweisung des Feststellungsbegehrens der Klägerin.
Dieses Rechtsmittel der Beklagten ist als ordentliche Revision zu behandeln, weil die Voraussetzungen des § 502 Abs 4 Z 2 ZPO vorliegen. Der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, lag über S 300.000,-- (2 Ob 1038/89). Die Klägerin hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision der Beklagten keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Beklagten ist nicht berechtigt.
Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO). Auch der Rechtsrüge kommt keine Berechtigung zu.
Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs rechtfertigt im Sinne des § 228 ZPO die bloße Möglichkeit künftiger Unfallschäden die Erhebung einer Feststellungsklage (ZVR 1972/36; ZVR 1976/113; ZVR 1978/160; SZ 56/38; 8 Ob 28/87 uva). Das Feststellungsinteresse im Sinne dieser Gesetzesstelle ist schon dann zu bejahen, wenn die Möglichkeit offenbleibt, daß das schädigende Ereignis den Eintritt eines künftigen Schadens verursachen könnte (ZVR 1973/45; ZVR 1973/46; 8 Ob 28/84 uva). Das Vorliegen von gesundheitlichen Dauerfolgen schließt naturgemäß die Möglichkeit in sich, daß das schädigende Ereignis für einen künftigen Schadenersatzanspruch ursächlich sein könnte; es begründet daher einen Feststellungsanspruch des Geschädigten (ZVR 1969/156; 8 Ob 157/79 ua).
Im vorliegenden Fall hat nach den Feststellungen der Vorinstanzen die Verletzung der Klägerin bei dem Verkehrsunfall vom 16. März 1983 jedenfalls insoweit zu gesundheitlichen Dauerfolgen geführt, als sich ihr früherer, auf Grund des Arbeitsunfalls vom 24. Februar 1981 beeinträchtigter Gesundheitszustand (subtotale Querschnittlähmung zu zwei Dritteln) im Sinne einer totalen Querschnittlähmung (komplette Lähmung der Beine) verschlimmerte. Das gestehen auch die Beklagten in ihrem Rechtsmittel zu. Die Schlußfolgerung des Erstgerichts, daß damit keine nennenswerte Erhöhung des für die erforderliche Pflege der Klägerin erforderlichen Aufwands verbunden gewesen sei, entbehrt einer nachvollziehbaren Begründung und schließt vor allem nicht aus, daß der Klägerin infolge dieser durch ihre Verletzung bei dem hier zu beurteilenden Verkehrsunfall hervorgerufenen gesundheitlichen Dauerfolge in der Zukunft Schadenersatzansprüche (etwa in Form von Schmerzengeld, Pflegekosten, Ersatz von Heilungskosten u dgl) entstehen können. Mit Recht hat daher das Berufungsgericht im Sinne der dargestellten ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs das Feststellungsinteresse der Klägerin nach § 228 ZPO bejaht und ihrem Feststellungsbegehren stattgegeben.
Der Revision der Beklagten muß daher ein Erfolg versagt bleiben. Der Vorbehalt der Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 Abs 2 ZPO.
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