OGH 10ObS283/89

OGH10ObS283/8924.10.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst und Dr. Bauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Karlheinz Kux (AG) und Anton Korntheuer (AN) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Franz K***, Pensionist, 8600 Oberaich, Paulahofsiedlung 60, vertreten durch Dr. Robert Kronegger und Dr. Rudolf Lemesch, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei P*** DER

A***, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr. Alfred Kasamas, Rechtsanwalt in Wien, wegen vorzeitiger Alterspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. Mai 1989, GZ 8 Rs 47/89-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 15. September 1988, GZ 22 Cgs 142/88-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Urteil vom 17. November 1987, 10 Ob S 90/87, stellte der Oberste Gerichtshof in einem vom Kläger gegen die beklagte Partei geführten Verfahren gemäß § 247 ASVG unter anderem fest, daß der Kläger aus der Zeit von April 1942 bis März 1945 36 Monate Ersatzzeiten in der deutschen Rentenversicherung gemäß § 1252 Abs 1 Z 1 RVO zurückgelegt hat.

Mit Bescheid vom 16. März 1988 anerkannte die beklagte Partei ab 1. März 1987 den Anspruch des Klägers auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer gemäß § 270 iVm § 253 b ASVG und setzte die Pension für die Zeit ab 1. März 1987 mit S 17.932,40 monatlich fest. Dabei legte sie dem Steigerungsbetrag gemäß § 261 Abs 3 ASVG 501 in Österreich erworbene Versicherungsmonate, nicht aber die angeführten Versicherungsmonate der deutschen Rentenversicherung zugrunde.

Der Kläger begehrte, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihm ab 1. März 1987 eine vorzeitige Alterspension von S 19.013,70 monatlich zu bezahlen. Für den Steigerungsbetrag seien auch die Versicherungsmonate aus der Zeit von April 1942 bis März 1945 zu berücksichtigen. Er habe in dieser Zeit in einer nunmehr im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gelegenen Stadt als Militärschüler die Fliegertechnische Vorschule besucht. Diese Zeiten hätten daher gemäß § 531 ASVG als nachversichert zu gelten und seien somit gemäß § 226 Abs 2 lit e ASVG Beitragszeiten.

Die beklagte Partei wendete ein, daß die strittigen Zeiten aufgrund der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in die deutsche Versicherungslast fielen. Sie könnten außerdem schon deshalb nicht als nachversichert gelten, weil sie nicht im Gebiet der Republik Österreich zurückgelegt worden seien.

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei unter Abweisung des Mehrbegehrens schuldig, dem Kläger ab 1. März 1987 die vorzeitige Alterspension in der Höhe von S 17.932,40 monatlich zu bezahlen. Durch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes sei rechtskräftig festgestellt worden, daß die strittigen Zeiten nicht in die österreichische, sondern in die deutsche Versicherungslast fallen. Sie könnten daher bei der Ermittlung der Höhe der dem Kläger gebührenden Pension nicht berücksichtigt werden, weil der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland bisher keinen Antrag auf eine Rentenleistung gestellt habe und ihm die Pension daher gemäß Art. 30 (Abs 1) des AbkSozSi.-BRD ausschließlich nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften zu gewähren sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Da der Kläger schon aufgrund der in Österreich zurückgelegten Versicherungszeiten den Anspruch auf Pension erworben habe, sei die Höhe seiner Pension gemäß Art. 30 Abs 1 AbkSozSi.-BRD aufgrund der in Österreich zurückgelegten Versicherungszeiten zu berechnen. Von den Parteien sei nicht behauptet worden, daß nach den Rechtsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland ein Leistungsanspruch nicht bestehe. Das Erstgericht hätte hiezu zwar gemäß den §§ 39 und 87 ASGG von Amts wegen Feststellungen treffen müssen. Dieser Mangel sei aber unbeachtlich, weil die Entscheidung für den Kläger auch dann nicht günstiger wäre, wenn in der Bundesrepublik Deutschland kein Rentenanspruch bestünde. Bei der dann gemäß Art. 27 Abs 4 des Abkommens unter Einbeziehung der strittigen Versicherungsmonate vorzunehmenden Teilberechnung ergebe sich nämlich ein Steigerungsbetrag von S 79,125 % der Bemessungsgrundlage von S 24.030,-- und somit ein Pensionsanspruch von S 19.013,70 monatlich. Hievon würden dem Kläger aber nach dem Verhältnis der Versicherungszeiten (501 : 537) nur 93 %, d.s. S 17.682,74 monatlich, und daher ein niedrigerer als der zuerkannte Betrag gebühren.

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, es im Sinn des Klagebegehrens abzuändern oder es allenfalls aufzuheben und die Sozialrechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Die beklagte Partei beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Vorauszuschicken ist, daß der Kläger seinen in der Klage vertretenen Standpunkt, die strittigen Zeiten seien gemäß § 226 Abs 2 lit e ASVG Beitragszeiten, weil sie gemäß § 531 ASVG als nachversichert zu gelten hätten, im Rechtsmittelverfahren nicht mehr aufrecht erhalten hat. Schon dies (vgl. EvBl 1985/154) und überdies die bindende Wirkung der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 10 Ob S 90/87 schließt die Berücksichtigung der strittigen Zeiten als nach den österreichischen Rechtsvorschriften erworbene Versicherungszeiten aus.

Der vom Kläger im Rechtsmittelverfahren vertretene Standpunkt geht dahin, daß die strittigen Zeiten bei der Ermittlung der Höhe seiner Pension zu berücksichtigen seien, obwohl sie als nach den Rechtsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt gelten. Dafür findet sich aber im AbkSozSi.-BRD BGBl. 1969/382 idF BGBl. 1975/280 und 1982/299, das hier allein hiefür herangezogen werden kann, unter den gegebenen Verhältnissen keine Grundlage. Der Kläger beruft sich zu Unrecht auf Art. 26 Abs 1 des Abkommens, weil dort die Zusammenrechnung der Versicherungszeiten nur für das Recht auf freiwillige Versicherung und für den Erwerb eines Leistunganspruchs angeordnet wird. Wie sich aus Art. 27 Abs 1 und 2 des Abkommens deutlich ergibt, ist die im Art. 26 Abs 1 vorgesehene Zusammenrechnung der Versicherungszeiten nur dafür maßgebend, ob ein Anspruch auf eine Pension (Rente) besteht. Dasselbe läßt sich auch aus Art. 30 Abs 1 des Abkommens ableiten (arg. "auch ohne Berücksichtigung des Art. 26 Abs 1 ein Leistungsanspruch").

Für die Höhe der Pension ist die Zusammenrechnung der Versicherungszeiten im Abkommen einerseits vorgesehen, wenn gemäß Art. 27 Abs 3 und 4 die vom Versicherungsträger eines Vertragsstaates zu erbringende Teilleistung zu berechnen ist. Dies setzt aber nach dem vorhergehenden Abs 2 voraus, daß nach den Rechtsvorschriften beider Vertragsstaaten Anspruch auf Pension (lit a) oder daß zwar nur in einem Vertragsstaat, dann aber nur unter Berücksichtigung des Art. 26 Abs 1 Anspruch auf Pension (lit b) besteht. Außerdem ist im Abkommen die Zusammenrechnung von Versicherungszeiten für die Höhe der Pension nur noch im Art. 26 Abs 4 für den Fall vorgesehen, daß die Versicherungszeiten, die nach den Rechtsvorschriften eines Vertragsstaates zu berücksichtigen sind, insgesamt nicht zwölf Monate erreichen. Diese Bestimmung soll verhindern, daß ein Versicherungsträger mit "Zwergleistungen" belastet wird (EB zu der das Abkommen betreffenden RV 520 BlgNR 11. GP 44). Es wird daher auch in dieser Bestimmung ganz offensichtlich davon ausgegangen, daß ohne sie von den Versicherungsträgern beider Vertragsstaaten Leistungen zu erbringen wären.

Gegen die Rechtsansicht des Klägers spricht außerdem Art. 30 Abs 1 des Abkommens. Besteht nach den Rechtsvorschriften eines Vertragsstaates auch ohne Berücksichtigung des Art. 26 Abs 1 ein Leistungsanspruch, so gewährt nach dieser Bestimmung der zuständige Träger die ohne Anwendung "dieses Kapitels" (also des Kapitels 3 des Abkommens) zustehende Leistung, solang ein entsprechender Leistungsanspruch nach den Rechtsvorschriften des anderen Vertragsstaates nicht besteht. Solange diese Voraussetzung nicht erfüllt ist, ist also die Leistung nur nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften und somit ohne Anwendung der Bestimmung des Abkommens über die Zusammenrechnung zu gewähren (Teschner-Fürböck, MGA Zwischenstaatliche Sozialversicherung Anm. 3 zu Art. 30 AbkSozSi.-BRD Lfg. 21 122; 10 Ob S 213/89).

Aus all diesen Bestimmungen ist abzuleiten, daß Versicherungszeiten für die Höhe der Pension nur und erst dann zusammengerechnet werden dürfen, wenn in beiden Vertragsstaaten ein Leistungsanspruch besteht. Eine Ausnahme ist im Art. 27 Abs 2 lit b des Abkommens für den Fall vorgesehen, daß zwar bloß in einem Vertragsstaat, dort aber nur bei Zusammenrechnung der Versicherungszeiten beider Vertragsstaaten ein Anspruch besteht. In diesem Fall hat jedoch der Versicherungsträger dieses Staates nur eine entsprechende Teilleistung zu erbringen. Auch dies zeigt, daß ein Versicherungsträger, vom Sonderfall des Art. 26 Abs 4 des Abkommens abgesehen, nicht, wie der Kläger dies anstrebt, verpflichtet ist, die Pension in der Höhe zu gewähren, die sich aus der Zusammenrechnung der in beiden Vertragsstaaten zurückgelegten Versicherungszeiten ergibt.

Nach den Verfahrensergebnissen ist davon auszugehen, daß der Kläger (noch) keinen Anspruch auf eine Leistung aus der deutschen Rentenversicherung hat. Da die Voraussetzungen des Art. 27 Abs 1 lit b des Abkommens nicht erfüllt sind, dürfen daher die nach den Rechtsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegten strittigen Zeiten bei der Ermittlung der Höhe der ihm gebührenden Pension nicht berücksichtigt werden. Der in diese Richtung gehenden Rechtsansicht der Vorinstanzen ist somit beizupflichten. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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