OGH 7Ob31/89

OGH7Ob31/8919.10.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gerhard R***, Privater, Mautern 255, vertreten durch Dr. Karl Krawagna und Dr. Walter Wolf, Rechtsanwälte in Bruck a.d.Mur, wider die beklagte Partei W*** A*** Versicherungs AG, Graz, Radetzkystraße 6, vertreten durch Dr. Kurt Hanusch und Dr. Heimo Jilek, Rechtsanwälte in Leoben, wegen Feststellung des Versicherungsschutzes (Streitwert 500.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 26. Juni 1989, GZ 4 a R 110/89-39, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 17. März 1989, GZ 6 Cg 325/88-32, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 17.317,80 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 2.886,30 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der R***- UND F*** M*** hat bezüglich zweier Pferde, darunter das Haflingerpferd "Ringo", bei der Beklagten eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen, der die "Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung" (AHVB 1978) und die "Ergänzenden Bedingungen für die Haftpflichtversicherung" (EHVB 1978) zugrunde liegen. Die Versicherung erstreckt sich auch auf Schadenersatzverpflichtungen des jeweiligen Verwahrers, Betreuers und Verfügungsberechtigten der Pferde. Der Kläger war im Februar 1986 als Mitglied des Vereines berechtigt, jederzeit über die Pferde zu verfügen und mit diesen Schlittenfahrten zu unternehmen. Er war demnach auch Mitversicherter.

Am 15.2.1986 unternahm der Kläger mit einem von dem Pferd "Ringo" gezogenen Schlitten eine Fahrt, an der auch zwei Gäste, darunter Franziska H***, teilnahmen. Auf der Rückfahrt kam es zu einem Unfall, bei dem Franziska H*** schwer verletzt wurde. Am folgenden Tag vereinbarte der Kläger mit dem örtlichen Vertreter der Beklagten eine Zusammenkunft zwecks Erstattung der Schadensmeldung, in der der Unfall so geschildert wurde, daß das Pferd plötzlich durchgegangen, der Schlitten auf einen Schneehaufen aufgefahren und umgekippt sei, wobei Franziska H*** Verletzungen erlitten habe. Das Verschulden treffe das bisher gutmütige Pferd, das durchgegangen sei.

Da dem Vertreter der Beklagten Karl S*** diese Meldung zu unklar erschien, ersuchte er den R***- UND F*** M*** um eine aufklärende Darstellung und Beantwortung der in seinem Schreiben enthaltenen Fragen, unter anderem nach dem genauen Unfallsablauf, der Möglichkeit der Verhinderung des Unfalls, der Qualifikation des Klägers zum Lenken des Pferdeschlittens und einer nachträglichen Erhebung durch die Behörde. Im Antwortschreiben vom 17.3.1986 wurde dargestellt, daß der Unfall nicht zu verhindern gewesen sei, weil der Schlitten durch ein plötzliches Durchgehen des Pferdes ins Schleudern gekommen wäre. Der Kläger besitze jahrelange Erfahrungen im Pferdeschlittenfahren, eine nachträgliche Erhebung durch die Behörde sei nicht erfolgt.

Auf neuerliches Befragen durch Karl S*** gab der Kläger am 3.4.1986 an, das Pferd "Ringo" habe gescheut, weil die Schlittenkufen in eine eisige Fahrrinne gerutscht seien, wodurch der Schlitten seitlich gekippt, aber nicht umgefallen sei. Er selbst habe alle Anstrengungen unternommen, um das durchgegangene Pferd zu beruhigen, was ihm aber nicht gelungen sei. Er besitze auch jahrelange Erfahrungen im Pferdeschlittenfahren.

Auf Grund der erwähnten Erklärungen lehnte S*** mit Schreiben vom 8.4.1986 gegenüber den damaligen Vertretern der Franziska H*** jede Haftung ab. Nach einem nunmehr von diesen Vertretern verfaßten Schreiben vom 21.5.1986 soll das Pferd deshalb schneller zu laufen begonnen haben, weil die Bremse des Schlittens nicht in Ordnung gewesen sei und das Wagenscheit gegen die Hinterhufe des Pferdes geschlagen habe. Der Kläger habe die Zügel losgelassen und sei vom Schlitten gesprungen. Der Unfall sei darauf zurückzuführen, daß die Bremsen nicht funktioniert hätten und der Kläger das Gefährt sich selbst überlassen habe. Im wesentlichen schloß sich nun der Kläger in einem Schreiben an die Beklagte vom 4.6.1986 dieser Version an.

Die Vorinstanzen haben das auf Leistung des Versicherungsschutzes gerichtete Klagebegehren mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe durch seine unklaren und zueinander im Widerspruch stehenden verschiedenen Schadensmeldungen gegen seine im Art.8 Z 1 AHVB 1978 festgesetzte Aufklärungspflicht verstoßen. Er habe nicht bewiesen, daß diese Obliegenheitsverletzung nicht auf Vorsatz beruhte. Die Beklagte sei daher leistungsfrei. Das Berufungsgericht hat ausgesprochen, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Kläger gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen § 503 Abs.1 Z 2 bis 4 ZPO erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.

Die Nichteinvernahme verschiedener Personen zu der Frage, ob dem Kläger vom Krankenhaus mitgeteilt worden sei, dieses werde eine Unfallsanzeige bei der Gendarmerie erstatten, kann schon deswegen keinen Verfahrensmangel bilden, weil, wie noch auszuführen sein wird, die dem Kläger zur Last gelegte Obliegenheitsverletzung bereits durch seine eigenen Schadensmeldungen begangen worden ist und es daher nicht mehr darauf ankommt, ob er verpflichtet gewesen wäre, die Gendarmerie zu verständigen.

Im übrigen macht der Kläger mit der Mängelrüge ausschließlich angebliche Mängel des erstgerichtlichen Verfahrens geltend, deren Vorliegen das Berufungsgericht verneint hat. Das neuerliche Aufrollen derartiger Verfahrensmängel in der Revision ist unzulässig (SZ 27/4, EvBl.1969/263 ua.).

Die angebliche Aktenwidrigkeit wird nicht in einer Abweichung der getroffenen Feststellungen vom Akteninhalt, sondern in einer angeblich unrichtigen Wertung der vorgelegten Urkunden durch das Berufungsgericht und das Erstgericht erblickt. Demnach wird in Wahrheit keine Aktenwidrigkeit, sondern eine unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht.

Ebenso wie mit dem Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit unternimmt der Kläger auch unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung weitgehend den unzulässigen Versuch einer Bekämpfung der getroffenen Feststellungen. Geht man von diesen Feststellungen aus, so ist der dem Kläger von den Vorinstanzen gemachte Vorwurf einer Verletzung der Aufklärungspflicht berechtigt. Daß die Aktennotiz des Zeugen S*** (Beilage ./6) den Mitteilungen des Klägers entspricht, wurde ausdrücklich festgestellt. Davon muß ausgegangen werden. Betrachtet man diese Aktennotiz sowie die Schadensmeldung vom 16.2.1986 (Beilage ./3) und das Schreiben des R***- UND F*** M*** vom 17.3.1986 (Beilage ./5), das nach den getroffenen Feststellungen Mitteilungen des Klägers wiedergibt, so kann man zu keinem anderen Schluß gelangen, als daß bis dahin der Kläger den Unfall ausschließlich so dargestellt hat, daß ihn keinerlei Verschulden treffe. Für den Unfall sei ausschließlich ein unabwendbares Ereignis, nämlich das Scheuen des bisher unproblematischen Pferdes, verantwortlich gewesen. Erst das Einschreiten der Vertreter der Verletzten hat erstmals die Behauptung von Umständen gebracht, die einen Schluß auf ein Verschulden des Klägers an dem Unfall zulassen könnten. Dieser Version hat sich der Kläger mit Schreiben vom 3.6.1986 angeschlossen. Eine Übereinstimmung der beiden Standpunkte läßt sich auch bei weitherzigster Auslegung nicht konstruieren. Im ersten Fall soll ausschließlich höhere Gewalt den Unfall verursacht, im zweiten Fall eine Nachlässigkeit des Klägers zumindest erheblich daran mitgewirkt haben. Bedenkt man, daß nach Art.1 Abs.1 der AKHB 1978 die Versicherung nur die Befriedigung begründeter und die Abwehr unbegründeter Ersatzansprüche, die auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen gegen den Versicherungsnehmer oder versicherte Personen erhoben werden, umfaß, so ist klar, daß die erste Version des Klägers Versicherungsschutz ausschließen mußte, weil nach dieser keine Haftung nach Haftpflichtbestimmungen bestanden hätte. (Das EKHG ist nach seinem § 1 nicht auf Pferdeschlitten anzuwenden.) Dagegen hätte die zweite Version den Anspruch auf Versicherungsleistung begründen können. Dies zeigt aber, daß die Abweichung einen entscheidenden Punkt betraf und deshalb nicht unerheblich ist. Durch eine der beiden Versionen hat also der Kläger auf jeden Fall die ihm zur Last gelegte Obliegenheitsverletzung begangen.

Der Versicherer braucht nur den objektiven Tatbestand einer Obliegenheitsverletzung nachzuweisen, während es Sache des Versicherungsnehmers ist, zu behaupten und zu beweisen, daß er die ihm angelastete Obliegenheitsverletzung weder vorsätzlich noch grob fahrlässig begangen hat (Vers-Rundschau 1989, 184, VersR 1988, 530, SZ 46/106 ua.). Da der Kläger nach den getroffenen Feststellungen den fehlenden Vorsatz für seine Obliegenheitsverletzung nicht bewiesen hat, trat nach § 6 Abs.3 VersVG unbedingte Leistungsfreiheit des Versicherers ein, weshalb der Einfluß der Obliegenheitsverletzung auf die Möglichkeit einer endgültigen Klärung der Sachlage keine Rolle spielt. Der tatsächliche Tatablauf mußte daher nicht geprüft werden.

Die angefochtene Entscheidung erweist sich demnach als richtig. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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