OGH 3Ob531/89

OGH3Ob531/8918.10.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Huber, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Otto P***, Kaufmann, Graz, Leonhardstraße 95, vertreten durch Dr. Friedrich Piffl-Percevic, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Josef S*** Gesellschaft mbH, Linz, Welserstraße 18, vertreten durch Dr. Paul Bachmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen restl. 326.765,23 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 29. Dezember 1988, GZ 2 R 341/88-38, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 10. August 1988, GZ 10 Cg 30/88-34, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen, die betreffs der Abweisung des auf Bezahlung von 425.025,98 S sA gerichteten Mehrbegehrens mangels Anfechtung unberührt bleiben, werden im übrigen, also betreffs der Abweisung des auf Bezahlung von 26.765,23 S sA gerichteten Klagebegehrens und im Kostenpunkt, aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Rechtsmittelkosten sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger erteilte der beklagten Partei bzw. ihrer Rechtsvorgängerin am 13. August und am 2. September 1980 den Auftrag zur Herstellung verschiedener Bestandteile für Eisenbahnwaggons, die bei ihm von einem Dritten bestellt worden waren. Der erste Auftrag wurde ausgeführt, die Ausführung des zweiten Auftrages unterblieb. Der Kläger begehrte nach mehrfacher Änderung des Klagebegehrens am 8. November 1982 in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom Beklagten die Bezahlung von 883.267,75 S sA. Dieser Betrag setzte sich aus einem Anspruch auf Schadenersatz in der Höhe von 326.765,23 S sA wegen der mangelhaften Erfüllung des ersten Vertrages und in der Höhe von 556.502,52 S sA wegen der Nichterfüllung des zweiten Vertrages zusammen. Der Kläger brachte zum ersten Schadenersatzanspruch im wesentlichen vor, daß die auf Grund des Auftrages vom 13. August 1980 herzustellende Bestandteile teilweise nicht geliefert worden seien, wodurch ihm ein Verkaufserlös von 26.765,23 S entgangen sei. Sein Auftraggeber habe außerdem gegen ihn wegen der verspäteten Lieferung der übrigen Bestandteile einen Schadenersatz von 2,593.436,51 S sA geltend gemacht, den er mit 300.000 S verglichen und in der verglichenen Höhe bezahlt habe.

Die beklagte Partei bestritt, daß der erste Auftrag nicht ordnungsgemäß und rechtzeitig erfüllt wurde. Der zweite Auftrag sei vom früheren Eigentümer ihres Unternehmens angenommen worden, obwohl er hiezu nicht berechtigt gewesen sei.

Die beklagte Partei wendete außerdem eine Gegenforderung in der Höhe von 150.964,48 S ein. Aus dem ersten Auftrag gebühre noch ein Entgelt in dieser Höhe.

Der Kläger schränkte in der Folge unter Berücksichtigung der Gegenforderung im Teilbetrag von 131.476,54 S das Klagebegehren auf Zahlung von 751.791,21 S sA.

Nach Aufnahme mehrerer Beweise faßte das Erstgericht am 7. Oktober 1983 von Amts wegen den Beschluß, daß der Rechtsstreit bis zur Erledigung der Strafanzeige gegen den Kläger und den als Vertreter der beklagten Partei handelnden Ing. Josef S*** unterbrochen wird. Zugleich erstattete es gegen die beiden bei der zuständigen Staatsanwaltschaft die Anzeige wegen Verdachtes des Verbrechens der zumindest versuchten Untreue gemäß § 12, § 15 und § 153 Abs 2 StGB, der im wesentlichen ihr Vorgehen beim Zustandekommen des zweiten Auftrags zugrundelag. Der Rekurs, den der Kläger gegen den Unterbrechungsbeschluß erhob, blieb erfolglos. Der Unterbrechungsbeschluß enthielt nicht den Zusatz, das Verfahren wurde nun auf Antrag einer Partei fortgesetzt.

Ing. Josef S*** wurde am 26. November 1984 wegen des Vergehens der versuchten Untreue nach § 15 und § 153 Abs 1 und 2 erster Fall StGB, der Kläger wurde mit Urteil vom 7. Oktober 1985 wegen des Verbrechens der versuchten Untreue als Beteiligter nach § 12 (zu ergänzen: zweiter Fall), § 15 und § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt, wobei beiden Urteilen Vorfälle im Zusammenhang mit dem zweiten Auftrag zugrundelagen. In einem am 1. April 1987 verkündeten Urteil verwarf der Oberste Gerichtshof die Nichtigkeitsbeschwerde des Klägers und gab seiner Berufung nicht Folge. Das Urteil wurde dem Kläger am 6. Mai 1987 zugestellt. Der Kläger beantragte am 1. Februar 1988 die Fortsetzung des Verfahrens, wobei er im Antrag darauf hinwies, daß das unterbrochene Verfahren trotz Beendigung des Strafverfahrens bisher nicht fortgesetzt worden sei.

Der Beklagte wendete Verjährung wegen nicht gehöriger Fortsetzung des Verfahrens ein.

Der Kläger brachte hiezu vor, er sei der Meinung gewesen daß das Verfahren von Amts wegen fortgesetzt werde. Überdies sei es ihm nicht früher gelungen, einen rechtsfreundlichen Vertreter zu finden. Das Erstgericht wies das Klagebegehren im wesentlichen mit der Begründung ab, daß das Verfahren nicht gehörig fortgesetzt worden sei, weil der Kläger den Fortsetzungsantrag erst zehn Monate (richtig: neun Monate) nach Zustellung des Urteils des Obersten Gerichtshofes eingebracht habe. Die Klage habe daher die Verjährung nicht gemäß § 1497 ABGB unterbrochen, weshalb die eingeklagten Ansprüche aus dem ersten Auftrag verjährt seien. Das durch den zweiten Auftrag geschlossene Rechtsgeschäft sei auf Grund der strafgerichtlichen Verurteilung als sittenwidrig und daher ungültig anzusehen, weshalb nicht erörtert werden müsse, ob hiefür gemäß § 1489 letzter Satz ABGB die dreißigjährige Verjährungsfrist gelte. Dieses Urteil bekämpfte der Kläger im Umfang von 326.765,23 S mit Berufung, wobei er sich ausdrücklich auf sein Vorbringen zum ersten Auftrag bezog.

Das Berufungsgericht gab der Berufung nicht Folge. Der Kläger habe spätestens im Spätsommer 1987 erkennen müssen, daß das Erstgericht das Verfahren nicht von Amts wegen aufnehmen werde, zumal es wegen der langen Dauer des Strafverfahrens und des hiemit verbundenen Abstreichens des Aktes hiezu kaum in der Lage gewesen sei. Wenn er trotzdem nahezu ein halbes Jahr mit seinem Fortsetzungsantrag zugewartet habe, sei das Verfahren nicht im Sinn des § 1497 ABGB gehörig fortgesetzt worden. Auf die behaupteten, aber nicht bescheinigten Schwierigkeiten, einen rechtsfreundlichen Vertreter zu finden, könne er sich nicht mit Erfolg berufen, weil hiedurch nur seine eigene Sphäre betroffen gewesen sei. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung (an eine der Vorinstanzen) zurückzuverweisen.

Die beklagte Partei beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Gemäß § 1497 ABGB wird die Verjährung durch die Einbringung der Klage allerdings nur dann unterbrochen, wenn das hierüber eingeleitete Verfahren gehörig fortgesetzt wird. Dabei ist nicht so sehr auf die Dauer der Untätigkeit des Klägers, sondern vor allem auf die Gründe hiefür Bedacht zu nehmen (JBl 1986, 651 ua). Bloß im Bereich des Klägers gelegene Umstände kommen als Rechtfertigungsgründe für die prozessuale Untätigkeit nicht in Betracht (SZ 43/176; EvBl 1976/6 ua). Der Kläger kann sich vielmehr nur auf solche Umstände berufen, die im Verhältnis zwischen den Prozeßparteien liegen (EvBl 1973/248; EvBl 1976/6; SZ 49/106 ua). All dies gilt auch für die Fortsetzung eines unterbrochenen Verfahrens (GlUNF 5587; 5 Ob 219/69; 2 Ob 232/82; 1 Ob 705/87 ua). Hiebei ist aber zu unterscheiden, ob das Verfahren nach Wegfall des Unterbrechungsgrundes nur auf Antrag oder ob es auch von Amts wegen fortzusetzen war. Da der Kläger in dem zuletzt genannten Fall eine Tätigkeit des Gerichtes erwarten konnte oder mußte, darf aus seiner Untätigkeit nicht ohne weiteres der Schluß gezogen werden, es sei ihm an der Erreichung des Prozeßzieles nichts gelegen (JBl 1986, 651 mwN).

Hier war das Verfahren gemäß § 191 Abs 3 ZPO nach rechtskräftiger Erledigung des Strafverfahrens nicht nur auf Antrag, sondern auch von Amts wegen wieder aufzunehmen. Die Aufnahme steht auch ohne Antrag einer Partei nicht im Ermessen des Gerichtes, sondern dieses ist hiezu verpflichtet (art. "ist"). Das Gericht muß daher das Wegfallen des Unterbrechungsgrundes (etwa durch Eintragen der Rechtssache in den Geschäftskalender gemäß § 527 Geo. oder in den Fristenvormerk gemäß § 529 Geo.) überwachen.

Der Kläger durfte in seine Überlegungen also durchaus einbeziehen, daß das Erstgericht zur Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens verpflichtet war und dieser Pflicht auch nachkommen werde. Verletzt das Erstgericht eine solche Pflicht, kann ein Kläger zwar nicht für unbegrenzte Zeit untätig bleiben. Mußte er erkennen, daß das Gericht, dessen Tätigkeit er zunächst erwarten durfte, von sich aus nicht mehr tätig wird, so kann er sich zur Rechtfertigung seiner weiteren Untätigkeit nicht mehr darauf berufen, das Gericht hätte von Amts wegen das Verfahren fortsetzen müssen (JBl 1976, 591; JBl 1986, 651). Dies wird allerdings erst nach längerer Zeit der Untätigkeit des Gerichtes der Fall sein (JBl 1986, 651). Bedenkt man, daß nicht feststand, wann das Erstgericht von der rechtskräftigen Erledigung der Strafverfahren erfahren wird, zumal hiezu eine Anfrage hätte gestellt werden müssen, so war die hier verstrichene Zeit noch nicht so lang, daß dem Kläger schon längere Zeit vor Einbringen des Fortsetzungsantrags klar sein mußte, das Erstgericht werde das unterbrochene Verfahren ohne Antrag einer Partei nicht mehr aufnehmen. Sein Fortsetzungsantrag bewirkte daher, daß er das Verfahren gehörig im Sinn des § 1497 ABGB fortsetzte. Der Oberste Gerichtshof hat zwar in der Entscheidung 2 Ob 232/82 bei einer Untätigkeit des Klägers von sieben Monaten und in der Entscheidung 1 Ob 705/87 bei einer solchen von neun Monaten nach dem Wegfall des Unterbrechungsgrundes die gehörige Fortsetzung des Verfahrens verneint. In beiden Fällen hatte das Erstgericht im Unterbrechungsbeschluß aber ausgesprochen, daß das Verfahren nur auf Antrag fortgesetzt werde. Unabhängig davon, ob dieser Ausspruch dem Gesetz entsprach, durfte die klagende Partei der betroffenen Verfahren wegen dieses Ausspruches nicht damit rechnen, daß das Gericht von sich aus tätig werden würde. Dies wird in der Entscheidung 1 Ob 705/87 auch ausdrücklich hervorgehoben. Der Sachverhalt, der den angeführten Entscheidungen zugrundelag, weicht also in einem wesentlichen Punkt von dem hier zu beurteilenden ab, weshalb aus ihnen für die beklagte Partei nichts zu gewinnen ist. Die Verjährung des eingeklagten Anspruches wurde somit entgegen der Ansicht der Vorinstanzen durch die rechtzeitig eingebrachte Klage und die gehörige Fortsetzung des Verfahrens gemäß § 1497 ABGB unterbrochen und ist noch nicht eingetreten. Das Erstgericht wird im fortzusetzenden Verfahren daher Feststellungen zu dem nunmehr allein noch strittigen Schadenersatzanspruch zu treffen haben, den der Kläger auf die nicht gehörige Erfüllung des Vertrages vom 13. August 1980 stützt. Hiefür sind die Entscheidungen der Strafgerichte ohne Bedeutung.

Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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