OGH 9ObA250/89

OGH9ObA250/8918.10.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Pipin Henzl und Leo Samwald als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ferdinand S***, Kaufmann, Steinberg-Dörfl, Untere

Hauptstraße 4, vertreten durch Dr. Anton Schleicher, Rechtsanwalt in Oberpullendorf, wider die beklagte Partei Sieglinde L***, Angestellte, Stainz, Pichling 34, vertreten durch Dr. Kurt Klein und Dr. Paul Wuntschek, Rechtsanwälte in Graz, wegen Feststellung (Streitwert nach dem RAT S 33.000,--, nach dem GGG S 6.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. Mai 1989, GZ 8 Ra 42/89-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 14. Februar 1989, GZ 34 Cga 159/88-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.292,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 548,80 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat die Berufung, soweit sie Nichtigkeit geltend machte, verworfen. Ein derartiger Beschluß kann weder mit Revision noch mit Rekurs bekämpft werden (siehe SZ 59/169 mwH). Die behaupteten Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit und der Aktenwidrigkeit liegen nicht vor (§ 520 Abs. 3 ZPO). Abgesehen von den Ausführungen über das regelmäßige Irren einer der Vergleichsparteien kann auf die zutreffende rechtliche Beurteilung des angefochtenen Urteils verwiesen werden (§ 48 ASGG). Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers noch folgendes zu entgegnen:

Der nunmehrige Kläger hat mit der nunmehrigen Beklagten in einem arbeitsrechtlichen Rechtsstreit - in dem sie ihm gegenüber als Arbeitnehmerin die Feststellung begehrte, daß das Dienstverhältnis über den 11. Jänner 1988 hinaus aufrecht fortbestehe - am 25. August 1988 einen Vergleich geschlossen, in dem er sich als damaliger Beklagter verpflichtete, der damaligen Klägerin einen Betrag von S 33.000,-- netto (Abfertigung) und einen Kostenbeitrag von S 3.000,-- zu zahlen; ferner hielten die Parteien in dem Vergleich fest, daß das Dienstverhältnis einvernehmlich mit 25. August 1988 aufgelöst ist.

Der Kläger begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit dieses Vergleiches, weil er durch Irreführung und Drohung zu dessen Abschluß veranlaßt worden sei.

Die Vorinstanzen haben das Vorliegen von Anfechtungsgründen mit Recht verneint. Da der Vergleich der Bereinigung strittiger und zweifelhafter Rechtsverhältnisse dient, würde eine weitherzige Regelung der Irrtumsanfechtung den Sinn dieses Rechtsinstitutes in Frage stellen. Das Gesetz hat daher in § 1385 ABGB die Irrtumsanfechtung auf die "Wesenheit" der Personen oder des Gegenstandes beschränkt, sodaß vom Vergleich und seiner Bereinigungswirkung das tatsächliche und rechtliche Bestehen des strittigen und zweifelhaften Rechtes erfaßt wird (siehe Ertl in Rummel ABGB § 1387 Rz 1). Auch ein Rechtsirrtum einer Partei berechtigt daher nicht zur Anfechtung eines Vergleiches (siehe auch Harrer in Schwimann ABGB V § 1385 Rz 9). Eine Anfechtung ist nur wegen eines Irrtums über die von beiden Parteien als feststehend angenommenen Umstände (Vergleichsgrundlage) möglich, die sie nicht der Streitbereinigung unterwerfen wollten (siehe Koziol-Welser Grundriß I8 273; Ertl aaO § 1385 Rz 1; SZ 47/8; SZ 47/102; ZVR 1989/15). Der Irrtum über einen von der Bereinigungswirkung erfaßten Streitpunkt (Vergleichspunkt) berechtigt nur bei listiger Irreführung durch den Gegner zur Anfechtung (Koziol-Welser aaO; Ertl aaO § 1385 Rz 2).

Streitpunkt war im vorliegenden Fall die von strittigen Tatsachen und ihrer rechtlichen Beurteilung abhängige Frage, ob das Arbeitsverhältnis bereits vor dem 11. Jänner 1988 durch Kündigung seitens der Klägerin aufgelöst worden war. Diese Frage wurde durch den Vergleich bereinigt, sodaß die vom Revisionswerber vermißten Feststellungen über eine frühere Auflösung des gegenständlichen Arbeitsverhältnisses durch Kündigung seitens der Beklagten für die Entscheidung über das vorliegende Anfechtungsbegehren ohne Bedeutung sind.

Soweit der Revisionswerber die Bestimmung des § 40 AngG ins Treffen führt, ist ihm zu erwidern, daß die darin angeführten Vorschriften lediglich nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers abdingbar sind; diese Bestimmung steht daher nicht der Vereinbarung einer dem Arbeitnehmer nach dem Gesetz nicht zustehenden Abfertigung entgegen.

Schließlich kann dem Revisionswerber auch nicht gefolgt werden, soweit er den Hinweis des Vertreters der Gegnerin im Vorprozeß auf ein Prozeßrisiko von S 60.000,-- zuzüglich Kosten als listige Irreführung qualifiziert, zumal der auch im Vorprozeß durch einen Rechtsanwalt vertretene Kläger weder behauptet noch bewiesen hat, daß die Ansprüche der Klägerin bei einer zu ihren Gunsten erfolgenden Entscheidung im Vorprozeß dieses Ausmaß nicht erreichen konnten.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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