Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Zwischen den Eltern, deren Ehewohnung sich in Klosterneuburg befand, ist beim Erstgericht ein Scheidungsverfahren anhängig. Am 18. März 1989 fuhr der Vater mit der Tochter im Einverständnis mit der Mutter zu seinen Eltern nach Kufstein. Bis heute brachte er, weiterhin in Kufstein wohnend, das Kind nicht zurück. Am 21. März 1989 beantragte der Vater beim Bezirksgericht Kufstein, ein Pflegschaftsverfahren zu eröffnen und ihm die Obsorge an dem Kind zu übertragen. Am 13. April 1989 stellte die Mutter beim Erstgericht den Antrag, dem Vater aufzutragen, das Kind sofort wieder in die Ehewohnung zurückzubringen. Am 17. April 1989 beantragte sie, ihr die Obsorge an dem Kind zu übertragen.
Das Erstgericht bejahte seine Zuständigkeit und gab den Anträgen der Mutter statt.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters Folge; es behob den Beschluß des Erstgerichtes und überwies die Anträge der Mutter unter Berufung auf die Entscheidung EvBl 1984/62 gemäß § 44 JN an das Bezirksgericht Kufstein.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Mutter ist nicht berechtigt. Zur Besorgung der Geschäfte, die nach den Bestimmungen über die Rechte zwischen Eltern und mj. Kindern dem Gericht obliegen, ist das Gericht zuständig, in dessen Sprengel der Minderjährige oder sonstige Pflegebefohlene seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (§ 109 JN). Den Aufenthalt des Kindes bestimmt nach § 146 b ABGB der zur Pflege und Erziehung berechtigte Elternteil. Die Eltern des mj. ehelichen Kindes haben das Kind zu pflegen und zu erziehen. Sie sollen bei Ausübung der Rechte und bei Erfüllung dieser Pflichten einvernehmlich vorgehen (§ 144 Satz 1 ABGB). Liegen weder die im § 145 Abs 1 ABGB bezeichneten Voraussetzungen vor noch ein Vorgang nach § 177 Abs 1 oder 2 ABGB, dann hat jeder Elternteil das Recht und die Pflicht zur Pflege und Erziehung des Kindes und, soweit danach erforderlich, zur Bestimmung des Aufenthaltes des Kindes (EvBl 1984/62). Ein Einvernehmen der Eltern über den Aufenthaltsort des Kindes konnte nicht erzielt werden. Gehen beide Elternteile davon aus, daß sie nicht nur vorübergehend getrennt leben und beantragten sie, ihnen die Obsorge für das Kind zu übertragen, so kann vor Entscheidung über diese Anträge nicht gesagt werden, daß der Aufenthalt des Kindes bei einem der beiden rechtswidrig erfolgte. Ziel der durch die Zivilverfahrensnovelle 1983 erfolgten Novellierung des § 109 JN war die grundsätzliche Anknüpfung der Zuständigkeit an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes im Inland (RV 669 BlgNR 15. GP 41). Die Dauer des Aufenthaltes ist für sich allein kein ausschlaggebendes Moment (EFSlg 49.259), wesentlich ist selbst bei kurzer Dauer des Aufenthaltes, ob Umstände vorliegen, die dauerhafte Beziehungen zwischen einer Person und ihrem Aufenthalt anzeigen (§ 66 Abs 2 JN). Der Vater hat unbestritten seinen Wohnsitz in Kufstein. Er nahm, wie seine Anträge zeigen, das Kind in der Absicht mit, daß es dort dauernd bei ihm bleibe. Bestanden aber schon zum Zeitpunkt der von den Eltern wechselseitig bei verschiedenen Gerichten gestellten Anträge im Pflegschaftsverfahren dauerhafte Beziehungen des Kindes zu seinem jetzigen Aufenthalt in Kufstein, ist dieser auch sein gewöhnlicher. Daß der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes nicht am Ort der seinerzeitigen Ehewohnung liegt, in dem es im Einvernehmen mit beiden Elternteilen lebte, ist dann unentscheidend (EvBl 1984/62).
Das Rekursgericht hat demnach zutreffend die Zuständigkeit des Bezirksgerichtes Kufstein ausgesprochen und die Anträge der Mutter gemäß § 44 JN an dieses Gericht überwiesen. Ihrem Revisionsrekurs ist nicht Folge zu geben.
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