OGH 10ObS276/89

OGH10ObS276/8910.10.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst und Dr. Kellner als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Franz Köck (Arbeitgeber) und Wilhelm Hackl (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Anna S***, Pensionistin, 5020 Salzburg, Getreidegasse 38, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wider die beklagte Partei P*** DER A***, 1092 Wien, Roßauer

Lände 3, vertreten durch Dr. Anton Rosicky, Rechtsanwalt in Wien, wegen Witwenpension, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18.Mai 1989, GZ 12 Rs 82/89-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 24. Februar 1989, GZ 18 Cgs 12/89-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Text

Entscheidungsgründe:

Der frühere Ehemann der Klägerin verstarb am 16.8.1988. Ihre Ehe war am 24.4.1963 geschieden worden. In dem anläßlich der Scheidung geschlossenen gerichtlichen Vergleich verpflichtete sich der frühere Ehemann der Klägerin, ihr einen monatlichen Unterhalt von 2.000 S, wertgesichert nach dem Verbraucherpreisindex I des Österreichischen Statistischen Zentralamtes nach dem Stand für April 1963 oder des an seine Stelle tretenden Indexes, zu bezahlen, wobei es im Vergleich zur Wertsicherung unter anderem heißt:

"Ansprüche aus der Wertsicherung werden erst mit schriftlicher Geltendmachung durch die Unterhaltsberechtigte fällig und können rückwirkend höchstens für einen Zeitraum von 6 Monaten geltend gemacht werden."

Der frühere Ehemann der Klägerin zahlte ihr aufgrund dieses Vergleiches im Monat seines Todes einen Unterhalt von 2.794,50 S. Die beklagte Partei setzte die der Klägerin ab 1.9.1988 monatlich gebührende Witwenpension mit diesem Betrag fest. Das Erstgericht wies das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der Klägerin ab 1.9.1988 eine höhere Witwenpension als im Betrag von 2.794,50 S monatlich zu bezahlen, ab. Rechtlich war es der Meinung, daß die Höhe der Witwenpension gemäß § 264 Abs 4 ASVG mit jenem Unterhaltsbetrag zu begrenzen sei, den die Witwe zur Zeit des Todes des verstorbenen Versicherten erhielt.

Das Berufungsgericht erkannte die Beklagte infolge Berufung der Klägerin schuldig, dieser ab 1.9.1988 eine höhere Witwenpension als 2.794,50 S monatlich zu bezahlen, wobei die Höhe unter Berücksichtigung der im Vergleich vereinbarten Wertsicherung zu bestimmen ist. Außerdem trug es der beklagten Partei eine vorläufige Zahlung von 3.500 S monatlich auf. Der Anspruch auf Witwenpension richte sich nicht nach den vom Verstorbenen zuletzt tatsächlich gezahlten Unterhaltsbeträgen, sondern nach dem im Unterhaltstitel festgelegten Unterhaltsanspruch, der gegebenenfalls unter Berücksichtigung einer Wertsicherungsvereinbarung zu ermitteln sei. Es komme nicht darauf an, ob der aus der Wertsicherung sich ergebende Unterhaltsbetrag auch bezahlt wurde, zumal die beklagte Partei nicht behauptet habe, daß die Klägerin hierauf verzichtet habe.

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der beklagten Partei, soweit sie damit zur Zahlung einer höheren Witwenpension als 2.794,50 S monatlich verpflichtet wird, wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, es im Sinn der Abweisung des Klagebegehrens (gemeint wohl: Klagemehrbegehrens) abzuändern oder es "abzuändern" (richtig: aufzuheben) und die Rechtssache an die Unterinstanzen zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Die Klägerin erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Gemäß dem hier anzuwendenden § 264 Abs 4 ASVG darf die Witwen(Witwer)pension nach § 258 Abs 4 (also nach Scheidung der Ehe) den gegen den Versicherten (die Versicherte) zur Zeit seines (ihres) Todes bestehenden und mit dem im Zeitpunkt des Pensionsanfalls für das Jahr des Todes geltenden Aufwertungsfaktor (§ 108 c) aufgewerteten Anspruch auf Unterhalt (Unterhaltsbeitrag), vermindert um eine der (dem) Anspruchsberechtigten nach dem (der) Versicherten gemäß § 215 Abs 3 gebührenden Witwen(Witwer)- rente, sowie die der hinterlassenen Witwe (dem hinterlassenen Witwer) aus demselben Versicherungsfall gebührende Witwen(Witwer)pension nicht übersteigen. Eine vertraglich oder durch gerichtlichen Vergleich übernommene Erhöhung des Unterhalts (Unterhaltsbeitrages) bleibt außer Betracht, wenn seit dem Abschluß des Vertrages (Vergleiches) bis zum Tod nicht mindestens ein Jahr vergangen ist. Gemäß § 258 Abs 4 ASVG setzt der Anspruch eines geschiedenen Ehegatten auf Witwen(Witwer)pension voraus, daß ihr (ihm) der (die) Versicherte zur Zeit seines (ihres) Todes Unterhalt (einen Unterhaltsbeitrag) aufgrund eines gerichtlichen Urteils, eines gerichtlichen Vergleiches oder einer vor Auflösung der Ehe eingegangenen vertraglichen Verpflichtung zu leisten hatte.

Nach dem Gesetz ist für die Begrenzung des Anspruchs auf Witwen(Witwer)pension daher der Unterhaltsanspruch maßgebend, der zur Zeit des Todes bestand. Es ergibt sich aber daraus keinerlei Hinweis darauf, daß es darauf ankommt, in welcher Höhe dieser Anspruch erfüllt wurde. Das in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage der 29.ASVGNov (404 BlgNR 13.GP 105) angeführte Ziel des § 164 Abs 4 ASVG, die Versorgung der geschiedenen Frau durch die Witwenpension höchstens in dem Ausmaß sicherzustellen, in dem sie zu Lebzeiten des Mannes Unterhalt erhielt, kommt im Wortlaut der Bestimmung in dem hier strittigen Punkt nicht zum Ausdruck und kann daher nicht beachtet werden. Eine solche Auslegung würde auch Unterhaltsberechtigte, die ihren titelmäßigen Unterhaltsanspruch gegen den Verpflichteten aus Gründen nicht durchsetzen konnten, die ausschließlich auf Seite des Verpflichteten gelegen waren, und die daher im Zeitpunkt des Todes des Verpflichteten keinen Unterhalt erhielten, um den Anspruch auf Witwen-(Witwer-)pension bringen, ein Ergebnis, das der Gesetzgeber zweifellos nicht wollte. Unter diesem Gesichtspunkt ist eindeutig, daß - mit der aus § 264 Abs 4 letzter Satz ASVG hervorgehenden, hier aber nicht in Betracht kommenden Einschränkung - auch eine sich aus der Wertsicherungsvereinbarung ergebende Erhöhung des Unterhaltsanspruchs unabhängig davon zu berücksichtigen ist, ob der Unterhalt zur Zeit des Todes in der wertgesicherten Höhe bezahlt wurde. Dabei ist es ohne Bedeutung, daß zur Hereinbringung des sich aus der Wertsicherung ergebenden Erhöhungsbetrages Exekution nicht geführt werden kann (SZ 47/82; EFSlg.44.146; JBl 1988, 187 ua). § 258 Abs 4 ASVG erfordert nämlich nur, daß eine nach Auflösung (Nichtigerklärung) der Ehe eingegangene Unterhaltsverpflichtung in einem gerichtlichen Urteil oder einem gerichtlichen Vergleich festgelegt wurde, aber nicht, daß diese Urkunden (teilweise oder zur Gänze) den Bestimmungen der Exekutionsordnung über die Vollstreckbarkeit solcher Exekutionstitel, also insbesondere dem § 7 Abs 1 EO, entsprechen. Unter diesen Umständen muß hier nicht erörtert werden, ob allenfalls eine vor Auflösung der Ehe eingegangene vertragliche Verpflichtung, die nicht in Form eines gerichtlichen Vergleiches getroffen worden sein müßte, vorliegt.

Der Anspruch auf Witwen(Witwer)pension richtet sich also nicht nach der Höhe der zur Zeit des Todes erbrachten Unterhaltsleistungen, sondern - unabhängig von den geleisteten Zahlungen - nach der Höhe des Unterhaltsanspruchs. Der Gefahr eines Mißbrauchs kann nur dadurch begegnet werden, daß der Versicherungsträger den Abschluß einer Unterhaltsvereinbarung zum Schein oder den - vollständigen oder teilweisen - Verzicht auf den vereinbarten Unterhaltsanspruch, der in besonders gelagerten Fällen gemäß § 863 ABGB auch stillschweigend erklärt worden sein kann (vgl. hiezu MGA ABGB33 § 1444/15 ff), behauptet und nachweist. Die dargelegte Rechtsansicht wurde schon vom Oberlandesgericht Wien als damaligem Höchstgericht in ständiger Rechtsprechung vertreten (SSV 25/19 mwN). Sie wird in der Revision auch nicht bekämpft. Die beklagte Partei meint darin vielmehr, daß hier etwas anderes gelte, weil nach dem Vergleich die Fälligkeit des Anspruchs aus der Wertsicherung von der Geltendmachung abhänge; da die Klägerin zur Zeit des Todes des Versicherten einen 2.794,50 S übersteigenden Unterhaltsanspruch nicht geltend gemacht habe, habe ein solcher Anspruch "mangels Fälligkeit" nicht bestanden. Die beklagte Partei vermengt bei dieser Argumentation das Entstehen des Anspruchs mit dessen Fälligkeit. Nach dem Wortlaut des Vergleiches entstand der Anspruch auf Erhöhung des Unterhalts aufgrund der Wertsicherung unabhängig von der Geltendmachung; diese war für den Anspruch selbst nur insoweit von Bedeutung, als der - bereits entstandene Anspruch - erlosch, wenn er nicht innerhalb von 6 Monaten geltendgemacht wurde. Vom Entstehen des Anspruchs zu unterscheiden ist die Frage der Fälligkeit, also des Zeitpunkts, in dem die Leistung - aufgrund des entstandenen Anspruchs - zu erbringen und vom Unterhaltsberechtigten anzunehmen ist. Dieser Zeitpunkt kann, muß aber nicht mit dem Entstehen des Anspruchs zusammenfallen, was hier insofern zutrifft, als die Fälligkeit von der Klägerin bis 6 Monate nach dem Entstehen des Anspruchs hinausgeschoben werden konnte.

Der Unterhaltsanspruch der Klägerin "bestand" daher im Sinn des § 264 Abs 4 ASVG zur Zeit des Todes ihres früheren Ehemannes in der sich aus der Wertsicherung ergebenden Höhe, er war allerdings nicht zur Gänze fällig, weil die Klägerin offensichtlich nicht den gesamten ihr zustehenden Unterhaltsanspruch geltend gemacht hatte. Weder dem Wortlaut noch dem Zweck der angeführten Bestimmung ist ein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, daß es auf die Fälligkeit des Anspruchs ankommt. Es wurde schon erwähnt, daß der Gefahr des Mißbrauchs nur durch das angeführte Prozeßvorbringen begegnet werden kann; ein solches Vorbringen hat die beklagte Partei hier aber nicht erstattet. Da es auf die Verhältnisse zur Zeit des Todes ankommt, ist schließlich ohne Bedeutung, daß der Unterhaltsanspruch der Klägerin in der Zwischenzeit zum Teil wieder erloschen ist, weil sie ihn innerhalb von 6 Monaten hätte geltend machen müssen. Das Berufungsgericht hat der beklagten Partei somit ohne Rechtsirrtum aufgetragen, die Pension unter Berücksichtigung der im Unterhaltsvergleich vereinbarten Wertsicherung zu bezahlen.

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