OGH 2Ob580/89

OGH2Ob580/8926.9.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Vogel, Dr.Kropfitsch und Dr.Schwarz als Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 30.August 1987 verstorbenen Maria Antonia H*** infolge Revisionsrekurses der erbserklärten Erbin Waltraud K***, Geschäftsfrau, Gerlosstraße 1, 8280 Zell am Ziller, vertreten durch Dr.Eckehard Erlacher, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 7.Juli 1989, GZ 3 b R 88/89-57, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Zell am Ziller vom 31.März 1989, GZ A 152/87-51, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Maria Antonia H*** verstarb am 30.August 1987 unter Hinterlassung letztwilliger Anordnungen. Mit Testament vom 27.Juli 1987 setzte sie ihre Tochter Waltraud K*** zur Alleinerbin ein. Ihre weiteren (volljährigen) Kinder Simon H***, Brigitte H*** und Maria H*** setzte sie auf den Pflichtteil. Sie vermachte ihnen (in Anrechnung auf ihren Pflichtteil) verschiedene Legate, so ihrer Tochter Brigitte H*** unter anderem das "Wildgruber-Haus" in Zell und einen daran anschließenden Bauplatz von 4500 m2, wobei sie hinsichtlich dieses Bauplatzes für den Fall, daß ihre Tochter Brigitte H*** darauf kein Haus errichten wolle, ein Veräußerungs- und Belastungsverbot zu Gunsten ihrer Enkel Jacqueline und Patrick K*** anordnete.

Waltraud K*** gab auf Grund des Testaments die unbedingte Erbserklärung zum gesamten Nachlaß ab, die zu Gericht angenommen wurde. Es wurde ihr die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses überlassen.

Brigitte H*** beantragte zunächst die Inventarisierung des Nachlasses im wesentlichen mit der Begründung, daß der von ihr in Anspruch genommene Pflichtteil durch die ihr zugedachten Legate nicht voll gedeckt sei (ON 11).

Am 10.August 1988 schloß Brigitte H*** mit der Verlassenschaft, vertreten durch die erbserklärte Alleinerbin, ein Übereinkommen mit folgendem wesentlichen Inhalt:

"1) Brigitte H*** erhält ohne Einschränkung die im Testament ihr zugedachten Legate, jedoch ohne Wildgruber-Haus (Punkt 8. des Testamentes) und ohne jene 4500 m2 Bauplatz (Seite 4, ebenfalls Punkt 8. des Testamentes).

2) Frau Waltraud K*** übereignet Brigitte H*** 7000 m2 Grund im Süden des Bäckenfeldes, wobei diese 7000 m2 Grund durch einen Ziviltechniker genau auszumessen sind und von der Ost-, Süd- und Westgrenze, wie sie sich derzeit in der Natur darstellen, abgegrenzt werden. Die Nordgrenze wird als parallel zur Südgrenze verlaufende Linie durch den Ziviltechniker ausgemessen.

3) Brigitte H*** erklärt, daß sie damit in ihren Erb- und Pflichtteilsansprüchen abgefunden ist. Sie verzichtet ausdrücklich auf die Durchführung der Nachlaßschätzung.

4) Bedingung dieses Übereinkommens ist, daß die Gemeinde Zell am Ziller ein Anbot von Brigitte H*** auf Ankauf der zu Punkt 2. genannten und dort näher beschriebenen 7000 m2 um den Pauschalpreis von S 14,000.000 (Schilling vierzehnmillionen) annimmt, daß in weiterer Folge ein Kaufvertrag zwischen Brigitte H*** und der Gemeinde Zell am Ziller zu den obigen Bedingungen rechtsgültig zustandekommt und dieser Kaufvertrag sämtliche erforderlichen Behördengenehmigungen erhält.

Weiters ist Bedingung, daß sämtliche im Zusammenhang mit der Errichtung des Kaufvertrages und dessen grundbücherlichen Durchführung entstehenden Steuern, Gebühren und Kosten durch die Gemeinde getragen werden. Frau Brigitte H*** müssen aus dem Verkauf netto S 14,000.000 verbleiben."

Im Hinblick auf dieses Übereinkommen und den Umstand, daß die Ansprüche der weiteren Pflichtteilsberechtigten Simon H*** und Maria H*** mit am 26.August 1988 bzw 13.September 1988 geschlossenen Pflichtteilsübereinkommen geregelt und abgegolten wurden, unterblieb in der Folge die Inventarisierung des Nachlasses und erstattete die Alleinerbin in der Abhandlungstagsatzung vom 16. März 1989 (ON 50) ein eidesstättiges Vermögensbekenntnis im Sinne des § 114 AußStrG. Im Rahmen dieser Tagsatzung stellte Brigitte H*** neuerlich den Antrag auf Inventarisierung und Schätzung des Nachlasses im wesentlichen mit der Begründung, daß das Übereinkommen vom 10.August 1988 von der Zustimmung der Enkel der Erblasserin Jacqueline und Patrick K*** abhängig sei, weil ein Teil jener Legate, welche ihr die Erblasserin in Anrechnung auf den Pflichtteil ausgesetzt habe, nämlich der Bauplatz im Ausmaß von 4500 m2 im Anschluß an das "Wildgruber-Haus", mit dem Veräußerungs- und Belastungsverbot zu Gunsten der genannten Enkel der Erblasserin beschränkt sei. Mangels Vorliegens der Zustimmung der Verbotsberechtigten fehle dem Pflichtteilsübereinkommen vom 10. August 1988 die rechtliche Wirksamkeit.

Die erbserklärte Alleinerbin verwies hiezu auf die Bestimmung des § 774 ABGB sowie auf das Übereinkommen vom 10.August 1988, worin die Pflichtteilsberechtigte ausdrücklich auf die Durchführung der Nachlaßschätzung verzichtet habe.

Das Erstgericht wies den Antrag der Noterbin Brigitte H*** auf Schätzung und Iventarisierung des Nachlasses ab. Es begründete diese Entscheidung im wesentlichen damit, daß die Pflichtteilsberechtigte sich durch die Erklärung, in ihren Erb- und Pflichtteilsansprüchen abgefunden zu sein und auf die Durchführung der Nachlaßschätzung ausdrücklich zu verzichten, des ihr nach § 804 ABGB zustehenden Rechts begeben habe. An diese Erklärung sei das Gericht gebunden, weshalb die Anordnung einer Nachlaßschätzung nicht mehr möglich sei. Im übrigen könne nicht abgeschätzt werden, ob die Beschränkung des oben genannten Legats durch das Belastungs- und Veräußerungsverbot zu Gunsten der erblasserischen Enkel gemäß § 774 dritter Satz ABGB ungültig oder im Sinne des letzten Halbsatzes dieser Bestimmung rechtswirksam sei, zumal der Wert der der Noterbin Brigitte H*** zugedachten übrigen Legate nicht feststehe. Es bleibe ihr jedoch unbenommen, eines von mehreren Vermächtnissen auszuschlagen. Daran vermöge auch die Beschränkung des Legats durch das Veräußerungs- und Belastungsverbot zu Gunsten der erblasserischen Enkel nichts zu ändern, sodaß das Übereinkommen vom 10. August 1988, worin Brigitte H*** auf den belasteten Bauplatz verzichte, der Zustimmung der erblasserischen Enkel nicht bedürfe. Da im Fall der Nichtannahme des Legats derjenige beschwert werde, welchem es zufalle, belaste im vorliegenden Fall das Veräußerungs- und Belastungsverbot im Hinblick auf das Übereinkommen vom 10.August 1988 die Alleinerbin Waltraud K***. Da im Testament eine Verbücherung des Belastungs- und Veräußerungsverbots nicht angeordnet worden sei, erfolge auch durch den Umstand, daß diese nicht dem Personenkreis des § 364c letzter Satz ABGB angehöre, keine Schlechterstellung der erblasserischen Enkel. Dem gegen diese Entscheidung des Erstgerichts gerichteten Rekurs der Brigitte H*** gab das Rekursgericht mit dem angefochtenen Beschluß Folge. Es hob den angefochtenen Beschluß auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom herangezogenen Abweisungsgrund auf.

Das Rekursgericht führte im wesentlichen aus, nach Punkt 4) des am 10.August 1988 geschlossenen Pflichteilsübereinkommens zwischen der erbserklärten Erbin Waltraud K*** als Vertreterin der Verlassenschaft und Brigitte H*** als Pflichtteilsberechtigter sei Bedingung dieses Übereinkommens, daß die Gemeinde Zell am Ziller ein Anbot von Brigitte H*** auf Ankauf der zu Punkt 2) dieses Übereinkommens genannten und dort näher beschriebenen 7000 m2 um den Pauschalpreis von S 14,000.000 annimmt, daß in weiterer Folge ein Kaufvertrag zwischen Brigitte H*** und der Gemeinde Zell am Ziller zu den obigen Bedingungen rechtsgültig zustandekommt und dieser Kaufvertrag sämtliche erforderlichen Behördengenehmigungen erhält. Ferner sei danach Bedingung, daß sämtliche im Zusammenhang mit der Errichtung des Kaufvertrags und dessen grundbücherlicher Durchführung entstehenden Steuern, Gebühren und Kosten durch die Gemeinde getragen werden; Brigitte H*** müßten aus dem Verkauf netto S 14,000.000 verbleiben. Damit sei aber davon auszugehen, daß das Übereinkommen nach dem erklärten Willen der Vertragsteile lediglich im Fall des Eintretens der ausdrücklich und einvernehmlich zur Bedingung erhobenen künftigen Umstände in Wirksamkeit treten solle. Dies gelte insbesondere auch für die Erklärung der Pflichtteilsberechtigten unter Punkt 3) des Übereinkommens, daß sie damit in ihren Erb- und Pflichtteilsansprüchen abgefunden sei und ausdrücklich auf die Durchführung der Nachlaßschätzung verzichte. Daß die im Übereinkommen zur Bedingung erhobenen Umstände eingetreten wären, sei dem Akteninhalt nicht zu entnehmen. Zwar sei nach dem Inhalt der in ON 34 erliegenden Korrespondenz seitens des Vertreters der Noterbin Brigitte H*** mit Schreiben vom 17.August 1988 ein Ersuchen an die Gemeinde Zell am Ziller um Übermittlung eines allfälligen Kaufangebots gerichtet worden, wobei die Gemeinde Zell am Ziller mit Antwortschreiben vom 20.September 1988 ihr Interesse am Ankauf einer Grundstücksfläche aus dem "Bäckenfeld" in der Größe von 7000 m2 bekundet und die Bereitschaft erklärt habe, ein solches Grundstück zu einem Gesamtnettoerlös von S 14,000.000 anzukaufen. Eine weitere Korrespondenz zwischen Brigitte H*** und der Gemeinde Zell am Ziller in dieser Angelegenheit sei dem Akt nicht zu entnehmen; vielmehr ergebe sich aus dem Gedächtnisprotokoll des Gerichtskommissärs ON 34 S 165, daß seit dem Schreiben der Gemeinde Zell am Ziller vom 20.September 1988 diesbezüglich keine Gespräche mehr stattgefunden hätten. Unter diesen Umständen sei nach der Aktenlage davon auszugehen, daß das Übereinkommen vom 10.August 1988 mangels Eintritts der vereinbarten Bedingungen noch nicht rechtswirksam geworden sei, sodaß entgegen der vom Erstgericht vertretenen Auffassung nicht gesagt werden könne, daß hier ein rechtswirksamer, ohne Einschränkungen oder Vorbehalte erklärter Verzicht der Brigitte H*** auf die Inventarisierung des Nachlasses vorliege. Nur wenn dies der Fall wäre, könnte sie als Noterbin von diesem ihr nach § 804 ABGB zustehenden Recht nicht mehr Gebrauch machen. Mangels Vorliegens dieser Voraussetzung habe für das Erstgericht für die Abweisung des Antrags der Pflichtteilsberechtigten auf Inventarisierung des Nachlasses keine Grundlage bestanden.

Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der erbserklärten Erbin Waltraud K*** mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß im Sinne der Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts abzuändern.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, sachlich aber nicht berechtigt. Die Vorschriften der §§ 784, 804 ABGB über die Rechte des Noterben auf Inventarisierung und Schätzung des Nachlasses haben den Zweck, dem Noterben eine Grundlage für die Berechnung des Pflichtteils zu geben, ihm also die Geltendmachung seiner Pflichtteilsforderung überhaupt erst zu ermöglichen. Der Noterbe kann auf die Inventarisierung und Schätzung des Nachlasses verzichten; ein solcher Verzicht kann auch stillschweigend erfolgen und etwa in der Erklärung eines Noterben erblickt werden, er sei mit seinen Erb- und Pflichtteilsrechten abgefunden (RZ 1963, 137; EFSlg 36.090, 36.091 mwN ua).

Im vorliegenden Fall ist, wie das Rekursgericht zutreffend erkannte, in den im Punkt 3) des Übereinkommens vom 10.August 1988 abgegebenen Erklärungen der Noterbin Brigitte H*** ein unbedingter und vorbehaltsloser Verzicht auf die Inventarisierung und Schätzung des Nachlasses nicht zu erblicken. Denn dieses gesamte Übereinkommen wurde nur unter den in seinem Punkt 4) vereinbarten Bedingungen geschlossen, deren Eintritt entgegen den Ausführungen der erbserklärten Erbin in ihrem Revisionsrekurs nicht aktenkundig ist, zumal sich insbesondere aus dem Schreiben des Bürgermeisters der Gemeinde Zell am Ziller vom 20.September 1988 (ON 34 S 169) ergibt, daß insbesondere bezüglich bestehender, die von der Noterbin Brigitte H*** an die Gemeinde Zell am Ziller zu verkaufende Grundfläche belastender Dienstbarkeiten eine Einigung zumindest bis dahin nicht zustandegekommen war und aus dem Gedächtnisprotokoll des Gerichtskommissärs ON 34 S 165 hervorgeht, daß seit diesem Schreiben zwischen der Noterbin Brigitte H*** und der Gemeinde Zell am Ziller keine weiteren Verhandlungen mehr stattfanden. Unter diesen Umständen kann entgegen den Rechtsmittelausführungen der erbserklärten Erbin weder davon ausgegangen werden, daß die im Punkt 4) des Übereinkommens vom 10. August 1988 vereinbarte Bedingung für die Wirksamkeit dieses Übereinkommens bereits eingetreten wäre, noch davon daß der Eintritt dieser Bedingung von der Noterbin Brigitte H*** wider Treu und Glauben verhindert worden wäre; dafür fehlt in der Aktenlage jeder Anhaltspunkt.

Da somit der im Punkt 3) des Übereinkommens vom 10.August 1988 erklärte Verzicht der Noterbin Brigitte H*** nur unter der Voraussetzung der Wirksamkeit dieses Übereinkommens erklärt wurde, die Wirksamkeit dieses Übereinkommens aber vom bisher nicht erfolgten Eintritt einer Bedingung abhängig gemacht wurde, kann von einem vorbehaltslosen und unbedingten Verzicht der Noterbin Brigitte H*** auf die ihr nach den §§ 784, 804 ABGB zustehenden Rechte nicht die Rede sein, sodaß derzeit keine rechtliche Möglichkeit besteht, ihr diese Rechte im Verlassenschaftsverfahren zu verweigern. Die Entscheidung des Rekursgerichts entspricht somit durchaus der Sach- und Rechtslage. Dem Revisionsrekurs der erbserklärten Erbin muß daher ein Erfolg versagt bleiben.

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