OGH 12Os110/89

OGH12Os110/8914.9.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 14.September 1989 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Salat als Schriftführerin in der Strafsache gegen Andreas H*** wegen des Vergehens der Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 286 Abs. 1 StGB über die von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 29.Oktober 1985, GZ 13 E Vr 1365/85-11, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Hauptmann, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Einzelrichters des Kreisgerichtes Wels vom 29. Oktober 1985, GZ 13 E Vr 1365/85-11, verletzt insoweit, als darin Andreas H*** des Vergehens der Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 286 Abs. 1 StGB schuldig erkannt wurde, das Gesetz in der genannten Bestimmung. Dieses Urteil wird, soweit es den Angeklagten Andreas H*** betrifft, aufgehoben.

Gemäß §§ 292, 288 Abs. 2 Z 3 StPO wird in der Sache selbst erkannt:

Andreas H*** wird von der wider ihn erhobenen Anklage, am 21. April 1985 in Wels in Gesellschaft des Mario W*** und der abgesondert verfolgten Susanne K*** und Johann U*** als Beteiligter (§ 12 StGB) fremde bewegliche Sachen, nämlich 300 S Bargeld, mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, der Inge R*** weggenommen zu haben, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Text

Gründe:

Im Strafverfahren 13 E Vr 1365/85 des Kreisgerichtes Wels wurde dem am 12.August 1963 geborenen Andreas H*** von der Anklagebehörde vorgeworfen, am 21.April 1985 in Wels in Gesellschaft des Mario W*** und der abgesondert verfolgten Susanne K*** und Johann U*** als Beteiligte (§ 12 StGB) der Inge R*** einen Bargeldbetrag von 300 S gestohlen und hiedurch das Vergehen nach § 127 Abs. 1 und 2 Z 1 StGB (idF vor Inkrafttreten des Strafrechtsänderungsgesetzes 1987, BGBl. 605) begangen zu haben. Mit rechtskräftigem Urteil des Einzelrichters vom 29.Oktober 1985 wurde Andreas H*** allerdings nur des Vergehens der Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 286 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer bedingt nachgesehenen Geldstrafe verurteilt, weil er es vorsätzlich unterlassen habe, den von ihm beobachteten, von Susanne K*** und Johann U*** begangenen Handtaschendiebstahl zu verhindern.

Dieser Schuldspruch steht mit dem Gesetz nicht im Einklang, weil der Tatbestand des § 286 Abs. 1 StGB unter anderem voraussetzt, daß die Straftat, deren Verhinderung unterlassen wird, mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist, vorliegend aber der von Susanne K*** und Johann U*** begangene Diebstahl ausschließlich nach § 127 Abs. 1 Z 1 StGB aF qualifiziert und mit einer Höchststrafe von (bloß) einem Jahr bedroht war. Bei richtiger Rechtsanwendung wäre demnach Andreas H***, dem nach Ansicht des Einzelrichters nicht die Mitwirkung als Diebsgenosse, sondern nur die Unterlassung der Verhinderung der von ihm beobachteten Ausführung des Gesellschaftsdiebstahls nachweisbar war, gemäß § 259 Z 3 StPO freizusprechen gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Da die Nichtigkeit bewirkende (Z 9 lit. a) Gesetzesverletzung dem Angeklagten offensichtlich zum Nachteil gereicht, war in Stattgebung der von der Generalprokuratur gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Beschwerde spruchgemäß zu erkennen.

Angesichts dessen, daß die Kassierung des in Rede stehenden Urteils in seinem Andreas H*** betreffenden Teil gemäß § 292, letzter Satz, StPO auch ohne ausdrückliche Anordnung des Obersten Gerichtshofes die Aufhebung der auf der gesetzwidrigen Verurteilung beruhenden Beschlüsse, Verfügungen und Vorgänge nach sich zieht (EvBl. 1984 Nr. 147, 1987 Nr. 114, LSK 1987/79 ua), bedürfen die beim Kreisgericht Wels im Zusammenhang mit dem Widerruf der am 29. Oktober 1985 gewährten bedingten Strafnachsicht unterlaufenen Verstöße zwar weder einer spruchgemäßen Feststellung noch der gesonderten Anordnung der Aufhebung. Aus Gründen der Prävention erscheint es aber erforderlich, sie festzuhalten:

Nachdem die zunächst gewährte dreijährige Probezeit infolge einer neuerlichen Verurteilung des Andreas H*** vorerst mit Beschluß vom 28.November 1986 auf fünf Jahre verlängert worden war (ON 22 der Akten 13 E Vr 1365/85 des Kreisgerichts Wels), wurde anläßlich der Verurteilung des Genannten wegen eines weiteren - noch innerhalb der ursprünglichen Probezeit begangenen - Deliktes (§ 125 StGB) am 25.August 1988 durch das Bezirksgericht Wels (zu 16 U 296/88) gemäß § 494 a Abs. 1 Z 4 StPO rechtskräftig der Widerruf der in Rede stehenden bedingten Strafnachsicht ausgesprochen (dort ON 8).

Obgleich in einem weiteren Strafverfahren - 13 E Vr 1392/88 des Kreisgerichtes Wels - gegen Andreas H*** dieser Widerrufsbeschluß bereits aktenkundig geworden war (Strafregisterauskunft ON 9 der zuletzt bezeichneten Akten), faßte der Einzelrichter am 14.Feber 1989 dennoch den Beschluß auf (neuerlichen) Widerruf der am 29.Oktober 1985 gewährten bedingten Strafnachsicht (Ende der ON 11 im letzterwähnten Akt). Die den Lauf der Beschwerdefrist gemäß § 77 Abs. 1 StPO in Gang setzende (vgl. EvBl. 1989/46) Verkündung dieses Beschlusses sowie die Erteilung einer entsprechenden Rechtsmittelbelehrung und die allfällige Abgabe von Rechtsmittelerklärungen zum Widerrufsbeschluß in der Hauptverhandlung sind allerdings im Protokollsvermerk nicht beurkundet (dort ON 10). Eine (mit dem Tag der Erlassung der Endverfügung zu 13 E Vr 1392/88 unrichtig datierte) begründungslose Ausfertigung dieses Widerrufs-Beschlusses (StPOForm BedV 9), die zum Akt 13 E Vr 1365/85 genommen worden war, wurde im letzterwähnten Verfahren mit einer auf den früheren Beginn der Beschwerdefrist (siehe oben) nicht Bedacht nehmenden Rechtsmittelbelehrung dem Verurteilten zugestellt, ohne daß allerdings eine diesem Vorgang zugrundeliegende richterliche Verfügung aktenkundig wäre (ON 29 in 13 E Vr 1365/85). Obwohl überdies in den letzterwähnten Akten auch (unter ON 26) eine Verständigung von dem durch das Bezirksgericht Wels am 25.August 1988 zu 16 U 296/88 ausgesprochenen Widerruf und (unter ON 28) eine gekürzte Ausfertigung des Urteils und des Widerrufsbeschlusses des Kreisgerichtes Wels vom 14.Feber 1988 zu 13 E Vr 1392/88 erlagen, sohin insgesamt drei Widerrufsbeschlüsse verschiedenen Datums - die zudem aus zwei verschiedenen neuen Strafverfahren stammten - aufschienen, sah sich der Einzelrichter des Verfahrens 13 E Vr 1365/85 zu keinen aufklärenden Erhebungen veranlaßt. Er fällte vielmehr eine - ihm in diesem Verfahren nach der ratio legis des § 494 a StPO (359 BlgNR 17. GP, 53) nicht mehr zukommende - teilweise stattgebende Entscheidung über ein Ratengesuch des Verurteilten betreffend die nunmehr - auf Grund des Widerrufs - zu begleichende Geldstrafe (ON 31); in jenen Verfahren, in denen dieser Widerruf ausgesprochen worden war, ist hingegen jeglicher Versuch einer Einhebung der Strafe unterblieben.

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