OGH 7Ob636/89 (7Ob637/89)

OGH7Ob636/89 (7Ob637/89)7.9.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Klinger, Dr.Egermann und Dr.Kodek als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Anna H***, Private, St. Pölten, Brunngasse 10, und 2. Elfriede H***, Private, Heather Bank, 279 Station Road, Balsall Common, GB Coventry CV 7, 7 EG, beide vertreten durch Dr.Max Urbanek, Rechtsanwalt in St. Pölten, sowie den Nebenintervenienten auf Seite der klagenden Parteien Mag.Wolfgang H***, Notar i.R., St. Pölten, Strohmeyrstraße 11, vertreten durch Dr.Gottfried Zandl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. V*** N*** M***,

reg. Genossenschaft mbH., St. Pölten, Brunngasse 5, und

2. S*** Gesellschaft mbH., St. Pölten, Brunngasse 5, beide vertreten durch Dr.Horst Hoskovec, Rechtsanwalt in Wien, sowie den Nebenintervenienten auf Seite der beklagten Parteien Dkfm.Dieter W***, Steuerberater, St. Pölten, Kremser Landstraße 7, vertreten durch Dr.Werner Pennerstorfer, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen Feststellung und Leistung (Streitwert 2,629.276 S s.A.), infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 30.November 1988, GZ 14 R 176/88-26, womit infolge der Berufungen der Klägerinnen und des auf ihrer Seite beigetretenen Nebenintervenienten das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 4. März 1987, GZ 1 Cg 543/84-17, bestätigt wurde, sowie des Rekurses der klagenden Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 17.März 1989, GZ 14 R 176/88-31, womit die Kostenentscheidung des vorerwähnten Urteiles berichtigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1. zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerinnen sind schuldig, den beklagten Parteien und dem Nebenintervenienten auf Seite der Beklagten Dkfm.Dieter W*** an Kosten des Revisionsverfahrens je 27.676,56 S (darin 4.607,76 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

2. den Beschluß

gefaßt:

Der Rekurs der Klägerinnen gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes vom 17.März 1989, 14 R 176/88-31, wird zurückgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerinnen und der am 22.August 1981 verstorbene Franz H*** waren je zu einem Drittel Gesellschafter der offenen Handelsgesellschaft Franz H***. Nach dem Tode des Franz H*** wollten die Klägerinnen, da die beiden Erben Gertrude J*** und Dipl.Dolm.Erna K*** auszubezahlen waren, letztlich die Gesellschaft veräußern. Sie traten zu diesem Zweck an die Erstbeklagte, ihre Hausbank, heran. Diese machten den Vorschlag, die Veräußerung an ihre Tochtergesellschaft, die Zweitbeklagte, vorzunehmen. Die Klägerinnen strebten vorerst einen Veräußerungserlös von 10 Mio. S zuzüglich sämtlicher auf diesen Erlös entfallenden Steuern an, doch wurde seitens der Beklagten der Vorschlag gemacht, aus steuerlichen Gründen vorerst die beiden Erben auszubezahlen und als Veräußerungserlös den nach Abzug der Auszahlungen verbleibenden Rest der ursprünglich errechneten 10 Mio. S als Kaufpreis festzusetzen. Nachdem die Abschichtungsforderungen der beiden Erben bekannt waren, verblieb ein Kaufpreis von 5,400.000 S. Die Einkommenssteuer wurde mit rund 600.000 S geschätzt, sodaß man von einem Kaufpreis von 6 Mio. S ausging. In der Folge stellte sich jedoch heraus, daß sich die Einkommenssteuer um 360.000 S erhöhen werde, sodaß der Kaufpreis auf 6,360.000 S erhöht wurde. Erkennbar für die beiden Beklagten gingen die Klägerinnen hiebei davon aus, daß es sich hiebei nur um eine Akontozahlung auf die zu erwartende Einkommenssteuer handeln könne, daß also die Beklagten verpflichtet wären, falls die Einkommenssteuer noch höher ausfallen sollte, den Differenzbetrag zu zahlen.

Im vorliegenden Verfahren begehrten die Klägerinnen die Feststellung, daß der Kaufpreis 10 Mio. S zuzüglich sämtlicher Steuern betrage. Ferner stellten sie mehrere Eventualbegehren, die einmal von einem Abtretungspreis von je 5 Mio S. ausgingen und als weiteres Eventualbegehren das Verlangen auf Zahlung von je 1,133.629 S enthielten.

Die Vorinstanzen haben sämtliche Klagebegehren abgewiesen und hiebei festgestellt, daß mit einer 480.000 S übersteigenden Einkommenssteuer pro Klägerin nicht zu rechnen sei. Die Vorinstanzen verneinten ein Feststellungsinteresse, weil der abgeschlossene Vertrag unter Berücksichtigung einer 480.000 S nicht übersteigenden Steuer dem Parteiwillen entspreche. Ein solches rechtliches Interesse sei nur zu bejahen, wenn die Rechtsposition des Klägers wirklich und nicht bloß vermeintlich gefährdet erscheine. Sei eine solche Gefährdung oder Beeinträchtigung objektiv nicht möglich, dann fehle ein solches Interesse. Da die Klägerinnen die Möglichkeit einer höheren Steuerbelastung nicht bewiesen hätten, könne ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung nicht angenommen werden. Die bloß abstrakte Möglichkeit, daß das Finanzamt bei seiner Steuerbemessung von einem anderen als dem festgestellten Vertragsinhalt ausgehen und dadurch zu höheren Steuern gelangen werde, reiche für die Begründung eines Feststellungsinteresses nicht aus.

Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Berufungsgericht seine Kostenentscheidung berichtigt.

Bei dem Berichtigungsbeschluß handelt es sich um eine Kostenentscheidung des Berufungsgerichtes, gegen die gemäß § 528 Abs. 1 Z 2 ZPO ein Rechtsmittel nicht zulässig ist (vgl. RZ 1974/47, SZ 17/48 ua.).

Rechtliche Beurteilung

Der unzulässige Rekurs der Klägerinnen war demnach zurückzuweisen.

Die von den Klägerinnen gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtige rechtliche Beurteilung erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt. Mit den Berufungsgründen der Nichtigkeit, Aktenwidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens unternehmen die Kläger ausschließlich den Versuch einer unzulässigen Bekämpfung der vorinstanzlichen Tatsachenfeststellungen. Auf die diesbezüglichen Revisionsausführungen war daher nicht weiter einzugehen. Ergänzend sei bemerkt, daß es sich bei einer allfälligen Verletzung der Pflicht nach § 182 ZPO nur um einen Mangel des erstgerichtlichen Verfahrens handeln kann, dessen Vorliegen vom Berufungsgericht verneint worden ist. Der Oberste Gerichtshof ist daher nicht in der Lage, auf diese Frage weiter einzugehen (SZ 27/4, EvBl. 1969/263 ua.).

Geht man von den getroffenen Feststellungen aus, so haben die Klägerinnen Anspruch auf einen Kaufpreis von 5,400.000 S zuzüglich der darauf entfallenden Einkommenssteuer. Unter Berücksichtigung jener Einkommenssteuer, die unter Zugrundelegung des festgestellten Vertragsinhaltes zu entrichten sein wird, wurde der nunmehrige Kaufpreis festgesetzt. Geht man also davon aus, daß es bei dieser Steuer bleibt, so können die Klägerinnen auf Grund des von den Beklagten inhaltlich gar nicht bestrittenen Vertrages mit jenen Leistungen rechnen, die ihnen im Vertrag zugesagt worden sind. Ändert sich demnach an dem Sachverhalt nichts, so ist die Rechtsposition der Klägerinnen bereits durch den Vertrag gesichert. Da der Inhalt dieses Vertrages von den Beklagten nicht bestritten wird, besteht diesfalls kein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung des Vertragsinhaltes.

Anders wäre die Sache nur, wenn die Klägerinnen mit einer höheren Versteuerung des Verkaufserlöses rechnen müßten und die Beklagten ihre Verpflichtung zur Zahlung der Differenz bestreiten sollten. Diese Bestreitung lag zwar zumindest bisher vor (ob die Beklagten sie unter dem Eindruck der festgestellten Umstände aufrechterhalten würden, muß bezweifelt werden), doch würde dies für sich allein das im § 228 ZPO geforderte rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung noch nicht begründen. Prozeßökonomischer Zweck der Feststellungsklage ist es, die Rechtslage dort zu klären, wo ein von der Rechtsordnung anerkanntes Bedürfnis zur Klärung streitiger Rechtsbeziehungen besteht, sei es um weitere Streitigkeiten zu vermeiden, sei es um eine brauchbare Grundlage für weitere Entscheidungen zu schaffen (JBl. 1979, 602, SZ 56/38, RdW 1988, 193 ua.). Ein Feststellungsinteresse ist als gegeben zu erachten, wenn eine objektive Ungewißheit über den Bestand oder den Umfang eines Anspruches besteht, die durch die Rechtskraftwirkung des Feststellungsurteiles beseitigt werden kann (EvBl. 1982/32, JBl. 1980, 31, VersR 1977/753 ua.). Es ist zwar richtig, daß die Rechtsprechung keinen allzustrengen Maßstab an die Frage der Klärungsbedürftigkeit eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses angelegt hat, doch hat das Berufungsgericht richtig erkannt, daß die bloß abstrakte Möglichkeit der Änderung einer Sachlage derart, daß hiedurch Streitfragen entstehen könnten, noch nicht ausreicht, das rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung zu begründen. Dies wird insbesondere dann nicht der Fall sein, wenn diese Möglichkeit äußerst unwahrscheinlich ist.

Im vorliegenden Fall steht auf Grund einer Auskunft des zuständigen Finanzamtes fest, daß dieses derzeit von dem festgestellten Vertragsinhalt ausgeht. Das Finanzamt rechnet nach dieser Auskunft (Beilage ./X) nicht mit einer Änderung der Sachgrundlage. Würde aber von dem festgestellten Vertragsinhalt auszugehen sein, so ergäbe sich eine Versteuerung, die nicht über jenem Betrag liegt, der im Vertrag bereits berücksichtigt worden ist. Bei dieser Sachlage wäre die Annahme eines Sachverhaltes, der für die Klägerinnen eine Ungewißheit begründen könnte, rein hypothetisch und höchst unwahrscheinlich. Mit Recht haben daher die Vorinstanzen das Vorliegen eines Feststellungsinteresses verneint. Was die Frage des behaupteten Irrtums anlangt, können sich die Klägerinnen schon deshalb nicht beschwert erachten, weil das Berufungsgericht den Vertrag ohnedies im Sinne des Rechtsstandpunktes der Klägerinnen ausgelegt hat.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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