OGH 1Ob625/89

OGH1Ob625/896.9.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Hofmann, Dr.Schlosser und Dr.Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*** O***, registrierte

Genossenschaft mbH, Linz, Raiffeisenplatz 1, vertreten durch Dr.Josef Broinger und Dr.Johannes Hochleitner, Rechtsanwälte in Eferding, wider die beklagten Parteien 1.) Dr.Ernst C***, Rechtsanwalt, Wels, Bahnhofstraße 10, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der L*** Grundstücksverwertungsgesellschaft mbH i. L., 2.) Inger S***, Pensionistin, Wels, Stadtplatz 10, vertreten durch Dr.Wilhelm Granner, Rechtsanwalt in Wels, wegen S 1,000.000,-- samt Anhang, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 19.April 1989, GZ 3 R 299/88-111, womit das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 24.September 1984, GZ 2 Cg 89/84-28, und ein Teil des diesem vorangegangenen Verfahrens als nichtig aufgehoben wurden, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Prozeßkosten. Die Rekursbeantwortung der Verlassenschaft nach Dipl.Ing.Helmut S***, gestorben am 26.4.1982, wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die klagende Partei ist durch Verschmelzung Gesamtrechtsnachfolgerin des R*** FÜR O***

registrierte Genossenschaft mbH. Diese Genossenschaft hat der Firma L*** Grundstücksverwertungs-GesmbH & Co KG (im folgenden: Kommanditgesellschaft) am 6.Mai 1976 zu Kontonummer 21028972 ein Darlehen von S 9 Mill. gewährt. Das Darlehen wurde auf den im Eigentum der Kommanditgesellschaft stehenden Liegenschaften EZ 436 KG Hall und EZ 48 KG Heiligkreuz pfandrechtlich sichergestellt. Komplementär der Kommanditgesellschaft war die Firma L*** Grundstücksverwertungs-Gesellschaft mbH (im folgenden: Gesellschaft mbH). Ab 1976 waren Dipl.Ing.Helmut S*** und Inger S*** Kommanditisten. Mit Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Handelsgerichtes vom 10.Oktober 1977, HR 3683-19, wurde die Kommanditgesellschaft, weil sie kein Vollhandelsgewerbe betrieb, von Amts wegen gelöscht. Dies wurde zu HRA 3683 des Landesgerichtes Innsbruck am 12.Oktober 1977 ins Handelsregister eingetragen. Dipl.Ing.Helmut S*** verstarb am 26.April 1982. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Wels vom 25.November 1982 wurde sein Nachlaß seiner Witwe Inger S*** gemäß § 73 AußStrG an Zahlungsstatt überlassen. Mit Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom 26.Juni 1985, S 40/85-2, wurde über das Vermögen der Gesellschaft mbH der Konkurs eröffnet. Zum Masseverwalter wurde Dr.Ernst C***, Rechtsanwalt in Wels, bestellt.

Mit der am 5.November 1981 eingebrachten Hypothekarklage begehrte die klagende Partei von der Kommanditgesellschaft die Bezahlung des Betrages von S 1 Mill. samt Anhang. Das Darlehen sei mindestens mit diesem Betrag seit 23.Juni 1979 fällig. Die Kommanditgesellschaft wendete ein, es fehle ihr an der Partei- und Prozeßfähigkeit. Sie sei schon zum Zeitpunkt der Einbringung der Klage im Handelsregister gelöscht gewesen und habe überhaupt niemals ein Grundhandelsgewerbe betrieben. Die Bestimmung des § 5 HGB bleibe außer Ansatz, da bereits im Zeitpunkt der Klagseinbringung die Firma der beklagten Partei gelöscht gewesen sei. Da die beklagte Partei von Anfang an kein Handelsgewerbe betrieben habe, das die Voraussetzungen des § 2 HGB erfüllt habe, sei sie von Amts wegen gelöscht worden. Trotz Eintragung in das Handelsregister sei sie niemals Rechtssubjekt gewesen. Es sei von Anfang an eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes vorgelegen, der keine Rechtspersönlichkeit zukomme und die somit auch nicht parteifähig sei. Im übrigen habe die klagende Partei vereinbarungswidrige Buchungen vorgenommen, so daß das Darlehen nicht fällig sei.

Am 15.März 1982 legte der Vertreter der Kommanditgesellschaft eine Spezialvollmacht vor, die von der Gesellschaft mbH als Komplementärgesellschaft und den beiden Kommanditisten Dipl.Ing.Helmut S*** und Inger S*** unterzeichnet war. Nach dem Inhalt dieser Vollmacht erteilten diese Personen Dr.Walter B*** (sen.), Rechtsanwalt in Wels, Spezialvollmacht gemäß §§ 31 f ZPO für das anhängige Verfahren. Sie gaben die Erklärung ab, daß sie die bisherige Prozeßführung genehmigten.

Das Erstgericht gab dem gegen die Kommanditgesellschaft gerichteten Klagebegehren statt. Es vertrat die Ansicht, eine Kommanditgesellschaft bleibe während ihrer Liquidiation parteifähig und habe Prozesse unter ihrer Abwicklungsfirma zu führen. Die Gesellschaft bestehe im Liquidationsstadium weiter, solange ihre Rechtsverhältnisse zu Dritten noch nicht abgewickelt seien. Zu einer Änderung der Parteibezeichnung bestehe in diesem Fall kein Anlaß. Schon auf Grund der Auflösung der Kommanditgesellschaft sei die klagende Partei berechtigt gewesen, die sofortige Rückzahlung des Darlehens zu begehren.

In der mündlichen Berufungsverhandlung vom 9.April 1985 wurde mit Beschluß die Nichtigkeitsberufung der Kommanditgesellschaft verworfen und ihre Bezeichnung auf "L*** Grundstücksverwertungsgesellschaft mbH in Liquidation" richtiggestellt. Das Berufungsgericht gab weiters mit Urteil vom 9. April 1985 der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Mit Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 27.April 1987, 1 Ob 541,542/87, wurde dem Rekurs und der Revision des Masseverwalters im Konkurs der Gesellschaft mbH Folge gegeben. Der Beschluß und das Urteil wurden aufgehoben. Der Oberste Gerichtshof führte aus, eine Richtigstellung der Bezeichnung der beklagten Partei von Kommanditgesellschaft auf Gesellschaft mbH sei jedenfalls verfehlt gewesen. Wie der Oberste Gerichtshof bereits in zwei dieselbe Kommanditgesellschaft bzw Gesellschaft mbH betreffenden Entscheidungen ausgesprochen hat, entfalle bei Löschung einer Personengesellschaft, die kein Vollhandelsgewerbe betreibt, deren Parteifähigkeit. Durch die Löschung wandle sich ihrer Rechtsnatur, an die Stelle der Personengesellschaft treten den geänderten Verhältnissen entsprechend eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes, die mit unveränderter Wirkung auf Grund des seinerzeit geschlossenen Gesellschaftsvertrages weiterbestehe. Wenn auch gerade im Falle, als eine Gesellschaft bürgerlichen Rechtes unter ihrer Bezeichnung geklagt wurde, eine Richtigstellung der Parteibezeichnung auf ihrer Gesellschafter für zulässig angesehen wurde, so seien wahre Beklagte dann alle zum Zeitpunkt der Begründung des Prozeßverhältnisses vorhandenen Gesellschafter, mögen die Kommanditisten auch dem Komplementär der seinerzeitigen Kommanditgesellschaft Vertretungsmacht zuerkannt haben. Über Bemängelung der klagenden Partei habe der für die Kommanditgesellschaft einschreitende Rechtsanwalt Dr.Walter B*** (sen.) am 15.März 1982 eine von allen Gesellschaftern der Kommanditgesellschaft unterfertigte Spezialvollmacht vorgelegt. Von diesem Zeitpunkt an sei jedenfalls Streitanhängigkeit gegen alle Gesellschafter der unter der Bezeichnung L*** Grundstücksverwertungsgesellschaft mbH & Co KG aufgetretenen Gesellschaft bürgerlischen Rechtes eingetreten. Eine spätere Veräußerung von Gesellschaftsanteilen habe gemäß § 234 ZPO auf deren Parteistellung keinen Einfluß mehr haben können. Die Gesellschaft mbH wende sich daher zutreffend gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes auf Berichtigung der Parteibezeichnung, in der entgegen dem wahren Prozeßrechtsverhältnis nur mehr sie als beklagte Partei angeführt wurde. Es sei daher der nicht alle Parteien des Verfahrens berücksichtigende Beschluß des Berufungsgerichtes auf Richtigstellung der Parteibezeichnung aufzuheben. Dann könne aber auch das Urteil des Berufungsgerichtes, das nicht alle Parteien des Verfahrens berücksichtigte, keinen Bestand haben.

Mit Beschluß vom 27.Mai 1987 stellte das Berufungsgericht fest, daß das Verfahren hinsichtlich der Gesellschaft mbH unterbrochen sei, weil über diese der Konkurs eröffnet worden sei. In der mündlichen Berufungsverhandlung vom 7.Oktober 1987 wurde mit Beschluß die Parteibezeichnung auf 1.) Dr.Ernst C***, Rechtsanwalt, Wels, Bahnhofstraße 10, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der L*** Grundstücksverwertungsgesellschaft mbH i. L., Marchtrenk, Linzerstraße 2; 2.) Verlassenschaft nach Dipl.Ing.Helmut S***, verstorben am 26.April 1982, und 3.) Inger S***, Pensionistin, Wels, Stadtplatz 19, richtiggestellt. Mit dem Urteil vom selben Tag gab das Berufungsgericht der Berufung der beklagten Parteien nicht Folge. Es bestätigte das Urteil des Erstgerichtes mit der Maßgabe, daß es zu lauten habe:

"Die Zweit- und die Drittbeklagte sind bei sonstiger Exekution in die Liegenschaft EZ 436 II KG Hall und EZ 48 II KG Heiligkreuz zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin binnen 14 Tagen S 1,000.000,-- samt 19 % Zinsen seit 11.Dezember 1981 zu bezahlen und die mit S 88.436,75 ... bestimmten Prozeßkosten zu ersetzen."

Mit Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 16.März 1988, 1 Ob 505, 506/88, auf dessen nähere Begründung verwiesen wird, wurde der Revision der Inger S*** Folge gegeben und das Urteil des Berufungsgerichtes vom 7.10.1987, soweit es sich auf sie bezog, aufgehoben. Eine von Dr.Walter B*** jun. namens der Verlassenschaft nach Dipl.Ing.Helmut S*** erhobene Revision wurde zurückgewiesen. Dr.B*** jun. sei nur als Verfahrenshelfer der Kommanditgesellschaft bestellt worden. Mit dem Ausscheiden der Kommanditgesellschaft aus dem Verfahren sei damit seine Aufgabe beendet gewesen. Die Verlassenschaft werde durch ihn nicht mehr vertreten.

Das Erstgericht berichtigte darauf mit Beschluß vom 19.4.1988, ON 89, sein Urteil vom 24.9.1984, ON 28, dahin, daß die Bezeichnung der Parteien wie folgt richtiggestellt wurde: "1.) Dr.Ernst C***, Rechtsanwalt, Bahnhofstraße 10, 4600 Wels, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der L*** Grundstücksverwertungsgesellschaft mbH i.L., Linzerstraße 2, 4614 Marchtrenk, 2.) Verlassenschaft nach Dipl.Ing.Helmut S***, verstorben am 26.4.1982, und 3.) Inger S***, Pensionistin, Stadtplatz 19, 4600 Wels." Gleichzeitig wurde der Klagevertreter mit ZP-Form 51/I verständigt, daß eine Zustellung an die Verlassenschaft nach Dipl.Ing.Helmut S*** nicht möglich sei, weil ein Verlassenschaftskurator (§ 811 ABGB) nicht bestellt worden sei. Eine Antragstellung der klagenden Partei erfolgte nicht. Mit Beschluß vom 16.8.1988, ON 100, wurde über Antrag der klagenden Partei das Verfahren gegen Dr.Ernst C*** als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der L*** Grundstücksverwertungsgesellschaft mbH i. L. gemäß § 7 KO fortgesetzt. Nunmehr erhoben der Masseverwalter und Inger S*** Berufungen gegen das Urteil des Erstgerichtes. Mit dem angefochtenen Beschluß gab das Berufungsgericht beiden Berufungen Folge. Es hob das Urteil des Erstgerichtes und das diesem vorangegangene Verfahren ab der Tagsatzung vom 16.7.1982 unter Rechtskraftvorbehalt als nichtig auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Die Berufungswerber seien im Verfahren erster Instanz nicht vertreten gewesen. Das Verfahren sei zwar durch Vorlage der Spezialvollmacht vom 15.3.1982 auch gegen sie streitanhängig geworden, doch habe das Erstgericht nach dieser Vollmachtsvorlage das weitere Verfahren bis zum Urteil ausschließlich gegen die Kommanditgesellschaft geführt. Nur für diese sei Dr.Walter B*** (sen.) in weiterer Folge eingeschritten, mag er auch zusätzlich von den Gesellschaftern der in Wahrheit vorliegenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts bevollmächtigt gewesen sein. Das gesamte Verfahren erster Instanz sei daher gemäß § 477 Abs 1 Z 5 ZPO nichtig. Die Nichtigkeit sei durch die am 15.3.1982 vorgelegte Erklärung der Gesellschafter der Kommanditgesellschaft, daß die bisherige Prozeßführung genehmigt werde, gemäß § 477 Abs 1 Z 5 ZPO für das bis dahin abgeführte Verfahren nicht aber für das anschießende Verfahren ab der Tagsatzung vom 16.7.1982 geheilt worden. Das ab diesem Zeitpunkt durchgeführte Verfahren erster Instanz und das angefochtene Urteil seien daher in Stattgebung beider Berufungen gemäß § 478 Abs 2 ZPO aufzuheben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der klagenden Partei ist nicht berechtigt. Dem Berufungsgericht kann zwar nicht darin gefolgt werden, daß die beklagten Parteien in dem Verfahren ab 16.7.1982 nicht vertreten gewesen seien, haben doch die beklagten Parteien durch ihren Vertreter Dr.B*** (sen.) in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 15.3.1982 dessen Spezialvollmacht vorgelegt und die bisherigen Verfahrensschritte genehmigt. Den beklagten Parteien wurde aber nach der Genehmigung der bisherigen Verfahrensschritte in der Folge kein rechtliches Gehör mehr gewährt, so daß der Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 4 ZPO gegeben ist. Jeder durch eine gerichtliche Entscheidung in seinen Rechten Betroffene hat das Recht, in dem zu dieser Entscheidung führenden Verfahren - grundsätzlich vor Fällung der Entscheidung - gehört zu werden (Fasching, Zivilprozeßrecht Rz 692, 696, 702). Jeder Partei muß also die Möglichkeit geboten werden, Anträge zu stellen, Tatsachenbehauptungen aufzustellen und dafür Beweise anzubieten (Fasching aaO Rz 701; Rosenberg-Schwab, Zivilprozeßrecht14 Rz 482). Das Erstgericht hab aber, ausgehend von einer unrichtigen Rechtsansicht, das Verfahren nicht mit dem beklagten Parteien, sondern mit einem Gebilde, dem Prozeßfähigkeit nicht zukam, abgewickelt. Damit war aber den beklagten Parteien die Möglichkeit, eigenes Vorbringen zu erstatten und Anträge zu stellen, abgeschnitten. Sie konnten auch wegen des im Berufungsverfahren geltenden Neuerungsverbotes Vorbringen nicht nachtragen. Schloß das Erstgericht aber die beklagten Parteien von weiterem Vorbringen in erster Instanz aus und beteiligte sie nicht mehr an den weiteren Verfahrensschritten, wurde ihnen das rechtliche Gehör entzogen. Unabhängig von den von der klagenden Partei angestellten Erwägungen, welches Vorbringen insbesondere die erstbeklagte Partei, wäre sie nur gehört worden, überhaupt hätte erstatten können, erweist sich demnach das Urteil des Erstgerichtes und das diesem vorangegangene Verfahren ab 16.7.1982 als nichtig.

Dem Rekurs ist der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet

sich auf §§ 50, 52 ZPO.

Die Verlassenschaft nach Dipl.Ing.Helmut S*** war nicht Partei des Berufungsverfahrens. Die angefochtene Entscheidung erstreckte sich nicht auf sie. Die von ihr erstattete Rekursbeantwortung ist daher zurückzuweisen.

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