OGH 1Ob621/89

OGH1Ob621/896.9.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Hofmann, Dr.Schlosser und Dr.Graf als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Kinder 1. Verena H***, geb. 20.Februar 1979, 2. Martina H***, geb. 21.April 1981, beide vertreten durch die Mutter Lorelinde H***-A***, Geschäftsfrau, Innsbruck, Speckbacherstraße 32, vertreten durch Dr.Ekkehard Erlacher, Rechtsanwalt in Innsbruck, und 3. Christian H***, geb. 3.Mai 1977, vertreten durch den Vater Mag.Martin H***, Kammeramtsdirektor, Thaur, Prentenweg 14, vertreten durch Dr.Paul Ladurner, Rechtsanwalt in Innsbruck, infolge Revisionsrekurses des Vaters Mag.Martin H*** gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 9.Mai 1989, GZ 1 b R 77/89-74, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 4.April 1989, GZ 5 P 411/81-71, teilweise bestätigt, teilweise aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen den die Entscheidung des Erstgerichtes bestätigenden Teil der Entscheidung des Rekursgerichtes richtet, zurückgewiesen, im übrigen wird ihm nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die mj. Kinder Christian, geb. 3.5.1977, Verena, geb. 20.2.1979, und Martina, geb. 21.4.1981, sind die ehelichen Kinder der Lorelinde H***-A*** und des Mag.Martin H***. Die Ehe der Eltern wurde mit Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 24.10.1985, 9 Cg 593/84-93, gemnäß § 55 a EheG im Einvernehmen geschieden. In dem im Scheidungsverfahren abgeschlossenen, mit Beschluß des Erstgerichtes vom 15.11.1985 (ON 64) pflegschaftsbehördlich genehmigten Vergleich trafen die Eltern folgende Vereinbarungen:

"4.) Kindesregelung :

a) Die elterlichen Rechte für die beiden Töchter verbleiben bei der Klägerin, für den Sohn beim Beklagten.

b) Der Beklagte verpflichtet sich, ab 1.8.1985 für die beiden Töchter einen Gesamtunterhalt von S 5.000,-- (S 3.000,-- für Verena und S 2.000,-- für Martina) zu bezahlen, wobei seitens der Klägerin auf einen Erhöhungsantrag und seitens des Beklagten auf einen Herabsetzungsantrag bis einschließlich 31.Juli 1988 verzichtet wird.

c) An Unterhalt für die Vergangenheit bezahlt der Beklagte für die mj. Martina einen Pauschalbetrag von S 50.000,--, spätestens fällig ab 31.12.1985.

d) Auf eine Unterhaltszahlung für die Vergangenheit für die mj. Verena wird seitens der Klägerin verzichtet.

e) Auf eine Unterhaltsfestsetzung für den mj. Christian für Vergangenheit und Zukunft wird seitens des Beklagten verzichtet und kommt dieser für den Unterhalt des Sohnes alleine auf."

Die Kinder werden im Sinne der vergleichsweisen Regelung betreut, der mj. Christian also im Haushalt des Vaters, die mj. Kinder Verena und Martina im Haushalt der Mutter.

Die Mutter begehrt die Erhöhung der monatlichen Unterhaltsleistung des Vaters um S 2.000,-- für jedes Kind, somit auf S 5.000,-- monatlich für die mj. Verena und auf S 4.000,-- monatlich für die mj. Martina. Sie brachte vor, die Einkommensverhältnisse des Vaters hätten sich seit Vergleichsabschluß wesentlich geändert, es seien auch die Bedürfnisse der Kinder gestiegen.

Der Vater erklärte sich mit einer Erhöhung der Unterhaltsverpflichtung um S 500,-- für jedes Kind einverstanden und sprach sich im übrigen gegen den Antrag der Mutter aus. Er verdiene auch im Jahre 1988 nur unwesentlich mehr als im Jahre 1985, für die Anschaffung eines Eigenheimes habe er beträchtliche finanzielle Aufwendungen zu tätigen. In eventu stellte der Vater den Antrag, die Mutter zur Bezahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von S 5.000,-- für den mj. Christian zu verpflichten.

Das Erstgericht setzte den vom Vater ab 1.10.1988 zu leistenden Unterhalt antragsgemäß mit S 5.000,-- monatlich für die mj. Verena und mit S 4.000,-- monatlich für die mj. Martina fest; das Eventualbegehren wies es ab. Es stellte fest, der Vater habe von Mai bis Oktober 1985 einschließlich der Sonderzahlungen durchschnittlich S 53.841,70, von Mai bis Oktober 1988 durchschnittlich S 57.594,55 verdient. An Mieteinkünften beziehe er S 2.200,-- monatlich. Aus dem Verkauf eines Liegenschaftsanteils habe er S 1 Mio. erlöst; er habe diesen Betrag neben einem aufgewendeten Kredit für die Anschaffung eines Eigenheimes verwendet. An Kreditrückzahlungen habe er monatlich S 9.605,45 zu leisten. In rechtlicher Hinsicht ging das Erstgericht davon aus, daß der abgeschlossene Vergleich, was den Unterhaltsanspruch der beiden Töchter betreffe, der Umstandsklausel unterliege. Seit dem Vergleichsabschluß habe sich das Einkommen des Vaters um 6,9 % erhöht; es seien aber auch die Bedürfnisse der Kinder gestiegen, so daß eine wesentliche Änderung der Verhältnisse vorliege. Die Neubemessung des Unterhalts sei ohne Bedachtnahme auf die bei Vergleichsabschluß gegebene Relation des Einkommens des Vaters zum damals vergleichsweise festgesetzten Unterhaltsbetrag festzusetzen. Die beiden Kinder hätten Anspruch auf 15 % der Bemessungsgrundlage des monatlichen Einkommens des Vaters abzüglich der Kreditrückzahlungen, somit auf einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 7.198,36. Demnach sei das Erhöhungsbegehren gerechtfertigt. Die Unterhaltsverpflichtung der Mutter für den mj. Christian sei zufolge des pflegschaftsbehördlichen Vergleichs ruhend gestellt. Da der Unterhalt des Kindes durch die vergleichsweise Regelung der Eltern in keiner Weise in Frage gestellt sei, erweise sich der Verzicht als zulässig und wirksam. Der Eventualantrag des Vaters sei demnach nicht gerechtfertigt.

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes in Ansehung der Erhöhung des Unterhaltsbetrages um S 1.000,-- für jedes der beiden Kinder sowie in Ansehung der Abweisung des Eventualbegehrens. Im übrigen gab es dem Rekurs des Vaters Folge, hob die angefochtene Entscheidung auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Die im Vergleich enthaltene Unterhaltsregelung in Ansehung der mj. Kinder Verena und Martina unterliege, wie dies auch der Rechtsmittelwerber nicht mehr in Zweifel ziehe, der Umstandsklausel, weshalb grundsätzlich eine Neufestsetzung des verglichenen Unterhalts dann möglich sei, wenn sich die für die Bemessung maßgebenden Verhältnisse wie insbesondere die Bedürfnisse der Kinder und/oder die Leistungsfähigkeit der Unterhaltspflichtigen seit dem Vergleichsabschluß nicht nur unbedeutend geändert habe. Bei der Neubemessung des Unterhaltes sei im allgemeinen aber die einmal festgelegte Relation zwischen Einkommen und Unterhaltshöhe aufrecht zu erhalten. Dieser Grundsatz erfahre dann eine Einschränkung, wenn der Wille der Parteien bei Vergleichsabschluß lediglich darauf gerichtet gewesen sei, den ohnehin nach dem Gesetz gebührenden Unterhaltsbetrag ohne vorsätzliche Vernachlässigung oder Überbewertung einzelner Bemessungsfaktoren auszumitteln oder aber besonders wesentlich geänderte Verhältnisse vorlägen, die ein Beharren auf dem Vergleich als unbillig erscheinen ließen. In solchen Fällen habe auch die Neubemessung des verglichenen Unterhalts bei geänderten Verhältnissen ohne Bedachtnahme auf den Vergleichsinhalt zu erfolgen. Eine in diesem Sinne besonders erhebliche Änderung der Verhältnisse, die das grundsätzliche Abgehen von den Vergleichsrelationen rechtfertigen könnten, liegen nach den bisherigen Verfahrensergebnissen nicht vor. Der doch merkliche Einkommenszuwachs des Vaters von 6,9 % sowie die zweifellos gestiegenen Bedürfnisse der Kinder, die im Vergleich geregelte nur subsidiäre Unterhaltspflicht der Mutter für den mj. Christian sowie die rund zweijährige vertragliche Erhöhungssperrfrist rechtfertigten unter Bedachtnahme auf die Vergleichsrelation die Erhöhung des Unterhaltsbetrages um S 1.000,-- für jedes Kind. In diesem Umfang sei die Entscheidung des Erstgerichtes zu bestätigen. Was das darüber hinausgehende Erhöhungsbegehren betreffe, so reichten die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen für dessen abschließende Beurteilung nicht aus. Eine weitergehende Erhöhung unter Außerachtlassung der Vergleichsrelationen und damit eine Unterhaltsfestsetzung nach dem üblichen Prozentsatz (17 bzw. 15 % der Bemessungsgrundlage des unterhaltspflichtigen Vaters) wäre nur dann zulässig, wenn der Parteiwille bei Vergleichsabschluß lediglich auf Konkretisierung des den mj. Kindern nach dem Gesetz gebührenden Unterhaltes gerichtet gewesen wäre. Dies erscheine durchaus denkbar, z. B. wenn die Übernahme der die Mutter primär treffenden Unterhaltspflicht für den mj. Christian durch den Vater nicht Ergebnis (Kehrseite) einer Unterhaltsbeschränkung für die mj. Kinder Verena und Martina wäre, sondern gewissermaßen zu einer anderen (Vor-)Leistung oder einem anderen Zugeständnis der Mutter, z.B. ihrem Unterhaltsverzicht im Austauschverhältnis, gestanden wäre. Hiezu bedürfe es ergänzender Erhebungen; erst nach deren Vorliegen sei die Rechtssache insoweit spruchreif.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes wendet sich der Revisionsrekurs des Vaters. Der Rekurswerber erklärt den Beschluß des Rekursgerichtes seinem gesamten Inhalt nach anzufechten, tatsächlich wird jedoch, wie sich dies insbesondere aus dem Rekursantrag ergibt, die Entscheidung nur in Ansehung des noch streitverfangenen Erhöhungsbegehrens für die mj. Kinder Verena und Martina (je S 1.500,--) bekämpft.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 14 Abs.2 AußStrG ist die Anfechung der Entscheidung zweiter Instanz ausgeschlossen, soweit Verfahren und Entscheidung die Bemessung eines gesetzlichen Unterhaltsanspruches zum Gegenstand hat. Der Beurteilung des Obersten Gerichtshofes steht aber die Frage offen, ob und inwieweit die Bemessung eines gesetzlichen Unterhaltsanspruchs von der Wirksamkeit oder der Auslegung einer vertraglichen Regelung abhängt (JB 60 neu = SZ 27/177). Dies trifft auch dann zu, wenn strittig ist, was bei Vergleichsabschluß Bemessungsgrundlage war (1 Ob 541/88).

Das Rekursgericht ging davon aus, daß im Unterhaltsvergleich die Umstandsklausel nicht ausgeschlossen worden sei, weshalb eine Neubemessung des Unterhalts dann möglich sei, wenn sich die für die Bemessung maßgebenden Umstände nicht nur unwesentlich geändert haben. Daß der abgeschlossene Vergleich der Umstandsklausel unterliegt, zieht auch der Rechtsmittelwerber grundsätzlich nicht in Zweifel. Er macht aber dem Sinn nach geltend, daß die Neubemessung des Unterhalts auch wegen geänderter Verhältnisse unter Bedachtnahme auf die im Vergleich zum Ausdruck kommende Konkretisierung der Bemessungsgrundlage zu erfolgen habe und bei Anwendung dieses Grundsatzes nur eine Unterhaltserhöhung von S 500,--, die er ohnehin akzeptiert habe, gerechtfertigt sei. Nun hat aber das Rekursgericht, was den bestätigenden Teil seiner Entscheidung betrifft, die Neubemessung des Unterhalts ohnehin unter Zugrundelegung der Vergleichsrelationen festgesetzt. Es gelangte unter Bedachtnahme auf die Vergleichsrelation zum Ergebnis, daß die Änderung der Bedürfnisse der Kinder, die Erhöhung des Einkommens des Vaters um 6,9 %, die Übernahme der Unterhaltspflicht durch den Vater für den mj. Christian und die im Vergleich vorgesehene zweijährige Erhöhungssperrfrist eine Erhöhung des Unterhaltsbetrages um je S 1.000,-- für jedes Kind rechtfertige. Ob eine Erhöhung des Unterhalts in diesem Ausmaß gerechtfertigt ist, berührt aber nicht mehr die Frage der Auslegung des Vergleiches, sondern stellt eine Bemessungsfrage dar, die nicht der Beurteilung des Obersten Gerichtshofes unterliegt (1 Ob 541/88; EFSlg. 37.324, 34.464, 34.462).

Was den aufhebenden Teil der Entscheidung des Rekursgerichtes betrifft, so ging das Rekursgericht zutreffend davon aus, daß die Neubemessung eines vergleichsweise geregelten Unterhaltsanspruches im Regelfall nicht losgelöst von dieser Regelung und der darin zum Ausdruck kommenden Konkretisierung der Bemessungsgrundlage zu erfolgen hat (EFSlg. 48.150, 43.715, 37.611). Ein Abgehen von der Vergleichsgrundlage wäre dann zulässig, wenn der Parteiwille bei Abschluß des Vergleiches nur auf die Festsetzung des den Kindern nach dem Gesetz gebührenden Unterhalts ohne vorsätzliche Vernachlässigung oder Überbewertung bestimmter Faktoren gerichtet gewesen wäre (EFSlg. 43.716). Eine solche Neubemessung käme insbesondere auch dann in Betracht, wenn bei Abschluß des Unterhaltsvergleiches für die Bemessung des Unterhaltsanspruches der Kinder wesentliche Umstände unbekannt oder irrtümlich von falschen Bemessungsvoraussetzungen ausgegangen worden wäre. Wenn das Rekursgericht zum Ergebnis gelangte, daß die Sachverhaltsgrundlage zur abschließenden Beurteilung nicht ausreicht, so kann der Oberste Gerichtshof dem Erhebungsauftrag der zweiten Instanz, wenn er von zutreffender rechtlicher Beurteilung ausgeht, nicht entgegentreten (EFSlg. 55.540, 52.676 u.a.). Demzufolge ist spruchgemäß zu entscheiden.

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