OGH 1Ob541/88

OGH1Ob541/8816.3.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Kodek als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Kinder Edwin N***, geboren 4. August 1970, Eva N***, geboren 7. Mai 1973 und Eugen N***, geboren 22. November 1975, infolge Revisionsrekurses des Vaters Univ.Prof. Dr. Erich N***, Arzt, Wien 18., Wallrißstraße 76, vertreten durch Dr. Adolf Kriegler, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 14. Jänner 1988, GZ. 47 R 13/88-29, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 16. Dezember 1987, GZ. 2 P 28/87-26, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Univ.Prof. Dr. Erich N*** und Else N*** haben am 18.1.1969 vor dem Standesamt Wien-Währing die Ehe geschlossen. Der Ehe entstammen die Kinder Edwin, geboren am 4.8.1970, Eva, geboren am 7.5.1973, und Eugen, geboren am 22.11.1975. Die Ehe der Eltern wurde mit dem Beschluß des Erstgerichtes vom 28.1.1987, 2 Sch 8/87-3, gemäß § 55 a EheG im Einvernehmen geschieden. In einem in der Tagsatzung vom 28.1.1987 geschlossenen, in der Folge pflegschaftsbehördlich genehmigten Vergleich vereinbarten die Eltern, daß das Recht zur Pflege, Erziehung, Vermögensverwaltung und Vertretung in Ansehung der Kinder dem Vater zusteht. Der Mutter wurde ein unbeschränktes Besuchsrecht eingeräumt. Die Mutter verpflichtete sich, zum Unterhalt der Kinder monatlich S 1.000,-- (für den mj. Edwin), S 700,-- (für die mj. Eva) und S 500,-- (für den mj. Eugen) zu bezahlen. Es wurde weiters vereinbart, daß die Liegenschaft Wien 18., Wallrißstraße 76, im Alleineigentum der Mutter verbleibt, die sich verpflichtete, die Liegenschaft dem Vater gegen eine Monatsmiete von S 16.000,-- zu vermieten. Mit Protokollarantrag vom 19.5.1987 stellte der Vater den Antrag, der Mutter die Bezahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von S 3.000,-- für den mj. Eugen und von je S 4.000,-- für die mj. Kinder Eva und Edwin aufzuerlegen. Er brachte vor, er habe im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses die tatsächliche Vermögenslage der Mutter nicht gekannt. Nachträglich sei ihm bekannt geworden, daß die Mutter Einnahmen aus der Vermietung von Liegenschaften beziehe, die zur Gänze ihr gehören, weiters beziehe sie ein Einkommen aus Gesellschaftsanteilen am Bauunternehmen T***, Villach. Die Mutter sei auch seit April 1987 im Fitness-Sportcenter Z*** beschäftigt. Sie habe im März 1987 eine Eigentumswohnung in Wien 18., Wallrißstraße 58, um den Betrag von rund S 1,5 Mio. erworben. Insgesamt beziehe seine geschiedene Gattin monatliche Einkünfte im Betrag von S 28.000,--. Bei seiner Einvernahme in der Tagsatzung vom 21.10.1987 räumte der Vater ein, im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses gewußt zu haben, daß seine Gattin Einkünfte aus anderen Einkunftsquellen (Vermietung und Verpachtung) beziehe, doch sei ihm deren Höhe nicht bekannt gewesen.

Die Mutter beantragte die Abweisung des Antrages und brachte vor, es treffe zu, daß sie aus der Vermietung von Liegenschaften monatliche Einkünfte in der Höhe von ca. S 12.000,-- beziehe, doch sei diese Tatsache ihrem Mann bei Abschluß des Scheidungsvergleiches bekannt gewesen. Ihr geschiedener Gatte beziehe ein Einkommen von über S 100.000,-- brutto monatlich, die Unterhaltsregelung in Ansehung der Kinder sei unter Bedachtnahme auf die unterschiedlichen Einkommensverhältnisse sowie darauf erfolgt, daß sie das Haus Wien 18., Wallrißstraße 76, ihrem Gatten um den Betrag von S 16.000,-- monatlich vermiete, der um ca. S 9.000,-- unter dem zu erzielenden Mietzins gelegen sei.

Das Erstgericht sprach aus, daß die Mutter zum Unterhalt der mj. Kinder über die im Vergleich vom 28.1.1987 festgesetzten Beträge hinaus für den mj. Edwin S 2.100,--, für die mj. Eva S 2.000,-- und für den mj. Eugen S 2.200,-- zu bezahlen habe. Die Entscheidung über das weitere Unterhaltsbegehren der Kinder behielt es sich vor. Das Erstgericht stellte fest, die Mutter habe bis 30.9.1987 Arbeitslosengeld im Betrag von S 5.361,-- monatlich bezogen, seit 13.10.1987 sei sie bei der Z*** Fitness Gesellschaft mbH mit einem Nettobezug von S 4.600,-- monatlich teilzeitbeschäftigt. Insgesamt sei von einem monatlichen Einkommen der Mutter von S 17.170,-- auszugehen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, es sei dem Vater zuzubilligen, daß er nach Kenntnis der Höhe der Einkünfte der Mutter nicht mehr gewillt sei zu akzeptieren, daß die Mutter zum Unterhalt der Kinder nur relativ geringfügige Beiträge, die ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht entsprechen, leiste. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Mutter gegen den Beschluß des Erstgerichtes Folge und wies den Antrag des Vaters ab. Das Rekursgericht führte aus, es wäre vollkommen unglaubwürdig, wenn der Vater nach langjähriger Ehe behaupten wollte, er habe über die Einkommensverhältnisse seiner geschiedenen Gattin nicht Bescheid gewußt. Er habe aber ohnehin eingeräumt, gewußt zu haben, daß seine Gattin Einkünfte aus Vermietung bzw. Verpachtung beziehe. Ob dem Vater die Höhe der Einkünfte bekannt gewesen sei, sei unerheblich, weil es an ihm gelegen wäre, vor Abschluß des Scheidungsvergleiches sich darüber Gewißheit zu verschaffen. Daß ihn die Mutter arglistig über die Höhe dieser Einnahmen getäuscht hätte, sei nicht einmal behauptet worden. Es sei auch ohne Bedeutung, ob dem Vater die Berufstätigkeit der Mutter bekannt gewesen sei, weil das daraus bezogene Entgelt niedriger sei als das Arbeitslosengeld, dessen Bezug und Höhe dem Vater im Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleiches bekannt gewesen sei. Insgesamt habe sich an den Vermögens- und Einkommensverhältnissen der unterhaltspflichtigen Mutter seit Abschluß des Vergleiches nichts geändert. Eine altersbedingte Erhöhung der Bedürfnisse der Kinder sei nicht eingetreten, eine sonstige Erhöhung von Bedürfnissen sei nicht geltend gemacht worden. Die von der Mutter geschuldeten Unterhaltsbeträge entsprächen zwar weitaus nicht dem Durchschnittsbedarf von Minderjährigen gleicher Altersgruppe, doch sei der Unterhalt der Kinder nicht gefährdet, weil der Vater als Arzt und Universitätsprofessor zweifellos ein überdurchschnittliches Einkommen beziehe und dieser Umstand offensichtlich auch bei der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung des Vergleiches berücksichtigt worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Dem gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhobenen Revisionsrekurs des Vaters kommt Berechtigung nicht zu. Gemäß § 14 Abs2 AußStrG ist die Anfechtung der Entscheidung zweiter Instanz ausgeschlossen, soweit Verfahren und Entscheidung die Bemessung eines gesetzlichen Unterhaltsanspruchs zum Gegenstand hat. Der Beurteilung des Obersten Gerichtshofes steht aber die Frage offen, ob und inwieweit die Bemessung eines gesetzlichen Unterhaltsanspruchs von der Wirksamkeit oder der Auslegung einer vertraglichen Regelung abhängt (JB 60 neu = SZ 27/177). Dies trifft auch dann zu, wenn strittig ist, was bei Abschluß des Vergleichs Bemessungsgrundlage war.

Gemäß § 140 Abs1 ABGB haben die Eltern zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes unter Berücksichtigung seiner Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten nach ihren Kräften anteilig beizutragen. Der Elternteil, der den Haushalt führt, in dem er das Kind betreut, leistet dadurch seinen Beitrag. Darüber hinaus hat er zum Unterhalt des Kindes beizutragen, soweit der andere Elternteil zur vollen Deckung der Bedürfnisse des Kindes nicht imstande ist oder mehr leisten müßte, als es seinen eigenen Lebensverhältnissen angemessen wäre. Da die Kinder im Haushalt des Vaters betreut werden, wäre gemäß § 140 Abs2 ABGB die Mutter primär unterhaltspflichtig. Dies schließt aber nicht aus, daß die Eltern eine von § 140 ABGB abweichende Vereinbarung treffen, insbesondere dahin, daß der Vater die primäre Unterhaltspflicht übernimmt (EFSlg. 40.107; EvBl 1973/24). Eine solche Vereinbarung bedarf, um gegenüber dem Kind wirksam zu sein, pflegschaftsbehördlicher Genehmigung (EFSlg. 40.107; EvBl 1973/24; 1970, 94). Eine Vereinbarung mit der der gemäß § 140 Abs2 ABGB an sich nur subsidiär unterhaltspflichtige Vater einen Teil der der Mutter zustehenden Unterhaltspflichten übernimmt, ist, solange dadurch das Kindeswohl nicht gefährdet wird, gültig (EFSlg. 40.107; 35.783; 32.982 u.a.). Eine Gefährdung des Kindeswohls läge vor, wenn der primär unterhaltspflichtige Elternteil zur Leistung des Unterhalts nicht imstande wäre. Der Rechtssatz, daß einem pflegschaftsbehördlich genehmigten Unterhaltsverzicht eines mj. Kindes für die Zukunft keine Bedeutung zukomme und die Gerichte grundsätzlich befugt seien, unter der Annahme, daß die vereinbarten Unterhaltsbeträge nicht das gesetzliche Ausmaß erreichten, dem unterhaltsberechtigten Minderjährigen höhere, vom andern Elternteil zu leistende Beträge zuzusprechen (SZ 49/28), gilt nicht für den Fall, in dem der primär und der nur subsidiär Unterhaltspflichtige im Wissen der beiderseitigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse mit pflegschaftsbehördlicher Zustimmung eine Vereinbarung trafen, wie sie untereinander zu dem seiner Höhe nach nicht geschmälerten Gesamtunterhalt des Kindes beitragen wollen. Auch das Kind ist an diese Vereinbarung gebunden, solange sein Gesamtunterhalt nicht geschmälert wird (EFSlg. 40.107, 35.783). Der Vater hielt seine ursprüngliche Behauptung, über die Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Mutter nicht Bescheid gewußt zu haben, nicht aufrecht und räumte ein, es sei ihm bekannt gewesen, daß sie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung beziehe. Daß es dem Vater nicht möglich war, die Höhe der Einkünfte der Mutter, insbesondere auch aus ihrer angeblichen Unternehmensbeteiligung, in Erfahrung zu bringen, wurde nicht geltend gemacht; eine listige Irreführung durch die Mutter in dieser Richtung wurde, wie das Rekursgericht zutreffend hervorhob, nicht einmal behauptet. Der abgeschlossene Unterhaltsvergleich kann daher nur dahin verstanden werden, daß der Vater in Kenntnis der Tatsache, daß seine Einkommensverhältnisse ungleich besser sind als jene der Mutter, damit einverstanden war, daß die Mutter nur einen relativ geringen Beitrag zum Unterhalt der Kinder leistet. Eine Gefährdung des Unterhalts der Kinder durch die getroffene Regelung wird nicht geltend gemacht und ist offenbar auch nicht gegeben. Ob und in welchem Ausmaß nach Abschluß des Vergleiches eingetretene Änderungen in den Vermögens- und Einkommensverhältnissen der Mutter eine Änderung der vertraglich geregelten Unterhaltsverpflichtung rechtfertigen, ist Bemessungsfrage, die nicht der Beurteilung des Obersten Gerichtshofes unterliegt (vgl. EFSlg. 37.324, 34.464, 34.462). Demzufolge ist spruchgemäß zu entscheiden.

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