OGH 11Os96/89

OGH11Os96/895.9.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 5.September 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Maurer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Alexander K*** wegen des Vergehens der Sachbeschädigung nach dem § 125 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Strafverfügung des Bezirksgerichtes Salzburg vom 25.Jänner 1989, GZ 27 U 1.035/88-4, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Hauptmann, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Strafverfügung des Bezirksgerichtes Salzburg vom 25. Jänner 1989, GZ 27 U 1.035/88-4, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 32 Abs. 4 JGG 1988.

Gemäß den §§ 292, letzter Satz, 288 Abs. 2 StPO wird diese Strafverfügung aufgehoben und dem Bezirksgericht Salzburg die Durchführung der Strafsache unter Beachtung der Bestimmungen des Dritten Abschnitts des JGG 1988 aufgetragen.

Text

Gründe:

Mit Strafverfügung des Bezirksgerichtes Salzburg vom 25. Jänner 1989, GZ 27 U 1.035/88-4, wurde der am 5.August 1970 geborene, in Salzburg wohnhafte Alexander K*** schuldig erkannt, er habe am 11.Dezember 1988 in Salzburg durch Treten mit dem Fuß gegen die Beifahrertür des PKWs des Anton W*** eine fremde Sache beschädigt, wodurch ein Schaden in der Höhe von 3.660 S entstand, und hiedurch das Vergehen der Sachbeschädigung nach dem § 125 StGB begangen. Nach dieser Gesetzesstelle wurde über ihn eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen je 30 S (Ersatzfreiheitsstrafe 15 Tage) verhängt. Diese Strafverfügung erwuchs in Rechtskraft; über einen von Alexander K*** am 13.April 1989 gestellten Antrag auf ratenweise Bezahlung der Geldstrafe (ON 8) wurde noch nicht entschieden.

Rechtliche Beurteilung

Die Erlassung der Strafverfügung steht mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Nach dem § 32 Abs. 4 des am 1.Jänner 1989 in Kraft getretenen Jugendgerichtsgesetzes 1988 (kurz: JGG 1988) sind die Bestimmungen der §§ 460 bis 462 StPO über das Mandatsverfahren bei jugendlichen Beschuldigten nicht anzuwenden. Hiebei handelt es sich um verfahrensrechtliche Sondervorschriften, die auf das Alter des Beschuldigten zum Zeitpunkt der jeweiligen Verfahrenshandlung abstellen (Reissig, MTA, Anm. V zu § 32 JGG 1988; 738 der BlgNR,

17. GP, 12). Da Alexander K*** zur Zeit der Erlassung der Strafverfügung das 19.Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, war er jugendlich im Sinn des § 1 Z 2 JGG 1988; die Erlassung einer Strafverfügung gegen ihn war somit unzulässig.

In der Zwischenheit vollendete Alexander K*** allerdings das 19. Lebensjahr, sodaß in einem erneuerten Verfahren weder die Bestimmungen des § 32 Abs. 4 JGG 1988 noch jene über die Mitwirkung der gesetzlichen Vertreter (§ 38 JGG 1988) anzuwenden wären, und - insoweit entgegen der Ansicht der Generalprokuratur - ein derzeit noch bestehender Nachteil für den Angeklagten nicht zu sehen ist. Bei Prüfung der Frage, ob eine konkrete Maßnahme nach dem § 292, letzter Satz, StPO getroffen werden soll, ist aber vor allem zu beachten, daß das Bezirksgericht Salzburg offensichtlich auch die Übergangsbestimmung des Art. IX Abs. 1 JGG 1988 übersah, wonach ua die Bestimmungen des dritten Abschnittes (§§ 4 bis 18) nur auf solche beim Inkrafttreten des Gesetzes bereits anhängige Strafverfahren nicht anzuwenden sind, in denen bereits ein Urteil oder Erkenntnis erster Instanz vorliegt.

Dies trifft in der vorliegenden, am 1.Jänner 1989 schon gerichtsanhängigen Strafsache nicht zu, weil die Strafverfügung erst am 25.Jänner 1989, sohin nach Inkrafttreten des JGG 1988, erlassen wurde. Die daher zwingend zu beachtenden Vorschriften der §§ 4, 5, 6, 9, 12 und 13 JGG 1988 stellen allein auf eine Jugendstraftat ab, also auf eine mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung, die von einem Jugendlichen begangen wurde (§ 1 Z 2 und 3 JGG 1988); sie sind daher in der jeweiligen Jugendstrafsache (§ 1 Z 4 JGG 1988) auch dann anzuwenden, wenn der Täter in der Zwischenzeit das 19. Lebensjahr vollendet hat.

Da aber schon durch die Nichtanwendung der Bestimmungen des § 5 Z 4 und 5 JGG 1988 unabhängig davon, ob die verhängte Strafe die Grenzen der gesetzlichen Strafbefugnis tangiert, der Strafausspruch mit Nichtigkeit nach den §§ 468 Abs. 1 Z 4, 281 Abs. 1 Z 11 StPO behaftet ist (EvBl. 1976/189, 1977/63, zuletzt 13 Os 35/89), war in Stattgebung der von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nicht nur die unterlaufene Gesetzesverletzung festzustellen, sondern darüber hinaus nach dem § 292, letzter Satz, StPO die Verfahrenserneuerung in erster Instanz anzuordnen.

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