OGH 2Ob92/89

OGH2Ob92/8930.8.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel, Dr.Melber, Dr.Kropfitsch und Dr.Warta als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hildegard R***, Pensionistin, Fischbachgasse 16, 6850 Dornbirn, vertreten durch Dr.Manfred De Meijer, Rechtsanwalt in Dornbirn, wider die beklagten Parteien 1.) Michael L***, Arbeiter, Weidenweg 11, 6911 Lochau, 2.) Firma Erich S***, Rheinstraße 76, 6900 Bregenz, 3.) VVD Volkswagenversicherungsdienst Gesellschaft mbH, Trattnerhof 1, 1100 Wien, alle vertreten durch Dr.Norbert Kohler, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen S 201.359 sA infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 15.März 1989, GZ 3 R 56/89-11, womit der Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch vom 28.November 1988, GZ 8 Cg 248/88-6, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind gleich weiteren Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung

Am 16.10.1987 ereignete sich in Dornbirn auf der Kreuzung der Bundesstraße 190 mit der Gemeindestraße Kastenlangen ein Verkehrsunfall, an dem die Klägerin als Radfahrerin und der Erstbeklagte mit dem von der Zweitbeklagten gehaltenen, bei der Drittbeklagten haftpflichtversicherten LKW (VW-Bus) beteiligt waren. Der Erstbeklagte wurde wegen dieses Unfalles mit rechtskräftiger Strafverfügung wegen des Vergehens der fahrlässigen schweren Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 4 StGB schuldig erkannt. Es wurde ihm zur Last gelegt, von der B 190 kommend nach links in die Straße "Kastenlangen" abgebogen zu sein, wodurch es zur Kollision mit der auf dem kombinierten Fußgänger-Radfahrerübergang bei Grünlicht die Straße "Kastenlangen" überquerenden Radfahrerin gekommen sei.

Die Klägerin begehrte Schadenersatz in der Höhe von insgesamt S 201.359 samt Zinsen. Sie vertritt den Standpunkt, sie habe den Vorrang gehabt, weil sie geradeaus über die Kreuzung gefahren sei. Die Beklagten begründeten ihren Antrag, das Klagebegehren abzuweisen, damit, der nach links einbiegende Erstbeklagte habe sich im Vorrang befunden, weil die Klägerin aus einer Nebenfahrbahn gekommen sei.

Das Erstgericht gab der Klage mit einem Betrag von S 185.359 samt Zinsen statt und wies ein Mehrbegehren von S 16.000 sA ab. Es stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:

Vor der Kreuzung, die ampelgeregelt ist, befindet sich - in Fahrtrichtung von Dornbirn nach Bregenz gesehen - rechts der Fahrbahn der B 190 ein 1,5 m breiter Grünstreifen und anschließend eine 2 m breite Nebenfahrbahn, die unter anderem auch für die Benützung durch Radfahrer vorgesehen ist. Diese Nebenfahrbahn setzt sich über die Kreuzung in der Weise fort, daß sie in einer Breite von 2 m zwischen der Ordnungslinie der Gemeindestraße Kastenlangen (vor der Einmündung in die B 190) und dem eingezeichneten Schutzweg in Verlängerung der Fahrbahn über die genannte Kreuzung führt. Nach der Kreuzung führt die Nebenfahrbahn entlang der B 190 weiter. Die Nebenfahrbahn ist sohin für sämtliche Beteiligte einwandfrei als ununterbrochen über die genannte Kreuzung weiterführend zu erkennen. Aus Richtung Dorbirn besteht für Benützer der Nebenfahrbahn bzw für Fußgänger, welche die Gemeindestraße Kastenlangen entlang der B 190 überqueren wollen, eine Ampel, die ausdrücklich für Fußgänger und Radfahrer gekennzeichnet ist (kombinierte Fußgänger- und Radfahrerampel). Der Erstbeklagte beabsichtigte, mit dem PKW aus Richtung Bregenz kommend nach links in die Gemeindestraße Kastenlangen abzubiegen. Er ordnete sich deshalb auf dem Linksabbiegern vorbehaltenen Fahrstreifen ein und hielt das Fahrzeug aufgrund des Rotlichtes der Ampel an. Nach Umschalten auf Grünlicht fuhr er langsam einige Meter weiter, mußte jedoch neuerlich - um den Gegenverkehr passieren zu lassen - kurzfristig stehenbleiben. Zur gleichen Zeit war die Klägerin mit ihrem Fahrrad aus Richtung Dornbirn auf der Nebenfahrbahn kommend in Richtung Bregenz unterwegs und wollte die Kreuzung Kastenlangen überqueren. Sie hielt deshalb an dem rechtsseitig an der Nebenfahrbahn anschließenden Schutzweg an und stieg ab. Nachdem die kombinierte Fußgänger- und Radfahrerampel auf Grün schaltete, stieg die Klägerin auf ihr Fahrrad auf und beabsichtigte, die Kreuzung auf dem Schutzweg fahrend zu überqueren. Vom Anfahren bis zur späteren Kollision legte sie 6 bis 7 m zurück, wofür sie 3 Sekunden benötigte. Zum selben Zeitpunkt, als die Klägerin ihren Standplatz verließ, hat auch der Erstbeklagte, nachdem ihn der Gegenverkehr passiert hatte, sein Fahrzeug zügig beschleunigt, wobei er bis zur Kollision nach etwa 16 m eine Geschwindigkeit von ca 30 km/h erreichte. Ca.2 Sekunden vor der Kollision hätte der Erstbeklagte erkennen können, daß die Klägerin mit ihrem Fahrrad angefahren ist. Wenn er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr beschleunigt hätte, wäre es nicht zur Kollision gekommen. Den Erstbeklagten blendete kurz nach dem Einbiegen nach links die Sonne, weshalb er die Sonnenblende herabklappte. Er nahm die Klägerin erst unmittelbar vor der Kollision wahr. Für die Klägerin wäre bereits vor dem Anfahren erkennbar gewesen, daß sich das Fahrzeug des Erstbeklagten auf der Linksabbiegespur befindet. Etwa 2 Sekunden vor der späteren Kollision war für sie erkennbar, daß das Beklagtenfahrzeug angefahren ist und nach links abbiegen wird. Wenn die Klägerin zu diesem Zeitpunkt gebremst hätte, wäre es nicht zur Kollision gekommen. Erst ca. 0,5 Sekunden vor dem Unfall mußte die Klägerin erkennen, daß der Erstbeklagte sein Fahrzeug vor ihrer Fahrlinie nicht mehr anhalten kann. Zu diesem Zeitpunkt war für die Klägerin die Kollision nicht mehr vermeidbar.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, gemäß § 19 Abs 6 StVO hätten Fahrzeuge im fließenden Verkehr den Vorrang gegenüber Fahrzeugen, die von Nebenfahrbahnen, von Radwegen, von Geh- und Radwegen, oder dgl. kämen. Bei dem von der Klägerin benutzten Teil der B 190 habe es sich um eine Nebenfahrbahn im Sinne des § 2 Abs 1 Z 4 StVO gehandelt. Da eine bestimmte Kennzeichnung dafür, daß dieser Teil der Fahrbahn für Fußgänger bzw für den Fahrradverkehr bestimmt wäre, fehle - mit Ausnahme der an der Kreuzung befindlichen kombinierten Fußgänger- und Radfahrerampel, was jedoch für die Begriffsbestimmung keine Bedeutung haben könne -, handle es sich um keinen Geh- und Radweg im Sinne des § 2 Abs 1 Z 11 a StVO, wobei dies für die rechtliche Beurteilung auch nicht von Bedeutung sei. Nach bisheriger Rechtsprechung befinde sich auch der aus der Hauptfahrbahn nach links Einbiegende noch im fließenden Verkehr und habe gegenüber dem Benützer der Nebenfahrbahn, auch wenn dieser seine Richtung beibehalte, den Vorrang. Nach neuerster Rechtsansicht (ZVR 1988/76) habe ein Radfahrer, der auf einem neben einer Fahrbahn verlaufenden, markierten Radweg richtungsbeibehaltend geradeaus fahre, Vorrang gegenüber einem PKW, der, unter Querung des Radweges, in eine Grundstückseinfahrt abbiege. Im vorliegenden Fall setze sich die von der Klägerin benützte Nebenfahrbahn auf der Kreuzung dergestalt fort, daß sie sich für sämtliche Beteiligte einwandfrei als ununterbrochene Nebenfahrbahn darstelle. Die Klägerin wäre nur dann wartepflichtig gewesen, wenn sie von der von ihr benützten Nebenfahrbahn, die einen Teil der B 190 darstelle, auf die Fahrbahn eingebogen wäre. Davon könne jedoch nicht die Rede sein, da sie sich bis zur Kollision ständig auf der Nebenfahrbahn befunden und diese nicht verlassen habe. Der Klägerin sei daher weder eine Vorrangverletzung noch ein anderes schuldhaftes Verhalten (Reaktionsverzögerung etc) nachzuweisen. Demgegenüber habe der Erstbeklagte gegen die Bestimmung des § 11 Abs 1 StVO verstoßen, wonach der Lenker eines Fahrzeuges die Fahrtrichtung nur ändern oder den Fahrstreifen wechseln dürfe, nachdem er sich davon überzeugt habe, daß dies ohne Gefährdung oder Behinderung anderer Straßenbenützer möglich wäre. Der Erstbeklagte habe die notwendige Aufmerksamkeit unterlassen und die die Nebenfahrbahn benützende Klägerin übersehen, so daß es zur Kollision mit ihr gekommen sei. Es sei ihm daher das Alleinverschulden anzulasten.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes in seinem klagsstattgebenden Teil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Sache an das Erstgericht zurück. Das Gericht zweiter Instanz übernahm die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen und führte in rechtlicher Hinsicht zur Verschuldensfrage aus, die in der Entscheidung ZVR 1988/76 wiedergegebenen rechtlichen Erwägungen seien auf den vorliegenden Fall schon deshalb nicht anwendbar, weil es sich hier um einen Unfall im Bereich einer ampelgeregelten Kreuzung handle, bei dem die Rechtslage und insbesondere die Vorrangfrage nach den Bestimmungen der §§ 37 Abs 5 und 38 Abs 4 StVO zu beurteilen seien. Die Vorrangregeln des § 19 StVO kämen demnach nicht zur Anwendung. Dem entsprechend könne die Fahrweise der Klägerin auch nicht dem durch § 68 Abs 2 StVO geregelten Einbiegen bzw Einfahren von einem Radweg in die Fahrbahn bzw der in § 19 Abs 6 StVO normierten Vorrangsituation unterstellt werden. Einem Radfahrer, der einen Schutzweg befahre, komme auch die Schutzbestimmung des § 9 Abs 2 StVO nicht zugute. Damit sei freilich vorerst für den Standpunkt der Beklagten noch nichts gewonnen. Die Beantwortung der Frage, welcher der unfallsbeteiligten Personen der Vorrang zustatten gekommen sei, bedürfe der Klärung, wie jene Verkehrsfläche zu qualifizieren sei, die an den Grünstreifen angrenzend neben der B 190 verläuft und nach der Kreuzung mit der Gemeindestraße Kastenlangen entlang der B 190 weiterführt. Wenn es sich dabei um eine - wie das Erstgericht ohne Tatsachensubstrat unterstellt habe - Nebenfahrbahn im Sinne des § 2 Abs 1 Z 4 StVO gehandelt habe, so wäre gemäß § 38 Abs 4 letzter Satz StVO dem Erstbeklagten der Vorrang zugekommen. Nach dieser Gesetzesstelle hätten Fahrzeuge, die von Hauptfahrbahnen kommen, gegenüber Fahrzeugen, die aus Nebenfahrbahnen kommen, auch dann den Vorrang, wenn über den Nebenfahrbahnen oder an deren rechten Fahrbahnrand zusätzlich mit den Lichtsignalen der Hauptfahrbahn gleichgeschaltete Verkehrsampeln angebracht seien. Der aus einer Nebenfahrbahn Kommende könne auch dann wartepflichtig sein, wenn für die Benützer dieser Nebenfahrbahn durch eine zusätzliche Verkehrsampel grünes Licht leuchte. Von einer Nebenfahrbahn im Sinne des § 2 Abs 1 Z 4 StVO seien allerdings Radwege bzw Geh- und Radwege im Sinne des § 2 Abs 1 Z 8 und 11 a StVO zu unterscheiden. Es handle sich dabei um für den Rad- bzw den Fußgänger- und Fahrradverkehr bestimmte und als solche gekennzeichnete Wege, die ebenfalls von der Fahrbahn räumlich getrennt seien. Ein solcher Rad- bzw. Geh- und Radweg unterscheide sich, abgesehen von der unterschiedlichen Legaldefinition - schon durch die verschiedene Zweckbestimmung von einer Nebenfahrbahn (vgl § 8 Abs 1 StVO gegenüber § 2 Abs 1 Z 7, 8, 11 a). Nach ständiger Rechtsprechung sei ein Radweg nicht als Nebenfahrbahn im Sinne des § 2 Abs 1 Z 4 StVO anzusehen. Das gleiche müsse auch für einen Geh- und Radweg im Sinne des § 2 Abs 1 Z 11 a StVO gelten. Wenn also die Klägerin vor dem Überqueren der Gemeindestraße Kastenlangen einen Geh- und Radweg benützt hätte, so wäre nicht dem Erstbeklagten der Vorrang nach § 38 Abs 4 letzter Satz StVO zugekommen. In diesem Fall wäre es dem Erstbeklagten im Sinne der Sätze 3 und 4 des § 38 Abs 4 StVO verboten gewesen, Fußgänger, welche die Fahrbahn im Sinne der für sie geltenden Regelung überqueren, und die Benützer der freigegebenen Fahrstreifen, denen auch die bei Grünlicht die Gemeindestraße Kastenlangen überquerende Klägerin zuzuordnen sei, zu behindern oder zu gefährden. Als Linksabbieger wäre der Erstbeklagte nach Satz 4 der zitierten Gesetzesstelle verpflichtet gewesen, der entgegenkommenden und geradeaus fahrenden Klägerin den Vorrang zu geben. Wohl aus dieser Erwägung sei in der Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht worden, daß ein durch Bodenmarkierung gekennzeichneter Radweg über eine Fahrbahn einem gekennzeichneten Fußgängerübergang gleichzuhalten und § 9 Abs 2 StVO entsprechend anzuwenden sei. Diese Rechtslage sei durch die Neufassung der Bestimmungen der §§ 12 a und 38 Abs 4 dritter Satz mit der am 1.3.1989 in Kraft getretenen 15.StVO-Novelle verdeutlicht worden. Der Vorrang der Klägerin sei auch nicht dadurch verlorengegangen, daß diese entgegen der Bestimmung des § 2 Abs 1 Z 12 StVO den an Radfahrstreifen angrenzenden Schutzweg befahren habe. Dieser Umstand vermöge im vorliegenden Fall auch kein Mitverschulden der Klägerin zu begründen. Die Prüfung eines Mitverschuldens habe sich nämlich auf jene tatsächlichen Umstände zu beschränken, die von der hiefür die Behauptungs- und Beweislast tragenden Prozeßpartei eingewendet worden seien. In dieser Richtung hätten die beklagten Parteien in erster Instanz keine Behauptung aufgestellt. Dazu komme, daß es insoweit auch am Rechtswidrigkeitszusammenhang fehlen würde, da die Bestimmungen der §§ 2 Abs 1 Z 12, 68 Abs 1 und 76 Abs 1 StVO nicht dem Schutz eines verkehrswidrigen im Sinne des § 38 Abs 4 StVO in die Kreuzung einbiegenden Verkehrsteilnehmers dienten. Wenn also die Klägerin vor dem Einfahren in die Kreuzung einen Geh- und Radweg befahren hätte, hätte ausgehend von den erstinstanzlichen Feststellungen der Erstbeklagte, dessen grundsätzliche Haftung für die Unfallsfolgen aufgrund seiner strafgerichtlichen, freilich keinen konkreten Schuldvorwurf bzw Verkehrsverstoß beinhaltenden Verurteilung feststehe, für den Schaden der Klägerin im vollen Umfang zu haften. Die erstinstanzlichen Verfahrensergebnisse reichten nicht aus, um die hier relevante Frage zu beantworten, ob die Klägerin vor dem Unfall eine Nebenfahrbahn oder aber einen Radweg bzw einen Geh- und Radweg benützt habe. In der Gendarmerieanzeige sei in diesem Zusammenhang ohne rechtliche Differenzierung von einer "Nebenfahrbahn gekennzeichnet als Geh- und Radweg" die Rede, auch das Erstgericht habe, wie sich aus seinen Feststellungen beim Augenschein ergebe, die genannten Begriffe gleichgesetzt. Das Erstgericht werde im zweiten Rechtsgang präzise Feststellungen vor allem darüber zu treffen haben, wie sich die von der Klägerin benützte Verkehrsfläche nach außen dargestellt habe und insbesondere, ob diese als Geh- und Radweg bzw als Radweg beschildert gewesen sei, bzw ob es sich dabei schon nach ihrer Zweckbestimmung (§ 8 Abs 1 StVO) um eine Nebenfahrbahn gehandelt habe.

Die Klägerin bekämpft den Beschluß des Berufungsgerichtes mit Rekurs und beantragt die Wiederherstellung des Ersturteiles. Die Beklagten beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Die Ansicht des Berufungsgerichtes, entscheidend sei, ob die von der Klägerin benützte Verkehrsfläche ein Radweg oder eine Nebenfahrbahn sei, ist zutreffend. Handelte es sich um eine Nebenfahrbahn, dann hatte der Erstbeklagte nach § 38 Abs 4 letzter Satz StVO Vorrang (ZVR 1988/26 ua). Ob durch die 15.StVO-Novelle diesbezüglich eine Änderung eingetreten ist, braucht hier nicht erörtert zu werden, weil sich der Unfall vor Inkrafttreten dieses Gesetzes ereignete. Benützte die Klägerin hingegen einen Radweg bzw einen Geh- und Radweg, dann ist § 38 Abs 4 letzter Satz StVO nicht anwendbar, die Klägerin durfte bei Aufleuchten des Grünlichtes auf der kombinierten Fußgänger- und Radfahrerampel ihre Fahrt fortsetzen, der Erstbeklagte hatte ihr gemäß § 38 Abs 4 vorletzter Satz StVO den Vorrang zu geben.

Die Ansicht der Rekurswerberin, es könne schon jetzt davon ausgegangen werden, daß die Klägerin einen Radweg benützt habe, es handle sich bloß um einen "Ausdrucksfehler" des Erstgerichtes, kann nicht geteilt werden. Entscheidend dafür, ob es sich um eine Nebenfahrbahn oder um einen Rad- bzw.Geh- und Radweg handelt, ist, ob und welche Kennzeichnung vorhanden ist sowie, wie sich die von der Klägerin benützte Verkehrsfläche darstellte bzw ob es sich dabei schon nach ihrer Zweckbestimmung um eine Nebenfahrbahn handelte. Darüber fehlen aber Feststellungen. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht davon aus, es sei keine Kennzeichnung vorhanden - was für einen Vorrang des Erstbeklagten sprechen würde - doch sind diese Rechtsausführungen durch die Tatsachenfeststellungen nicht gedeckt. Der Rekurswerberin ist überdies entgegenzuhalten, daß sie selbst in ihrer Klage vorgebracht hatte, sie habe mit ihrem Fahrrad die Nebenfahrbahn der B 190 benützt. Die vom Berufungsgericht aufgetragenen präzisen ergänzenden Feststellungen sind daher für die rechtliche Beurteilung erforderlich. Auch die Feststellungen über die Bodenmarkierungen sind ergänzungsbedürftig. Das Erstgericht ging von einer Ordnungslinie aus, doch kann den Feststellungen nicht entnommen werden, ob es sich tatsächlich um eine solche (§ 16 Bodenmarkierungsverordnung) oder um die Begrenzung eines Radweges (§ 20 Bodenmarkierungsverordnung) handelte. Der Umstand, daß eine kombinierte Fußgänger- und Radfahrerampel vorhanden war, reicht für sich allein zur Beurteilung dafür, daß es sich um einen Geh- und Radweg handelte, nicht aus, zumal sich aus § 38 Abs 8 StVO nicht ergibt, daß für Radfahrer bestimmte Ampeln nur auf Radwegen bzw Geh- und Radwegen angebracht werden dürfen.

Bemerkt sei, daß die Bindung an die strafgerichtliche Verurteilung gemäß § 268 ZPO nicht ausreicht, um annehmen zu können, die Klägerin habe einen Geh- und Radweg benützt. Das Strafgericht ging zwar davon aus, die Klägerin habe einen Fußgänger-Radfahrübergang benützt, doch ergibt sich daraus nicht, daß hiebei von der Tatsache eines bezeichneten Geh- und Radweges ausgegangen wurde, es kann sich auch um eine rechtliche Beurteilung handeln, an die keine Bindungswirkung besteht (vgl SZ 55/154). Entgegen den Ausführungen in der Revisionsbeantwortung ist dem Rekursgericht auch dahin zu folgen, daß die Klägerin einen ihr zustehenden Vorrang durch das Befahren des Schutzweges nicht verlor. Wohl hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, einem Radfahrer komme die Schutzbestimmung des § 9 Abs 2 StVO nicht zugutet (2 Ob 160/81). Kommt einem Radfahrer aber Vorrang zu, weil er bei Grünlicht einen Radweg benützt, geht der Vorrang nicht dadurch verloren, daß der Radfahrer über die Begrenzung der Bodenmarkierung hinaus den daneben befindlichen Schutzweg benützt. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte, kann daraus auch kein Mitverschulden der Klägerin abgeleitet werden. Abgesehen davon, daß die Beklagten einen darauf gestützten Mitverschuldenseinwand nicht erhoben, hat das Verfahren keinerlei Anhaltspunkt dafür ergeben, daß der Umstand, daß die Klägerin nicht innerhalb der Begrenzung eines Radweges, sondern daneben auf dem Schutzweg fuhr, auf das Unfallsgeschehen irgendeinen Einfluß gehabt hätte.

Der Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes erweist sich somit als berechtigt, weshalb dem Rekurs ein Erfolg zu versagen war. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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