OGH 2Ob568/89

OGH2Ob568/8930.8.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel, Dr.Melber, Dr.Kropfitsch und Dr.Warta als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Isolde K***, geboren am 10.März 1948 in Hohenems, Angestellte, Marktstraße 24, 6845 Hohenems, vertreten durch Dr.Martin Spiegel, Rechtsanwalt in Dornbirn, wider die beklagte Partei Norbert K***, geboren am 21.Jänner 1944 in Dornbirn, Volksschullehrer, Beckenhag 20 a, 6850 Dornbirn, vertreten durch Dr.Edelbert Giesinger, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen Ehescheidung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgerichtes vom 9.Mai 1989, GZ 1 a R 111/89-19, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Dornbirn vom 23.Dezember 1988, GZ 1 C 7/88-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.706,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Umsatzsteuer von S 617,70, keine Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 10.März 1948 geborene Klägerin und der am 21.Jänner 1944 geborene Beklagte haben am 28.November 1968 vor dem Standesamt Hohenems die Ehe geschlossen. Es handelte sich beiderseits um die erste Ehe. Ihr entstammen zwei Kinder, nämlich die am 9.März 1970 geborene Tochter Birgit und die am 13.September 1973 geborene Tochter Michaela. Beide Streitteile sind österreichische Staatsangehörige; sie hatten ihren letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in Dornbirn.

Die Klägerin begehrte die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten im wesentlichen mit der Begründung, er sei rechthaberisch und dulde keine andere Meinung. Er habe die Klägerin häufig kritisiert und herabgesetzt und habe in den vergangenen Jahren geradezu despotische Züge angenommen. Er habe die Klägerin und die Kinder beschimpft, verspottet, gedemütigt und mit Mißhandlungen bedroht. Vor ihrem Auszug aus der Ehewohnung im März 1986 habe er die Klägerin an den Haaren gerissen. Das Familienleben sei von einem ausgeprägten Über- und Unterordnungsverhältnis sowie der daraus resultierenden Angst und Verschüchterung geprägt gewesen. Der Beklagte habe auch ehewidrige Beziehungen unterhalten. Er habe durch sein ehewidriges Verhalten die Ehe der Streitteile derart zerrüttet, daß die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht mehr zu erwarten sei.

Der Beklagte stellte sich der Scheidung der Ehe nicht entgegen, bestritt aber das Vorliegen der von der Klägerin behaupteten Eheverfehlungen und beantragte den Ausspruch des überwiegenden Verschuldens der Klägerin. Sie sei ihm gegenüber lieblos und unzufrieden gewesen, habe ihm nicht den erforderlichen Beistand geleistet, sich gegen eine umsichtige Kindererziehung gestellt und schließlich grundlos die eheliche Gemeinschaft aufgehoben. Das Erstgericht schied die Ehe der Streitteile aus dem alleinigen Verschulden des Beklagten.

Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Die ehelichen Beziehungen der Streitteile und damit verbunden das gesamte Familienleben der vergangenen Jahre wurde in zunehmendem Maße von der dominanten, geradezu beherrschenden Stellung, die der Beklagte als Familienvater für sich beanspruchte, geprägt. Um die Ordnung und ein harmonisches Zusammenleben innerhalb des Familienverbandes zu sichern, sah es der Beklagte als seine Aufgabe an, in nahezu allen Fragen des täglichen Lebens auf die familieninternen Entscheidungen - bis hin zu den belanglosesten Fragen - wesentlichen Einfluß auszuüben. Das Mitspracherecht, das der Beklagte seiner Familie - scheinbar - einräumte, reduzierte sich im Lauf der Jahre auf ein Maß, daß die Entscheidungen letztlich als vom Beklagten - über die Köpfe der anderen hinweg - allein getroffen angesehen werden müssen. Allfällige Diskussionen, die einer Entscheidung vorangingen, stellten sich alsbald als Farce heraus. Zwar bemühte sich der Beklagte, die von ihm vertretenen Standpunkte mit Argumenten zu belegen; er zeigte jedoch keine Offenheit für die Ansichten seiner Gattin oder die Meinung seiner Kinder. Auf Widerspruch reagierte der Beklagte mit Äußerungen wie "mitreden, wenn ihr so viel gelernt habt und so gescheit seid wie ich" oder "es gilt, solange ihr in meinem Haus seid, meine Meinung und keine andere". Zu einem Überdenken seiner Standpunkte war der Beklagte kaum zu bewegen. In der Überzeugung, seiner Familie geistig und an Erfahrung weit überlegen zu sein, forderte der Beklagte Gehorsam und die nahezu bedingungslose Anerkennung seiner Vorstellungen. Die Art und Weise, wie Diskussionen mit dem Beklagten abzulaufen pflegten, hatte zur Folge, daß die Klägerin und die Kinder immer weniger Bereitschaft zeigten, in Gesprächen mit dem Beklagten ihre Wünsche und Vorstellungen durchzusetzen zu versuchen. Die Bereiche, in denen der Beklagte der Klägerin und den Kindern autonome Entscheidungen zugestand, waren äußerst eingeschränkt.

Ansatzpunkt ständiger Kritik und Nörgeleien des Beklagten waren die Kochgewohnheiten der Klägerin. Obwohl die Klägerin in der Regel zur Zufriedenheit der Familie und allfälliger Gäste kochte, beanstandete der Beklagte häufig und regelmäßig, die Mahlzeiten seien nicht fachgerecht zubereitet worden. Selbst in Anwesenheit von Gästen bezeichnete er die Mahlzeiten oftmals als "Fraß" oder stellte die Klägerin auf ähnliche Weise bloß. Auch in Bekleidungsfragen hatte sich die Familie den Vorstellungen des Beklagten unterzuordnen und seinem Empfinden von Ästhetik zu unterwerfen. Aus finanziellen Notwendigkeiten heraus - ihr Haushaltsgeld war eher knapp gehalten fertigte die Klägerin vielfach die von ihr und den Kindern getragenen Kleidungsstücke selbst an. Empfand der Beklagte die selbstgenähten Sachen als zu modern, dann bezeichnete er sie unter anderem als "Fetzen" und machte vor hausfremden Personen erniedrigende Äußerungen in der Richtung, daß es bei der Figur der Klägerin ohnehin belanglos sei, was sie trage. Zu Weihnachten 1985 erhielt die Klägerin einen Einkaufsgutschein mit der Aufschrift "Gutschein S 1.000,-- für Kleidung auf gemeinsames Auswählen". Neben anderen Kränkungen und Demütigungen verließ der Beklagte die Ehewohnung oft mit der Bemerkung, er gehe zu seiner Freundin. Äußerungen dieser Art machte der Beklagte im Kreis der Familie ebenso wie vor hausfremden Personen. Er ließ dabei offen die Absicht erkennen, die Klägerin kränken und ärgern zu wollen und ihr seine Geringschätzung zum Ausdruck zu bringen. Die Klägerin steckte solche Demütigungen ein und schwieg dazu. Bei Gesprächen und Diskussionen anläßlich von Besuchen bei Verwandten mußten die Klägerin und die Kinder damit rechnen, daß sie vom Beklagten barsch zurechtgewiesen wurden, wenn sie eine Meinung vertraten, die nicht mit dem des Beklagten korrespondierte. Widerspruch wurde oftmals als unqualifiziert abgetan. Dieses Verhalten des Beklagten bewirkte, daß sich die Klägerin und die Kinder zunehmend zurückzogen. Zu ständigen Auseinandersetzungen kam es in Fragen der Kindererziehung. Der Beklagte - von Beruf

Volksschullehrer - verfolgte diesbezüglich eine ausgesprochen strenge Linie. Er legte beispielsweise Wert darauf, daß sowohl mittags als auch abends gemeinsam gegessen wurde und sah es als kurzsichtige Nachgiebigkeit an, wenn die Kinder - ohne das Abendmahl gegen 18.00 Uhr abwarten zu müssen - bereits nach ihrer Heimkehr von der Schule am späten Nachmittag essen durften. Die Kinder mußten - auch gegen ihren Willen und teils unter Androhung von Ohrfeigen - essen, was der Beklagte ihnen geschöpft hatte. Dem Beklagten war ein Dorn im Auge, wenn die Kinder lieber moderne als klassische Musik hörten. Entscheidungsgewalt darüber, was die Kinder tun und lassen durften, beanspruchte er im wesentlichen für sich allein. Als Berufspädagoge und -erzieher sah er sich in Erziehungsfragen für wesentlich kometenter und berufener an als die Klägerin. Von seinen "pädagogischen Grundsätzen" abweichende Methoden tat er als Meinung von "Pseudopsychologen" ab. Während der Beklagte glaubte, nur mit strenger Hand rechtschaffene junge Menschen erziehen zu können, versuchte die Klägerin, mit Herzlichkeit und Einfühlungsvermögen ihrer Aufgabe gerecht zu werden. Auf ihre Weise gelang es der Klägerin, Zugang zu den Kindern zu finden und ein Vertrauensverhältnis zu schaffen. Die Kinder wandten sich in der Folge mit ihren Wünschen mehr an die Klägerin, die den Kindern weiter entgegenkam als der Beklagte. Den Kindern nachzugeben hielt der Beklagte für erzieherisch verfehlt. Mit Argwohn nahm er zur Kenntnis, daß sich die Klägerin und die Kinder zunehmend solidarisierten. Die Unstimmigkeiten und Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Kindererziehung ließen das familiäre Klima zunehmend schlechter werden. Der Beklagte beharrte auf seinen Erziehungsmethoden und verlangte, daß sich seine Familie unterzuordnen hatte. In Abwesenheit des Beklagten herrschte eine herzliche und familiäre Atmosphäre zwischen der Klägerin und den Kindern. Kam der Beklagte nach Hause, zogen sich die Kinder auf ihre Zimmer zurück, um Konfrontationen nach Möglichkeit aus dem Weg zu gehen. Demütigendes Verhalten und kränkende Äußerungen des Beklagten gegenüber der Klägerin prägten zunehmend das Zusammenleben. Spannungen und psychischer Druck innerhalb der Familie wuchsen. Daß der Beklagte der Klägerin durch liebe Gesten, Lob oder Anerkennung seine Zuneigung zum Ausdruck gebracht hätte, kam durch Jahre hindurch nicht mehr vor. Entsprechend kühl und reserviert verhielt sich auch die Klägerin. Dadurch, daß die Klägerin mit Herrn S***, der das Nachbargrundstück bestellte, gutnachbarschaftliche Beziehungen pflegte und ihm Freundlichkeiten - wie etwa Einladungen zum Kaffee - zukommen ließ, fühlte sich der Beklagte verletzt und reagierte mit Eifersucht.

Am Mittag des Ostermontag 1986 gab es eine heftige Auseinandersetzung zwischen den Parteien. Einerseits mutmaßte der Beklagte, sein Schwiegervater verbreite in Gasthäusern Unwahrheiten über ihn, andererseits ereiferte er sich darüber, daß die Tochter Birgit am Vorabend mit Zustimmung der Klägerin bis gegen 24.00 Uhr eine Party besucht hatte, ohne zuvor seine Erlaubnis eingeholt zu haben. Der Beklagte beschimpfte im Zuge dieser Streitigkeit - wobei er leicht alkoholisiert war - die Klägerin als "Hure" und "Sau". Er beabsichtigte, gemeinsam mit der Klägerin zu seiner Schwiegermutter nach Hohenems zu fahren, um diese darüber in Kenntnis zu setzen, "was die Klägerin für eine sei". Die Klägerin erklärte sich damit nicht einverstanden. In der Folge wurde sie vom Beklagten über die Treppe hinuntergezerrt und an den Haaren gerissen. Als sich die Klägerin dennoch losreißen konnte, begab sich der Beklagte zurück ins Haus und drohte den Kindern, er werde sich durch einen Sprung von der Rappenlochschluchtbrücke das Leben nehmen, wofür die Tochter Birgit die Verantwortung zu tragen habe. Tags darauf zogen die Klägerin und die Kinder, die schon früher auf diesen Schritt gedrängt hatten, aus der Ehewohnung aus. Die Tochter Birgit hatte ab diesem Zeitpunkt praktisch keinen Kontakt mehr mit dem Beklagten. Die Tochter Michaela nahm noch bis zum Ende des Schuljahres 1986/87 zweimal wöchentlich gemeinsam mit dem Beklagten das Mittagessen ein. Danach hatte auch sie im wesentlichen keinen Kontakt mehr mit dem Beklagten. Die Klägerin hat keinen gezielten Einfluß darauf ausgeübt, daß die Kinder den Kontakt mit dem Beklagten meiden. Zu einer Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft kam es in der Folge nicht mehr.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß dem Beklagten insoweit schwere Eheverfehlungen im Sinne des § 49 EheG anzulasten seien, als er ein die ganze Familie beherrschendes tonangebendes Verhalten an den Tag gelegt habe, ohne weder der Klägerin noch den Kindern Entscheidungsfreiräume in einem vernünftigen Maß zuzugestehen. Auch sei ihm die oftmalige Verletzung der Pflicht zur anständigen Begegnung im Sinne des § 90 ABGB als schwere Eheverfehlung vorzuwerfen. Im Verlassen der Ehewohnung durch die Klägerin sei unter den festgestellten Umständen keine schwere Eheverfehlung zu erblicken. Sonstige schwere Eheverfehlungen der Klägerin ergäben sich aus dem festgestellten Sachverhalt nicht. Im Hinblick auf die bestehende unheilbare Zerrüttung der Ehe der Streitteile sei sie aus dem alleinigen Verschulden des Beklagten zu scheiden. Der gegen diese Entscheidung des Erstgerichts gerichteten Berufung des Beklagten, mit der dieser nur mehr den Ausspruch eines gleichteiligen Verschuldens der Klägerin anstrebte, gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil keine Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichts als unbedenklich und führte rechtlich im wesentlichen aus, die zunehmende Distanz, die im Verhalten der Klägerin gegenüber dem Beklagten sichtbar geworden sei, sei als eine Reaktion auf die Eheverfehlungen des Beklagten anzusehen und könne ihr nicht als Mitverschulden angelastet werden.

Die Ereignisse vom Ostermontag 1986 hätten in die negative Entwicklung der Ehe der Streitteile insofern eine neue Dimension eingebracht, als sich der Beklagte hier erstmals zu Tätlichkeiten hinreißen habe lassen und durch Selbstmorddrohungen, verbunden mit Schuldzuweisungen an die Kinder, ein psychisches Klima geschaffen habe, dessen negative Qualität jedenfalls die der vorangegangenen Stadien dieser Ehe übertroffen habe. Berücksichtige man, daß die damals 16 und 13 Jahre alten Kinder auf einen Auszug aus der Ehewohnung gedrängt hätten und eine zumindest kurzfristige Trennung der Ehegatten auch von ihrem Schwager Dr.S***, bei dem beide Teile bei Eheproblemen immer wieder Rat gesucht hätten, befürwortet worden sei, so scheine es nicht gerechtfertigt, der Klägerin diesen Schritt als Eheverfehlung anzulasten. Daß die Ehe der Streitteile durch diesen Schritt über das ohnedies schon bestandene Maß hinaus zusätzlich zerrüttet worden wäre, könne bei Berücksichtigung der Gesamtumstände nicht angenommen werden, sodaß insgesamt kein Mitverschulden der Klägerin an der Zerrüttung der Ehe gegeben sei. Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Beklagten. Er bekämpft sie insoweit, als nicht ein gleichteiliges Verschulden der Klägerin ausgesprochen wurde, aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen dahin abzuändern, "daß die Klägerin am Scheitern der Ehe ein gleichteiliges Mitverschulden trifft".

Die Klägerin hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision des Beklagten keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sachlich aber nicht berechtigt. Der Beklagte versucht in seinem Rechtsmittel darzutun, daß die festgestellte einseitige Aufgabe der Ehegemeinschaft durch die Klägerin eine schwere Eheverfehlung begründe, die den Ausspruch ihres gleichteiligen Verschuldens an der Scheidung der Ehe rechtfertige.

Dem ist nicht zu folgen.

§ 92 Abs 2 ABGB gestattet einem (grundsätzlich zum Zusammenwohnen verpflichteten) Ehegatten, vorübergehend gesondert Wohnung zu nehmen, solange ihm ein Zusammenleben mit dem anderen Ehegatten, besonders wegen körperlicher Bedrohung, unzumutbar ist. Der Gesetzestext stellt durch den Gebrauch des Wortes "besonders" klar, daß nicht nur körperliche Bedrohung, sondern auch anderes Verhalten des anderen Ehegatten das Zusammenleben unzumutbar machen kann; er hebt nur den Fall der körperlichen Bedrohung hervor. Das Gesetz weist nur durch das gewählte Beispiel und den Gebrauch des Wortes "unzumutbar" darauf hin, daß nicht jede schwere Eheverfehlung des anderen Ehegatten schon eine gesonderte Wohnungsnahme rechtfertigen kann; es muß sich um ein Verhalten des anderen Ehegatten handeln, das das weitere Zusammenleben unzumutbar macht (EFSlg 28.539 ua). Dem entspricht die ständige Rechtsprechung, daß in der Regel nur besonders schwere Eheverfehlungen die eigenmächtige Aufgabe der ehelichen Gemeinschaft durch den anderen Teil rechtfertigen (EFSlg 33.923, 38.689, 46.174 uva); auch hier muß es sich um Eheverfehlungen handeln, die das weitere Zusammenleben unzumutbar machen (EFSlg 50.151 ua). Welche schweren Eheverfehlungen in dieser Weise zu qualifizieren sind, ist bei Bedachtnahme auf die gesamten Umstände der Familie (§ 92 Abs 3 letzter Satz ABGB) zu beurteilen (EFSlg 35.079 ua).

Geht man im vorliegenden Fall davon aus, daß nach den Feststellungen der Vorinstanzen der Beklagte, nachdem er sich schon vorher der Klägerin gegenüber ständig in hohem Maße kränkend und herabsetzend verhalten hatte, am Ostermontag des Jahres 1986 die Klägerin aus nichtigem Anlaß als "Hure" und "Sau" bezeichnete, sie an den Haaren riß und über die Treppe hinunterzerrte und Selbstmorddrohungen ausstieß, dann ist es gerechtfertigt, dieses ehewidrige Verhalten des Beklagten als so schwerwiegende physische und psychische Beeinträchtigung der Klägerin zu qualifizieren, daß dieser das weitere Zusammenleben mit ihm nicht mehr zugemutet werden konnte.

Mit Recht haben es die Vorinstanzen unter diesen Umständen abgelehnt, die einseitige Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft durch die Klägerin als schwere Eheverfehlung im Sinne des § 49 EheG zu qualifizieren und der Klägerin ein Verschulden an der Zerrüttung der Ehe anzulasten.

Der Revision des Beklagten muß daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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