OGH 2Ob41/89

OGH2Ob41/8930.8.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel, Dr.Melber, Dr.Kropfitsch und Dr.Warta als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Engelbert W***, Bautechniker,

Bundesstraße 70, 7371 Piringsdorf, vertreten durch Dr.Kurt Eckmair und Dr.Reinhard Neureiter, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1) DER A*** Allgemeine Versicherungs-AG, Hoher Markt 10-11, 1010 Wien, und 2) Wolfgang Z***, Student, Possingergasse 25/8, 1150 Wien, beide vertreten durch Dr.Eugen Radel, Dr.Gertrude Radel und Dr.Willibald Stampf, Rechtsanwälte in Mattersburg, wegen S 639.056,26 s.A. (Revisionsstreitwert S 95.321,34), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 30.November 1988, GZ 18 R 225/88-31, womit infolge Berufung der klagenden Partei und der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 15.Mai 1988, GZ 3 b Cg 521/87-23, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung insgesamt wie folgt zu lauten hat:

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei den Betrag von S 414.417,55 samt 4 % Zinsen seit 4. März 1987 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen. Das Mehrbegehren der klagenden Partei auf Zahlung eines weiteren Betrages von S 224.638,71 samt 4 % Zinsen seit 4.März 1987 wird abgewiesen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei an Kosten des Verfahrens in erster Instanz den Betrag von S 43.660,43 (darin Barauslagen von S 13.552 und Umsatzsteuer von 2.737,13), an Kosten des Berufungsverfahrens den Betrag von S 24.804,86 (darin Barauslagen von S 4.720 und Umsatzsteuer von S 1.825,89) und an Kosten des Revisionsverfahrens den Betrag von S 4.253,22 (darin Barauslagen von S 3.150 und Umsatzsteuer von S 183,87) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger wurde am 29.März 1984 als Mitfahrer in dem vom Zweitbeklagten gehaltenen und gelenkten PKW mit dem Kennzeichen W 212.689 bei einem Verkehrsunfall auf der Horitschoner Landesstraße schwer verletzt. Die Erstbeklagte ist der Haftpflichtversicherer dieses Kraftfahrzeugs. Die Ersatzpflicht der Beklagten für zwei Drittel des bei diesem Unfall dem Kläger entstandenen Schadens ist unbestritten.

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte der Kläger aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus diesem Verkehrsunfall zuletzt (unter Berücksichtigung bereits von der Erstbeklagten geleisteter Zahlungen) die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 639.056,26 s.A. Dieses Begehren umfaßte unter anderem den Ersatz von Besuchskosten von Angehörigen; nur dieser Teil des Begehrens des Klägers ist noch Gegenstand des Revisionsverfahrens. Der Kläger brachte dazu im wesentlichen vor, daß er während seiner gesamten Krankenhausaufenthalte in der Dauer von etwa einem Jahr von seinen Eltern und seinen Geschwistern regelmäßig besucht worden sei, die für diese Besuche insgesamt 38.260 km mit dem PKW zurücklegen hätten müssen. Die dadurch entstandenen Fahrtkosten hätten S 141.562 betragen. Durch diese Besuche seien den Eltern und den Geschwistern des Klägers eine Zeitversäumnis von insgesamt 1321 Stunden entstanden; es sei dafür ein Betrag von S 40 für die Stunde, insgesamt also ein Betrag von S 52.840 zu ersetzen. Für diverse Mitbringsel sei von den Besuchern ein Betrag von S 50.200 aufgewendet worden. Zwei Drittel dieser Beträge, insgesamt S 163.068, hätten die Beklagten dem Kläger zu ersetzen. Die Beklagten wendeten zu diesen Ersatzansprüchen im wesentlichen ein, die begehrten Besuchskosten seien unangemessen hoch. Es seien nur die Besuchskosten der Eltern in dem Umfang zu ersetzen, als sie für die Heilung des Klägers zweckmäßig und angemessen gewesen seien, nicht aber die Besuchskosten der Geschwister. Die Ersatzforderung für Zeitversäumnis betreffe einen mittelbaren Schaden; der dafür begehrte Betrag sei nicht zu ersetzen. Ein allfälliger Aufwand für Mitbringsel der Eltern sei in angemessener Höhe ersatzfähig; der dafür begehrte Betrag sei aber überhöht. Das Erstgericht verurteilte die Beklagten zur ungeteilten Hand, zur Zahlung von S 283.749,34 s.A. an den Kläger; das auf Zahlung eines weiteren Betrags von S 356.306,92 s.A. gerichtete Mehrbegehren wies es ab. Der Zuspruch des Erstgerichts umfaßte einen Betrag von S 86.722,67 (zwei Drittel von S 130.084) an Fahrtkosten anläßlich der Besuche des Klägers durch Eltern und Geschwister; das darüber hinausgehende Ersatzbegehren des Klägers aus dem Titel der Besuchskosten wies das Erstgericht ab.

Es stellte, soweit für die im Revisionsverfahren noch strittigen Fragen von Interesse, im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Der 1964 geborene Kläger erlitt bei dem Unfall vom 29.März 1984 zwei Rippenbrüche rechts mit einer Blutung im Rippenfellraum, eine Gehirnerschütterung und einen Verrenkungsbruch des ersten Lendenwirbels. Dieser war mit einer Abquetschung des Rückenmarks verbunden und führte zu einer bleibenden totalen Lähmung beider Beine samt Harnblasen- und Mastdarmlähmung.

Der Kläger wurde vom 29.März bis 23.Mai 1984 im AKH Wien, vom 23. Mai 1984 bis 29.Jänner 1985 im Rehabilitationszentrum Tobelbad und vom 15.März bis 29.März 1985 sowie vom 17.April bis 5.Juni 1985 im Wilhelminenspital in Wien stationär behandelt. Infolge dringender Empfehlung der Ärzte zur Besserung seines psychischen Zustands wurde er außerordentlich häufig von seinen Eltern und seinen Geschwistern besucht. Während seines Aufenthalts im AKH Wien wurde er an insgesamt 33 Tagen von den Eltern bzw Geschwistern besucht, wobei diese für Hin- und Rückfahrt jeweils eine Strecke von 220 km zurücklegten, im Schnitt eine Zeitversäumnis von 7 Stunden erlitten und an Spesen, Trinkgeldern, Geschenken und Eigenbedarf pro Tag ca S 200 ausgaben. Während seines Aufenthalts in Tobelbad kamen die Eltern bzw Geschwister an insgesamt 106 Besuchstagen zu ihm, legten insgesamt 280 km pro Besuchstag mit dem eigenen PKW zurück und versäumten pro Besuchstag rund 9 Stunden. An Spesen, Trinkgeldern, Geschenken und Eigenbedarf liefen pro Tag ca S 400 auf. Während seines Aufenthalts im Wilhelminenspital in Wien wurde der Kläger von seinen Eltern insgesamt an 6 Tagen besucht, wobei diese pro Besuchstag 220 km mit dem PKW zurücklegen mußten. die Zeitversäumnis betrug durchschnittlich 6 Stunden pro Person. An Spesen, Trinkgeldern, Geschenken und Eigenbedarf liefen insgesamt S 200 auf. Insgesamt legten die Eltern bzw Geschwister des Klägers zur Durchführung von Besuchen insgesamt 38.260 km zurück, verbrauchten dabei Spesen im Ausmaß von S 50.200 und hatten eine Zeitversäumnis von insgesamt 1321 Stunden.

Das amtliche Kilometergeld betrug damals S 3,40.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, an Besuchskosten der Angehörigen sei ein Betrag von S 130.084 (38.260 km a S 3,40) zu berücksichtigen, da diese Besuche gemäß der dringenden Empfehlung der Ärzte erforderlich gewesen seien. Zwei Drittel dieses Betrags hätten die Beklagten dem Kläger zu ersetzen.

Für die Zeitversäumnis habe kein Zuspruch zu erfolgen, weil ein Verdienstentgang nicht nachgewiesen worden sei. Auch der für diverse Mitbringsel verlangte Betrag sei nicht zu ersetzen, weil eine unabdingliche Notwendigkeit zur Tätigung dieser Ausgaben nicht vorgelegen sei.

Die Entscheidung des Erstgerichts wurde von beiden Streitteilen mit Berufung bekämpft. Das Berufungsgericht gab mit dem angefochtenen Urteil der Berufung der Beklagten keine Folge. Hingegen gab es der Berufung des Klägers teilweise Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichts dahin ab, daß es dem Kläger einen Betrag von S 354.322,90 s.A. zusprach und sein auf Zahlung eines weiteren Betrags von S 284.733,36 s.A. gerichtetes Mehrbegehren abwies. Der Zuspruch des Berufungsgerichts umfaßt an Besuchskosten einen Betrag von S 60.094,69 (Fahrtkosten der Eltern S 43.361,35 und Spesen der Eltern von S 16.733,34); das darüber hinausgehende Ersatzbegehren des Klägers aus dem Titel der Besuchskosten wies das Berufungsgericht ab.

Das Berufungsgericht führte zu den noch strittigen Besuchskosten, ausgehend von den insoweit unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Erstgerichts, rechtlich im wesentlichen folgendes aus:

Eltern und Geschwister des Klägers hätten S 130.084 an Spitalbesuchsfahrtkosten aufgewendet; zwei Drittel davon habe das Erstgericht dem Kläger zugesprochen. Besuchskosten der Geschwister seien aber nicht zu ersetzen. Mangels näherer Anhaltspunkte müsse gemäß § 273 ZPO davon ausgegangen werden, daß die Fahrtkosten von S 130.084 gleichermaßen auf Eltern und Geschwister entfielen, also auf die Eltern mit einem Betrag von S 65.042. Zwei Drittel davon (S 43.361,37) hätten die Beklagten dem Kläger zu ersetzen. Nach dem eigenen Vorbringen des Klägers hätten Eltern und Geschwister durch Zeitversäumnis aus Anlaß ihrer Besuche einen Schaden in der Höhe von S 52.840 erlitten. Das könne nur so verstanden werden, daß die Entgeltlichkeit des Zeitaufwands dieser Verwandten anläßlich der Spitalsbesuche unterstellt werde. Dabei handle es sich aber nicht um einen ersatzfähigen Schaden. Hier handle es sich nicht um grundsätzlich ersatzfähige Aufwendungen bestimmter naher Angehöriger oder einen allenfalls ersatzfähigen (konkreten) Verdienstentgang naher Angehöriger, sondern um erbrachte Hilfeleistungen ohne Entgelt, die keinen wirtschaftlich faßbaren Wert hätten. Der Zeitaufwand anläßlich von Krankenbesuchen könne auch nicht entgeltlich werden, nur weil anläßlich eines Verkehrsunfalls ein Dritter haftpflichtig sei. Jedenfalls handle es sich um einen nicht ersatzfähigen mittelbaren Schaden der Verwandten des Klägers.

Der Anspruch auf Ersatz für "Mitbringsel" in der behaupteten Höhe von S 50.200 könne grundsätzlich bejaht werden. Neben den Fahrtkosten bestimmter naher Angehöriger gehörten zu notwendigen Ausgaben anläßlich von Krankenbesuchen kleine Aufmerksamkeiten und Zubußen an den Kranken oder an das Pflegepersonal. Diese "Mitbringsel" seien im einzelnen im Regelfall weder konkret erfaßbar noch der Höhe nach nachzuweisen. Derartige von Geschwistern des Verletzten aufgewendete Kosten seien aber nicht ersatzfähig. Gemäß § 273 ZPO sei ein Betrag von S 25.100 (als von den Eltern aufgewendet) angemessen, wovon zwei Drittel, also S 16.733,33, dem Kläger zu ersetzen seien.

Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Klägers. Er bekämpft sie im Umfang der Abweisung seines Begehrens mit einem Betrag von S 95.321,34 (Besuchskosten) aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil in diesem Umfang im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern.

Die Beklagten haben eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision des Klägers keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und auch sachlich teilweise berechtigt. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sind die durch den Besuch der sorge- und beistandspflichtigen nächsten Verwandten des Verletzten veranlaßten Aufwendungen zu den Heilungskosten zu rechnen, deren Ersatz der Verletzte als unmittelbar Geschädigter fordern kann. So wurde etwa der Anspruch des Verletzten auf Ersatz der Aufwendungen aus Anlaß der Besuche seiner Ehegattin im Krankenhaus bejaht (JBl 1958, 207; ZVR 1968/83 ua). Hingegen wurde ein Anspruch des Verletzten auf Ersatz von Besuchskosten anderer Verwandter, etwa von Geschwistern (EFSlg 36.178 ua), der verheirateten nicht sorgepflichtigen Tochter (ZVR 1973/38) und der Schwiegereltern (2 Ob 44/82) abgelehnt. Diesen Entscheidungen ist die Tendenz zu entnehmen, den Kreis derjenigen Verwandten, deren Besuchskosten der Verletzte selbst als Heilungskosten geltend machen kann, möglichst einzuschränken (EFSlg 46.092; 2 Ob 39/87; 2 Ob 14/88 ua). Im vorliegenden Fall kann aber nicht übersehen werden, daß nach den Feststellungen der Vorinstanzen bei dem bestehenden schweren Leidenszustand des Klägers die häufigen Besuche durch seine Eltern und seine Geschwister infolge dringender Empfehlung der behandelnden Ärzte erfolgten, um eine Besserung seines psychischen Zustands herbeizuführen. Unter diesen im vorliegenden Fall gegebenen besonderen Umständen erscheint es gerechtfertigt, die Besuche des Klägers durch seine Angehörigen im Rahmen seiner stationären Aufenthalte in Krankenhäusern und im Rehabilitationszentrum Tobelbad vollständig den Heilungskosten zuzuordnen und deren Ersatz den Beklagten aufzuerlegen, wobei es keinen Unterschied macht, ob diese Besuche durch die Eltern des Klägers oder durch seine Geschwister erfolgten (so auch in einem ähnlich gelagerten Fall 2 Ob 14/88).

Allerdings sind unter den durch den Besuch beim Verletzten veranlaßten Aufwendungen, deren Ersatz der unmittelbar Geschädigte unter dem Titel der Heilungskosten verlangen kann, immer nur mit dem Krankenhausbesuch verbundene Auslagen zu verstehen, somit tatsächliche Aufwendungen bzw echte Vermögenseinbußen (8 Ob 200/83; 8 Ob 4,5/85 ua). Unter diesem Gesichtspunkt gebührt dem Kläger der Ersatz der Auslagen, die seinen Eltern und seinen Geschwistern durch die mit ihren Krankenhausbesuchen verbundenen Fahrtkosten und sonstigen tatsächlich aufgewendeten Spesen entstanden, nicht aber ein Ersatz für den mit diesen Krankenhausbesuchen verbundenen Zeitaufwand. Denn dieser ist kein ersatzfähiger Schaden des Klägers. Der Kläger hat weder behauptet noch ergibt sich dies aus den getroffenen Feststellungen, daß seinen Eltern bzw Geschwistern aus Anlaß ihrer Krankenhausbesuche etwa ein konkreter Verdienstentgang entstanden wäre. Die bloße Aufwendung von Zeit durch die Eltern und Geschwister des Klägers, um ihn im Spital zu besuchen, ist jedenfalls kein Schaden des Klägers, dessen Ersatz von ihm unter dem Titel von Heilungskosten verlangt werden könnte (8 Ob 200/83; 2 Ob 4/84).

Ausgehend von diesen rechtlichen Gesichtspunkten gebührt dem Kläger der Ersatz von zwei Dritteln der mit den Besuchen seiner Eltern und Geschwister verbundenen Fahrtauslagen (S 86.722,67) und sonstiger Spesen (S 33.466,67), jedoch kein Ersatz für die von diesen Personen für ihre Krankenhausbesuche aufgewendete Zeit. Es waren daher in teilweiser Stattgebung der Revision des Klägers die Urteile der Vorinstanzen wie im Spruch ersichtlich abzuändern.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens in erster Instanz beruht auf § 43 Abs 1 und Abs 2 ZPO, die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens auf den §§ 41, 43 Abs 1 und 50 ZPO.

Stichworte