Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit S 13.715,95 (darin keine Barauslagen und S 1.246,90 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 21.4.1984 wurde der Zweitkläger bei einem Verkehrsunfall als PKW-Fahrgast des bei der Beklagten haftpflichtversicherten Gerhard N*** schwer verletzt und erlitt außerdem sonstige Schäden. Gerhard N*** wurde auf Grund dieses Unfalles, der sich durch Abkommen von der Fahrbahn und Anprall gegen einen Baum ereignete, wegen Lenkung des Fahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand und fahrlässiger Körperverletzung (§ 88 Abs 1 und 4, 2.Fall, StGB) rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt. Der Zweitkläger hat seine Ansprüche auf Ersatz bisheriger Unfallsschäden dem Erstkläger abgetreten.
Der Erstkläger forderte unter Anrechnung der von der Beklagten geleisteten Teilzahlungen von zusammen S 100.000,-- zuletzt die Zahlung des Betrages von S 510.732,66 s.A., der Zweitkläger den Ausspruch der Haftung der Beklagten für seine künftigen Unfallsschäden, beschränkt auf die zwischen ihr und Gerhard N*** vereinbarte Versicherungssumme. Die Kläger brachten vor, den PKW-Lenker treffe wegen seiner dem Zweitkläger nicht erkennbaren Alkoholisierung das Alleinverschulden am Unfall. Die Beklagte habe ihre Haftung zu 100 % bereits anerkannt. Wegen der schweren Verletzungsfolgen des Zweitklägers gebühre ihm ein mangels Kausalität seines Verstoßes gegen die Gurtenanlegepflicht ungekürztes Schmerzengeld von S 350.000,-- und im Hinblick auf die unfallskausale Entstellung wegen Verhinderung des besseren Fortkommens im beruflichen und privaten Bereich eine Entschädigung von S 30.000,--. Zur Beseitigung der entstellenden Narben sei eine Operation mit einem Kostenaufwand von S 20.000,-- erforderlich. Durch den Unfall seien dem Zweitkläger Pflege- und Aushilfskosten von S 9.900,-- erwachsen. Während des Spitalsaufenthaltes habe er S 500,-- für Trinkgelder und Telefonate aufgewendet. Die Kosten der Besuche seines Bruders hätten S 5.000,-- betragen und die unfallskausalen Kleiderschäden S 2.807,--.
Die Beklagte wendete ein 50 %-iges Mitverschulden des Zweitklägers wegen Erkennbarkeit der schweren Alkoholisierung des PKW-Lenkers N*** ein, anerkannte aber andererseits das Feststellungsbegehren hinsichtlich ihrer Haftung für 2/3 künftiger Unfallsschäden und beantragte die Abweisung des übrigen Klagebegehrens. Sie habe kein konstitutives Anerkenntnis bezüglich 100 %-iger Haftung abgegeben, sondern nur im vorprozessualen Schriftverkehr wegen ihrs damaligen Kenntnisstandes den zuvor erhobenen Mitverschuldenseinwand fallen gelassen. Den bisherigen Verletzungsfolgen des Zweitklägers entspreche ein Schmerzengeld von S 50.000,--, das um die Mitverschuldensquote und um ein weiteres Drittel an Verschulden wegen Verletzung der Gurtenpflicht zu kürzen sei. Alle weiteren Klagsansprüche wurden von der Beklagten zur Gänze bestritten.
Das Erstgericht sprach dem Erstkläger S 137.976,34 s.A. zu und stellte die Haftung der Beklagten für die künftigen Unfallsschäden des Zweitklägers im Umfang von 3/4 fest. Das Mehrbegehren des Erstklägers auf weitere S 372.756,02 s.A. sowie das Feststellungsmehrbegehren des Zweitklägers wurden abgewiesen. Das Erstgericht ging hinsichtlich der im Revisionsverfahren noch strittigen Ansprüche im wesentlichen von folgenden Feststellungen aus:
1. Zur Verschuldensteilung:
Gerhard N*** hatte am Unfallstag um 11,00 Uhr zu arbeiten aufgehört; dann fuhr er heim und begab sich unmittelbar darauf ins Gasthaus "Post", es war dies etwa am Nachmittag; dort blieb er, bis er die gegenständliche Fahrt antrat, also bis kurz vor 17,00 Uhr. Bis zur Unfallsstelle sind es bestenfalls 2 km. Er war bis kurz vor dem Unfall im Gasthaus und trank dort ein Cola und zumindest 5 große Bier (die Alkoholkonzentration im Blut ergab in weiterer Folge 1,26 %o nach Widmark und 1,25 %o nach ADH). Gerhard N*** sieht man den Genuß einer derartigen Menge Bier an, er wird jedenfalls lustiger. Auch der Zweitkläger war kurz ins Gasthaus gekommen und hatte sich dort ebenso wie N*** bis zum gemeinsamen Wegfahren aufgehalten. Er trank sehr viel Kaffee und zwischendurch 3 bis 4 große Bier. N*** saß gemeinsam mit 3 oder 4 anderen Leuten an einem Nebentisch, auch der Zweitkläger setzte sich in weiterer Folge zu ihnen. Im Zuge der beginnenden Heiterkeit begannen die Leute, N*** die Haare zu schneiden, und es ging äußerst lustig zu. Im Zuge des diesbezüglichen Tumultes wurde dem Zweitkläger die Hose mit Bier angeschüttet. Der Zweitkläger meinte, daß er nunmehr seine Hose wechseln müsse und fragte, wer ein Auto hätte. N*** wies darauf hin, daß er eines hätte und den Zweitkläger heimführen könne, was er sodann auch tat. Im Zuge dieser Fahrt ereignete sich der gegenständliche Unfall. Zusammenfassend war die Alkoholisierung des Gerhard N*** für den Zweitkläger erkennbar. Der PKW prallte mit der rechten Hälfte der Frontpartie gegen einen Baum mit einem Durchmesser von ca. 50 bis 70 cm, dadurch kam es zu einer massiven Stauchung der rechten Hälfte des Vorbaus, die sich bis in die Fahrgastzelle fortsetzte. Die Kollisionsgeschwindigkeit des PKW mit dem Baum war ebenfalls rund 70 km/h. Es kann mit Sicherheit gesagt werden, daß auch bei Benützung des Sicherheitsgurtes - der Zweitkläger war nicht angegurtet - die gleichen oder zumindest ähnlich schwere Verletzungen eingetreten wären.
2. Zur Höhe des Schmerzengeldes:
Der Zweitkläger erlitt eine Innen- und Außenknöchelfraktur links mit Bruch des Wadenbeines links und Zerreißung der Bandverbindung zwischen Wadenbein und Schienbein, Zerreißung der langen Strecksehne der Großzehe und des Bandapparates im Sprunggelenksbereich sowie durch eine teilweise Zerreißung des vorderen Schienbeinmuskels und der Zehenstrecksehne. Es handelte sich um eine kombinierte Knochen-Weichteilverletzung des linken Unterschenkels. Nach primärer Schockbekämpfung wurde am selben Tag die operative Versorgung der Frakturen mittels Schrauben und Platten durchgeführt und die Muskulatur soweit wie möglich genäht. Der weitere postoperative Verlauf war durch die verzögerte Wundheilung charakterisiert, es wurden praktisch täglich Verbandswechsel durchgeführt, der Patient erhielt einen Unterschenkelspaltgipsverband, die gequetschten Hautteile erholten sich nicht, außerdem war es zum Auftreten einer Wadenbeinnervenlähmung Anfang Juni 1984 gekommen. Am 2.7.1984 wurde eine Spalthauttransplantation durchgeführt. Der postoperative Verlauf war im wesentlichen komplikationslos. Am 29.8.1984 (bis 1.9.1984) erfolgte eine neuerliche Aufnahme zur Entfernung einer Schraube im seinerzeitigen Verletzungsbereich, am 15.11.1984 (bis 2.12.1984) eine operative Materialentfernung. Als Dauerfolgen besteht eine hochgradige Bewegungseinschränkung des oberen und unteren Sprunggelenkes links, bei Spitzfußstellung und ausgedehnten narbigen Veränderungen des Unterschenkels und Fußbereiches, nach primärer Verletzung und Hautransplantatentnahme. Das Ausmaß der Dauerfolgen ist in einem vorwiegend stehenden Beruf mit etwa 30 % Invalidität anzunehmen, überdies sind dem Kläger Arbeiten, die längerdauerndes Stehen, Gehen, Knien, Hocken, Leitersteigen, Arbeiten in unebenem Gelände usw. erfordern, nicht mehr zumutbar. Der Zweitkläger war 90 Tage, 3 Tage und 17 Tage in stationärer Behandlung, er mußte sich einer großen, einer mittleren und zwei kleineren Operationen unterziehen. Im Sinne der Komprimierung auf den 24-Stunden-Tag sind folgende Schmerzperioden anzunehmen:
Andauernd starke Schmerzen 12 Tage,
andauernd mittlere Schmerzen 20 Tage,
andauernd leichte Schmerzen 80 bis 90 Tage.
Der Schmerzkatalog ist als pauschaler zu sehen und berücksichtigt die noch vorhandenen und in Zukunft möglichen, kurzzeitig auftretenden Beschwerden leichter Intensität und ähnlich gelagerte Beschwerden. Der Heilungsverlauf ist praktisch abgeschlossen, eine wesentliche Änderung in Zukunft nicht zu erwarten.
3. Kosten einer kosmetischen Operation:
Die Frage nach einer kosmetischen Korrektur des bestehenden Zustandes erscheint unbedeutend gegenüber der Frage, welche operativen Maßnahmen eine bessere Funktion des Beines ermöglichen könnten. Die Operationsmöglichkeiten sowohl in kosmetischer Hinsicht, besonders aber in anatomischer und funktioneller Hinsicht, sind durch die schlechten Hautverhältnisse stark eingegrenzt. Das Optimum, das zu erreichen wäre, wenn man eine Operation wagt, wäre eine operative Versteifung des oberen Sprunggelenkes, wobei die Spitzfußstellung beseitigt werden müßte und durch Versteifung die Belastbarkeit des Fußes wesentlich verbessert werden würde. Die Möglichkeit, diese Operation zu einem risikoarmen Ergebnis zu bringen, ist nicht sehr groß.
An Trinkgeldern hat der Zweitkläger im Landeskrankenhaus einen Betrag von S 300.,-- ausgegeben.
Der Zweitkläger hat weder Eltern noch Kinder, er hat nur drei Brüder und eine Halbschwester. Einer dieser Brüder besuchte ihn im Krankenhaus.
Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht aus, der Mitverschuldenseinwand wegen Verletzung der Gurtenanlegepflicht gehe mangels Kausalität dieses Verstoßes für den Verletzungsumfang ins Leere. Die Kläger müßten sich aber wegen Erkennenmüssens der Alkoholisierung des PKW-Lenkers N*** ein Mitverschulden anrechnen lassen, dessen Ausmaß von der Rechtsprechung unterschiedlich teils mit 1/3, teils mit 1/4 beurteilt werde. Im Anlaßfall müsse berücksichtigt werden, daß die Alkoholisierung des PKW-Lenkers weitgehend erkennbar gewesen sei und daß die zum Unfall führende Fahrt eigentlich nicht einem dringenden Erfordernis gedient habe, sondern im wesentlichen unnotwendig gewesen sei. Über die Alkoholisierung des Lenkers sei offensichtlich nicht gesprochen worden, insbesondere sei der Zweitkläger nicht ausdrücklich darauf hingewiesen worden. Sicherlich sei auch sein Urteilsvermögen durch die von ihm genossene Alkoholmenge etwas eingeschränkt gewesen. Im Hinblick auf die den höchstgerichtlichen Erkenntnissen SZ 52/84 und ZVR 1965/63 zugrundeliegenden Erwägungen sei es vertretbar, nur einen Abzug von 1/4 vorzunehmen. Eine Verpflichtung der Beklagten, vom bezüglichen Einwand Abstand zu nehmen, sei nicht erwiesen. Die Beklagte sei lediglich im Zuge der Vergleichsverhandlungen vom damaligen Wissensstand ausgegangen und ihre diesbezüglichen Erklärungen seien daher als unpräjudiziell zu behandeln. Der Höhe nach sei zur Abgeltung der festgestellten Schmerzensfolgen unter Bedachtnahme auf die seelischen Schmerzen ein Betrag von S 180.000,-- angemessen. Da der Zweitkläger in seinem äußeren Erscheinungsbild jedenfalls beeinträchtigt sei, was gerade bei einem unverheirateten Mann berücksichtigt werden müsse, und sein Fortkommen auch sonst in beruflicher Hinsicht behindert sei, erscheine der aus dem Titel des § 1326 ABGB verlangte Betrag von S 30.000,-- angemessen. Der Zuspruch des Ersatzes von Kosten einer kosmetischen Operation sei hingegen beim erwiesenen Sachverhalt nicht gerechtfertigt.
Die Berufungen der Kläger und der Beklagten blieben erfolglos; das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, zusammen mit dem in einem Geldbetrag bestehenden Teil insgesamt S 300.000,-- übersteigt. Dabei übersteigt hinsichtlich des Zweitklägers und der Beklagten der von der Bestätigung betroffene Wert (bei der Beklagten einschließlich des in einem Geldbetrag bestehenden Teiles) je S 60.000,--, aber nicht S 300.000,--; in Ansehung dieser Parteien sei die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig; das Berufungsgericht erachtete das erstgerichtliche Verfahren als mängelfrei, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und billigte auch die rechtliche Beurteilung der ersten Instanz.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision der Kläger aus den Anfechtungsgründen nach § 503 Abs 1 Z 3 und 4 ZPO mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne des Zuspruches eines weiteren Betrages von S 315.105,-- s.A. an den Erstkläger und Feststellung der Haftung der Beklagten für die künftigen Unfallsschäden des Zweitklägers zu einem weiteren Viertel, somit zur Gänze; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Erstklägers ist nach § 502 Abs 4 Z 2 ZPO zulässig, jene des Zweitklägers nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO; keines der Rechtsmittel ist jedoch berechtigt.
Der Revisionsgrund nach § 503 Abs 1 Z 3 ZPO liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
In der Rechtsrüge führend ie Revisionswerber aus, daß dem Zweitkläger kein Mitverschulden durch Nichterkennen der Alkoholisierung des PKW-Lenkers N*** angelastet werden könne. Bei einem Blutalkoholwert von 1,26 bzw. 1,25 %o sei nur eine leichte bis mittlere Alkoholisierung vorgelegen, die einem außenstehenden Laien wie dem Zweitkläger nicht habe auffallen müssen. Aus dem Umstand, daß die Runde Jugendlicher lustig gewesen und auf den Gedanken verfallen sei, N*** die Haare zu schneiden, sei eine beträchtlich über 0,8 %o liegende Alkoholisierung des N*** für den Zweitkläger nicht erkennbar gewesen. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte daher sowohl das Erstgericht als auch das Berufungsgericht zu der Ansicht gelangen müssen, daß ein Alkoholisierungsgrad von 1,26 %o für einen Laien nicht erkennbar sei und auch der Umstand, daß sich jemand in einer Runde von Freunden die Haare schneiden lasse, keinen Anhaltspunkt biete, aus welchem sich der zwingende Schluß ableiten lasse, der Betreffende sei so stark alkoholisiert, daß er nicht imstande wäre, ein Fahrzeug zu lenken.
Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Nach ständiger Rechtsprechung trifft den Fahrgast, der sich einem infolge Alkoholgenusses fahruntüchtigen Lenker anvertraut und bei einem von diesem verschuldeten oder mitverschuldeten Unfall Schaden erleidet, nur dann ein Mitverschulden, wenn er von der die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigenden Alkoholisierung Kenntnis hatte oder aus den Umständen Kenntnis haben mußte (vgl. ZVR 1968/37; ZVR 1969/294; ZVR 1976/10 uva.). Die Frage, ob jemand Kenntnis von einem bestimmten Sachverhalt hat, ist eine Tatfrage. Ob die Alkoholisierung des Fahrers durch den Fahrgast bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte erkannt werden müssen, ist hingegen eine Rechtsfrage. Die Erkennbarkeit einer derartigen Alkoholisierung kann sich für den Fahrgast entweder aus dem wahrnehmbaren Verhalten des Lenkers oder daraus ergeben, daß ihm die vom Lenker genossenen Alkoholmengen bekannt waren. Es ist nach den Umständen des Einzelfalles zu prüfen, ob der Fahrgast bei Berücksichtigung der Erfahrungen des täglichen Lebens damit rechnen mußte, daß sich der Lenker durch den Alkoholgenuß in einem seine Fahrtüchtigkeit beeinträchtigenden Zustand befinde. Zweifel darüber, ob diese Annahme gerechtfertigt gewesen wäre, gehen zu Lasten desjenigen, den die Beweispflicht für das Mitverschulden des Fahrgastes trifft (vgl. ZVR 1969/294; ZVR 1970/33; ZVR 1978/306 ua.).
Werden diese Grundsätze auf den im vorliegenden Fall festgestellten Sachverhalt angewendet und wird berücksichtigt, daß sich sowohl der Zweitkläger als auch N*** mehrere Stunden im selben Gasthaus an Nachbartischen aufgehalten und einige Zeit vor dem gemeinsamen Wegfahren am selben Tisch befunden haben, wobei während des Gasthausaufenthaltes N*** insgesamt zumindest fünf Krügel Bier, der Zweitkläger drei bis vier Krügel Bier tranken, und schließlich eine derart ausgelassene Stimmung herrschte, daß N*** sich von anderen Gästen die Haare schneiden ließ und im Zuge des dabei entstandenen Tumultes die Hose des Zweitklägers mit Bier angeschüttet wurde, ist entgegen der Ansicht der Revision in der Auffassung des Berufungsgerichtes, daß die Alkoholisierung N*** bei Berücksichtigung der Erfahrungen des täglichen Lebens für andere in solchem Ausmaß auffällig war, daß auch der Zweitkläger bei Anwendung der erforderlichen Aufmerksamkeit hätte damit rechnen müssen, daß sich N*** infolge des Alkoholgenusses in einem seine Fahrtüchtigkeit beeinträchtigenden Zustand befinde, keine unrichtige rechtliche Beurteilung zu erblicken. Unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Falles kann daher in der Bemessung des Mitverschuldens des Zweitklägers mit einem Viertel keine Fehlbeurteilung des Berufungsgerichtes erkannt werden (vgl. SZ 52/84 ua.). Zur Höhe des Schmerzengeldes machen die Kläger geltend, mit Rücksicht auf die schweren Verletzungen des Zweitklägers, die langdauernden Schmerzperioden, den komplizierten Heilungsverlauf und die psychischen Schmerzen wäre ein Gesamtschmerzengeld von S 350.000,-- angemessen.
Dem ist zu erwidern, daß nach ständiger Rechtsprechung das Schmerzengeld die Genugtuung für alles Ungemach, daß der Geschädigte infolge seiner Verletzungen und ihrer Folgen zu erdulden hat. Es soll den Gesamtkomplex der Schmerzempfindungen unter Bedachtnahme auf die Dauer und Intensität der Schmerzen nach ihrem Gesamtbild, auf die Schwere der Verletzung und auf das Maß der physischen und psychischen Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes abgelten, die durch die Schmerzen entstandenen Unlustgefühle ausgleichen und den Verletzten in die Lage versetzen, sich als Ersatz für die Leiden und anstelle der ihm entgangenen Lebensfreude auf andere Weise gewisse Annehmlichkeiten und Erleichterungen zu verschaffen (ZVR 1983/200; 8 Ob 194/83; 8 Ob 69/85 uva.). Hieraus folgt einerseits, daß bei der Bemessung des Schmerzengeldes auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen, andererseits aber zur Vermeidung einer Ungleichmäßigkeit in der Rechtsprechung ein objektiver Maßstab anzulegen ist (vgl. Jarosch-Müller-Piegler, Das Schmerzengeld in medizinischer und juristischer Sicht5 175 ff.; ZVR 1982/392; 8 Ob 194/83; 8 Ob 69/85 ua.).
Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall kann aber auch unter Bedachtnahme auf die psychischen Beeinträchtigungen des Zweitklägers die Bemessung des Schmerzengeldes mit rechnerisch insgesamt S 180.000,-- nicht als zu niedrig erkannt werden. Soweit die Revision bezüglich der Kosten für eine kosmetische Operation ausführt, für die Geltendmachung eines derartigen Anspruches sei nicht die medizinische Indikation erforderlich, sondern lediglich die Möglichkeit der Verbesserung der entstellenden Wirkung der Narben, mag ein solcher Eingriff auch mit Risken verbunden sein, ist ihr zu erwidern, daß nach ständiger Rechtsprechung zu den vom Schädiger zu ersetzenden Heilungskosten auch die Kosten einer kosmetischen Operation gehören, aber nur, soweit sie zur gänzlichen oder teilweisen Beseitigung einer durch die Verletzung hervorgerufenen Verunstaltung als zweckmäßig anzusehen sind (ZVR 1976/264 ua.). Da nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes die Operationsmöglichkeit sowohl in kosmetischer, als auch insbesondere in anatomischer und funktioneller Hinsicht durch die schlechten Hautverhältnisse stark eingegrenzt und die Wahrscheinlichkeit, die Operation zu einem risikoarmen Ergebnis zu bringen, nicht groß ist, kann im vorliegenden Fall in der Verneinung der Zweckmäßigkeit einer kosmetischen Operation und damit auch der Berechtigung des diesbezüglich geltend gemachten Anspruches auf Ersatz der hiefür künftig aufzuwendenden Kosten keine Fehlbeurteilung des Berufungsgerichtes erblickt werden.
Auch soweit die Revision die Abweisung des Anspruches auf Ersatz
der Besuchskosten des Bruders des Zweitklägers bekämpft, kann ihr
nicht gefolgt werden. Es trifft zu, daß der Oberste Gerichtshof in
mehreren Entscheidungen ausgesprochen hat, daß die durch den Besuch
der sorge- und beistandspflichtigen nächsten Verwandten des
Verletzten veranlaßten Aufwendungen zu den Heilungskosten zu rechnen
seien, deren Ersatz der Verletzte als unmittelbar Geschädigter
fordern könnte. So wurde etwa der Anspruch des Verletzten auf Ersatz
der Aufwendungen aus Anlaß der Besuche seiner Ehegattin im Krankenhaus bejaht (vgl. JBl 1958, 207, ZVR 1964/283, ZVR 1968, 83 u. a.). Hingegen wurde ein Anspruch des Verletzten auf Ersatz von Besuchskosten anderer Verwandter, etwa von Geschwistern (EFSlg.36.178 ua.), der verheirateten, nicht sorgepflichtigen Tochter (ZVR 1973/38) und der Schwiegereltern (2 Ob 44/82) abgelehnt. Diesen Entscheidungen ist die Tendenz zu entnehmen, den Kreis derjenigen Verwandten, deren Besuchskosten der Verletzte selbst als Heilungskosten geltend machen kann, möglichst einzuschränken (EFSlg.46.092 ua.). Ohne Rechtsirrtum hat daher das Berufungsgericht die Berechtigung des Anspruches auf Ersatz der Kosten der Spitalsbesuche des Bruders des Zweitklägers verneint. Dasselbe muß auch für die im übrigen ziffernmäßig gar nicht konkretisierten Kosten von Telefonaten des Zweitklägers mit seinem Bruder in der Bundesrepublik Deutschland gelten, weil es auch bezüglich dieses Anspruches nach den Beweisergebnissen am Erfordernis der Zweckmäßigkeit für die Besserung des durch die Verletzung verursachten Krankheitszustandes mangelt. Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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