OGH 13Os75/89

OGH13Os75/8917.8.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 17.August 1989 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hörburger (Berichterstatter), Dr. Felzmann, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Vondrak als Schriftführerin in der Strafsache gegen Hans Dieter K*** und andere wegen des Vergehens der Nötigung zur Unzucht nach § 204 Abs 1 StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Werner E*** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Jugendschöffengerichts vom 17. März 1989, GZ. 23 Vr 44/89-24, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Presslauer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten Werner E*** und seines ordnungsgemäß geladenen Verteidigers Dr. Unterweger zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 8.Mai 1972 geborene Fleischhauerlehrling Werner E*** wurde des Vergehens der Nötigung zur Unzucht nach § 204 Abs 1 StGB. schuldig erkannt. Darnach hat er am 2.Oktober 1988 in Linz im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit den Mitangeklagten Hans Dieter K*** und Markus K*** die damals 28-jährige Taxilenkerin Barbara B*** dadurch, daß er und die beiden Mittäter sie umringten, ihr einen Schlag versetzten und gemeinsam an der Brust und am Geschlechtsteil abgriffen, mit Gewalt zur Unzucht genötigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte ficht den Schuldspruch aus § 281 Abs 1 Z. 5 und 9 lit a StPO. an.

Die Mängelrüge (Z. 5) behauptet der Sache nach eine Unvollständigkeit der Entscheidung, weil sich das Erstgericht nicht hinreichend damit auseinandersetzte, daß das Tatopfer in seiner Zeugenaussage die Situation in keiner Weise als gefährlich geschildert und nicht den Eindruck gehabt habe, daß gewaltsam vorgegangen worden sei, um es dazu bewegen, die unzüchtigen Betastungen zu dulden. Während des Vorfalls sei Barbara B*** an einem Auto gelehnt und habe nicht wegzugehen versucht, obwohl ihr dies nach ihrer eigenen Aussage vielleicht möglich gewesen wäre. Der Beschwerdeführer übersieht, daß den Urteilsfeststellungen die geständige Verantwortung der Angeklagten (S. 135 iVm S. 64 f, 69, 77) und die Angaben des Reinhard K*** (S. 71, 138) zugrunde gelegt wurden. Demzufolge hat sich die stark alkoholisierte Barbara B*** nicht bloß mit Worten gegen das Treiben der Angeklagten gewehrt, sondern auch mit ihren Händen um sich geschlagen und sich heftig gegen die etwa 10 bis 15 Minuten dauernden sexuellen Angriffe zur Wehr gesetzt. Von den Tätern umringt und mit dem Rücken zum geparkten Kraftwagen stehend, konnte sie sich in ihrem Zustand den Unzuchtshandlungen erst entziehen, als sie einem der Burschen einen Schlag ins Gesicht versetzte und, nachdem sie selbst einen Schlag erhalten hatte, laut zu schreien begann (S. 145, 147). Die Zeugenaussage der B***, gegen sie sei keine Gewalt ausgeübt worden, sie habe sich mit der Aufforderung, sie in Ruhe zu lassen, nur "verbal" gewehrt, wurde vom Jugendschöffensenat keineswegs übergangen, sondern dahin gewürdigt, daß die Zeugin zum einen bestrebt gewesen sei, den Vorfall abzuschwächen und zu verniedlichen, zum anderen aber infolge ihrer Alkoholisierung zur Tatzeit das Geschehen nicht in allen Details aufnehmen und wiedergeben konnte (S. 147).

Als rechtsirrig (§ 281 Abs 1 Z. 9 lit a StPO.) bezeichnet der Beschwerdeführer die Annahme des Erstgerichts, daß die Zeugin Barbara B*** mit Gewalt zur Duldung der geschlechtlichen Handlungen genötigt worden sei.

Die Rüge versagt.

Rechtsprechung und Schrifttum verlangen für die Erfüllung des im Gesetz nicht umschriebenen Begriffs der "Gewalt" als Mittel zur Nötigung keine körperliche Berührung von Täter und Opfer (SSt. 55/8, EvBl 1983/60 am Ende unter Berufung auf Kienapfel und Rittler; EvBl 1965/393, 1970/336; Seiler, Die Gewalt als Mittel zur Nötigung, in Pallin-FS. 1989 S. 388). Selbst die gegen die Person des Angegriffenen gerichtete räuberische Gewalt iS des § 142 StGB. muß nicht in einer unmittelbaren Einwirkung auf den Körper bestehen (13 Os 20/82 ua); sie setzt keinen Körperkontakt zwischen Täter und Opfer voraus (nochmals SSt. 55/8). Folgerichtig kann nicht nur die Integrität des Körpers, sondern auch die Bewegungsfreiheit mögliches Objekt der Anwendung von Gewalt sein. Da kein großer Unterschied besteht, ob eine Person von anderen umringt wird und sich nicht mehr von der Stelle bewegen kann oder in ein Zimmer eingesperrt wird (Seiler, wie oben, S. 388), kann auch das Umringen und Beengen einer Person Gewaltausübung sein (EvBl 1974/200 und die dort angeführten Entscheidungen).

Es ist dem Erstgericht sonach beizupflichten, daß das Umringen der Barbara B*** durch den Angeklagten und die beiden Mittäter insbesonders im Hinblick darauf, daß die Frau infolge ihrer erheblichen Alkoholisierung zu einer nennenswerten Gegenwehr unfähig war (S. 147), als Gewalt iS des (bis zum 30.Juni 1989 in Geltung gewesenen) § 204 StGB. - nunmehr in der Bedeutung der §§ 201 Abs 2 und 202 StGB. idF der StGNov. 1989 BGBl. 242 - zu qualifizieren ist. Müssen doch realistischerweise bei der Beurteilung des Merkmals der Gewalt gleichermaßen wie bei der Beurteilung der Eignung der Drohung nach § 74 Z. 5 StGB. die besonderen Verhältnisse des Opfers berücksichtigt werden (vgl. Seiler, wie oben, S. 387). Soweit die Rechtsrüge auf die Aussage der Zeugin in der Hauptverhandlung verweist und daraus andere, für den Angeklagten günstigere Schlußfolgerungen gezogen haben will, weicht sie vom Urteilssachverhalt ab und erschöpft sich in einer Bekämpfung der Beweiswürdigung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Obwohl sich die Rechtslage zwischen dem Urteil erster Instanz und der gegenständlichen Entscheidung auf Grund der Aufhebung des § 204 StGB. durch die Strafgesetznovelle 1989 BGBl. 242 geändert hat, war von der Gesetzeslage im Zeitpunkt der Fällung des angefochtenen Urteils auszugehen (Foregger-Serini-Kodek, StGB, vierte Auflage, S. 179, dritter Absatz).

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