OGH 13Os20/82

OGH13Os20/8225.2.1982

Der Oberste Gerichtshof hat am 25.Februar 1982

unter dem Vorsitz des Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Horak, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Walenta, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Kliment als Schriftführers in der Strafsache gegen Bruno Franz A und andere wegen des Verbrechens des versuchten Raubs nach § 15, 142 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die von den Angeklagten Bruno Franz A und Rudolf B gegen das Urteil des Kreisgerichts Wels als Schöffengerichts vom 27. November 1981, GZ 12 Vr 447/81-88, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, der Ausführungen der Verteidiger Dr. Hein und Dr. Mold und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Bassler, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten Bruno Franz A und Rudolf B die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden (neben anderen Angeklagten) schuldig erkannt: der am 24.Februar 1962

geborene, beschäftigungslose Bruno Franz A (zu I) des Verbrechens des versuchten Raubs nach § 15, 142

Abs 1 StGB, (zu III A, B und C) des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach § 127 Abs 1 und Abs 2 Z. 1, 128

Abs 1 Z. 4, 129 Z. 1 und 15 StGB sowie (zu IV) teils als Beteiligter nach § 12 StGB, (zu V A, B, C und D) des Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1 und 2 StGB, (zu VI A und B) des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach § 125, 126 Abs 1 Z. 7

StGB und (zu VII) des Vergehens des schweren Betrugs nach § 146, 147 Abs 2 StGB sowie der am 22.Dezember 1959

geborene, gleichfalls beschäftigungslose Rudolf B (zu III B, C, D und E) des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach § 127 Abs 1 und 2 Z. 1, 128 Abs 1 Z. 4, 129 Z. 1 und 15 StGB, (zu II) des Vergehens der Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 286 Abs 1 StGB, (zu V B, C und E) des Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1 StGB

und (zu VI B) des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach § 125, 126 Abs 1 Z. 7 StGB

Lediglich die Schuldsprüche des A wegen des Verbrechens des versuchten Raubs nach § 15, 142 Abs 1

StGB (I) und des B wegen des Vergehens der Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 286 Abs 1 StGB (II) werden von diesen Angeklagten mit Nichtigkeitsbeschwerde angefochten. Darnach hat A am 3.März 1981 in Grieskirchen versucht, mit Gewalt gegen eine Person, indem er der 69-jährigen Katharina C eine Handtasche gewaltsam zu entreißen trachtete, was ihm nur infolge heftiger Gegenwehr und Abreißen des Tragriemens mißlang, der Katharina C fremde bewegliche Sachen, nämlich die Handtasche mit ca. 3.800 S Bargeld mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern; B hat es (gemeinsam mit Stefan D und Friedrich E, die den bezüglichen Schuldspruch unbekämpft ließen), bei dieser Gelegenheit mit dem Vorsatz, daß vorsätzlich eine mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohte Handlung, nämlich das erwähnte Verbrechen des versuchten Raubs, begangen werde, unterlassen, die unmittelbar bevorstehende und schon begonnene Ausführung des Verbrechens zu verhindern, indem er in Kenntnis der bevorstehenden Tat und in Wahrnehmung der Tatausführung in keiner Weise auf A einwirkte, um die Tat zu verhindern.

Rechtliche Beurteilung

I./ Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A:

Aus dem Grund der Z. 9 lit a (der Sache nach der Z. 10) des § 281 Abs 1 StPO führt er aus, es sei seiner und der Aussage der Zeugin Katharina C zu entnehmen, daß er sich von hinten der Frau genähert, einmal an deren Handtasche gerissen und dann sofort die Flucht ergriffen habe, weil der Bügel der Handtasche abgerissen sei und sich die Zeugin zu ihm umgedreht habe. Der Angriff sei daher völlig unerwartet erfolgt, sodaß Katharina C eine Widerstandsentschluß gar nicht habe fassen können.

Darüber hinaus sei die Gewalt nicht gegen die Person, sondern gegen die wegzunehmende Sache, also die Handtasche, gerichtet gewesen. Es hätte seine Tat deshalb rechtsrichtig als das Verbrechen des (versuchten) räuberischen Diebstahls nach § 131 StGB beurteilt werden müssen.

Nach den im Akteninhalt gedeckten Feststellungen des Schöffengerichts hat der Beschwerdeführer, der sich im Sinn der Anklage ausdrücklich schuldig bekannte (S. 487/II), so heftig an der Tasche gerissen, daß er die sich gegen das Entreißen wehrende (S. 539/II) Zeugin C eine kurze Strecke (vier bis fünf Schritte, S. 505 f./II) mit sich zog, bis schließlich der Tragriemen abriß (S. 535/II).

In der Hauptverhandlung hat er sich selbst dahin verantwortet, daß er zweimal an der Tasche angezogen habe (S. 499/II). Die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe mit einem unvermuteten Ruck der Zeugin ihre Handtasche entreißen wollen, weicht von den Urteilskonstatierungen ab und stellt sich somit insoweit nicht als gesetzmäßige Ausführung der Rechtsrüge dar.

Was aber die weitere Behauptung des Beschwerdeführers anlangt, die von ihm ausgeübte Gewalt habe sich nicht gegen die Person der Katharina C, sondern gegen ihre Sache, nämlich die Handtasche, gerichtet, weshalb seine Tat nicht als (versuchter) Raub (der die Anwendung von Gewalt oder gefährlicher Drohung gegen eine Person erfordere), sondern eben nur als (versuchter) räuberischer Diebstahl beurteilt werden könnte, stellt sich dies zwar als gesetzmäßige Ausführung des Rechtsmittels dar, doch kommt diesem Vorbringen keine Berechtigung zu. Denn wenn ein Raub unter Anwendung von Gewalt erfolgt, so muß sich diese Gewalt nicht unmittelbar gegen den Körper des Angegriffenen richten (Foregger-Serini, StGB2, Erl. II zu § 142; Leukauf-Steininger2, RN. 22 zu § 142). Vorliegend hat der Beschwerdeführer getrachtet, der sich dagegen wehrenden Katharina C die Tasche zu entreißen, mit anderen Worten, ihren Widerstand gegen die Sachwegnahme zu brechen. Daß die Gewaltanwendung nur auf dem Umweg über die zu raubende Sache geschah, verschlägt nichts, denn letztlich war sie bewußt gegen die Person der Katharina C, die die Tasche festhielt und ihr Eigentum schließlich erfolgreich verteidigte, gerichtet, sodaß sie dem Tatbestand des § 142 Abs 1 StGB genügt.

Eine Tatbeurteilung als räuberischer Diebstahl nach dem § 131 StGB, wie sie der Angeklagte in seinem Rechtsmittel anstrebt, läge nur dann vor, wenn der Dieb, auf frischer Tat betreten, Gewalt oder gefährliche Drohung gegen eine Person anwendete, um sich oder einem Dritten die weggenommene Sache zu erhalten, wovon vorliegend keine Rede sein kann.

II./ Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B:

Auch dieser Beschwerdeführer beruft sich auf den Grund nach § 281 Abs 1 Z. 9 lit a StPO und bringt vor, er sei nicht unmittelbar am Tatort gewesen und die Tat sei zu schnell vor sich gegangen, sodaß er keine Möglichkeit zum hindernden Eingreifen gehabt hätte. Damit führt er jedoch weder den angerufenen, noch sonst einen Nichtigkeitsgrund dem Gesetz gemäß aus, weil er, was eine Rechtsrüge voraussetzt, nicht, von den Konstatierungen des Schöffengerichts ausgehend, diese mit dem darauf angewendeten Gesetz vergleicht, sondern einen urteilsfremden Sachverhalt der rechtlichen Würdigung unterzieht.

Nach den unbedenklichen Urteilsfeststellungen hat der Beschwerdeführer nicht nur nächst dem Tatort dem Geschehen zugesehen (S. 535/II), sondern war schon vor der geplanten Tat durch Bruno Franz A von dessen Vorhaben unterrichtet worden (S. 534/II), ohne daß er ihm zumutbare Maßnahmen zur Verhinderung des geplanten Verbrechens getroffen hätte (S. 539/II). Geht man aber von diesem im Akteninhalt gedeckten (S. 497, 498, 500, 502, 505, 506/II) Urteilssachverhalt aus, so ergibt sich, daß das Verhalten des Beschwerdeführers, der sich in der Hauptverhandlung des ihm angelasteten Vergehens nach § 286

StGB schuldig bekannte (S. 488, 489/II), rechtlich zutreffend beurteilt wurde.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher zu verwerfen.

III./ Zu den Berufungen:

Das Schöffengericht verhängte über Bruno Franz A nach § 142 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren, über Rudolf B nach § 129 StGB eine solche von eineinhalb Jahren. In Bemessung dieser Strafen wertete es bei A als erschwerend eine einschlägige Vorstrafe, die Begehung und Wiederholung zahlreicher strafbarer Handlungen derselben und verschiedener Art und die mehrfache Qualifikation zum strenger strafbaren Diebstahl, als mildernd hingegen das Geständnis dieses Angeklagten, sein Alter unter 21 Jahren (zur Tatzeit) und, daß zwei Delikte (insbesondere der Raub) beim Versuch geblieben waren; bei B waren erschwerend vier einschlägige Vorstrafen, die Begehung und Wiederholung zahlreicher strafbarer Handlungen derselben und verschiedener Art sowie die mehrfache Qualifikation zum strenger strafbaren Diebstahl, mildernd hingegen das Geständnis auch dieses Angeklagten, sein Alter unter 21 Jahren sowie, daß ein Einbruchsdiebstahl beim Versuch geblieben war. Mit ihren Berufungen begehren die Angeklagten A und B eine Herabsetzung der über sie verhängten Freiheitsstrafen. Dies zu Unrecht.

Ein ernsthaftes Bemühen des Angeklagten A, den angerichteten Schaden gutzumachen, ist, abgesehen von bloßen Erklärungen, die aber für sich allein ein milderndes Gewicht nicht beanspruchen können (Leukauf-Steininger2 RN. 23 zu § 34 StGB), den Akten nicht zu entnehmen. Auch Sorgepflichten (für Frau und Kind) stellen keinen Milderungsgrund dar (a.a.O. RN. 29). Selbst wenn man dem Angeklagten A noch eine vernachlässigte Erziehung zugute halten wollte, kann angesichts der ungewöhnlichen Deliktskonkurrenz von einem überhöhten Strafmaß keine Rede sein.

Eine Freiheitsstrafe von längerer Dauer ist schon deshalb von nöten, weil auch die zeitlichen Voraussetzungen für eine intensive Einwirkung auf A im Strafvollzug vorliegen müssen, deren es bedarf, um ihm die Folgen seiner kriminellen Lebensführung eindringlich vor Augen zu bringen und einem drohenden Rückfall vorzubeugen. Gleiches gilt auch für den Angeklagten B. Seiner gegenüber A geringeren kriminellen Involvierung trug bereits das Gesetz durch einen milderen Strafsatz und das Gericht durch Verhängung einer weitaus milderen Strafe Rechnung. Zu Recht konnte das Gericht auch die mehrfache Qualifikation zum strenger strafbaren Diebstahl erschwerend werten, ohne gegen ein Doppelverwertungsverbot zu verstoßen, weil die qualifizierenden Merkmale der Tatbestände des § 127 Abs 2 Z. 1 und § 128 Abs 1 Z. 4 StGB

ein jeweils eigenständiges Unrecht vertypen, das zusätzlich ins Gewicht fällt, zumal die (vorliegend für den Diebstahl - hypothetisch - nach § 129 StGB heranzuziehende) gesetzliche Strafdrohung nicht durch diese Qualifikationsumstände bestimmt wird (§ 32 Abs 2, erster Satz, StGB). Gerade die vernachlässigte Erziehung erheischt auch bei diesem Angeklagten ein Strafmaß, das eine realistische Grundlage für wirksame Resozialisierungsbemühungen bietet.

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