OGH 7Ob634/89

OGH7Ob634/8920.7.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Adrian Michael W***, Kellner, Spittal/Drau, Lieserrain 6, vertreten durch Dr. Rudolf Weiß, Rechtsanwalt in Spittal/Drau, wider die beklagte Partei mj. Melanie W***, geboren am 15. Februar 1983, vertreten durch die Mutter Martina W***, beide Kleinarl, Mitterkleinarl Nr. 10, letztere vertreten durch Dr. Josef Dengg, Rechtsanwalt in St. Johann i.Pongau, wegen Rechtsunwirksamkeit eines Vaterschaftsanerkenntnisses, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 17. April 1989, GZ. 21c R 3/89-31, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes St. Johann i.P. vom 4. November 1988, GZ. 1 C 13/88-14, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Der Kläger hat am 1. April 1983 vor der Bezirkshauptmannschaft St. Johann/Pongau die Vaterschaft zur Beklagten anerkannt. Er begehrt nunmehr die Feststellung der Unwirksamkeit des Vaterschaftsanerkenntnisses, weil er Mitte Juni 1988 gehört habe, daß die Mutter Martina W*** während der kritischen Zeit auch zumindest mit einem anderen Mann Geschlechtsverkehr gehabt habe, weshalb das Kind nicht vom Kläger stamme.

Die Vorinstanzen haben das Klagebegehren abgewiesen und hiebei festgestellt, daß die Mutter während der kritischen Zeit ausschließlich mit dem Kläger Geschlechtsverkehr hatte. Sie hat nie behauptet, daß ein anderer Mann als Erzeuger des Kindes in Frage komme. Aufgrund der Ergebnisse serologischer Gutachten beträgt die positive Vaterschaftswahrscheinlichkeit für den Kläger 95 % mit der Beurteilung "Vaterschaft sehr wahrscheinlich".

Nachdem der Kläger in der Berufung bemängelt hatte, daß die Blutmerkmale "Tf" und "Pi" vom Sachverständigen nicht untersucht worden seien, nahm das Berufungsgericht telefonisch Kontakt zum Sachverständigen auf und hielt dessen Mitteilung in einem Amtsvermerk vom 27. Februar 1989 fest. Nach diesem Amtsvermerk ist eine Untersuchung der erwähnten Seren entbehrlich, weil die vom Sachverständigen vorgenommenen Untersuchungen die neuere und genauere Untersuchungsmethode darstellten, zumal dabei auf wesentlich mehr Untergruppierungen Bedacht genommen ist, als dies bei den erwähnten Seren der Fall wäre.

In rechtlicher Hinsicht führten beide Vorinstanzen aus, daß dem Kläger der von ihm zu erbringende Beweis für die Unrichtigkeit seines Vaterschaftsanerkenntnisses nicht gelungen sei. Die vom Kläger gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist gerechtfertigt. Daß das Erstgericht keine weiteren Männer in die Untersuchungen miteinbezogen hat, begründet allerdings keinen Verfahrensmangel, weil kein Anhaltspunkt dafür besteht, daß die Mutter während der kritischen Zeit mit einem dieser Männer Geschlechtsverkehr hatte. Das Erstgericht hat im Rahmen der vom Berufungsgericht gebilligten Beweiswürdigung der Mutter dahin Glauben geschenkt, daß sie während der kritischen Zeit nur mit dem Kläger Geschlechtsverkehr hatte. Hier handelt es sich um einen Akt der Beweiswürdigung, den der Oberste Gerichtshof auch im Abstammungsverfahren nicht überprüfen kann. Er kann demnach auch nicht prüfen, ob die vorliegenden Beweisergebnisse ausreichen oder ob Kontrollbeweise notwendig wären (8 Ob 645/88, 7 Ob 669/84, 6 Ob 508/84 ua.). Im Hinblick auf die sehr unbestimmte Aussage des Klägers bestand für das Erstgericht auch keinerlei Anhaltspunkt für die Annahme, die Mutter hätte während der kritischen Zeit mit einem anderen Mann verkehrt. Auch bei Anlegung des gebotenen strengen Maßstabes geht der Untersuchungsgrundsatz nicht so weit, daß sämtliche erdenklichen Beweise aufgenommen werden müßten. Die Anwendung des Untersuchungsgrundsatzes liegt vielmehr im pflichtgemäßen richterlichen Ermessen (EvBl. 1978/166, EFSlg. 26.736 ua.). Bei der gegebenen Sachlage und dem Eindruck, den das Erstgericht von den vernommenen Personen gewonnen hat, wäre demnach eine Anleitung des Klägers dahin, er möge die Einvernahme eines bestimmten Mannes über dessen Geschlechtsverkehr mit der Mutter zu einem dem Kläger gar nicht bekannten Zeitpunkt beantragen, keine zweckdienliche Verbreiterung der Entscheidungsbasis, sondern nur eine unnötige Ausweitung des Verfahrens gewesen. Mit Recht hat demnach das Berufungsgericht den behaupteten Verfahrensmangel durch verabsäumte Anleitung des Klägers im erstgerichtlichen Verfahren verneint. Erbringen die Verfahrensergebnisse nicht den Beweis dafür, daß ein weiterer Mann der Mutter während der kritischen Zeit beigewohnt hat, so scheidet die Möglichkeit einer vergleichenden Untersuchung im Sinne des § 163 Abs. 2 ABGB aus. Steht also aufgrund einer für den Obersten Gerichtshof bindenden Beweiswürdigung fest, daß bestimmte Männer nicht als Mehrverkehrspersonen in Frage kommen, so fehlt die Basis für eine vergleichende Untersuchung auch dieser Männer.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 163 Abs. 2 ABGB kann jedoch der Mann, auf den die Vermutung des Abs. 1 zutrifft, diese durch den Beweis einer solchen Unwahrscheinlichkeit der Vaterschaft entkräften, die unter Würdigung aller Umstände gegen die Annahme spricht, daß er das Kind gezeugt hat. Zum Zwecke dieses Beweises wurde ein Sachverständigengutachten eingeholt. Die Würdigung dieses Gutachtens fällt an sich ebenfalls in das Gebiet der Beweiswürdigung, die vom Obersten Gerichtshof nicht überprüft werden kann. Das Berufungsgericht hat jedoch nicht schlechthin die Beurteilung des Gutachtens durch das Erstgericht übernommen, sondern es für notwendig befunden, eine Ergänzung des Gutachtens vorzunehmen. Dies geschah auf die ungewöhnliche Weise einer telefonischen Rückfrage, deren Ergebnis in einem Amtsvermerk festgehalten wurde. Ob diese Vorgangsweise an sich einen Verfahrensmangel begründen könnte, muß hier nicht erörtert werden, weil es das Prinzip des Parteiengehörs gebietet, daß Beweisergebnisse den Parteien zur Kenntnis gebracht werden. Dies hat das Berufungsgericht nach dem Inhalt des Protokolles über die mündliche Berufungsverhandlung vom 17. April 1989 unterlassen. Damit hat es den Parteien die Möglichkeit genommen, auf die ergänzenden Beweisergebnisse zu reagieren. Ob eine solche Reaktion, etwa in Form einer zusätzlichen Antragstellung, einen Erfolg gehabt hätte, war nicht zu erörtern, weil das Unterlassen der Bekanntgabe des Ergebnisses einer ergänzenden Beweisaufnahme bereits einen Verfahrensmangel darstellt, durch den entscheidend in die Rechte der Parteien eingegriffen worden ist. Dieser Verfahrensmangel mußte zur Aufhebung des angefochtenen Urteiles führen.

Das Berufungsgericht wird also im fortgesetzten Berufungsverfahren den von ihm aufgenommenen Amtsvermerk über die Rücksprache mit dem Sachverständigen den Parteien zur Kenntnis zu bringen haben. Immerhin erwähnt der Sachverständige in diesem Gespräch eine weitere Untersuchungsmethode, die er bisher nicht als völlig zwecklos darstellt. Ob dieser Umstand die Notwendigkeit einer Ergänzung des Verfahrens, etwa durch Ergänzung des Gutachtens, mit sich bringt, muß das Berufungsgericht nach Erörterung mit den Parteien entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

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