Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die zweitbeklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagten schlossen am 26. Jänner 1983 vor dem Standesamt Moskau (zu Nr. DIS I-MJU OO8406) die Ehe; der Erstbeklagte war damals und ist auch heute noch österreichischer Staatsbürger, die Zweitbeklagte war bis zur Eheschließung Staatsangehörige der UdSSR und erwarb auf Grund dieser Eheschließung die österreichische Staatsbürgerschaft, die sie auch jetzt noch besitzt. Die Eheschließung erfolgte vorwiegend zu dem Zweck, der Zweitbeklagten den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft zu ermöglichen; eine eheliche Lebensgemeinschaft sollte nicht begründet werden. Unmittelbar nach der Eheschließung kehrte der Erstbeklagte nach Österreich zurück, die Zweitbeklagte folgte ihm erst am 14. Oktober 1983 nach. Der Erstbeklagte hielt sich in der von der Zweitbeklagten in Wien benützten Wohnung fallweise auf. Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Favoriten vom 6. November 1984 (AZ 2 Sch 181/84) wurde die Ehe auf Antrag beider Gatten rechtskräftig gemäß § 55 a EheG geschieden; die Eheleute hatten dort vorgebracht, die eheliche Lebensgemeinschaft sei seit April 1984 aufgehoben. Am 22. August 1986 schloß die Zweitbeklagte mit Albert F*** die Ehe, verlor dadurch aber nicht die österreichische Staatsbürgerschaft.
Der Staatsanwalt erhob in diesem Verfahren gemäß den §§ 23 und 28 Abs 1 EheG die Ehenichtigkeitsklage mit der Begründung, die Beklagten hätten mit der Eheschließung nicht die Aufnahme einer Ehegemeinschaft, sondern den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft durch die Zweitbeklagte beabsichtigt. Während der Erstbeklagte die Klagebehauptungen nicht bestritt, behauptete die Zweitbeklagte, es habe sich um eine "Liebesheirat" gehandelt.
Rechtliche Beurteilung
Das Erstgericht gab der Nichtkeitsklage des Staatsanwaltes statt. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Annahme einer Staatsbürgerschaftsehe gemäß § 23 Abs 1 EheG lägen hier vor; die Sanierungsvoraussetzungen nach § 23 Abs 2 EheG seien nicht erfüllt. Selbst die von der Zweitbeklagten behaupteten und vom Erstbeklagten bestrittenen, aber erwiesenen geschlechtlichen Beziehungen der beiden Beklagten könnten an dieser Beurteilung nichts ändern, weil sich daraus noch nicht die Absicht auf Aufnahme einer ehelichen Lebensgemeinschaft ergebe.
Die Berufung der Zweitbeklagten blieb erfolglos.
Auch ihre Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichtes ist
nicht berechtigt.
Der Oberste Gerichtshof stellt nach Überprüfung der Akten fest, daß die in der Revision behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nicht vorliegt (§ 510 Abs 3 ZPO). Die von der Zweitbeklagten gewünschte Zurückweisung der Nichtigkeitsklage des Staatsanwaltes aus dem Grunde des § 75 Z 3 ZPO, weil die eigenhändige Unterschrift des Staatsanwaltes fehle, kommt schon wegen der Bestimmung des § 17 Abs 1 lit c StAGeo, BGBl. 1951/267, die im wesentlichen der nunmehrigen Bestimmung des § 23 Abs 1 Z 3 der DV-StAG, BGBl. 1986/338 entspricht, nicht in Betracht, weil danach alle die Geschäftsfälle der Staatsanwaltschaft in bürgerlichen Rechtssachen betreffenden Ausfertigungen unter dem Abdruck der Unterfertigungsstampiglie des Staatsanwaltes, der das Stück erledigt hat, vom Vorsteher der Geschäftsstelle (Leiter der Geschäftsabteilung) zu unterschreiben sind; dies ist im vorliegenden Fall auch geschehen. Im übrigen hätte die im Verfahren einschreitende Vertreterin der Staatsanwaltschaft Wien durch den Vortrag der Klage diesen angeblichen Mangel auch saniert. Soweit in der Revision unter dem Titel "Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens" Fragen der Beweiswürdigung angeschnitten werden, ist die Revisonswerberin auf die Unanfechtbarkeit der Tatsachenfeststellungen in dritter Instanz hinzuweisen; soweit es sich dabei aber um bereits vom Berufungsgericht als nicht gegeben erachtete Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens handelt, ist deren erneute Geltendmachung in dritter Instanz nach ständiger Rechtsprechung unzulässig.
Die Vorinstanzen haben, wenngleich sich bei einer sogennannten Staatsbürgerschaftsehe gemäß § 23 Abs 1 zweiter Fall EheG zwangsläufig eine das Kollisionsrecht ansprechende Auslandsberührung ergibt, ohne kollisionsrechtliche Erörterung aber im Ergebnis zutreffend österreichische Sachrecht angewendet.
Gemäß § 17 Abs 1 IPRG sind die Voraussetzungen der Eheschließung, der Ehenichtigkeit und der Aufhebung für jeden der Verlobten nach seinem Personalstatut, also gemäß § 9 nach dem Recht des Staates, dem die Person angehört, zu beurteilen. § 17 IPRG regelt sohin nicht nur die sachlichen (nicht zur Form des § 16 IPRG zählenden) Ehevoraussetzungen, sondern auch die Rechtsfolgen einer Verletzung der sachlichen Ehevoraussetzungen, und zwar alle Rechtsfolgen des maßgeblichen Rechtes, die an die Mißachtung sachlicher Voraussetzungen geknüpft sind. Von der Wirkung einer derartigen Verletzung wird freilich immer das gesamte Eheverhältnis erfaßt, unabhängig davon, ob die Verletzung beide Personalstatuten - wenn auch aus verschiedenen Gründen - oder nur eines von ihnen betrifft (Schwimann in Rummel II Rz 2 und 3 zu § 17 IPRG). Deshalb sind zunächst die in Frage kommenden Bestimmungen des österreichischen und des - für die Zweitbeklagte maßgeblichen - sowjetrussischen Rechtes gegenüberzustellen und zu beurteilen.
Gemäß § 23 Abs 1 EheG ist eine Ehe nichtig, wenn sie ausschließlich oder vorwiegend zu dem Zweck geschlossen ist, der Frau (die Führung des Familiennamens des Mannes oder) den Erwerb der Staatsangehörigkeit des Mannes zu ermöglichen, ohne daß die eheliche Lebensgemeinschaft begründet werden soll. Gemäß § 23 Abs 2 EheG ist die Ehe jedoch als von Anfang gültig anzusehen, wenn die Ehegatten nach der Eheschließung fünf Jahre oder, falls einer von ihnen vorher verstorben ist, bis zu seinem Tode, jedoch mindestens drei Jahre, als Ehegatten miteinander gelebt haben, es sei denn, daß bei Ablauf der fünf Jahre oder zur Zeit des Todes des einen Ehegatten die Nichtigkeitsklage erhoben ist.
Der zweite Fall des § 23 Abs 1 EheG (die sogenannte Staatsbürgerschaftsehe) bewirkt also nur dann die Nichtigkeit der Eheschließung, wenn die Absicht beider Eheschließenden ausschließlich oder vorwiegend auf den Erwerb der Staatsangehörigkeit des Mannes durch die Frau und auf die Nichtbegründung einer ehelichen Lebensgemeinschaft gerichtet ist (Pichler in Rummel II Rz 1 zu § 23 EheG).
In der für die Zweitbeklagte maßgeblichen Rechtsordnung der RSFSR findet sich ein dem eben nach österreichischem Recht dargestellten Tatbestand der Staatsbürgerschaft identischer oder vergleichbarer Ehenichtigkeitsgrund nicht. Im Kapitel 6 des Gesetzes der RSFSR zur Bestätigung des Ehe- und Familienkodex der RSFSR vom 30. Juli 1969 (Nachweis bei Bergmann-Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, IX Länderteil UdSSR) befaßt sich Art 43 unter dem Titel "Ungültigkeit der Ehe" mit den Voraussetzungen der Ungültigerklärung der Ehe. Danach kann eine Ehe ... für ungültig erklärt werden ..., wenn eine Ehe nicht in der Absicht der Familiengründung geschlossen wurde (fiktive Ehe).
Eine Ehe darf nicht zur fiktiven Ehe erklärt werden, wenn die Personen, die die Ehe registriert haben, bis zur Gerichtsentscheidung tatsächlich eine Familie gegründet haben. Bestehen im Zeitpunkt der Sachentscheidung die Umstände nicht mehr, die die Eheschließung verhindern, so kann die Ehe als von dem Zeitpunkt ab für gültig festgestellt werden, in dem diese "Umstände fortgefallen sind."
"Für das Verfahren der Ungültigerklärung der Ehe bestimmt Art. 44 leg.cit.: Die Ungültigerklärung der Ehe erfolgt auf dem Gerichtsweg.
Die Ungültigerklärung der Ehe kann von den Ehegatten und von solchen Personen beantragt werden ... sowie durch den Prokurator ..."
Vergleicht man diese Regelungen der beiden Rechtsordnungen, so ist zu erkennen, daß nach jeder von ihnen nur zum Schein geschlossene Ehen unter gewissen Voraussetzungen gerichtlich für nichtig (ungültig) erklärt werden können und dazu (auch) der Staatsanwalt klageberechtigt ist.
Über die Folgen der Verletzung materieller Ehevoraussetzungen entscheidet das "verletzte" Recht, also jenes Personalstatut, dessen Vorschriften nicht eingehalten wurden (Schwimann im Grundriß des IPR 205, in JBl den 1979, 341 ff, bes. 345, und auch im Münchener Kommentar zum BGB, Rz 78 ff zu Art. 13 EGBGB). Es bestimmt daher nicht nur Art und Umfang der eherechtlichen Sanktion, sondern auch die Einzelheiten ihrer Geltendmachung, insbesondere die Klageberechtigung des Staatsanwaltes (Schwimann jeweils aaO). Bei Verletzung beider Personalstatuten ist zunächst zu prüfen, welche Sanktionen wirksam werden, wobei die Wirksamkeit entweder unmittelbar kraft Gesetzes (etwa die Nichtehe) oder durch gerichtliche Geltendmachung von den dazu berechtigten Personen ausgelöst werden und insoweit von Parteiendisposition abhängen kann. Kommt auf diese Weise die Sanktion nur eines der Personalstatuten zur Geltung und bleibt der Mangel nach dem anderen Personalstatut mangels Geltendmachung ohne Sanktion, dann tritt eine Konkurrenz der beiden an sich vorliegenden Mangelfolgen gar nicht ein (Schwimann aaO Rz 80 zu Art. 13 EGBGB). Hängt daher die Sanktion der beiden Statuten - wie hier - von der Geltendmachung ab, so entscheidet zunächst das zeitliche Zuvorkommen, wenn auch etwa die schwerere Sanktion einer leichteren nachfolgen kann (Schwimann, Grundriß des IPR 205). Zu einer echten Konkurrenz kommt es nur dann, wenn durch zweiseitige Ehehindernisse abweichende Rechtsfolgen beider Personalstatuten gleichzeitig gelöst werden; nur für diesen Fall gilt der (in der deutschen Lehre einhellig anerkannte) Grundsatz "des ärgeren Rechtes", demzufolge das Recht mit der strengeren Sanktion den Ausschlag gibt. Im vorliegenden Fall hat der österreichische Staatsanwalt den nach österreichem Eherecht bestehenden Nichtigkeitstatbestand der Staatsbürgerschaftsehe gemäß § 23 Abs 1 EheG - und nicht auch etwa gleichzeitig der Prokurator nach dem für die Zweitbeklagte maßgeblichen Sachrecht den Ungültigkeitstatbestand der fiktiven Ehe - geltend gemacht, so daß im Sinne der dargelegten und vom 8. Senat hier gebilligten Rechtsausführungen Schwimann schon wegen des Zuvorkommens des österreichischen Staatsanwaltes der mit der gleichen Rechtsfolge (der Nichtigerklärung der Ehe) ausgestattete österreichische Verletzungstatbestand zur Anwendung österreichischen Sachrechts führt.
Inwieweit die im vorliegenden Fall zur Anwendung kommende Bestimmung des § 23 Abs 1 zweiter Fall EheG (Staatsbürgerschaftsehe) eine Diskriminierung der Frau bedeuten und deshalb verfassungswidrig sein soll, weil, wie die Zweitbeklagte meint, gemäß § 93 Abs 1 ABGB nunmehr auch der Mann durch die Eheschließung den Namen der Frau erwerben könne, ist nicht erkennbar, denn der Fall der Namensehe (erster Fall des § 23 Abs 1 EheG) steht hier gar nicht zur Entscheidung.
Abgesehen davon, daß nach den Feststellungen der Tatsacheninstanzen die Zweitbeklagte die österreichische Staatsbürgerschaft erworben hat, wäre für ihren Rechtsstandpunkt auch durch die Änderung staatsbürgerschaftsrechtlicher Bestimmungen, wonach die (fremde) Frau die Staatsangehörigkeit des (österreichischen) Mannes mit der Eheschließung nicht mehr kraft Gesetzes (§ 4 StGB 1949) oder durch Erklärung (§ 9 b StGB 1965), sondern nur mehr beim Vorliegen weiterer gesetzlich umschriebener Voraussetzungen durch Verleihung über Antrag (gemäß § 11 a StGB 1965 idgF) erwerben kann, nichts zu gewinnen. Die Eheschließung ist auch nach dieser Regelung noch immer ein staatsbürgerschaftsrechtlich erhebliches Tatbestandselement, sie "ermöglicht" in diesem Sinne immer noch - gegenüber anderen Fremden erleichtert - den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft (vgl. JBl 1989, 306 = RZ 1989/24).
Wie die Vorinstanzen zutreffend erkannten, kommt es für die Annahme des Nichtigkeitsgrundes einer Staatsbürgerschaftsehe darauf an, daß die Absicht der beiden Beklagten im Zeitpunkt der Eheschließung am 26. Jänner 1983 darauf gerichtet war, die Ehe, ausschließlich oder doch vorwiegend zu dem Zweck zu schließen, dadurch der Zweitbeklagten den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft zu ermöglichen, ohne eine ihrem Wesen entsprechende eheliche Lebensgemeinschaft zu begründen. Diese - von der Revision für die Zweitbeklagte vermißte - Tatsachenfeststellung ist aber im Ersturteil (Urteilsausfertigung S. 4) ohnedies getroffen worden, so daß die in der Revision aus dem Nichtvorliegen dieser Feststellung abgeleiteten rechtlichen Überlegungen auf sich beruhen können.
Die Revision der Zweitbeklagten bleibt somit ohne Erfolg. Die Revisionskostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 ZPO.
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