Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß er zu lauten hat:
"Die Exekution durch zwangsweise Räumung des von der verpflichteten Partei benützten Geschäftslokales top Nr.23 im Haus Baden, Wassergasse 3, wird bis zur rechtskräftigen Beendigung des beim Handelsgericht Wien zum AZ 21 Cg 475/87 anhängigen Verfahrens aufgeschoben, falls zur Sicherstellung des Anspruches der betreibenden Partei ein Betrag von S 150.000 zu Gericht erlegt wird. Die betreibende Partei hat die Kosten ihrer Äußerung ON 18 und des Rekurses an die zweite Instanz ON 20 selbst zu tragen."
Die betreibende Partei ist schuldig, der verpflichteten Partei die mit S 2.966,40 (darin S 494,40 an Umsatzsteuer) bestimmten Rekurskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Am 2.März 1987 schloß die (als klagende Partei bezeichnete) betreibende Partei mit der (als beklagte Partei bezeichneten) verpflichteten Partei vor dem Bezirksgericht Baden zu 3 C 407/87 folgenden Vergleich:
"Festgestellt wird, daß die klagende Partei der beklagten Partei das Bestandobjekt in 2500 Baden, Wassergasse 3/23, prekaristisch überlassen hat.
Die beklagte Partei verpflichtet sich, das Bestandobjekt innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt der eingeschriebenen Aufkündigung durch die klagende Partei zu räumen und geräumt von ihren Fahrnissen zu übergeben. Ausgenommen von dieser Räumungsverpflichtung ist die im Geschäftslokal befindliche Geschäftseinrichtung. Die beklagte Partei verzichtet auf die Gewährung jeglichen Räumungsaufschubes und verzichtet auf Rechtsmittel gegen einen allfälligen Beschluß auf Bewilligung der zwangsweisen Räumung."
Auf Grund dieses Vergleiches bewilligte das Erstgericht der betreibenden Partei mit Beschluß vom 24.Jänner 1989 die zwangsweise Räumung; der Exekutionsbewilligungsbeschluß blieb unangefochten. Am 16.Februar 1989 beantragte die verpflichtete Partei die Aufschiebung der Exekutions bis zur rechtskräftigen Beendigung des beim Handelsgericht Wien zu 21 Cg 475/87 anhängigen Verfahrens, in dem sie die Nichtigerklärung des Vergleiches zufolge Kollusion und sohin die Unwirksamerklärung des der bewilligten Exekution zugrundeliegenden Exekutionstitels im Sinne des § 42 Abs 1 Z 1 EO begehre. Der im Vergleich enthaltene Verzicht auf Räumungsaufschub beziehe sich keinesfalls auf Gründe, die die Gültigkeit des gesamten Vergleiches und damit auch der Verzichtsklausel selbst betreffen. Das im Vergleich angeführte Geschäftslokal sei die einzige Verkaufsmöglichkeit der verpflichteten Partei; durch eine zwangsweise Räumung würde die Geschäftstätigkeit der verpflichteten Partei vollkommen zum Erliegen kommen und ein nicht wieder gut zu machender Schaden eintreten. Der betreibenden Partei entstehe durch die Aufschiebung kein Schaden, weil die Mietzinse beim Vertreter der verpflichteten Partei zugunsten des Vermieters laufend hinterlegt würden; von einer Sicherheitsleistung sei daher Abstand zu nehmen. Die betreibende Partei beantragte die Abweisung des Aufschiebungsantrages, in eventu dessen Bewilligung unter Auferlegung einer Sicherheitsleistung von S 2,040.000. Der behauptete Anfechtungstatbestand sei nicht gegeben. Der verpflichteten Partei entstünde durch den Vollzug der Räumung kein unersetzlicher oder schwer zu ersetzender Vermögensnachteil; sie müsse sich am freien Markt um ein anderes Geschäftslokal umsehen. Der monatliche Schaden der betreibenden Partei betrage zumindest S 60.000.
Das Erstgericht ordnete die Aufschiebung der Exekution an. Die Erfolgsaussichten der von der verpflichteten Partei eingebrachten Klage auf Unwirksamerklärung des der Exekution zugrundeliegenden Exekutionstitels seien als günstig einzuschätzen. Der Vermögensnachteil für die verpflichtete Partei im Sinne des § 44 Abs 1 EO sei bei einer Räumungsexekution offenkundig und bedürfe keiner weiteren Behauptung und Bescheinigung. Eine Sicherheitsleistung sei nicht aufzuerlegen gewesen, weil die verpflichtete Partei bescheinigt habe, daß sie den Mietzins laufend zugunsten der Vermieterin S*** B*** treuhändig erlege. Drohender Schaden durch entgangenen Gewinn, wie ihn die betreibende Partei behaupte, sei bei der Aufschiebung einer Räumungsexekution nicht maßgeblich.
Das Rekursgericht wies den Aufschiebungsantrag ab; es sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 15.000, aber nicht S 300.000 übersteige, und daß der weitere Rekurs an den Obersten Gerichtshof nicht zugelassen werde. Die verpflichtete Partei habe die Aufschiebung der Exekution ohne Auferlegung einer Sicherheitsleistung beantragt. Die Exekutionsaufschiebung könne daher nur bewilligt werden, wenn eine Sicherheitsleistung nicht notwendig sei. Das sei aber nicht der Fall. Es gehe hier nicht um ein Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter; vielmehr führten zwei Interessenten einen Streit um ein Bestandobjekt, an dem der Vermieter nicht beteiligt sei. Auch beim Exekutionstitel handle es sich um den Räumungsanspruch eines Interessenten gegen den anderen. Die Behauptung der verpflichteten Partei, der betreibenden Partei entstehe durch die Aufschiebung kein Schaden, weil der Mietzins zugunsten des Vermieters hinterlegt werde, gehe daher ins Leere. Zur Befriedigung des betreibenden Gläubigers gehöre die rechtzeitige Räumung. Alle Schäden, die dem betreibenden Gläubiger durch eine Verzögerung der Räumung drohen, stellten sich daher als Gefährdung seiner Befriedigung dar. Es sei weder bescheinigt, daß die betreibende Partei dadurch, daß ihr das Geschäftslokal nicht zur Verfügung stehe, keinen Schaden habe, noch auch, daß ein allfälliger Schaden bei der verpflichteten Partei problemlos hereingebracht werden könne. Der Nachteil des betreibenden Gläubigers bestehe darin, daß ihm das Geschäftslokal nicht zur eigenen Verwendung zur Verfügung stehe. Eine Exekutionsaufschiebung komme daher nur unter Auferlegung einer Sicherheitsleistung in Betracht. Dies aber sei nicht möglich, weil die verpflichtete Partei die Aufschiebung ohne Auferlegung einer Sicherheit beantragt habe. Der Aufschiebungsantrag sei deshalb abzuweisen gewesen. Eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung liege nicht vor, so daß der Revisionsrekurs nicht zuzulassen gewesen sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der verpflichteten Partei ist im Sinne des § 528 Abs 2 ZPO iVm § 502 Abs 4 Z 1 ZPO und § 78 EO zulässig, weil die zweite Instanz bei ihrer Entscheidung von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist; er ist auch berechtigt. Vorausgeschickt sei, daß das Erstgericht mit Recht davon ausgegangen ist, daß die dem Aufschiebungsantrag zugrundeliegende Klageführung nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit aussichtslos ist (RdW 1986 114 ua.). Die betreibende Partei hat auch in ihrem Rekurs an die zweite Instanz dazu keine echten Gegenargumente vorgetragen. Der Aufschiebungsgrund nach § 42 Abs 1 Z 1 EO ist also gegeben, sodaß es nur mehr um die Frage gehen kann, ob die Aufschiebung mit oder ohne Sicherheitsleistung zu bewilligen ist.
In der Entscheidung vom 22.Oktober 1986, 3 Ob 84/86 (JBl 1988, 527), die das Rekursgericht seiner Entscheidung zugrundegelegt hat, hat der Oberste Gerichtshof die Ansicht, das Gericht sei nicht befugt, die Aufschiebung der Exekution gegen Erlag einer Sicherheit zu bewilligen, wenn die verpflichtete Partei die Aufschiebung der Exekution ohne Auferlegung einer Sicherheit beantrage, entgegen der Darstellung der zweiten Instanz keineswegs in dieser Form vertreten. Ausgeführt wurde vielmehr, das Gericht habe, sei aus einem Antrag erkennbar, daß es dem Aufschiebungswerber auf jeden Fall um die Aufschiebung der Exekution gehe, gleichgültig unter welchen Bedingungen diese bewilligt werde, einen Aufschiebungsantrag auch ohne ausdrückliches Anbot einer Sicherheit immer auch darauf zu prüfen, ob dem Antrag allenfalls unter Auferlegung einer Sicherheit stattgegeben werden könne; habe aber die verpflichtete Partei ausdrücklich und unmißverständlich nur eine Aufschiebung ohne Auferlegung einer Sicherheit beantragt, sei das Gericht nicht befugt, der verpflichteten Partei sozusagen von Amts wegen die von ihr gar nicht angestrebte Aufschiebung der Exekution gegen Erlag einer Sicherheit aufzudrängen.
Es ist im vorliegenden Fall entbehrlich, auf die Kritik dieser Entscheidung von Rechberger in JBl 1988, 504, einzugehen; denn die verpflichtete Partei hat zwar in ihrem Aufschiebungsantrag die Ansicht vertreten, es sei von einer Sicherheitsleistung Abstand zu nehmen, weil der betreibenden Partei (durch eine Aufschiebung) ein Schaden nicht entstehe, da die Mietzinse laufend beim Vertreter der verpflichteten Partei zugunsten des Vermieters hinterlegt würden. Sie hat damit aber doch nicht ausdrücklich und unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß sie eine Aufschiebung nur ohne Auferlegung einer Sicherheit beantrage, sondern mit ihren Ausführungen ganz offensichtlich auf die herrschende Rechtsprechung Bezug genommen, wonach bei einer Exekution durch zwangsweise Räumung die Höhe der Sicherheitsleistung sich nach dem Schaden zu richten habe, der dem betreibenden Gläubiger zufolge Verzögerung seines Anspruches auf Übergabe des zu räumenden Objektes entstehen könne und der vor allem in einem Entgang jenes Entgelts bestehe, das bei einer Vermietung nach Freiwerden des Objekts erreicht werden könne.
Der Ansicht des Rekursgerichtes, daß die Aufschiebung der Exekution (nur) unter Auferlegung einer Sicherheitsleistung zu bewilligen sei, hat sich die verpflichtete Partei in ihrem Revisionsrekurs ausdrücklich angeschlossen.
Die Sicherheit soll den Schaden decken, der dem betreibenden Gläubiger infolge Verzögerung seiner Befriedigung entstehen könnte (Heller-Berger-Stix 553); sie soll den Gläubiger für den Fall, daß die Aktion des Aufschiebungswerbers erfolglos bleibt, vor allen Nachteilen schützen (Heller-Berger-Stix 551). Es sind alle nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls möglichen Nachteile zu berücksichtigen, bei einer Räumungsexekution daher vor allem der Entgang jenes Entgelts, das bei Verwertung nach Freiwerden des Objekts erzielt werden könnte (MietSlg 38.832).
Die betreibende Partei behauptet, einen monatlichen Schaden von zumindest S 60.000 dadurch zu erleiden, daß die verpflichtete Partei das Geschäftslokal nicht räume; dies entspreche dem in diesem Geschäft erzielbaren Nettoumsatz. Wieso dieser Umsatz der betreibenden Partei (die nicht mehr Gesellschafterin der verpflichteten Partei ist und nach der Aktenlage auch kein anderes Unternehmen betreibt) zufließen soll, bleibt unklar. Nicht ausgeschlossen werden kann allerdings, daß die betreibende Partei die Geschäftsräumlichkeiten nach Freiwerden des Objektes besser verwerten kann, als dies zur Zeit durch die als "prekaristisch" bezeichnete Benützung durch die verpflichtete Partei der Fall ist. Mit Rücksicht auf die Höhe des von der betreibenden Partei selbst bezahlten Mietzinses (von S 10.000 monatlich, ON 28 und 34) erscheint es gerechtfertigt, einen Betrag in derselben Höhe als Entgang anzunehmen. Von einer voraussichtlich längeren Prozeßdauer als einem Jahr kann derzeit nicht ausgegangen werden, was in Zusammenhalt mit der schon verstrichenen Zeit eine Sicherheit von S 150.000 rechtfertigt.
Es war deshalb der angefochtene Beschluß spruchgemäß abzuändern. Die Kostenentscheidung erfolgte nach § 78 EO, §§ 40, 41 und 50 ZPO (Zwischenstreit).
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