OGH 4Ob551/89

OGH4Ob551/8911.7.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes, Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. G*** T*** AN DER W***, 2. U*** T***, beide

vertreten durch DDr. Walter Barfuß und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei U*** S*** E***,

Flugplatz Trausdorf, vertreten durch Dr.Josef Lenz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Berufungsgerichtes vom 30.März 1989, GZ R 49/89-26, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Eisenstadt vom 9.Dezember 1988, GZ 2 C 2078/88s-20, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.175,36 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 362,56 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem als "Pachtvertrag" bezeichneten Vertrag vom 27.Dezember 1963/7. Jänner 1964 haben die Klägerinnen dem Beklagten für die Dauer von 20 Jahren, nämlich bis zum 23.Mai 1983, ihre Grundstücke Nr. 4876/2 Weide in EZ 10 KG Trausdorf, 4797/1 Weide in Steirouzi, 4314 Acker in Lange Großäcker, 4315 Weide in Lange Großäcker, 4823/2 Acker in Kertsichi, sämtliche in EZ 4 KG Trausdorf, 4856 Weg in Kertsichi, 4857/1 Weg in Kertsichi, 4823/1 Weg in Kertsichi, 4316/1 Weg in Lange Großäcker und 4822/3 Weg in Steirouzi, sämtliche in EZ 3 KG Trausdorf, zum Betrieb eines Flugplatzes in Bestand gegeben. Der Beklagte war berechtigt, dort zwei Start- und Landebahnen zu errichten; die Klägerinnen waren berechtigt, die Grundstücke weiterhin als Weide zu benützen. Bei Vertragsbeginn waren diese Grundstücke unverbaut. Sie hatten aber schon seit 1938 als Flugplatz gedient, und zwar zunächst für die Deutsche Wehrmacht und dann für die sowjetische Besatzungsmacht. Nach Abschluß des Staatsvertrages wurden die Grundstücke den Klägerinnen ins Eigentum übertragen. Das Grundstück Nr. 4797/2, auf dem sich die eigentliche Flughafenanlage und das Flughafengebäude befanden, wurde vom Beklagten gekauft und ihm ins Eigentum übertragen. Auf den in Bestand genommenen Grundstücken errichtete der Beklagte in der Folge Start- und Landebahnen sowie eine Nachtfluganlage, die aus unterirdisch verlegten Kabeln und Scheinwerfern besteht. Er brachte auch Pisten- und Rollwegmarkierungen sowie Begrenzungszeichen (Dachreiter) an.

Der Beklagte ist ein gemeinnütziger, nicht auf Gewinn gerichteter Verein, dessen Zweck die Pflege, Förderung und Lenkung des Flugsportes und des Fluggedankens ist. Zur Beschaffung der dazu nötigen finanziellen Mittel dienen ua die Einnahmen aus dem Flugbetrieb, die aus Landegebühren, Benützungsgebühren, Mieteinnahmen udgl. bestehen. Der Beklagte versuchte laufend, den Abschluß eines neuen Bestandvertrages mit den Klägerinnen herbeizuführen. Da diese Gespräche scheiterten, leitete er beim Amt der Burgenländischen Landesregierung ein Enteignungsverfahren ein, das in der ersten Instanz mit einer Abweisung des Antrages endete; der Beklagte erhob dagegen ein Rechtsmittel. Im November 1986 zog er den Enteignungsantrag zurück, weil die Klägerinnen weitere Verhandlungen von der Rückziehung des Antrages abhängig gemacht hatten. Trotzdem kam es aber zu keinen weiteren Verhandlungen zwischen den Streitteilen.

Im Juni 1988 kam es in der Flughafenkantine zwischen dem Obmann der Zweitklägerin, Johann B***, und dem Bürgermeister der Erstklägerin, Anton B***, sowie dem Vorstandsmitglied des beklagten Vereins, Dr.Michael C***, zu einem Gespräch, in dessen Verlauf Dr.C*** einige Lösungen vorschlug. Johann und Anton B*** erklärten, daß sie diese Vorschläge in ihre Gremien tragen würden; sie gaben aber keinen Kündigungsverzicht irgendwelcher Art ab.

Mit der Behauptung, daß die erwähnten Grundstücke, welche Geschäftsräumlichkeiten im Sinne des § 1 Abs 1 MG gewesen seien und daher gemäß § 49 Abs 1 MRG idF BGBl. 1985/559 bis zum 31.Dezember 1988 nur nach den Bestimmungen der §§ 19 bis 23 MG hätten gekündigt werden können, seit diesem Zeitpunkt nicht mehr unter den besonderen Kündigungsschutz des MG fielen, kündigten die Klägerinnen den näher bezeichneten Bestandgegenstand zum 31.Dezember 1988 gerichtlich auf und beantragten, dem Beklagten aufzutragen, das Bestandobjekt samt Zubehör binnen 14 Tagen nach Ablauf des 31.Dezember 1988 von seinen Fahrnissen geräumt zu übergeben. Diese Aufkündigung wurde dem Beklagten am 27.September 1988 zugestellt.

Der Beklagte erhob Einwendungen und beantragte die Aufhebung der Aufkündigung und die Abweisung des Räumungsbegehrens. Da der Kündigungstermin noch innerhalb der in § 49 MRG gesetzten Frist liege, wäre eine Kündigung nur aus wichtigen Gründen (§ 19 MG) zulässig gewesen; im übrigen hätten die Klägerinnen bis zu einem negativen Ergebnis der Verhandlungen über die Neugestaltung des Rechtsverhältnisses zwischen den Streitteilen oder einem Abbruch dieser Verhandlungen auf eine Kündigung verzichtet. Das Erstgericht erklärte mit Urteil vom 9.Dezember 1988 die Kündigung für wirksam und erkannte den Beklagten schuldig, die in Bestand genommenen Grundstücke binnen 14 Tagen nach Ablauf des 31. Dezember 1988 von seinen Fahrnissen geräumt zu übergeben. Daß es sich bei dem Bestandvertrag der Streitteile um einen Mietvertrag über einen Geschäftsraum handle, sei durch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 3 Ob 576, 577/84 hinreichend geklärt. Dieses Mietverhältnis sei zwar den Kündigungsbeschränkungen des Mietengesetzes unterworfen, falle aber nicht in den Anwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes, so daß gemäß § 49 Abs 1 MRG idF BGBl. 1985/559 die §§ 19 bis 23 MG bis zum 31. Dezember 1988 weiter gelten. Einer gesetzlich angeordneten oder vertraglich vereinbarten Beschränkung des Kündigungsrechtes komme die Aufgabe zu, während ihrer Geltungszeit Schutz vor willkürlicher einseitiger Vertragsaufhebung zu gewähren; dieser Funktion entspreche es, einen gesetzlich normierten Endzeitpunkt für einen sondergesetzlichen Kündigungsschutz auf den gewählten Auflösungszeitpunkt und nicht auf den Zeitpunkt der Kündigungserklärung zu beziehen. Kündigungen vor dem Stichtag 31. Dezember 1988 für einen nach diesem Tag gelegenen Termin hingen demnach in ihrer Wirksamkeit nicht vom Vorliegen eines wichtigen Grundes nach § 19 MG ab. Da der Beschluß über die Aufkündigung dem Beklagten am 27.September 1988 zugestellt worden sei, sei sowohl der gesetzliche Kündigungstermin als auch die dreimonatige Kündigungsfrist eingehalten worden.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, daß es die Aufkündigung aufhob und das Räumungsbegehren abwies; es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 nicht übersteige und die Revision zulässig sei. Folge man der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes MietSlg. 36.573, wonach eine kündigungsgrundfreie Aufkündigung vor dem Stichtag des § 49 Abs 1 MRG zu einem Termin nach diesem Stichtag zulässig sei, so lasse sich für die Klägerinnen dennoch nichts gewinnen, weil mittlerweile mit Verordnung des BMJ vom 30.Dezember 1988 BGBl. 759, die auf Grund des § 49 Abs 1 Z 1 MRG idF des BG 13.Dezember 1988 BGBl. 724 ergangen sei, die Kündigungsbeschränkungen der §§ 19 bis 23 MG, soweit sie durch § 49 Abs 1 MRG bis 31.Dezember 1988 in Geltung belassen worden waren, für gemietete Grundflächen (u.a.) im Burgenland, die (u.a.) als Sportstätten verwendet werden, bis 31.Dezember 1990 verlängert worden seien; diese Verordnung sei am 1.Jänner 1989 in Kraft getreten. Lasse man demnach überhaupt vor dem 31.Dezember 1988 eine kündigungsgrundfreie Aufkündigung zu einem Termin nach diesem Stichtag zu, so könne für die Beurteilung der Zulässigkeit der Aufkündigung nicht deren Zeitpunkt allein entscheidend sein, weil ja die Aufkündigung zu einem nach dem Stichtag liegenden Termin erfolge. Es könne aber auch nicht auf den Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung ankommen, weil es sonst der Kündigende in der Hand hätte, noch lange vor dem ursprünglichen Stichtag des § 49 Abs 1 MRG zu einem Termin nach dem Stichtag zu kündigen und dadurch eine beabsichtigte und schließlich auch angeordnete Verlängerung der Schutzfrist zu unterlaufen. Mache demnach der Gesetzgeber davon Gebrauch, die Schutzfrist des § 49 Abs 1 MRG noch vor dem Ablauf des Stichtages zu verlängern, dann müsse im Berufungsverfahren darauf Bedacht genommen werden. Das sei keine Frage der Rückwirkung eines Gesetzes; es bedürfe auch keiner ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung, weil der Gesetzgeber einfach die Schutzfrist über den 31. Dezember 1988 hinaus verlängert habe, so daß eine kündigungsgrundfreie Aufkündigung erst zu einem Termin nach der verlängerten Schutzfrist erfolgen könne.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerinnen wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Ersturteil wiederhergestellt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt, der Revivion nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Mit Recht gehen die Parteien und die Vorinstanzen davon aus, daß § 49 Abs 1 Satz 2 MRG idF BGBl. 1985/559 auf die in Bestand genommenen Liegenschaften anzuwenden ist. Die Miete von Grundstücken allein fällt nämlich nicht unter das Mietrechtsgesetz (§ 1 Abs 1 MRG). Sie war aber dem Mietengesetz unterlegen, sofern es sich um eine Geschäftsraummiete gemäß § 1 Abs 1 MG gehandelt hatte; das war dann der Fall gewesen, wenn ein Grundstück - wie es hier unbestrittenermaßen zutrifft - nach der Absicht der Parteien für einen geschäftlichen Zweck vermietet und hiefür verwendet wird. Der Oberste Gerichtshof hat daher schon zu 3 Ob 576, 577/84 ausgesprochen, daß das hier umstrittene Bestandobjekt Gegenstand einer Geschäftsraummiete nach § 1 Abs 1 MG ist. Aus diesem Grund galten für den Mietvertrag der Streitteile die §§ 19 bis 23 MG bis zum 31.Dezember 1988 weiter. Das bedeutet, aber, daß bis zum 31. Dezember 1988 eine Kündigung nur aus wichtigen Gründen (§ 19 MG) gerichtlich (§ 21 MG) erfolgen konnte. Der Auffassung, daß es dabei nur auf den Kündigungstermin, nicht aber auf den Zeitpunkt des Zugehens der Kündigung ankomme (6 Ob 672/84 = MietSlg. 36.573/38), vermag sich der erkennende Senat aus folgenden Erwägungen nicht anzuschließen:

Wie die Klägerinnen selbst richtig erkennen, sind im Kündigungsstreit die Zulässigkeit und die Wirksamkeit einer Aufkündigung grundsätzlich nach dem Zeitpunkt ihrer Zustellung zu beurteilen (MietSlg. 35.388 u.a.). Zu diesem Zeitpunkt (27.September 1988) galt aber für den in Rede stehenden Mietvertrag noch der Schutz der §§ 19 bis 23 MG. Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, daß nur ein Kündigungstermin vor dem Stichtag bei Fehlen der Voraussetzungen dieser Bestimmungen unzulässig sein sollte; durch die Anordnung, daß die §§ 19 bis 23 MG weiterhin zu gelten hätten, wurde vielmehr festgelegt, daß die Kündigungserklärung bis zu diesem Stichtag den im MG normierten Voraussetzungen entsprechen müsse. Daß der Gesetzgeber die Absicht gehabt hätte, die Auflösung der früher geschützten Mietverhältnisse schon mit dem Ablauf des Stichtages zu ermöglichen, ist nicht zu erkennen. § 49 Abs 1 Satz 2 MRG sieht nach seinem eindeutigen Wortlaut nicht nur den Schutz der Mieter vor dem Wirksamwerden einer willkürlichen, einseitigen Vertragsaufhebung vor dem Stichtag vor, sondern auch den Schutz vor einer unbegründeten Kündigungserklärung. Der Hinweis in 6 Ob 672/84 auf die Entscheidung EvBl 1975/137 kann deshalb nicht überzeugen, weil dort der Oberste Gerichtshof einen vertraglichen Verzicht auf die Geltendmachung eines bestimmten Kündigungsgrundes nach § 914 ABGB so ausgelegt hatte, daß nach dem Parteiwillen nur der Auflösungszeitpunkt nach dem Fristablauf gelegen, nicht aber eine schon vorher zu einem nach dem Ende der Verzichtsfrist liegenden Termin erklärte Kündigung aus dem bestimmten Kündigungsgrund ausgeschlossen sein sollte.

Ist demnach aber die Kündigung der Klägerinnen mangels Geltendmachung eines wichtigen Grundes im Sinne des § 19 MG unzulässig, so hat das Gericht zweiter Instanz im Ergebnis zu Recht diese Kündigung aufgehoben und das Klagebegehren abgewiesen. Es bedarf somit keiner Auseinandersetzung mit der Frage, ob die mit 1. Jänner 1989 in Kraft getretenen (und damit nahtlos an den Ablauf der Frist des § 49 Abs 1 Satz 2 MRG anschließenden) Bestimmungen des § 49 Abs 1 Z 1 MRG idF BGBl. 1988/724 und der darauf fußenden Verordnung BGBl. 1988/759 verfassungsrechtlich bedenklich sind. Der Kostenausspruch gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte