OGH 6Ob672/84

OGH6Ob672/8424.10.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Riedler und Dr. Schlosser als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Justine R*****, 2. Gerwin R*****, und 3. Johanna W*****, alle vertreten durch Dr. Wolfgang Lenneis, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei T*****, vertreten durch Dr. Willibald Hauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung der Miete einer Sportanlage, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 29. Mai 1984, GZ 41 R 461/84‑10, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Liesing vom 6. Februar 1984, GZ 3 C 548/83‑5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0060OB00672.840.1024.000

 

Spruch:

Der Revision wird stattgegeben; das angefochtene Urteil und das Urteil erster Instanz werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Prozessgericht erster Instanz zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Kosten des Verfahrens.

Begründung

Die Kläger kündigten dem beklagten Verein die Miete eines nach der Umschreibung in der Aufkündigung aus einem Tennisplatzareal mit Kraftfahrzeugabstellplatz, einer Grünfläche und Wegen sowie einer Halle, einem Bade‑, Umkleide‑ und Duschraum und einem als Bar verwendeten Raum bestehenden Mietgegenstand zum 31. März 1987 gerichtlich auf. Die Kündigung langte am 22. August 1983 bei Gericht ein. Der über sie ergangene Gerichtsbeschluss wurde dem beklagten Verein am 9. September 1983 zugestellt.

Nach der Ansicht der Kläger bilde die ca 4.700 m 2 große Freiluftfläche den wesentlichen Teil des insgesamt 5.500 m 2 großen Bestandgegenstands. Daraus folgerten die Kläger, dass das Mietverhältnis zwar den Kündigungsbeschränkungen des Mietengesetzes unterworfen gewesen sei, aber nicht in den Anwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes falle, sodass für das Mietverhältnis gemäß § 49 Abs 1 Satz 2 MRG die §§ 19 bis 23 MG (nur) bis zum 31. Dezember 1986 weiter gälten. Nach dem weiteren Kündigungsvorbringen sei eine sechsmonatige Kündigungsfrist und als Kündigungstermin der 31. März eines jeden Jahres vereinbart; der seinerzeitige Vermieter sei am 29. Juni 1982 gestorben, der Erstklägerin sei dessen Nachlass zur Gänze eingeantwortet worden, der Zweitkläger sei Vermächtnisnehmer eines Einviertelanteils der Liegenschaft des Vermieters, der Drittklägerin habe die Erstklägerin einen weiteren Einviertelanteil der Liegenschaft des Erblassers geschenkt.

In seinen Einwendungen machte der beklagte Verein neben einer unrichtigen und unvollständigen Umschreibung des Mietgegenstands, einer verfehlten Kündigungsfrist und dem Mangel der Kündigungsberechtigung der Kläger einen für die Dauer des Bestehens der beklagten Partei vereinbarten Kündigungsverzicht sowie die ausdrücklich vereinbarte Anwendbarkeit der Kündigungsbeschränkungen des Mietengesetzes geltend. Davon abgesehen vertrat der beklagte Verein vor allem die Ansicht, der Mietgegenstand werde durch seine in Baulichkeiten gelegenen Teile, insbesondere eine Tennishalle, den Gesellschaftsraum und die Platzwartwohnung bestimmt und sei deshalb als Geschäftsräumlichkeit iSd § 1 Abs 1 MRG zu beurteilen. Der beklagte Verein erachtete das Mietverhältnis daher voll den sondergesetzlichen Regelungen des Mietrechtsgesetzes unterworfen, sodass es an den Voraussetzungen für die von den Klägern in Anspruch genommene Übergangsregelung des § 49 Abs 1 Satz 2 MRG fehle. Für den von ihm abgelehnten Fall gegenteiliger Beurteilung vertrat der beklagte Verein die Auffassung, dass jede vor dem 31. Dezember 1986 erklärte Aufkündigung – unabhängig von einem später liegenden Kündigungstermin – zu ihrer Rechtswirksamkeit eines nach dem Mietengesetz anerkannten wichtigen Grundes bedürfe.

Das Erstgericht hob die Aufkündigung als rechtsunwirksam auf.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil Es sprach dazu aus, dass der Wert des Streitgegenstands zwar 60.000 S, nicht aber 300.000 S übersteige und dass die Revision gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei.

Das Erstgericht wertete den Mietgegenstand nach dessen Umschreibung durch die Kläger, da er nicht nur aus Freiflächen, sondern zu einem – nicht bloß nebensächlichen – Teil auch aus umbauten Räumen bestehe, als Geschäftsräumlichkeit, sodass das Mietverhältnis auch in den Anwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes falle und nur aus einem wichtigen Grund iSd § 30 MRG aufgekündigt werden könne. Für den Fall einer abweichenden Beurteilung und daher der Anwendbarkeit des § 49 Abs 1 Satz 2 MRG folgerte das Erstgericht aus dem Wortlaut der genannten Übergangsregelung, die angeordnete Weitergeltung der §§ 19 bis 23 MG bis zum 31. Dezember 1986 bedeute, dass in jeder bis zu dem genannten Stichtag bei Gericht angebrachten Aufkündigung – unabhängig von einem späteren Kündigungstermin – gemäß § 21 Abs 1 Satz 2 MG ein nach § 19 MG qualifizierter Kündigungsgrund anzuführen sei.

Das Berufungsgericht ließ unerörtert, ob das Mietverhältnis in den Anwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes falle. Es teilte die erstgerichtliche Auslegung des § 49 Abs 1 Satz 2 MRG mit der Abweichung, dass alle bis zum erwähnten Stichtag zugestellten (nicht bei Gericht angebrachten) Aufkündigungen den zitierten sondergesetzlichen Bestimmungen entsprechen müssten, auch wenn der Kündigungstermin nach dem Stichtag liege. Dem fügte das Berufungsgericht noch die Erwägung hinzu, dass dem Mieter jedenfalls die volle vereinbarte Kündigungsfrist (also nach den Behauptungen der Kläger eine Halbjahresfrist) nach dem Stichtag 31. Dezember 1986 gewahrt bleiben müsste.

Die Kläger fechten das bestätigende Berufungsurteil wegen unrichtiger Auslegung des § 49 Abs 1 Satz 2 MRG mit einem Abänderungsantrag im Sinne der Wirksamerklärung der Aufkündigung und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.

Der beklagte Verein strebt die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Die Revision ist wegen der in der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch nicht behandelten Auslegung der Übergangsregelung des § 49 Abs 1 Satz 2 MRG gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

Streitgegenstand ist die Rechtswirksamkeit einer vor dem in der Übergangsregelung des § 49 Abs 1 MRG genannten Stichtag (31. Dezember 1986) angebrachten und zugestellten gerichtlichen Aufkündigung eines Mietverhältnisses über eine dem beklagten Verein zur Benutzung durch seine Mitglieder überlassene Tennissportanlage zu einem nach dem erwähnten Stichtag gelegenen Termin. Mietgegenstand ist eine „Geschäftsräumlichkeit“ iSd § 1 Abs 1 MG. Sollte das Mietverhältnis nach dem wesentlichen Bestandteil des Mietgegenstands als reine Grundstücksmiete zu beurteilen sein, unterläge es nicht den sondergesetzlichen Regelungen des Mietrechtsgesetzes. In diesem – nach der Ansicht der Kläger gegebenen – Fall käme die kündigungsrechtliche Übergangsregelung des § 49 Abs 1 Satz 2 MRG zur Anwendung, nach der die §§ 19 bis 23 MG bis zum 31. Dezember 1986 weiter gälten.

Diese sondergesetzlichen Bestimmungen enthalten Regelungen über das dem Vermieter zustehende Kündigungsrecht, über die Form der Aufkündigung und das gerichtliche Bestandverfahren. Die Kündigungsbe-schränkungen des Mietengesetzes enthalten aber – ebenso wie die des Mietrechtsgesetzes – keine Sonderregelungen über Kündigungstermin und Kündigungsfrist. Deren Beobachtung ist auch im Anwendungsbereich des Mietengesetzes nach allgemeinen bestandrechtlichen und verfahrensrechtlichen Vorschriften zu beurteilen, in erster Linie also nach der im Einzelfall getroffenen Vereinbarung. Das Interesse der Vertragspartner an der Bestimmung der Zeitpunkte einer möglichen Vertragsauflösung durch einseitige Gestaltungserklärung des anderen sowie an einer bestimmen Zeitspanne zur Vorsorge für die Folgen der Vertragsauflösung werden auch bei sondergesetzlich geregelten Mietverhältnissen unabhängig vom Vorliegen wichtiger Gründe und der Formgebundenheit der Kündigungserklärung durch die nach allgemeinem Bestandrecht zu beachtenden Kündigungstermine und Kündigungsfristen gewahrt. Die Beschränkung des Kündigungsrechts der Vermieter auf die Fälle eines sondergesetzlich anerkannten Kündigungsgrundes ist eine besondere Kündigungsvoraussetzung, die mit der allgemeinen Wirksamkeitsvoraussetzung des zulässigen Kündigungstermins und der Wahrung der Kündigungsfrist nicht (in der vom Berufungsgericht angewandten Weise) verquickt werden darf.

Die Übergangsregelung des § 49 Abs 1 Satz 2 MRG verlängert in ihrem Anwendungsbereich den in den §§ 19 bis 23 MG umschriebenen Kündigungsschutz über den im § 58 MRG genannten Zeitpunkt des Außerkrafttretens des Mietengesetzes um fünf Jahre. Einer gesetzlich angeordneten oder vertraglich vereinbarten Beschränkung des Kündigungsrechts kommt die Aufgabe zu, während der Geltungszeit Schutz vor willkürlicher einseitiger Vertragsaufhebung zu gewähren. Dieser Funktion entspricht es, einen gesetzlich normierten Endzeitpunkt für einen sondergesetzlichen Kündigungsschutz auf den gewählten Auflösungszeitpunkt und nicht auf den Zeitpunkt der Kündigungserklärung zu beziehen.

Im selben Sinne umschrieb der Gesetzgeber im § 19 Abs 3 MG die dort normierte zehnjährige Sperrfrist ausdrücklich mit dem Endzeitpunkt „Kündigungstermin“.

In vergleichbarer Weise – auch wenn es sich nicht um eine Gesetzesauslegung, sondern um die Feststellung des Parteiwillens nach objektiven Auslegungsgrundsätzen handelte – legte der Oberste Gerichtshof die Vereinbarung eines befristeten Verzichts auf die Geltendmachung eines bestimmten Kündigungsgrundes so aus, dass der Auflösungszeitpunkt nach dem Fristablauf gelegen sein müsse, eine vor Fristablauf zu einem nach dem Endtermin der Verzichtsfrist erklärte Kündigung aus dem bestimmten Kündigungsgrund daher nicht ausgeschlossen sei (EvBl 1975/137, S 268).

Die durch § 49 Abs 1 Satz 2 MRG angeordnete Weitergeltung der §§ 19 bis 23 MG bis 31. Dezember 1986 bedeutet, dass Kündigungen der Vermieter zu einem Termin bis zu dem genannten Stichtag nur bei Vorliegen eines nach § 19 MG als wichtig anerkannten Grundes wirksam sind, dass aber Kündigungen vor dem genannten Stichtag für einen nach diesem Tag gelegenen Termin in ihrer Wirksamkeit nicht vom Vorliegen und damit auch nicht von der formalen Geltendmachung eines wichtigen Grundes nach § 19 MG abhängen.

Die Formvorschrift des § 21 Abs 1 Satz 2, erster Halbsatz MG, dass der Vermieter in der Kündigung die Kündigungsgründe kurz anzuführen habe, ist nicht Selbstzweck und daher inhaltslos, wenn die Wirksamkeit der Aufkündigung wegen Wegfalls des materiellen Kündigungsschutzes nicht vom Vorliegen eines bestimmten Kündigungsgrundes abhängt; in einem solchen Falle wäre auch für das sogenannte Nachschieben eines Kündigungsgrundes kein Raum. Nach der oben gewonnenen Auslegung des § 49 Abs 1 Satz 2 MRG ist eine kündigungsgrundfreie Aufkündigung vor dem Stichtag zu einem Termin nach dem Stichtag zulässig; eine formelle Anführung des Kündigungsgrundes könnte in solchen Fällen nur darin bestehen, dass das Vorliegen eines bestimmten Kündigungsgrundes keine Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung ist. Die von den Vorinstanzen aus § 21 Abs 1 Satz 2 erster Halbsatz MG gezogene Folgerung ist nach der oben dargelegten Beziehung des Stichtags für das Vorliegen der materiellen Kündigungsvoraussetzung auf den Kündigungstermin nicht gerechtfertigt.

Damit gewinnt die Beurteilung der Frage entscheidende Bedeutung, ob das Mietverhältnis – entgegen dem Rechtsstandpunkt der Kläger – in den Anwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes fällt. Dies lässt sich nach den Ausführungen in der Aufkündigung allein nicht mit der erforderlichen Sicherheit beurteilen, weil das funktionelle Verhältnis der zum Mietgegenstand gehörenden umbauten Räume zu den ausdehnungsmäßig überwiegenden Freilandanlagen nicht feststeht. In dem erwähnten funktionalen Verhältnis liegt aber ein wesentliches Kriterium für die Beurteilung der Gesamtanlage als einer Geschäftsräumlichkeit iSd § 1 Abs 1 MRG. Dusch‑ und Umkleideräume allein würden eine Freiluftsportanlage als ganze noch nicht zu einer Räumlichkeit machen, wenn den überdachten Räumlichkeiten für die Benützbarkeit des gesamten Objekts keine selbständige Bedeutung beizumessen wäre (vgl in anderem Zusammenhang die Erwägungen zu § 1 Abs 1 WEG in JBl 1982, 546 = EvBl 1982/139, S 464).

Die Rechtssache ist noch nicht entscheidungsreif. Es liegen Feststellungsmängel zur funktionellen Bedeutung der umbauten Teilen des Mietgegenstands für das Gesamtobjekt, gegebenenfalls zu den im Punkt 4 und 5 der Einwendungen und den Formaleinwendungen des beklagten Vereins vor. Danach bedarf es einer Ergänzung des Verfahrens in erster Instanz.

In Stattgebung der Revision waren daher die Urteile beider Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Prozessgericht erster Instanz zurückzuverweisen.

Der Kostenausspruch beruht auf § 52 ZPO.

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