OGH 1Ob592/89

OGH1Ob592/895.7.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Redl und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ernestine Anastasia S***, Hausfrau, geboren am 5.August 1920 in Innsbruck, Innsbruck, Ruetzwerk, Unterberg 68, vertreten durch Dr. Paul Flach, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Winfried Otto Franz S***, Pensionist, geboren am 4.Jänner 1923 in Doren, Bezirk Bregenz, Innsbruck, Ruetzwerk, Unterberg 68, vertreten durch Dr. Stefan Kofler, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Ehescheidung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 1. Februar 1989, GZ 3 R 12/89-40, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 30. September 1988, GZ 10 Cg 153/86-35, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.706,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 617,70 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile schlossen am 23.Mai 1950 die Ehe. Sie sind österreichische Staatsbürger, aus der Ehe entstammt eine im Jahre 1953 geborene, bereits verheiratete Tochter.

Bereits mit der zu 10 Cg 124/85 des Erstgerichtes am 15.3.1985 eingebrachten Klage hatte die Klägerin die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten begehrt. Sie brachte damals vor, der Beklagte unterhalte seit geraumer Zeit zu der in Linz wohnhaften Eleonore Brunner, die er anläßlich eines Kuraufenthaltes in Bad Gleichenberg kennengelernt habe, ehewidrige Beziehungen. Der Beklagte habe ihr mehrfach zugesichert, diese Beziehungen zu beenden, er habe aber dieses Versprechen nicht eingehalten. Seit dieser Zeit führe der Beklagte mit der Klägerin auch kein Eheleben. Der Beklagte verhalte sich der Klägerin gegenüber lieblos, er gebe wahrheitswidrige Antworten, verbringe die überwiegende Zeit allein und vernachlässige seine Unterhaltspflichten. Er habe auch ein Sparbuch an sich genommen und eigenmächtig das Losungswort geändert. Diese Scheidungsklage zog die Klägerin in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 28.8.1985 zurück.

Die Streitteile lebten und leben weiterhin im gemeinsamen Haushalt, in der letzten Zeit hilft der Beklagte etwa durch Geschirrabtrocknen auch im Haushalt. Die Streitteile fahren gemeinsam einkaufen und führen gemeinsame Besuche durch. Seit etwa Frühjahr 1986 machen sie auch wieder einige gemeinsame Wanderungen und Ausflüge, bei denen wenig gesprochen wird. Am 17.5.1987, sechs Tage vor dem 37.Hochzeitstag, fuhren sie mit einer Reisegruppe zur Insel Mainau, am 14.10.1987 machten sie eine Ausflugsfahrt nach Sand in Taufers und am 27.10.1987 eine nach Rosenheim. Auf Urlaub fährt die Klägerin mit einer Bekannten einmal im Jahr für mehrere Wochen nach Italien. Der Beklagte unternimmt des öfteren mehrtägige Bergtouren allein. Der Beklagte, der nach Abzug von Miete und Stromkosten (ohne Berücksichtigung der 13. und 14.Pensionszahlung) monatlich rund S 11.000 Pension zur Verfügung hat, bezahlt aus eigenem Telefon-, Radio-, Fernsehgebühren, Versicherungsprämien, Wartung und Betriebsmittel für den PKW, zusätzliche Lebensmitteleinkäufe wie Butteraktionen, Winterzwiebeln und Winterkartoffel, Getränke, Selbstkostenbehalt für Arztbehandlungen, Medikamente, gemeinsame Ausflugsfahrten und das Jahresabonnement einer Zeitung. Dafür verwendet er durchschnittlich S 3.500 monatlich. Für weitere persönliche Belange (zB Bekleidung, Friseur, Rauchwaren, Gasthausbesuche) wendet er etwa 2.500 S monatlich auf. Ab Jänner 1985 erhält die Klägerin vom Beklagten ein monatliches Wirtschaftsgeld von S 3.100 monatlich, ab Jänner 1987 beträgt das Wirtschaftsgeld S 3.400 monatlich. Im allgemeinen kommt die Klägerin mit diesem Wirtschaftsgeld aus. Bekleidung, Geschenke und Urlaubsreisen bezahlt die Klägerin aus ihrem eigenen Einkommen und Vermögen.

Mit der am 7.4.1986 eingebrachten Scheidungsklage begehrt die Klägerin erneut die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten. Der Beklagte habe bei zwei Sparbüchern der Klägerin mit einem Stand von S 30.422,03 und S 2.406,55 das Losungswort geändert, so daß die Klägerin über diese Einlagen nicht verfügen könne. Der Beklagte habe es abgelehnt, ihr das neue Losungswort bekanntzugeben. Auf eine Intervention des Beklagten gehe es auch zurück, daß die Tochter Wertpapiere im Nominale von S 150.000, die die Klägerin ihr mit dem Bemerken, wenn ihr etwas passiere, gehörten die Wertpapiere der Tochter, übergeben habe, nicht herausgebe. Der Beklagte komme täglich sehr spät nach Hause, der Klägerin fehle jegliche Ansprache. Der Beklagte habe sich von der Klägerin innerlich völlig abgewandt, seitdem er Eleonore B*** anläßlich eines Kuraufenthaltes in Bad Gleichenberg kennengelernt habe. Der Beklagte sei bestrebt, der Klägerin gesellschaftlichen Verkehr mit Bekannten zu verbieten, die seiner Verbindung mit Eleonore B*** nicht zustimmten. Seit seinem Kuraufenthalt sei es zwischen den Streitteilen zu keiner ehelichen Begegnung mehr gekommen. Die Klägerin sei zum billigen Dienstmädchen des Beklagten geworden. Der Beklagte sei herrschsüchtig und gebärde sich wie ein Pascha. Obwohl die Klägerin begründeterweise den Verkehr des Beklagten mit Eleonore B*** ablehne, setze sich der Beklagte über diesen Wunsch der Klägerin einfach hinweg. Der Beklagte habe sich in der Zeit vom 7.11. bis 16.11., vom 30.11. bis 1.12.1985 und vom 24. bis 26.3.1986 in Linz bei Eleonore B*** aufgehalten. Der Beklagte sei verpflichtet, auch jeden objektiv begründeten Schein ehewidriger Beziehungen zu vermeiden. Dies lehne er ab. Das Wirtschaftsgeld sei nicht ausreichend, der Beklagte habe durch sein Verhalten die Zerrüttung der Ehe herbeigeführt. Der Beklagte wendet ein, er habe keine Eheverfehlungen begangen. Die Klägerin lehne Gespräche mit ihm ab. Vorschläge für gemeinsame Unternehmungen lasse sie unbeachtet. Sie lehne alle Bekannten des Beklagten ab und versuche, ihn dadurch in Isolation zu drängen. Die Unterstellungen der Klägerin, der Beklagte hätte sich von ihr ab- und Eleonore B*** zugewandt, seien völlig haltlos. Die Sparbücher, deren Losungswort der Beklagte geändert habe, seien von ihm angelegt worden, er sei zeichnungsberechtigt. Die Klägerin habe diese Sparbücher an sich genommen und versteckt. Der Beklagte habe auf die Tochter nicht eingewirkt, damit diese die Wertpapiere nicht herausgebe. Eine Freundschaft zu Eleonore B*** habe nie bestanden. Seit zwei Jahren bestünden keine persönlichen Kontakte mehr. Die Klägerin wolle ihren Willen durchsetzen, gelinge ihr dies nicht, beschimpfe sie den Beklagten. Die Streitteile führten auch jetzt noch eine normale Ehe, zum 37.Hochzeitstag sei eine gemeinsame Ausflugsfahrt unternommen worden. Die Ehe sei nicht zerrüttet. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, die Klägerin habe aus Pflegegeldern des von ihr ab 1972 bis zu seinem Tode 1981 betreuten Vaters zwei Sparbücher bei der Tiroler Genossenschaftskasse, lautend auf ihren Namen mit Losungswort, angelegt. Die Klägerin habe im Februar 1980 aus Mitteln dieser Spareinlagen nach Absprache mit dem Beklagten Wertpapiere im Nominale von S 150.000 gezeichnet. Die Tochter habe nach ihrer Verehelichung im Jahre 1982 irrtümlich auch die Kupons dieser Wertpapiere mitgenommen. Trotz Aufforderung gebe sie diese der Klägerin nicht heraus, weil sie der Meinung sei, daß das Vermögen ihren Eltern gemeinsam zustünde. Der Beklagte habe die Tochter zu dieser Handlungsweise nicht beeinflußt. Als der Beklagte im Jahre 1985 Kenntnis erlangt habe, daß die Klägerin eine Reihe weiterer Sparbücher angelegt oder von ihren Eltern erhalten habe, sei er der Meinung gewesen, ein Teil der aus den Pflegegeldern des Schwiegervaters angesparten Mittel stünden auch ihm zu, weil auch er für die Versorgung und Pflege tätig gewesen sei. Er habe nach Rücksprache mit seinem Rechtsfreund die Losungsworte der beiden Sparbücher geändert, um weitere Behebungen durch die Klägerin zu verhindern. Der Beklagte habe anläßlich eines Kuraufenthaltes im Jahre 1979 in Bad Gleichenberg Eleonore B*** aus Linz kennengelernt. Die beiden hätten vereinbart, ihre jeweiligen Ehepartner von der Bekanntschaft in Kenntnis zu setzen und familiäre Kontakte aufrecht zu erhalten. Die Klägerin habe jedoch dieser Bekanntschaft mißtraut und dem Beklagten vorgeworfen, daß er ehewidrige Beziehungen unterhalten habe, Eleonore B*** sei der "Kurschatten" des Beklagten gewesen. Im Herbst 1980 sei das Ehepaar B*** einige Wochen nach Innsbruck gekommen. August B***, der Gatte der Eleonore B***, habe sich mit der Klägerin telefonisch in Verbindung gesetzt. Erst dann sei die Klägerin bereit gewesen, das Ehepaar B*** kennenzulernen. August B*** habe der Klägerin klarzumachen versucht, daß es zwischen seiner Gattin und dem Beklagten keine ehewidrigen Beziehungen gegeben habe. Zwischen dem Beklagten und dem Ehepaar B*** habe sich in der Folge ein reger Briefverkehr entwickelt. Die Briefe habe der Beklagte offen liegen lassen, so daß sie die Klägerin habe lesen können. Der Beklagte habe zwischen Herbst 1980 und Jänner 1986 das Ehepaar B*** häufig in Linz besucht. Ende Oktober/Anfang November 1985 habe der Beklagte zehn Tage in Linz verbracht, er habe im Gastzimmer der Familie B*** gewohnt. Im Jänner 1986 sei der Beklagte zwei Tage in Linz gewesen, um gemeinsam mit dem Ehepaar B*** den Südtiroler Ball zu besuchen. Zu diesem seien beide Streitteile vom Ehepaar B*** eingeladen worden, die Klägerin habe aber ihre Teilnahme abgelehnt und dem Beklagten gesagt, sie mißbillige es, wenn er nach Linz fahre, sie werde sich in diesem Fall scheiden lassen. Daß der Beklagte im März 1986 erneut in Linz gewesen sei, könne nicht festgestellt werden. Seit Jänner 1986 habe der Beklagte keinen persönlichen Kontakt zur Familie B***, seit Anfang 1987 auch keinen brieflichen mehr, weil August B*** schwer erkrankt sei. Mit Eleonore B*** allein wolle der Beklagte Kontakte nicht aufrecht erhalten. Wegen des Kontaktes des Beklagten zum Ehepaar B*** sei es seit 1979 zwischen den Streitteilen immer wieder zu Auseinandersetzungen gekommen, in denen die Klägerin dem Beklagten vorwerfe, daß er mit Eleonore B*** ehewidrige Beziehungen unterhalte. Das Gericht habe jedenfalls durch die Beweisaufnahme den Eindruck gewonnen, daß der Beklagte nur einen gesellschaftlichen Kontakt zum Ehepaar B*** habe und aufrechterhalten wolle und darin auch die Klägerin einbeziehen habe wollen, keineswegs aber, daß der Beklagte nur einen Kontakt mit Eleonore B*** allein haben wollte. Der Beklagte habe es aber abgelehnt, diesen Kontakt gänzlich abzubrechen. Zwischen dem Beklagten und Eleonore B*** sei es nie zu ehewidrigen, insbesondere sexuellen Kontakten gekommen. Dem Beklagten habe es mißfallen, daß sich die Klägerin der ÖVP-Frauenorganisation angeschlossen habe. Er habe sich geäußert, er wolle nicht, daß sie sich in einer politischen Organisation betätige. Da Herta H***, Hilde W*** und Anna A*** nach Meinung des Beklagten die Klägerin zur Durchführung von Scheidungsverfahren aufgehetzt hätten, mißfielen ihm auch diese Bekanntschaften der Klägerin. Ob der Beklagte der Klägerin weiteren Verkehr mit diesen Frauen verboten habe, könne nicht festgestellt werden. Der Beklagte sei zwischen September 1985 und Dezember 1985 etwa 10 bis 15mal im Monat am Abend nicht zu Hause gewesen. Er habe seine Tochter, seinen Bruder, Bekannte und Klubkollegen eines Bergsteigerklubs besucht, sowie an diesen Klubabenden teilgenommen. Seit zumindest Herbst 1979 hätten die Streitteile keinen geschlechtlichen Verkehr mehr. Inwieweit sie unmittelbar vor dem Kuraufenthalt des Beklagten in Bad Gleichenberg noch geschlechtlichen Verkehr miteinander gehabt haben oder ob der letzte geschlechtliche Verkehr bereits zwei oder drei Jahre zuvor stattgefunden habe, lasse sich nicht feststellen. Die Initiative dazu sei in der Regel vom Beklagten ausgegangen, wobei er jedenfalls seit seiner Rückkehr vom Kuraufenthalte in Bad Gleichenberg nicht mehr initiativ geworden sei. Die Klägerin selbst sei ebenfalls nicht initiativ geworden und habe den Beklagten auch nie darauf angesprochen, daß sie Interesse an sexuellen Beziehungen habe. Mittlerweile hätten beide Streitteile kein Interesse mehr an sexuellen Beziehungen. Das Verhältnis der Streitteile habe jedenfalls nach dem Kuraufenthalt des Beklagten in Bad Gleichenberg einen Riß erlitten und sich verschlechtert. Primäre Ursache hiefür sei gewesen, daß der Beklagte damals nach seiner Rückkehr vom Kuraufenthalt sehr viel von Eleonore B*** erzählt habe und die Klägerin der Ansicht gewesen sei, der Beklagte habe ehewidrige Beziehungen aufgenommen. Sie habe aus diesem Grunde sehr eifersüchtig reagiert.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, die Kontakte mit Eleonore B*** bzw. dem Ehepaar B*** nach dem Kuraufenthalt in Bad Gleichenberg seien als gesellschaftliche harmloser Natur gewesen. Sie stellten objektiv jedenfalls keinen Anschein einer ehewidrigen Beziehung dar, so daß keine schwere Eheverfehlung des Beklagten vorliege. Die Klägerin sei offenbar unbegründet eifersüchtig, dies habe zu Streitigkeiten und Differenzen zwischen den Streitteilen geführt. Der Beklagte habe berechtigterweise der Ansicht sein können, daß ein Teil des nicht verbrauchten Pflegegeldes seines Schwiegervaters auch ihm zustehe, sowie daß die Klägerin Wirtschaftsgeld auf Sparbücher angelegt habe. Nachdem er sich auch vor Änderung der Losungsworte durch einen Rechtsanwalt habe beraten lassen und dieser ihm geraten habe, die Losungsworte zu ändern, bevor das ganze Geld verbraucht sei und für ihn nichts mehr übrig bleibe, könne jedenfalls nicht davon gesprochen werden, daß diese Handlungsweise eine schwere Eheverfehlung des Beklagten darstelle, desgleichen nicht, daß er der Klägerin die Losungsworte nicht bekanntgegeben habe. Das vom Beklagten der Klägerin zur Verfügung gestellte Wirtschaftsgeld erscheine durchaus angemessen. Die Klägerin habe den Beklagten nie aufgefordert, sexuelle Beziehungen weiterzupflegen. Es sei offensichtlich beiderseits ein mangelndes Interesse vorgelegen. Die Ehe der Streitteile sei sicherlich zerrüttet. Ursprünglicher Grund dieser Zerrüttung sei die Bekanntschaft des Beklagten mit Eleonore B*** gewesen, die in der Folge zu einer Vielzahl von Streitigkeiten und Auseinandersetzungen zwischen den Streitteilen geführt habe. Nachdem es sich bei der Bekanntschaft des Beklagten mit Eleonore B*** jedoch keineswegs um eine ehewidrige Beziehung und auch nicht um den Anschein einer ehewidrigen Beziehung gehandelt habe, sondern die Vorwürfe der Klägerin offensichtlich aus einer unbegründeten Eifersucht erfolgt seien, trage die Klägerin an der Ursache der Zerrüttung ganz wesentlich schuld. Auf Grund der zahllosen Streitigkeiten und Auseinandersetzungen zwischen den Streitteilen sei sicherlich beiderseits das wechselseitige Interesse aneinander abgeklungen und es seien jeweils die eigenen Interessen vermehrt in den Mittelpunkt des Lebens gestellt worden. Das Verhalten der Streitteile entspreche sicher nicht dem Wesen der Ehe, wenn man jedoch berücksichtige, daß die ursprüngliche Zerrüttung der Ehe hauptsächlich oder ausschließlich von der Klägerin ausgegangen sei, so erscheine jedenfalls das Scheidungsbegehren der Klägerin sittlich nicht gerechtfertigt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es habe keine Bedenken gegen die in der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes enthaltene Feststellung, die Eifersucht der Klägerin sei unbegründet. Die Klägerin habe, wenn das auch nicht im Protokoll über die Tagsatzung vom 28.8.1985 zum Ausdruck gekommen sei, die zu 10 Cg 124/86 des Erstgerichtes eingebrachte Scheidungsklage, wie das Erstgericht festgestellt habe, unter Anspruchsverzicht zurückgezogen. Dies sei als Verzeihung im Sinn des § 56 EheG zu werten. Selbst wenn man die Fortsetzung des von der Klägerin als ehezerstörend empfundenen Verhaltens des Beklagten nach der Klagsrückziehung als neue Eheverfehlung ansehen sollte, so könnte dieses nicht als schwer im Sinn des § 49 EheG gewertet werden. Die sporadischen freundschaftlichen Kontakte des Beklagten zu dem Ehepaar B*** könnten ihm, auch wenn sie von der Klägerin mißbilligt würden, nicht als schwere Eheverfehlung angelastet werden. Der Beklagte habe nicht mit Eleonore B*** verkehrt, sondern freundschaftliche Beziehungen zu dem Ehepaar B*** gepflogen. Unter Berücksichtigung der Einkünfte der Klägerin sowie der vom Beklagten über das der Klägerin zur Verfügung gestellte Wirtschaftsgeld hinaus für den gemeinsamen Haushalt bestrittenen Auslagen könne bei dem relativ geringen Einkommen des Beklagten keine Rede von einer als schwere Eheverfehlung zu wertenden Unterhaltsverletzung sein. Die Klägerin sei offenkundig an der Weiterführung sexueller Beziehungen desinteressiert. Sie habe wenig Interesse gezeigt, mit dem Beklagten gemeinsam auf Urlaub zu fahren. Im Laufe ihrer langjährigen Ehe sei das Interesse der Streitteile aneinander zunehmend geringer geworden. Der Versuch der Klägerin, dies dem Beklagten anzulasten, gehe aber fehl. Denn vor allem sie habe durch ihre unbegründete Ablehnung der freundschaftlichen Beziehungen des Beklagten zum Ehepaar B*** dazu beigetragen. Die Änderung der Losungsworte der beiden Sparbücher habe die Klägerin dem Beklagten bereits im seinerzeitigen Scheidungsverfahren als Eheverfehlung vorgeworfen. Nach erfolgter Klagsrücknahme könne sie dieses Verhalten für sich allein nicht als Scheidungsgrund ins Treffen führen. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Ehe der Streitteile tatsächlich unheilbar zerrüttet sei oder ob sich die beiden nur vorübergehend etwas auseinandergelebt haben. Denn die Eheverfehlungen müssen für die Zerrüttung der Ehe kausal gewesen sein. Sie können als Scheidungsgrund nur dann in Betracht kommen, wenn sie die Zerrüttung endgültig ausgelöst habe. Dem Beklagten könne eine schwere Eheverfehlung oder ein ehrloses oder unsittliches Verhalten im Sinn des § 49 EheG nicht vorgeworfen werden, weshalb ihn auch kein Verschulden an einer allfälligen Zerrüttung treffe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Der Scheidungsgrund nach § 49 EheG setzt voraus, daß durch die Eheverfehlungen des anderen Ehegatten die Ehe schuldhaft so tief zerrüttet worden ist, daß die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht mehr erwartet werden kann. Eine Eheverfehlung ohne Zerrüttung bildet keinen Scheidungsgrund (Pichler in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 49 EheG). Eine unheilbare Zerrüttung liegt dann vor, wenn die geistige, seelische und körperliche Gemeinschaft zwischen den Ehegatten und damit die sittliche Grundlage der Ehe objektiv und wenigstens auf einer Seite auch subjektiv zu bestehen aufgehört hat (EFSlg 54.385, 51.601, 48.763 uva; Schwind, EheR2 202; Pichler aaO; Koziol-Welser8 II 209). Im Rahmen einer Prognose muß ausgeschlossen werden können, daß das seinerzeit vorhandene Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen den Ehegatten wieder entstehen werde (Schwind aaO; Hoffmann-Stephan, EheG2 465). Eine Ehe, die wiederhergestellt werden kann, ist nicht unheilbar zerrüttet und darf nicht geschieden werden (Blanke in FamRZ 1966, 334; Godin, EheG2 175). Wesentlich kommt es darauf an, ob der Ehegatte, würde ihm die Scheidung versagt, wieder den Weg in die Ehe zurückfinden wird (Döll, Familienrecht I 506; Hoffmann-Stephan aaO 466). Ob eine Ehe unheilbar zerrüttet ist, stellt eine Rechtsfrage dar (EFSlg 44.115; EvBl 1975/91 ua). Nach dem vorliegenden Sachverhalt leben die Streitteile im gemeinsamen Haushalt. Der Beklagte hilft im Haushalt mit. Die Streitteile fahren gemeinsam einkaufen, sie machen gemeinsame Wanderungen und Ausflüge und suchen gemeinsam Bekannte auf. Der Beklagte besorgt einen Teil der zur Haushaltsführung notwendigen Mittel selbst. Für die restlichen gibt er der Klägerin ein von ihr allerdings als zu niedrig angesehenes Wirtschaftsgeld, mit dem sie aber im wesentlichen das Auslangen findet. In der letzten Zeit haben die Streitteile auch mehrere Ausflugsfahrten gemeinsam unternommen. Wie immer man das Verhalten des Beklagten der Klägerin gegenüber beurteilen mag, so hätte selbst bei Annahme schwerer Eheverfehlungen von Seiten des Beklagten diese nicht zu einer unheilbaren Zerrüttung der Ehe geführt. Von einer völligen Entfremdung der Streitteile und Zerstörung der Ehe, die Voraussetzung für die Annahme der unheilbaren Zerrüttung wäre (Blanke aaO 332, 334), kann bei den vielen, noch immer gepflogenen Gemeinsamkeiten der Streitteile keine Rede sein. Es besteht vielmehr durchaus noch eine äußere und innere Gemeinschaft der Streitteile, die auf eine Fortsetzung der Ehe gerade bei Abweisung des Scheidungsbegehrens der Klägerin schließen läßt. Der Umstand allein, daß eine Geschlechtsgemeinschaft der eher betagten Streitteile nicht mehr besteht, kann zur Annahme der unheilbaren Zerrüttung schon deshalb nicht führen, weil das Erstgericht offen ließ, ob ehelicher Verkehr nicht etwa auch schon Jahre vor dem Kuraufenthalt des Beklagten in Bad Gleichenberg nicht mehr ausgeübt wurde. Ist aber schon das Vorliegen einer unheilbaren Zerrüttung zu verneinen, bedarf es auch nicht der Erörterung, ob die Rückziehung der Scheidungsklage zu 10 Cg 124/85 des Erstgerichtes, die zwar nicht nach dem Inhalt des Protokolles, wohl aber nach den Angaben der Klägerin in der Klage unter Anspruchsverzicht erfolgte, schlechthin als Verzeihung zu werten ist (so JBl 1947, 218 und Ehrenzweig-Schwind, EheR3 49) oder ob zur Annahme einer Verzeihung in einem solchen Fall noch sonstige Umstände hinzutreten müßten (so EvBl 1962/288; JBl 1948, 140; Pichler aaO Rz 7 zu § 56 EheG).

Schon wegen Verneinung einer unheilbaren Zerrüttung ist der Revision der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte