OGH 6Ob572/89

OGH6Ob572/8929.6.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Melber, Dr.Redl und Dr.Kellner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Jiri S***, Hausbesorger, 1190 Wien, Hohe Warte 24, vertreten durch Dr.Manfred Meyndt, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Josef B***, Angestellter, 4020 Linz, Im Hütterland 21, vertreten durch Dr.Harry Zamponi, Dr.Josef Weixelbaum und Dr.Helmut Trenkwalder, Rechtsanwälte in Linz, wegen S 434.138 s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 11.Jänner 1989, GZ 3 R 264/88-57, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 1.August 1988, GZ 5 Cg 53/84-51, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird im Umfang der Klagsabweisung von S 423.452 samt 4 % Zinsen seit 20.2.1984 (S 150.000 Verdienstentgang; S 260.000 Schmerzengeldforderung; S 1.500 Schadenersatzforderung für beschädigtes Sakko; S 11.952 "Barauslagenersatz") als Teilurteil bestätigt.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten. Im übrigen werden die Urteile der Vorinstanzen im Umfang der erfolgten weiteren Klagsabweisung von insgesamt S 10.686 samt 4 % Zinsen seit 20.2.1984 (S 10.000 restliche Schmerzengeldforderung; S 638 Schadenersatzforderung für Thermoskanne und Uhrarmband; S 48 Straßenbahnfahrten) aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 16.2.1981 kam es um etwa 17.00 Uhr zunächst im Gebäude der I*** Gesellschaft mbH in Linz, Lunzerstraße 25, und sodann im Hof des Firmengeländes jeweils zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen den Streitteilen.

Mit der Behauptung, der Beklagte habe ihm im Büro der genannten Firma den Telefonhörer auf den Kopf geschlagen, ihm mehrere Faustschläge ins Gesicht versetzt, ihn sodann am Kragen gefaßt und über eine 6 m lange Stiege hinuntergeworfen, wodurch er sich schwere Verletzungen zugezogen habe und eine Thermoskanne, ein Sakko sowie ein Uhrarmband beschädigt worden seien, begehrte der Kläger letztlich (ON 50, AS 245) die Zahlung von insgesamt S 434.138 s.A., hievon als Ersatz für die erlittenen Sachbeschädigungen S 2.138, für Straßenbahnfahrten zur Behandlungsstätte im Unfallkrankenhaus S 48 und für weitere "Barauslagen" S 11.952. Der Kläger behauptete, er habe durch die tätlichen Angriffe des Beklagten Prellungen des Unterkiefers und an der Stirne, eine Quetschung des linken Schulterblattes, eine neuerliche Quetschung eines bereits vorhandenen Pfannendachbruches der rechten Hüfte sowie eine Fraktur des kleinen Fingers der linken Hand erlitten. Dies habe bis Weihnachten 1981 mittelstarke Schmerzen und sodann bis Mitte Februar 1982 leichte Schmerzen zur Folge gehabt, woraus der Kläger eine Schmerzengeldforderung von S 270.000 s.A. ableitete. Weiters begehrte er als Ersatz für den in der Zeit vom 16.2.1981 bis 23.2.1982 erlittenen Verdienstentgang insgesamt die Zahlung von S 150.000 s.A.

Der Beklagte hielt dem entgegen, er sei vom Kläger vor der Bürotüre am Mantelkragen erfaßt und mit dem Umbringen bedroht worden. Als der Kläger gleichzeitig in seine Manteltasche gegriffen habe, habe er in der Befürchtung, der Kläger werde ein Messer ziehen, diesen von sich weggestoßen. Daraufhin sei der Kläger keineswegs über die Treppe gestürzt, sondern diese hinuntergelaufen und habe dem Beklagten mit dem "Heimzahlen" gedroht. Als der Beklagte zum Kläger hinuntergegangen sei, habe ihn dieser bei der Krawatte genommen und gewürgt. Während des Würgevorganges sei es dem Beklagten gelungen, dem Kläger zwei Fausthiebe ins Gesicht zu versetzen, woraufhin der Kläger von ihm abgelassen habe. Der Kläger habe die von ihm behaupteten Verletzungen bei diesem Vorfall nicht erlitten; vielmehr sei der Beklagte selbst verletzt worden. Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Aus seinen Feststellungen ist folgendes hervorzuheben:

Nachdem der Kläger im Dezember 1980 von der I***

Gesellschaft mbH gekündigt worden war, mußte er auch seine bis dahin benützte Unterkunft im Firmenquartier räumen. Er erschien am 16.2.1981 gegen 16.30 Uhr auf dem Firmengelände, um die Schlüssel zurückzugeben und die von ihm hiefür geleistete Kaution von S 100 abzuholen. Er traf zunächst nur die Reinigungsfrau Dragica K*** an, welche jedoch die Schlüssel nicht entgegennahm, sondern den Kläger an den Beklagten verwies, der gegen 17.00 Uhr von einer Reparatur im Heizungsraum in die im 1.Stock gelegenen Büroräume zurückkam. Als der Kläger vom Beklagten die Bezahlung von S 100 für die Schlüsselrückgabe forderte, kam es zu einem heftigen Wortwechsel und schließlich zu tätlichen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Männern: Der Kläger packte den Beklagten am Mantelkragen, würgte ihn am Hals, stieß ihn gegen einen Schreibtisch und drohte ihm mit dem Worten: "Ich bringe Dich um". Als der Kläger in seine Manteltasche griff, fühlte sich der Beklagte bedroht, da er glaubte, der Kläger wolle ein Messer ziehen. Er schlug dem Kläger mit einem Schlüsselbund auf die linke Schulter und versetzte ihm am oberen Treppenabsatz einen Stoß, worauf der Kläger über die 6 m lange und 3 m hohe Treppe nach unten lief.

Als der Kläger den Beklagten vom Parterre aus erneut beschimpfte und damit drohte, ihn noch einmal zu erwischen und ihm das "heimzuzahlen", eilte ihm der Beklagte nach. Im Hof des Firmengeländes kam es sodann neuerlich zu einer Rauferei: Der Kläger würgte den Beklagten und dieser schlug dem Kläger mit der Hand mehrmals ins Gesicht.

Der Kläger erlitt bei der Rauferei keinerlei äußerlich sichtbare Verletzungen. Es konnte weder eine Schwellung noch eine Hautabschürfung oder eine sonstige Verletzung in der Mundhöhle festgestellt werden. Er zog sich auch keine Prellung oder Verletzung der rechten Hüfte zu. Ebensowenig wies der linke fünfte Mittelhandknochen des Klägers einen Bruch auf. Diesen Bruch hat er sich erst zwischen dem 6.4. und dem 8.4.1981 auf eine nicht näher bekannte Weise zugezogen. Der Kläger blieb auch nach den Handgreiflichkeiten vom 16.2.1981 arbeitsfähig. Er ist erst wegen des ca sechs Wochen danach erlittenen Bruches des linken fünften Mittelhandknochens für die Zeit vom 8.4. bis zum 10.5.1981 arbeitsunfähig geschrieben worden.

Der Kläger zog sich aber am 16.2.1981 eine leichte Prellung der rechten Gesichtshälfte und eine leichte Prellung der linken Schulter zu. Diese Verletzungen waren ihrem Grad nach leicht, er litt fünf bis sechs Tage an leichten Schmerzen. Eine Behandlung war nicht erforderlich. Als der Kläger noch mehrmals aus eigenem ins Krankenhaus kam, wurde lediglich eine Einreibung verordnet. Im Zuge des Handgemenges vom 16.2.1981 wurden die Thermoskanne und das Uhrarmband des Klägers beschädigt, nicht aber sein Sakko. Der Beklagte erlitt bei der Rauferei deutlich sichtbare Würgemale am Hals und eine schillinggroße Hautabschürfung am rechten Sprunggelenk.

Rechtlich folgerte das Erstgericht daraus, die Ersatzforderung des Klägers wegen angeblicher Arbeitsunfähigkeit in der Zeit vom 16.2.1981 bis 7.4.1981 und vom 11.5.1981 bis 23.2.1982 müsse schon deshalb abgewiesen werden, weil er in diesen Zeitabschnitten arbeitsfähig gewesen sei. Der Grund für seine Arbeitsunfähigkeit in der Zeit vom 8.4.1981 bis 10.5.1981 sei im späteren Bruch seines linken fünften Mittelhandknochens gelegen gewesen, den aber der Beklagte nicht verursacht habe. Im übrigen komme eine Haftung des Beklagten für die vom Kläger behauptete neuerliche Quetschung eines schon vorhandenen Pfannendachbruches der linken Hüfte, den Bruch des linken fünften Mittelhandknochens und die Beschädigung seines Sakkos nicht in Betracht, weil der Beklagte derartige Verletzungen oder Vermögensschäden des Klägers gar nicht verursacht habe. Das gelte auch für die Barauslagen von S 11.925. Hinsichtlich der verbleibenden Verletzungen und Schäden, nämlich der Prellungen im Gesicht und an der linken Schulter, der Beschädigung der Thermoskanne und des Uhrarmbandes sowie der restlichen Barauslagen von S 48 liege kein rechtswidriges Verhalten des Beklagten vor. Dieser habe gemäß § 19 ABGB in Verbindung mit § 3 StGB in gerechter Notwehr gehandelt, weil er nur einen gegenwärtigen bzw unmittelbar drohenden rechtswidrigen Angriff des Klägers mit den schonendsten Mitteln abgewehrt habe.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbdenklich und billigte auch dessen Rechtsansicht über das Vorliegen einer Notwehrsituation des Beklagten, welcher dieser nur mit maßhaltender Gegenwehr entgegengetreten sei.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers, inhaltlich aus den Anfechtungsgründen des § 503 Abs 1 Z 2, 3 und 4 ZPO, mit dem Antrag auf Abänderung des Urteiles im Sinne einer gänzlichen Klagsstattgebung, hilfsweise auf Urteilsaufhebung.

Der Beklagte stellt in seiner Revisionsbeantwortung den Antrag, dem Rechtsmittel des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Ergebnis nur zu einem geringen Teil berechtigt.

Soweit der Kläger mit seinen Ausführungen zur geltend gemachten Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit nicht überhaupt nur in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung angreift, liegen diese Anfechtungsgründe nicht vor (§ 410 Abs 3 ZPO). Mit seiner Rechtsrüge wendet sich der Kläger nur mehr gegen die übereinstimmende Rechtsansicht der Vorinstanzen über die fehlende Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Beklagten, weil dieser in Notwehr gehandelt habe. Der Rechtsmittelwerber übersieht dabei zunächst, daß die von ihm geltend gemachten Ersatzforderungen für Verdienstentgang, Beschädigung seines Sakkos und von Barauslagen in Höhe von S 11.952 s.A. schon deshalb abgewiesen worden sind, weil er diesbezüglich nach den Feststellungen den ihm oblegenen Nachweis eines Schadens und seiner Verursachung durch den Schädiger (Ehrenzweig-Mayrhofer, Schuldrecht3,I, 340) nicht erbracht hat. Die letztgenannte Ersatzforderung erweist sich überdies auch als unschlüssig, weil jegliches Sachvorbringen des Klägers über die nähere Art und Zusammensetzung der "Barauslagen" ebenso fehlt wie ein solches über deren allfälligen Zusammenhang mit den tätlichen Auseinandersetzungen zwischen den Streitteilen vom 16.2.1981. Unabhängig von der Frage, ob der Beklagte in Notwehr gehandelt hat oder nicht, war daher die Klagsabweisung im Umfang von S 163.452 s. A. (S 150.000 Verdienstentgang; S 1.500 für beschädigtes Sakko und S 11.952 für "Barauslagen") jedenfalls bereits als Teilurteil zu bestätigen.

Zu der vom Kläger in Zweifel gezogenen Annahme einer Notwehrsituation des Beklagten durch die Vorinstanzen war folgendes zu erwägen:

Eine Schadenersatzverpflichtung hat grundsätzlich zur Voraussetzung, daß der Schädiger rechtswidrig und schuldhaft handelte. Rechtswidrig ist ein menschliches Verhalten dann, wenn es gegen Gebote und Verbote der (gesamten) Rechtsordnung oder gegen die guten Sitten (§ 1295 Abs 2 ABGB) verstößt (Koziol-Welser, Grundriß8,I, 414; Koziol, Haftpflichtrecht2, I, 90; ZVR 1976/229 ua; zuletzt EvBl 1989/72). Während die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens zumeist nur aus einer umfassenden Interessenabwägung abgeleitet werden kann, gibt es aber auch bestimmte, immer wieder vorkommende Interessenlagen, bei denen das Gesetz selbst die Rechtswidrigkeit ausschließt; dazu gehört auch der Rechtfertigungsgrund der Notwehr (Ehrenzweig-Mayrhofer, aaO, 273; EvBl 1989/72). Gemäß § 19 ABGB ist ein Verhalten dann nicht rechtswidrig, wenn der Täter in Notwehr gehandelt hat. Nach § 3 StGB liegt Notwehr vor, wenn sich jemand der Verteidigung bedient, die notwendig ist, um einen gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden rechtswidrigen Angriff auf Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit, Freiheit oder Vermögen von sich oder einem anderen abzuwehren (Koziol-Welser, aaO, 416; Koziol, aaO, 102; Ehrenzweig-Mayrhofer, aaO; EvBl 1972/219; ZVR 1981/233). Nach den Feststellungen hat der Kläger damit begonnen, ein notwehrfähiges Gut des Beklagten, nämlich dessen Gesundheit und körperliche Unversehrtheit, anzugreifen, indem er ihn am Mantelkragen packte, am Hals würgte, gegen einen Schreibtisch stieß und dabei auch noch die Drohung ausstieß, den Beklagten umzubringen. Wenn der Beklagte daher, um einem nach dem Griff des Klägers in dessen Manteltasche unmittelbar drohenden weiteren Angriff zu begegnen, dem Kläger mit einem Schlüsselbund auf die linke Schulter geschlagen und ihm einen Stoß versetzt hat, so daß er die Treppe nach unten lief, so kann in der Annahme einer Notwehrsituation für den Beklagten durch die Vorinstanzen kein Rechtsirrtum erblickt werden. Der Beklagte hat damit auch die Grenzen der notwendigen Verteidigung (§ 3 StGB) nicht überschritten, weill er unter den verfügbaren Mitteln die schonendsten angewendet hat, um einen gegenwärtigen oder unmittelbar bevorstehenden Angriff des Klägers sofort und endgültig abzuwehren (RZ 1989/57). § 344 ABGB spricht in diesem Zusammenhang von "angemessener Gewalt". Auch unter diesem Gesichtspunkt hat der Beklagte nur jene Abwehr gewählt, die mit einer möglichst minimalen Verletzung der Interessen des angreifenden Klägers noch zum Ziele führte (vgl. Koziol, aaO, 103; Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 9 zu § 19). Wenn der Kläger nunmehr auf seinen berechtigten Rückforderungsanspruch von S 100 Schlüsselkaution verweist und damit offenbar für sich selbst eine Notwehrsituation in Anspruch nehmen will, so ist ihm entgegenzuhalten, daß in der bloßen Weigerung des Beklagten zur Rückzahlung noch keinerlei gegenwärtiger oder unmittelbar drohender Angriff auf den - noch dazu

geringfügigen - vermögenswerten Rückforderungsanspruch des Kllägers gelegen sein konnte (vgl. Fuchs, Grundfragen der Notwehr, 78 f ). Soweit der Beklagte dem Kläger daher eine Prellung der linken Schulter zugefügt hat, geschah dies in Ausübung der Notwehr und war nicht rechtswidrig. Diesbezüglich sind auch keinerlei Schmerzengeldansprüche gerechtfertigt. Das gilt auch für die vom Kläger weiters geltend gemachten Verletzungen, weil sie ihm vom Beklagten gar nicht zugefügt wurden.

Nach den Feststellungen zerfallen aber die tätlichen Auseinandersetzungen zwischen den Streitteilen sowohl räumlich als auch zeitlich deutlich in zwei gesonderte Abschnitte. Als der Beklagte die Angriffe des Klägers in berechtigter Notwehrausübung bereits erfolgreich abgewehrt hatte, beschimpfte ihn dieser nämlich vom Parterre aus erneut und drohte damit, ihn noch einmal zu erwischen und ihm das "heimzuzahlen". Wenn der Beklagte daher in dieser Situation, wo von einem gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden weiteren Angriff des Klägers auf ein notwehrfähiges Rechtsgut des Beklagten keine Rede mehr sein konnte, dem Kläger nachgeeilt ist, so mußte er sich dessen bewußt gewesen sein, daß er sich damit in einen (weiteren) Raufhandel einläßt, zu dem es auch dann im Hofe des Firmengeländes tatsächlich gekommen ist. Dabei hat der Kläger den Beklagten gewürgt und dieser dem Kläger mit der Hand mehrmals ins Gesicht geschlagen. Die festgestellte Prellung der rechten Gesichtshälfte kann der Kläger daher nur bei dieser Gelegenheit erlitten haben. Der Rechtsmittelwerber weist insoweit demnach zutreffend darauf hin, daß dem für das Vorliegen einer Notwehrlage beiweispflichtigen Beklagten (Ehrenzweig-Mayrhofer, aaO, 341) der erforderliche Nachweis für den zweiten Abschnitt der tätlichen Auseinandersetzungen nicht gelungen ist. Allerdings fehlen in diesem Zusammenhang noch Feststellungen zum Vorbringen des Beklagten (ON 3, AS 8), er habe dem Kläger vor Beginn des zweiten Abschnittes der tätlichen Auseinandersetzungen (nur) erklärt, daß er verschwinden und keine Schwierigkeiten machen solle. Sollte die erforderliche Verfahrensergänzung aber ergeben, daß das "Nacheilen" des Beklagten tatsächlich im Bewußtsein erfolgte, es werde zu einem weiteren Raufhandel kommen, so muß derjenige, der sich in einen Raufhandel einläßt oder einzulassen beabsichtigt, auch damit rechnen, im Zuge einer solchen Auseinandersetzung zu Schaden zu kommen. Er kann sich daher naturgemäß nicht mehr schlechthin auf eine Notwehrsituation berufen. Eine solche ist im Raufhandel nur beschränkt bei einseitiger, unangemessener Eskalation oder demjenigen zuzubilligen, der weiteren beachtlichen Angriffen ausgesetzt ist, obwohl er bereits überwunden und wehrlos ist, oder der den Raufhandel selbst erkennbar aufgegeben hat (Reischauer, aaO, letzter Absatz; Foregger-Serini-Kodek, StGB4, § 3 IV am Ende, 34; Leukauf-Steininger, Komm. zum StGB2, Rz 84 zu § 3; Nowakowski im Wiener Komm. zum StGB, Rz 31 zu § 3; EvBl 1974/103 ua). Von keiner dieser Voraussetzungen kann nach der derzeitigen Aktenlage ausgegangen werden. Sollte es sich nach den erforderlichen ergänzenden Feststellungen ergeben, daß für jene Verletzung und Sachbeschädigungen, die der Beklagte dem Kläger beim zweiten Raufhandel zugefügt hat, kein Rechtfertigungsgrund vorliegt, sind noch Feststellungen darüber erforderlich, welcher Art und Dauer die Schmerzen gewesen sind, die aus der Prellung der rechten Gesichtshälfte des Klägers allein resultieren, ebenso darüber, ob die Thermosflasche und das Uhrarmband bei der ersten oder aber erst bei der zweiten Auseinandersetzung zwischen den Streitteilen beschädigt wurden und ob die Straßenbahnfahrten des Klägers die aus der ersten oder aus der zweiten Auseinandersetzung stammende Verletzung betroffen haben. Insoweit ist daher eine Urteilsaufhebung und Zurückverweisung in die erste Instanz unumgänglich. Allerdings wären - sofern nach den zu ergänzenden Feststellungen eine Schadenersatzpflicht des Beklagten vorliegen sollte - zur geltend gemachten Schmerzengeldforderung nur mehr Art und Dauer der auf die Prellung der rechten Gesichtshälfte des Klägers zurückzuführenden Schmerzen zu prüfen. Da diese Schmerzen nicht stärker gewesen sein und länger gedauert haben können als die zusammen mit der Prellung der linken Schulter festgestellten fünf- bis sechstägigen leichten Schmerzen und sonstige Verletzungen nach den Feststellungen vom Beklagten dem Kläger nicht zugefügt worden sind, kann bereits mit Sicherheit davon ausgegangen werden, daß die Schmerzengeldforderung des Klägers im Umfang von zumindest S 260.000 s.A. jedenfalls überhöht ist. Auch insoweit konnte demnach das angefochtene abweisliche Urteil schon jetzt als Teilurteil bestätigt werden.

Im Umfang der restlichen Schmerzengeldforderung von S 10.000 s. A. und der Ersatzforderungen von insgesamt S 686 sind aber noch die entsprechenden ergänzenden Feststellungen erforderlich, weshalb in teilweiser Stattgebung der Revision die Urteile der Vorinstanzen in diesem Umfang aufzuheben waren (§ 510 Abs 1 ZPO) und die Sache zur ergänzenden Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen war. Sollte sich danach die grundsätzliche Berechtigung der genannten Forderungen ergeben, weil sie allesamt aus Angriffshandlungen des Beklagten beim zweiten Raufhandel resultieren, in den der Beklagte sich bewußt eingelassen oder den er jedenfalls in Kauf genommen hat, so wird auch zu beachten sein, daß dem Kläger an seiner Gesichtsverletzung und den sonstigen Schäden schon deshalb ein überwiegendes (Mit-)Verschulden von zwei Drittel trifft, weil er sie durch sein Verhalten selbst provoziert hat. Ein Ersatz wird daher überhaupt nur im Ausmaß von einem Drittel des noch in Rede stehenden, der Höhe nach aber noch nicht abschließend beurteilbaren Schmerzengeldanspruches bzw des erlittenen Vermögensschadens in Betracht kommen.

Es war daher das angefochtene Urteil überwiegend zu bestätigen und der Revision nur im aufgezeigten Umfang im Sinne des gestellten Aufhebungsantrages Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich in beiden Fällen auf § 52 ZPO.

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