OGH 12Os32/89

OGH12Os32/8929.6.1989

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Juni 1989 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Sanda als Schriftführerin in der Strafsache gegen Michael Engelbert H*** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 und 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft und die Berufung der Privatbeteiligten Firma Franz W***, Gastronomie Ges.m.b.H. & Co KG, gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 16. Dezember 1988, GZ 27 Vr 1246/88-123, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Bassler, des Vertreters der Privatbeteiligten Dr. Leimer und der Verteidiger Dr. Tews, Dr. Ehmann, Dr. Frank und Dr. Freund, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

1./ Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und 1.1. das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in nachstehenden Punkten aufgehoben:

1.1.1. hinsichtlich der Angeklagten Michael Engelbert H*** und Wolfgang S*** in der Ablehnung des Ausspruchs, diese Angeklagten hätten die ihnen (H*** laut I/ 1 und 6, S*** laut I/ 1, 2/a, 3 und 4) zur Last fallenden schweren Diebstähle und Diebstähle durch Einbruch in der Absicht begangen, sich durch die wiederkehrende Begehung der Taten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, in der darauf beruhenden Nichtannahme der Qualifikation nach § 130, zweiter Fall, StGB und demgemäß in den die Angeklagten H*** und S*** betreffenden Strafaussprüchen (einschließlich der Vorhaftanrechnungen);

1.1.2. hinsichtlich des Angeklagten Wolfgang S*** überdies in dem die Anklagepunkte I/2/b (am 4. April 1988 in Linz verübter Diebstahl von 9.000 S Bargeld aus einem Tresor und Zigaretten im Wert von 943 S durch Einbruch zum Nachteil des Gerhard Z***) und IV/ 2 (aus Anlaß dieses Diebstahls begangene dauernde Sachentziehung in bezug auf den Tresor) betreffenden Teilfreispruch gemäß § 259 Z 3 StPO;

1.1.3. hinsichtlich des Angeklagten Gernot Arthur E*** a/ im Ausspruch, daß der Wert der von E*** gestohlenen bzw. zu stehlen versuchten Sachen (Schuldspruch I) 25.000 S, nicht aber 500.000 S überstieg und demgemäß in der Nichtannahme der Qualifikation nach § 128 Abs. 2 StGB;

b/ im Schuldspruch zu V/ 2 (Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB) und demgemäß in dem den Angeklagten E*** betreffenden Strafausspruch, ausgenommen die aufrecht bleibende Vorhaftanrechnung;

1.1.4. hinsichtlich der Angeklagten Helga G*** im Schuldspruch V/ 1 (Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB) und demgemäß in dem diese Angeklagte betreffenden Strafausspruch, ausgenommen die aufrecht bleibende Vorhaftanrechnung.

1.2. Gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO wird in der Sache selbst erkannt:

1.2.1. Im Umfang der Aufhebung zu oben 1.1.2.:

Wolfgang S*** hat am 4. April 1988 in Linz Täter eines Verbrechens und eines Vergehens gegen fremdes Vermögen nach der Tat dabei unterstützt, Sachen, die diese durch sie erlangt hatten, zu verheimlichen, indem er mit Gernot Arthur E*** und Johann EM nach der Deliktsvollendung zu I/ 2/b und IV/ 2 beim Abtransport der Tatobjekte bzw. beim Versenken des Tresors zusammenwirkte, wobei der Diebstahl durch Einbruch (I/ 2/b) aus einem anderen Grund als wegen gewerbsmäßiger Begehung mit einer Freiheitsstrafe bedroht ist, die fünf Jahre erreicht, und ihm die Umstände bekannt waren, die diese Strafdrohung begründen.

Er hat hiedurch das Verbrechen der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 StGB begangen und wird (auch) hiefür im zweiten Rechtsgang zu bestrafen sein;

1.2.2. im Umfang der Aufhebung zu oben 1.1.3.:

Gernot Arthur E*** hat anläßlich des Diebstahls laut I/8 Gewahrsamsträgern der Firma A*** Kirchdorf auch zwei amtliche Kennzeichentafeln unbestimmten Wertes mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und der Wert der von ihm insgesamt gestohlenen und zu stehlen versuchten Sachen übersteigt 500.000 S.

Er hat auch hiedurch - in Verbindung (§ 29 StGB) mit den ihm nach den unberührt gebliebenen Schuldsprüchen zu I/1, 2/a und b, 7 bis 9 zur Last liegenden diebischen Angriffen - das Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 (nunmehr) Abs. 2, 129 Z 1 und 2, 130 zweiter Fall und 15 StGB begangen und wird hiefür sowie für die ihm unverändert zur Last liegenden Vergehen nach § 36 Abs. 1 und Abs. 5 WaffG (III) und der dauernden Sachentziehung (IV) nach §§ 130, zweiter Strafsatz, 28 Abs. 1 StGB zu 3 1/2 (dreieinhalb) Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.

1.2.3. im Umfang der Aufhebung zu oben 1.1.4.:

Helga G*** hat im Dezember 1987 eine fremde bewegliche Sache, nämlich eine für Kurt H*** ausgestellte übertragbare Jahresnetzkarte der ESG-Linzer Elektrizitäts-, Fernwärme- und Verkehrsbetriebe AG im Wert von 3.600 S mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern. Sie hat auch hiedurch - in Verbindung (§ 29 StGB) mit den ihr nach dem unberührt gebliebenen Schuldspruch zu I/5 zur Last liegenden diebischen Angriffen - das Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 und 2, 15 StGB, teils als Beitragstäterin nach § 12, dritter Fall, StGB begangen und wird hiefür sowie für die ihr unverändert zur Last liegenden Vergehen des schweren Betruges (II) und der Sachbeschädigung (VI) nach §§ 129, 28 Abs. 1 StGB zu 1 (einem) Jahr Freiheitsstrafe verurteilt. Gemäß § 43 Abs. 1 StGB wird ihr die Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

1.3. Im Umfang der Urteilsaufhebung laut 1.1.1. und zur Strafbemessung laut 1.2.1. wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

2./ Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. 3./ Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

4./ Der Berufung der Privatbeteiligten Firma Franz W*** Gastronomie GesmbH & Co KG wird nicht Folge gegeben. 5./ Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten Michael Engelbert H***, Wolfgang S***, Helga G*** und Gernot Arthur E*** auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens (ausgenommen die durch das ganz erfolglos gebliebene Rechtsmittel der Privatbeteiligten Firma Franz W*** Gastronomie GesmbH & Co KG verursachten) zur Last.

Text

Gründe:

Der am 7. Juli 1957 geborene Michael Engelbert H***, der am 5. Juni 1959 geborene Wolfgang S***, die am 23. Juni 1941 geborene Helga G*** und der am 20. August 1963 geborene Gernot Arthur E*** wurden wie folgt schuldig erkannt:

Michael Engelbert H***

(zu I) des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1 und Z 2 StGB und (zu IV) des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs. 1 StGB; Wolfgang S***

(zu I) des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1, Z 2 und 15 StGB, (zu III) des Vergehens nach § 36 Abs. 1 Z 1 WaffG und (zu IV) des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs. 1 StGB;

Helga G***

(zu I) des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch, teils als Beteiligte nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1, Z 2, 15 und 12 (dritter Fall) StGB, (zu II) des Vergehens des schweren Betruges teils als Beteiligte nach §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 und 12 dritter Fall StGB, (zu V) des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB und (zu VI) des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB; Gernot Arthur E***

(zu I) des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 129 Z 1, Z 2, 130 zweiter Fall und 15 StGB, (zu III) des Vergehens nach § 36 Abs. 1 Z 1 und Z 5 WaffG, (zu IV) des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs. 1 StGB und (zu V) des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB. Neben anderen (unbekämpft gebliebenen) Teilfreisprüchen aller Angeklagten wurde Wolfgang S*** auch von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe am 4. April 1988 in Linz im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit Gernot Arthur E*** und dem abgesondert verfolgten Dietmar Johann EM dem Gerhard Z*** durch Einbruch in sein Lokal "R***" Bargeld im Betrage von 9.000 S und Zigaretten im Werte von 943 S mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch die Zueignung dieser Sachen unrechtmäßig zu bereichern (I 2 b der Anklage ON 95), und er habe weiters anläßlich dieser Tat den Gerhard Z*** dadurch geschädigt, daß er fremde bewegliche Sachen aus dessen Gewahrsam dauernd entzog, ohne die Sachen sich oder einem Dritten zuzueignen und zwar abermals im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit Gernot Arthur E*** und dem abgesondert verfolgten Dietmar Johann EM, indem er den bei dem Einbruchsdiebstahl entzogenen Tresor des Gerhard Z*** in unbekanntem Wert in die Donau versenkte (IV, 2 der Anklage), gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen (AS 189/III).

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil wird von der Staatsanwaltschaft mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 5, 9 lit. a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft, der teilweise Berechtigung zukommt. Zutreffend zeigt die Staatsanwaltschaft in Ansehung der Angeklagten Michael Engelbert H*** und Wolfgang S*** betreffend den Schuldspruch wegen Verbrechens des schweren Diebstahls (I des Urteilssatzes) auf, daß das Erstgericht für die Verneinung gewerbsmäßigen Handelns auch dieser beiden Angeklagten (S 199/III) nur offenbar unzureichende Gründe angegeben und die Beweisergebnisse unvollständig erörtert hat (§ 281 Abs. 1 Z 5 StPO). Denn die Urteilsbegründung, es handle sich (auch) bei diesen Tätern um "klassische Erst- bzw. Gelegenheitstäter", sodaß die Absicht, sich durch wiederkehrende Begehung der Taten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, "im Zweifel" nicht angenommen werden konnte (S 207/III), läßt - abgesehen davon, daß auch ein Ersttäter mit der Absicht handeln kann, sich durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen - nicht erkennen, auf welche tatsächlichen Umstände sich diese Überzeugung des Schöffensenates in Ansehung des Angeklagten Michael Engelbert H*** stützte, der jedenfalls nicht als Ersttäter bezeichnet werden kann (S 191/III); in Ansehung des Angeklagten Wolfgang S*** übergeht das Urteil überdies dessen am 25. Juli 1988 vor der Bundespolizeidirektion Linz (der Sache nach zur Gewerbsmäßigkeit) abgelegtes und in der Hauptverhandlung verlesenes (S 167/III) Geständnis, wonach er sich auf Grund seiner schlechten finanziellen Lage "dazu hinreißen ließ, seinen Unterhalt unredlich aufzubessern" (S 105/I). Die Frage der Gewerbsmäßigkeit der von den Angeklagten Michael Engelbert H*** und Wolfgang S*** begangenen Diebstähle wird daher in erster Instanz in einer neuen Hauptverhandlung unter Berücksichtigung aller Beweisergebnisse nochmals zu prüfen (§ 288 Abs. 2 Z 1 StPO) und das Ergebnis dieser Prüfung iS des § 270 Abs. 2 Z 5 StPO mängelfrei zu begründen sein.

Der Staatsanwaltschaft kann hingegen nicht gefolgt werden, soweit sie mit Beziehung auf § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO den Freispruch des Angeklagten S*** von den Anklagepunkten I 2 b (Einbruchsdiebstahl zum Nachteil des Gerhard Z***) und IV 2 (dauernde Sachentziehung eines Tresors zum Nachteil des Gerhard Z***) mit der Begründung bekämpft, Wolfgang S*** habe vor Vollendung des Einbruchsdiebstahls in das Lokal "R***" in den Tatablauf eingegriffen, weil er den Tätern Gernot Arthur E*** und Dietmar EM beim Abtransport des erst in einen Nachbarkeller (S 259/III; "Nachbarraum" S 260/III), aber noch nicht aus dem Gewahrsam des bestohlenen Gerhard Z*** verbrachten Tresors, in dem sich das angestrebte Bargeld befand, behilflich war und daher (als Mittäter) das Verbrechen des Diebstahls durch Einbruch in Ansehung des aus dem Tresor gestohlenen Bargeldes und das Vergehen der dauernden Sachentziehung in bezug auf den Tresor zu verantworten habe. Denn nach den bezüglichen (von der Beschwerdeführerin nicht vollständig zitierten) Feststellungen sind die Angeklagten E*** und EM über den Hauseingang in den Keller eines Nebenhauses und nach Aufbrechen mehrerer Türen in das Musikcafe "R***" gelangt, haben von dort den in Rede stehenden Tresor samt Inhalt über den selben Weg zurückgetragen und im Keller des Nachbarhauses abgestellt (S 195; 203; 212; 214/III), von wo aus ihnen der telefonisch herbeigerufene Angeklagte Wolfgang S*** beim weiteren Abtransport des Tresors zum Linzer Jachthafen behilflich war. Dort haben dann E*** und EM das Bargeld aus dem Tresor genommen und diesen im Hafenbecken versenkt (S 195, 196/III). Bei der Beurteilung dieses Sachverhaltes als Verbrechen des vollendeten Einbruchsdiebstahls und Vergehens der dauernden Sachentziehung in Ansehung der Angeklagten Gernot Arthur E*** und Dietmar EM und als Verbrechen der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 letzter Fall StGB in bezug auf Wolfgang S*** (S 215/III), ist dem Erstgericht entgegen den Beschwerdebehauptungen kein Rechtsirrtum unterlaufen, weil die entscheidende Schwelle zwischen Deliktsvollendung von dem bis dahin gegebenen Versuchsstadium beim Diebstahl schwerer und sperriger Güter das Verlassen des Machtbereiches des bisherigen Gewahrsamsinhabers darstellt. Der Einbruchsdiebstahl und die nur auf der subjektiven Tatseite anders gelagerte dauernde Sachentziehung waren sohin mit der Verbringung des Tresors in einen Keller des Nachbarhauses vollendet. Denn damit war die Diebsbeute zwar noch nicht in Sicherheit gebracht, doch dem Machtbereich des Gerhard Z*** entzogen. Beitragstäterschaft (§ 12 dritter Fall StGB) des erst danach eingreifenden Angeklagten S*** kam daher nicht mehr in Betracht.

Das Erstgericht irrte allerdings, soweit es einen Schuldspruch des Angeklagten S*** wegen Verbrechens der Hehlerei nach dem § 164 Abs. 1 Z 1, Abs. 3 letzter Fall StGB mit der Begründung ablehnte, daß es im gegebenen Zusammenhang an der für jeden Schuldspruch erforderlichen Anklage fehle (S 215/III). Denn Gegenstand der Anklage ist immer nur ein historisches Ereignis, nämlich die Beteiligung eines Menschen an einem bestimmten Vorfall, der nach Ansicht des Anklägers irgendeinen strafbaren Erfolg herbeigeführt hat, wobei zur Klärung der Tatidentität Anklagesatz und Anklagebegründung als einheitliches Ganzes heranzuziehen sind (Mayerhofer-Rieder2, ENr. 5 ff, 18 ff zu § 262 StPO). Unter Anklage steht sohin eine konkret bestimmte Tat, nicht aber ihre vom Ankläger vorgenommene juristische Qualifikation (Mayerhofer-Rieder2, ENr. 1 bis 3 zu § 262 StPO). Das Gericht hat daher den Vorfall, den der Ankläger zum Anlaß seiner Anklage nimmt, nach allen Richtungen hin zu erforschen und dem Gesetz zu unterstellen, das darauf anzuwenden ist, wobei es sich ohne Rücksicht auf die in der Anklage vertretene Anschauung vom Ablauf des Geschehens ein Urteil darüber zu bilden hat, in welcher Art sich das als solches inkriminierte Ereignis abgespielt und in welcher Form der Angeklagte sich daran beteiligt hat (Mayerhofer-Rieder2, ENr. 25 bis 29 zu § 262 StPO). Demnach kann aber nach Lage des Falles nicht zweifelhaft sein, daß der Ankläger die Mithilfe des Angeklagten S*** beim Abtransport des in Rede stehenden, von E*** und EM bereits "in den Keller" (Anklage) verbrachten Tresors zum Jachthafen, die Entnahme des Bargeldes aus dem Tresor und das Versenken desselben im Hafenbecken inkriminierte (S 366/II). Ein von der Anklage wegen Diebstahls und dauernder Sachentziehung abweichender Schuldspruch wegen Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z 1, Abs. 3 letzter Fall StGB wäre daher ohne Überschreitung der Anklage (§ 281 Abs. 1 Z 8 StPO) zulässig (Mayerhofer-Rieder2, ENr. 22, 144 zu § 262 StPO) und nach Lage des Falles auch geboten gewesen (Mayerhofer-Rieder2 ENr. 10 zu § 281 Abs. 1 Z 8 StPO). Zu Recht greift daher die Staatsanwaltschaft in ihrer Rechtsrüge diesen Irrtum des Erstgerichtes auf und reklamiert nach Maßgabe der tatrichterlichen Feststellungen den Schuldspruch des Angeklagten Wolfgang S*** wegen Verbrechens der Hehlerei nach dem § 164 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 letzter Fall StGB, der nicht nur das durch Einbruch gestohlene Bargeld, sondern auch den auf Dauer entzogenen Tresor zu umfassen hätte, weil Hehlerei (seit dem Inkrafttreten des StGB) bei allen strafbaren Handlungen gegen fremdes Vermögen, sohin bezüglich aller im Sechsten Abschnitt des Besonderen Teiles (in den §§ 125 bis 168 StGB) angeführten Delikte möglich ist.

Ebenso trifft es im Sinn der Rechtsrüge (Z 10) auch zu, daß dem Schöffengericht bei der rechtlichen Beurteilung einer Jahresnetzkarte (AS 91 in ON 62/II), die Helga G*** im Dezember 1987 in einem Lokal aus einer dem Kurt H*** gehörenden Jacke (mit - vom Erstgericht implizit angenommenem - Bereicherungsvorsatz; S 209/III) entnommen und in der Folge "für sich verwendet" hatte (S 184 iVm S 199/III; S 51, 55 in ON 62/II), als nicht diebstahlsfähige Privaturkunde ein Rechtsirrtum unterlaufen ist. Denn unbeschadet des Umstandes, daß die seit 1. Juli 1987 "übertragbare Jahresnetzkarte" auf den Namen Kurt H*** lautete (S 184/III), kann sie nach den (notorischen) Vertrags- und Benützungsbedingungen zu den Jahres-Netzkarten der Linzer Elektrizitäts-, Fernwärme- und Verkehrsbetriebe AG (ESG) vom - in der Urkunde bloß als Bezugsperson der ESG genannten - Auftraggeber "an jede beliebige Person weitergegeben werden", wobei der jeweilige Inhaber an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen eine erwachsene Person und bis zu vier Kinder unter 15 Jahren gratis mitnehmen kann. Diese uneingeschränkte Übertragbarkeit und erweiterte Benützbarkeit der Jahres-Netzkarte der ESG macht sie - ebenso wie Eisenbahnfahrkarten oder Straßenbahnfahrscheine, Eintrittskarten oder Speisemarken (RZ 1973/158) - zu einem selbständigen Wertträger und damit zu einem tauglichen Diebstahlsobjekt. Rechtsrichtig verantwortet Helga G*** daher insoweit das Vergehen des Diebstahls. Gleichermaßen im Recht ist die Staatsanwaltschaft, soweit sie sich mit Beziehung auf den Schuldspruch des Gernot Arthur E*** wegen Vergehens der Urkundenunterdrückung (V 2) gegen die erstgerichtliche Rechtsansicht wendet, wonach Kraftfahrzeugkennzeichentafeln, deren Materialwert "gleich Null" sei, infolge ihres Urkundencharakters (§ 49 Abs. 1 KFG) und mangels eines Tauschwertes nicht Gegenstand eines Diebstahls sein könnten (S 211, 212/III). Der Oberste Gerichtshof bejaht in ständiger Rechtsprechung die Eignung amtlicher Kraftfahrzeugkennzeichentafeln zum Diebstahlsobjekt, weil diese schon nach ihrer Beschaffenheit einen Sachwert haben, der nicht so gering ist, daß er schlechthin vernachlässigt werden könnte (Leukauf-Steininger StGB2, RN 5 m zu § 127; Mayerhofer-Rieder StGB3, Nr. 7 zu § 127; Foregger-Serini StGB4, Erl. III zu § 127 jeweils mit Judikaturzitaten). Nach den Urteilsfeststellungen (S 197/III), daß Gernot Arthur E*** und Dietmar EM die in Rede stehenden Kennzeichentafeln von einem VW-Pritschenwagen abmontierten und auf den von ihnen gleichzeitig gestohlenen fabriksneuen VW Golf anbrachten, den - solcherart mit Kennzeichen versehen - sie mehrere Monate und zwar bis zu ihrer Festnahme in der Bundesrepublik Deutschland benutzten, ergibt sich auch der für einen Schuldspruch wegen Diebstahls in subjektiver Hinsicht erforderliche Bereicherungsvorsatz. Damit enthält aber das Urteil alle für eine abschließende rechtliche Beurteilung erforderlichen Tatsachenfeststellungen, weshalb auch in diesem Punkt mit Entscheidung in der Sache selbst vorzugehen war (§ 288 Abs. 2 Z 3 StPO).

Mit dem Einwand, Helga G*** wäre anstatt des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (VI des Urteilssatzes) rechtsrichtig des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs. 1 StGB schuldig zu erkennen gewesen, weil sie das der Rosemarie R*** gehörende (nicht vinkulierte) Sparbuch der V*** Y***/E*** mit einem Einlagenstand von 1.614 S, dessen Einlösung sie "für zu gefährlich hielt", mit "offensichtlich auf dauernde Sachentziehung - um sich des Sparbuches zu entledigen - und nicht auf Sachbeschädigung gerichteten Vorsatz" (S 262/III) zerriß, hält die Staatsanwaltschaft allerdings nicht am Urteilssachverhalt fest. Denn aus den Feststellungen, daß Helga G*** das Sparbuch - aus welchem Beweggrund auch immer - zerriß und die Reste in eine Mülltonne warf (S 198/III), ergibt sich - dem Beschwerdevorbringen zuwider - ihr auf Zerstörung der Sache gerichteter Vorsatz (S 210/III). Um sich des Sparbuches bloß "zu entledigen", und dieses - etwa durch Wegwerfen oder Verstecken - dem Berechtigten auf Dauer zu entziehen - wie die Beschwerdeführerin urteilsfremd annimmt - hätte es nicht der Vernichtung desselben bedurft. Rechtsrichtig beurteilte sohin das Erstgericht das Verhalten der Angeklagten Helga G***, die sich "vor Zueignung" des Sparbuches "zur Vernichtung der nicht wertlosen Sache entschloß" (S 210/III), als Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB. Im Recht hinwieder ist die Staatsanwaltschaft mit ihrem Einwand, daß der Angeklagte Gernot Arthur E*** in Ansehung des Schuldspruches I nach den Urteilsfeststellungen (auch) die Qualifikation des schweren Diebstahls nach § 128 Abs. 2 StGB zu verantworten hat (vgl. auch S 211/III). Denn der (bezifferte) Wert der laut Urteil von ihm gestohlenen und zu stehlen versuchten Sachen beträgt zusammen (§ 29 StGB) 534.729 S.

Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher spruchgemäß (nur) teilweise Folge zu geben, das angefochtene Urteil in den bezeichneten Punkten aufzuheben, gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO der Angeklagte Wolfgang S*** des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 StGB, Gernot Arthur E*** des Diebstahls auch der amtlichen Kennzeichentafeln und Helga G*** des Diebstahls auch der übertragbaren Jahresnetzkarte schuldig zu erkennen, die Sache im übrigen im Umfang der die Angeklagten H*** und S*** betreffenden Urteilsaufhebung an das Erstgericht zurückzuverweisen und hinsichtlich Helga G*** und Gernot Arthur E*** mit Strafneubemessung vorzugehen.

Dabei wertete der Oberste Gerichtshof bei Helga G*** das Zusammentreffen eines Verbrechens mit zwei Vergehen und die Tatwiederholung beim Diebstahl und beim Betrug als erschwerend, als mildernd hingegen das Geständnis, den bisher ordentlichen Lebenswandel, den teilweisen Versuch beim Diebstahl und die teilweise untergeordnete Tatbeteiligung. Davon ausgehend erschien dem Senat die ausgesprochene Freiheitsstrafe als schuldangemessen. Da die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, konnte diese Unrechtsfolge der nicht vorbestraften und schuldeinsichtigen Angeklagten gemäß § 43 Abs. 1 StGB bedingt nachgesehen werden. Bei der hinsichtlich Gernot Arthur E*** nach dem zweiten Strafsatz des § 130 StGB vorzunehmenden Strafbemessung waren die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit zwei Vergehen, die doppelte strafsatzbegründende Qualifikation beim Diebstahl, die Tatwiederholung bei der dauernden Sachentziehung und beim Vergehen nach dem Waffengesetz sowie der rasche Rückfall als erschwerend, als mildernd hingegen das Geständnis und der teilweise Versuch beim Diebstahl zu werten. Unter Mitberücksichtigung des Umstands, daß die wiederholten empfindlichen Strafvollzüge bislang erfolglos blieben, war mit einer gegenüber dem (im wesentlichen gleichwertiges Tatunrecht betreffenden) erstinstanzlichen Strafausspruch deutlich angehobenen Freiheitsstrafe vorzugehen. Da deren Ausmaß der bedingten Nachsicht eines Teiles der Strafe zwingend entgegensteht, ist auf diese Frage nicht weiter einzugehen.

Mit ihrer Berufung war die Staatsanwaltschaft auf die getroffene Entscheidung zu verweisen.

Der Berufung der Privatbeteiligten Firma Franz W*** Gastronomie Ges.m.b.H. & Co KG mußte ein Erfolg versagt bleiben, weil das gegen die Teilverweisung auf den Zivilrechtsweg (§ 366 Abs. 2 StPO) gerichtete Begehren auf Zuspruch eines weiteren Entschädigungsbetrages in der Höhe von 6.000 S zu Lasten der Angeklagten H***, S*** und E*** dem Berufungsstandpunkt zuwider in der erstgerichtlichen Bewertung des zu IV 1 tatgegenständlichen Tresors mit ca. 6.000 S bis 7.000 S keine ausreichende Fundierung findet.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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