OGH 4Ob545/89

OGH4Ob545/8927.6.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Georg K***, Vieh- und Fleischhändler, Lamprechtshausen, Arnsdorf 12, vertreten durch Dr. Kurt Asamer und Dr. Christian Schubert, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Sieglinde H***, Hausfrau, Salzburg, Lasserstraße 19, vertreten durch Dr. Wolfgang Lirk, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 729.357 s.A. infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 6. März 1989, GZ 1 R 276/88-19, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 27. Juli 1988, GZ 6 Cg 289/87-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß es einschließlich des rechtskräftigen Teiles zur Gänze wie folgt zu lauten hat:

"Das Klagebegehren des Inhaltes, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei S 729.357 samt 12 % Zinsen seit 31.7.1985 zuzüglich 20 % Umsatzsteuer davon und S 42.532,80, S 56.516,40 sowie S 58.246,80 zu zahlen, wird abgewiesen. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 37.433,55 (darin enthalten S 3.403,05 Umsatzsteuer) bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."

Die klagende Partei ist weiters schuldig, der beklagten Partei die mit S 59.213,40 (darin enthalten S 7.368,90 Umsatzsteuer und S 15.000 Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger belieferte den Fleischhauer und Selcher Fritz H*** laufend mit Fleischwaren. Da Fritz H*** im Sommer 1987 mit seinen Zahlungen unverhältnismäßig hoch im Rückstand war, suchte der Sohn des Klägers, Georg K*** jun., am 31. Juli 1987 das Geschäft Fritz H*** auf, um eine Zahlung zu erlangen. Georg K*** jun. traf im Geschäft die - seit dem Jahr 1981 von Fritz H*** geschiedene, aber in dem Fleischhauereibetrieb weiterhin als Angestellte tätige - Beklagte an und forderte zunächst die Zahlung der noch offenen Schuld; da er keine Zahlung erlangen konnte, verlangte er die Unterfertigung eines Blankowechsels. Die Beklagte lehnte das ab. Nach telefonischer Rücksprache mit dem Anwalt des Klägers, der Georg K*** jun. geraten hatte, die Eheleute H*** eine schriftliche Erklärung unterfertigen zu lassen, schrieb Georg K*** jun. auf einem Rechnungsformular Fritz H***, auf dem er die Worte "Rechnung Nr......." durchstrich und an ihrer Stelle die Überschrift "Bestätigung" einsetzte, folgende Erklärung:

"Die Ehegatten H*** anerkennen die am Kundenkonto Nr. 1159 H*** ausgewiesene Forderung gegenüber der Firma K***, w.o., (laut Liefer- und Rechnungsbedingungen) schuldig zu sein.

Derzeitiger Kontostand: S 729.357". Die Beklagte las diese Bestätigung durch und unterfertigte sie; Fritz H*** setzte seine Unterschrift später darauf und übersandte die Urkunde dem Kläger. Mit rechtskräftigem Versäumungsurteil vom 11. September 1987 (ON 3) verurteilte das Erstgericht Fritz H***, dem Kläger S 729.357 samt 12 % Zinsen seit 31. Juli 1987 und 20 % Umsatzsteuer daraus sowie S 42.532,80, S 56.516,40 und S 58.246,80 an kapitalisierten Zinsen zu zahlen. Über das Vermögen Fritz H*** wurde am 17. November 1987 der Konkurs eröffnet.

Außer Streit steht der Kapitalbetrag der Höhe nach. Der Kläger begehrt von der Beklagten mit der Behauptung, sie und Fritz H*** schuldeten ihm den Kaufpreis für erbrachte Lieferungen, die Zahlung der bereits angeführten Beträge samt Anhang; später trug er vor, daß die Beklagte die Haftung für die Verbindlichkeit Fritz H*** übernommen habe.

Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Sie sei lediglich Angestellte im Betrieb ihres geschiedenen Ehemannes gewesen und schulde daher nicht den Kaufpreis für die dem Unternehmer gelieferten Waren. Die Unterfertigung der Bestätigung vom 31. Juli 1987 sei von ihr nur deshalb gefordert worden, weil einzelne Lieferscheine nur von Lehrlingen des Betriebes unterschrieben gewesen seien. Im Vertrauen auf diese Erklärung habe die Beklagte die Bestätigung vom 31. Juli 1987 ungelesen unterfertigt. Eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung könne daraus nicht abgeleitet werden.

Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, der Klägerin S 729.357 samt 12 % Zinsen seit 31. Juli 1987 zuzüglich 20 % Umsatzsteuer aus den Zinsen zu zahlen und wies das auf Zahlung kapitalisierter Zinsenbeträge gerichtete Mehrbegehren ab. Die Beklagte sei der Schuld Fritz H*** mit gleichzeitigem Anerkenntnis beigetreten; nach dem Wortlaut ihrer Erklärung hafte sie jedoch nur für den Kapitalbetrag samt 12 % Zinsen seit dem Tag der Abgabe der Verpflichtungserklärung.

Das Berufungsgericht gab den Berufungen beider Parteien nicht Folge. Es übernahm nach teilweiser Beweiswiederholung im wesentlichen den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt und traf zusätzliche Feststellungen über die vom Kläger für die Inanspruchnahme eines Bankkredites zu zahlenden Zinsen. In rechtlicher Hinsicht verneinte das Berufungsgericht zwar das Vorliegen eines konstitutiven Anerkenntnisses; es wertete aber die Erklärung der Beklagten als - entweder als Schuldbeitritt oder als Bürgschaft zu qualifizierende - verpflichtende Erklärung. Eine weitere Qualifikation sei nicht erforderlich, weil im vorliegenden Fall auch die Voraussetzungen der Haftung der Beklagten als Bürgin, nämlich das Erfordernis der Schriftlichkeit und das Unterbleiben der Zahlung durch den Hauptschuldner, gegeben seien. Die Übernahme einer Haftung für bereits aufgelaufene Zinsen ergebe sich jedoch aus dieser Verpflichtungserklärung der Beklagten nicht. 12 % Verzugszinsen ab Übernahme der Haftung schulde die Beklagte aus dem Titel der Vereinbarung und auch des Schadenersatzes. Gegen die Bestätigung des der Klage stattgebenden Teiles des Ersturteils richtet sich die wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der Beklagten mit dem Antrag, die Entscheidung in diesem Umfang im Sinne der gänzlichen Abweisung der Klage abzuändern; hilfsweise stellt die Beklagte auch einen Aufhebungsantrag.

Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin hat der Kläger mit seinem Vorbringen, die Beklagte habe die Haftung für die Verbindlichkeiten Fritz H*** übernommen, auch ein Anerkenntnis der Beklagten sowie die Befestigung der gegen Fritz H*** bestehenden Verbindlichkeiten durch die Beklagte geltend gemacht. Zu einer rechtlichen Qualifikation des behaupteten Vertrages war der Kläger nicht verpflichtet. Die im Rahmen dieser Ausführungen in Wahrheit erhobene Mängelrüge, das Berufungsgericht habe dem Kläger aus einem nicht geltend gemachten Rechtsgrund etwas zugesprochen, ist daher nicht berechtigt. Die Vorinstanzen haben somit zu Recht die Frage geprüft, ob die Beklagte eine verpflichtende Erklärung abgegeben hat; sie haben aber diese Frage unrichtig gelöst.

Der Ansicht der Beklagten, es liege weder ein schuldbegründendes (konstitutives) Anerkenntnis vor, noch sei sie der Schuld Fritz H*** beigetreten oder habe sie dafür die Bürgschaft übernommen, ist beizupflichten:

Der objektive Erklärungswert der von der Beklagten unterschriebenen Bestätigung geht dahin, daß die Ehegatten H*** anerkennen, die Forderung des Klägers schuldig zu sein. Ein konstitutives Anerkenntnis ist wegen der grundsätzlichen Unzulässigkeit abstrakter Rechtsgeschäfte im österreichischen Recht nur dann wirksam, wenn dadurch ein Streit oder Zweifel über das Bestehen eines Rechtes bereinigt werden soll (Bydlinski in Klang IV/2, 399 f; Koziol-Welser8 I, 274; Ertl in Rummel, ABGB, Rz 6 und 7 zu § 1380; SZ 36/24; SZ 44/84; SZ 45/20; JBl 1986, 175 uva.). Nach den getroffenen Feststellungen bestand jedoch über die Haftung der Beklagten für die Geschäftsschulden Fritz H*** kein Streit; sie wurde zwischen dem Vertreter des Klägers und der Beklagten überhaupt nicht erörtert, sondern von ihnen offenbar stillschweigend - aber unzutreffend - vorausgesetzt. Kam aber der Erklärung der Beklagten somit keine streitbereinigende Wirkung zu, dann konnte auch kein konstitutiver Anerkenntnisvertrag über die (Mit-)Haftung der Beklagten für fremde Schulden zustande kommen. Das unechte (deklaratorische) Anerkenntnis aber, das eine bloße Wissenserklärung ist, ist im Rechtsstreit nur ein - widerlegbares - Beweismittel zugunsten des Bestehens der Forderung (Koziol-Welser, aaO). Der durch die Bestätigung Beilage ./A angetretene Beweis für das Bestehen einer Forderung des Klägers gegen die Beklagte ist hier durch die Feststellung widerlegt, daß die Beklagte nur Angestellte im Betrieb ihres geschiedenen Ehemannes war; als solche haftet sie mangels eines besonderen Verpflichtungsgrundes nicht für dessen Geschäftsschulden.

Im vorliegenden Fall besteht auch kein Anhaltspunkt dafür, daß die Parteien entgegen dem in der Bestätigung Beilage ./A verwendeten Wortlaut ("anerkennen") einig geworden wären, eine Gutstehung der Beklagten für die Verbindlichkeit ihres geschiedenen Ehemannes zu begründen. Der objektive Erklärungswert rechtsgeschäftlichen Willens verliert nur dort seine Bedeutung, wo sich die Parteien über einen anderen als den nach objektiven Kriterien ermittelten Vertragsinhalt einig sind (Koziol-Welser aaO 87; Rummel in Rummel aaO, Rz 6 zu § 871; RdW 1986, 122). Georg K*** jun. hatte jedoch der Beklagten nicht ausdrücklich erklärt, daß er eine Besicherung der gegen Fritz H*** bestehenden Forderung etwa durch ihren Schuldbeitritt oder durch die Übernahme einer Bürgschaft verlange; die Beklagte mußte das nach den Umständen auch nicht annehmen. Die - in dieser Richtung - undeutliche Formulierung des Bestätigungstextes geht gemäß § 915 ABGB zu Lasten des Klägers. Es war überhaupt nicht davon die Rede, daß die Beklagte zwar bisher nicht für die Schuld Fritz H*** haftete, nunmehr aber eine Haftung dafür übernehmen möge. Nach den Umständen mußte vielmehr die Beklagte nur davon ausgehen, daß Georg K*** jun. ihre Haftung für die Geschäftsschulden ihres geschiedenen Ehemannes annahm. Das schließt aber aus, daß in Wahrheit - entgegen dem objektiven Inhalt der tatsächlich abgegebenen Erklärung - eine Einigung über eine Gutstehung der Beklagten erzielt worden ist.

Da sich aus dem festgestellten Sachverhalt weder ein konstitutives Anerkenntnis der Beklagten, noch die Übernahme einer Haftung für die - lediglich im Rahmen des Unternehmens begründeten - Geschäftsschulden Fritz H*** durch die Beklagte ergibt, war der Revision Folge zu geben und das angefochtene Urteil im Sinne der gänzlichen Abweisung der Klage abzuändern. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz gründet sich auf § 41 ZPO, jene über die des Rechtsmittelverfahrens zusätzlich auf § 50 ZPO. Bemessungsgrundlage war in allen Instanzen - ausgenommen die Berufungsbeantwortung der Beklagten - nur das reine Kapital (§ 3 RATG iVm § 54 Abs 1 JN).

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