OGH 5Ob581/89

OGH5Ob581/8927.6.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik, Dr.Zehetner, Dr.Klinger und Dr.Schwarz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Manfred B***, Angestellter, Wien 8., Pfeilgasse 35, vertreten durch Dr.Herbert Stegmüller, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr.Günther A***, öffentlicher Notar, Wien 6., Mariahilferstraße 61, vertreten durch Dr.Franz J. Salzer und Dr.Gunter Granner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung, in eventu Zahlung von S 254.440,05 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 30. November 1988, GZ 14 R 132/88-49, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 29.Feber 1988, GZ 1 Cg 78/87-44, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sowohl das Klagebegehren, es werde zwischen den Streitteilen festgestellt, daß die beklagte Partei der klagenden Partei gegenüber für alle Schäden aus der Vertragserrichtung am 4.Jänner 1979 über die Liegenschaft Wien 16., Pfenniggeldgasse 18/1/8, mit dem Eigentumsanteil 159/8.053 der Liegenschaft EZ 505 KG Ottakring, gegenüber hafte, als auch das Eventualbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei den Betrag von S 254.440,05 samt 4 % Zinsen seit Klagetag zu zahlen, abgewiesen wird. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 168.566,91 bestimmten Kosten aller drei Instanzen (darin enthalten S 14.067,41 an Umsatzsteuer und S 14.900 an Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Eduard V*** war Eigentümer der Eigentumswohnung Wien 16., Pfenniggeldgasse 18, 1. Stiege, 1. Stock, Tür Nr. 8. Die Wohnhausanlage wurde auf der Liegenschaft EZ 505 KG Ottakring errichtet. Auf der gesamten Liegenschaft EZ 505 KG Ottakring ist im Grundbuch an erster Stelle eine Belastung in Form einer Leibrentenforderung der Maria L*** mit S 2.000 monatlich einverleibt. Auf die genannte Wohnung entfallen gemäß den 159/8.053 Miteigentumsanteilen S 39,49 monatlich.

Eduard V*** fand über ein Maklerbüro (Dr.Karl R*** GmbH) in dem Kläger einen Interessenten für die Wohnung. Dieser beabsichtigte, die Wohnung für seine Frau zu kaufen, weil sich das Ehepaar trennen wollte. Es fanden zwei Besichtigungen statt, einmal durch die nunmehr geschiedene Gattin des Klägers allein, einmal auch mit diesem. Bei der Besichtigung erfuhr der Kläger von Klothilde V***, der Gattin des Verkäufers, daß noch eine andere Wohnung in dem Haus zum Verkauf angeboten werde. In der Folge kam es am 11. Dezember 1978 tatsächlich zu einem Kaufabschluß hinsichtlich dieser anderen Wohnung zwischen dem Kläger und dem Wohnungseigentümer M***.

Die Verhandlungen über die klagsgegenständliche Wohnung zogen sich länger hin. Am 7.Dezember 1978 unterfertigte der Kläger im Büro des Maklers ein verbindliches Kaufanbot. Über eine Belastung des Liegenschaftsanteiles wurde bis dahin überhaupt nicht gesprochen, sondern nur über den Kaufpreis und die monatlich zu leistenden Betriebs- und sonstigen Kosten.

Schon vor Abschluß der beiden Kaufverträge hatte der Kläger mit einer Bausparkasse verhandelt und gewußt, daß diese im Falle einer Finanzierung durch sie auf dem ersten Rang ihres Pfandrechtes im Grundbuch bestehe.

Bei Vertragsabschluß bezüglich der Wohnung M*** entdeckte der Kläger vor Unterfertigung des Vertrages die Belastung der Liegenschaft durch die Leibrente. Er war daher erst nach der Zusicherung, daß Maria L*** vom ersten Rang zurücktreten werde, zur Vertragsunterfertigung bereit. Tatsächlich trat Maria L*** später hinsichtlich dieser Wohnungseinheit von ihrem Grundbuchsrang zurück. Dem Kläger war bewußt, daß beide Wohnungen im selben Haus auf dem selben Grundstück lagen, wenn sie auch von verschiedenen Stiegen aus erreichbar waren. Dem Kläger war aber nicht klar, daß sich die Belastung durch die Leibrente auf die gesamte Liegenschaft, also auf alle Wohnungen, bezieht. Jedenfalls hat er sich bei dem gegenständlichen Wohnungskauf bei niemandem darüber erkundigt, ob auch dieser zweite Anteil, den er erwerben wollte, belastet sei; dies, obwohl er die Bedeutung der Lastenfreiheit für die Bausparkassenfinanzierung kannte.

Der Kläger erwartete zu diesem Zeitpunkt einen namhaften Betrag aus der Erbschaft nach seinem Vater und teilte dies auch dem Verkäufer und dem Beklagten mit. Der Kläger hoffte, mit diesem Geld die Wohnung ohne Bankkredit bezahlen zu können. Es wurde in weiterer Folge nicht mehr über die Zahlungsart gesprochen. Der Beklagte führte mit dem Kläger auch keine Gespräche darüber, was zu geschehen hätte, wenn der Zufluß von Barmitteln aus der Verlassenschaft nicht ausreichen oder nicht rechtzeitig erfolgen sollte. Der Beklagte verließ sich darauf, daß der Kläger genug Barmittel aus der Verlassenschaft erhalten würde, und traf keine Vorsorge für den gegenteiligen Fall.

Am 27.Dezember 1978 kam es in der Kanzlei des Beklagten zu einer Besprechung, an welcher dieser, die Gattin des Klägers, der Immobilienmakler Dr.R*** und Klothilde V*** teilnahmen. Bei dieser Besprechung lagen ein Grundbuchsauszug des Notariatssubstituten Dr.D*** und auch ein von Klothilde V*** mitgebrachter Grundbuchsauszug vor. Es wurde an diesem Tag jedoch über die Belastung der Liegenschaft nicht gesprochen. Es wurden die wichtigsten Vertragspunkte festgelegt, aufgrund deren der Vertrag schließlich errichtet wurde.

Am 4.Jänner 1979, dem vereinbarten Tag der Vertragsunterzeichnung, waren der Kläger, der Verkäufer mit Gattin und der Beklagte anwesend, wobei letzterer sich noch vor der Unterzeichnung des Vertrages wegen einer Reise verabschiedete und seinen Substituten Dr.D*** mit allem weiteren betraute. Der Vertragstext wurde gelesen. Danach machte Klothilde V*** den Substituten Dr.D*** darauf aufmerksam, daß die Leibrentenbelastung nicht im Vertrag erwähnt sei. Dr.D*** begründete dies damit, daß es sich nur um einen Bagatellbetrag handle und daher von einer formellen Übernahme abgesehen worden sei. Dieses Gespräch zwischen Klothilde V*** und Dr.D*** wurde vom Kläger aber nicht mitgehört, obwohl er im selben Raum anwesend war. Danach wurde der Kaufvertrag über die gegenständliche Eigentumswohnung zu einem Kaufpreis von S 840.396 unterzeichnet. Unter Punkt IV dieses Vertrages übernahm der Verkäufer die Gewähr dafür, daß das Objekt satz- und lastenfrei sei, und zwar mit Ausnahme eines unter Punkt II des Vertrages erwähnten Darlehens der Zentralsparkasse der Gemeinde Wien von S 170.396, das der Käufer (in Anrechnung auf den vereinbarten Kaufpreis) zu übernehmen hatte.

Erst nach der Vertragsunterzeichnung, noch am selben Tag, äußerte das Ehepaar V*** dem Kläger gegenüber, daß eine geringe Belastung auf der Liegenschaft sei. Der Kläger maß diesem Umstand zunächst aber keine große Bedeutung bei, weil er die Wohnung ohne Kredit finanzieren wollte und außerdem schon einmal erlebt hatte, daß die erste Stelle im Grundbuch von der Berechtigten aufgegeben worden war.

Der Kläger sagte dem Ehepaar V*** nicht, daß er unter diesen Umständen den Vertrag nie unterzeichnet hätte. Er leistete im Gegenteil Anfang Februar 1979 die vereinbarte Anzahlung von S 64.000. Den Restkaufpreis zahlte er jedoch nicht, weil er die erwartete Erbschaft nicht ausbezahlt erhielt. Anfang März 1979, nach Fälligkeit der restlichen Kaufpreisforderung, setzte sich der Kläger daher mit der Bausparkasse der Sparkassen in Verbindung, um einen Kredit zu erhalten. Es wurde ihm aber mitgeteilt, daß als unabdingbare Voraussetzung dafür die Forderung der Bank am ersten Rang im Grundbuch sichergestellt werden müßte. Die Leibrentenberechtigte Maria L*** war jedoch dieses Mal nicht bereit, auf ihren ersten Rang zu verzichten. Die Bausparkassenfinanzierung war daher - zumindest bei diesem Institut - unmöglich.

Der Verkäufer erklärte sich bereit, die Zahlungsfrist zu verlängern. Als er aber weiterhin kein Geld erhielt, trat er am 24. April 1979 unter Setzung einer Nachfrist bis 4.Mai 1979 vom Vertrag zurück.

Bereits am 1.März 1979 hatte die Gattin des Klägers, wie vorerst bedungen, den Wohnungsschlüssel in Empfang genommen und war in die Wohnung eingezogen. Es wurde am 25.Mai 1979 eine Räumungsklage eingebracht. Das Verfahren wurde im Jahr 1981 mit der zwangsweisen Räumung der Wohnung beendet. Während dieses Verfahrens versuchte der Kläger mehrmals, das Geld doch noch aufzutreiben bzw Maria L*** dazu zu bewegen, von ihrem Rang im Grundbuch zurückzutreten, dies alles allerdings ohne Erfolg.

Am 16.Juli 1979 erhielt der Kläger eine Kreditzusage des ÖCI, doch zu schlechteren Bedingungen als zu denen eines Bausparkassendarlehens, was höhere monatliche Belastungen für den Kläger bedeutet hätte. Der Kläger nahm diesen Kredit daher nicht in Anspruch. Andere Bausparkassen waren nicht bereit, einen Kredit gegen Sicherung der Forderung im zweiten Rang zu gewähren. Dem Kläger war es also nicht möglich, den Kaufpreis durch einen Kredit zu Bedingungen wie bei einem Bausparkredit zu finanzieren. Auch die von Klothilde V*** namhaft gemachte Bausparkasse der Volksbanken war nicht bereit, einen Kredit gegen Sicherstellung im zweiten Rang zu gewähren.

Der Kläger hat die an den Verkäufer V*** bereits geleistete Anzahlung von S 64.000 bisher nicht zurückerhalten. Überdies hat Eduard V*** den Kläger des gegenständlichen Verfahrens zu 2 Cg 208/81 (nunmehr 2 Cg 188/86) des Erstgerichtes auf Zahlung eines Betrages von S 190.440,05 sA (nunmehr S 190.896,52 sA) geklagt, welcher Schaden ihm durch die Nichtzahlung des Kaufpreises durch den Kläger und den daraufhin erfolgten Rücktritt vom Kaufvertrag entstanden sei. Dieses Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.

In der am 12.Feber 1982 beim Erstgericht eingelangten gegenständlichen Klage stellte der Kläger die aus dem Spruch ersichtlichen Klagebegehren mit der Begründung, daß ihm der Beklagte wegen der fehlerhaften Kaufvertragserrichtung vom 4.Jänner 1979 (Nichtaufscheinen der Leibrentenbelastung im Kaufvertrag) hafte. Im Falle der Lastenfreiheit wäre es ihm ein leichtes gewesen, die Finanzierung des Vertrages durch eine Bausparkasse zu erreichen; er sei nämlich beim Erwerb der beiden Eigentumswohnungen trotz vorhandener Barmittel, eines Bausparvertrages und der erwarteten Erbschaft auf einen Kredit angewiesen gewesen (AS 79 f). Eduard V*** sei vom Vertrag zurückgetreten, habe ihn auf Zahlung von S 190.440,05 sA geklagt und verweigere die Rückgabe der Anzahlung von S 64.000.

Der Beklagte bestritt das Klagevorbringen dem Grunde und der Höhe nach, beantragte die Abweisung der Klage und wendete insbesondere ein: Der Kläger habe bei Vertragsabschluß nicht daran gedacht, sich den nötigen Barzahlungsbetrag von S 670.000 (= S 840.396 - S 170.396) im Kreditweg durch ein Bausparkassendarlehen zu beschaffen; überdies sei er von der Löschbarkeit der Leibrentenbelastung ausgegangen. Mit Rücksicht auf die Geringfügigkeit der Leibrentenbelastung (S 39,49 monatlich) sei von einer formellen Übernahme dieser Belastung in Anrechnung auf den Kaufpreis abgesehen worden. Der Kläger habe es aus eigenem Verschulden unterlassen, auf die nach Vertragsunterfertigung erfolgte Mitteilung des Verkäufers V*** hin die Beratung des Beklagten in Anspruch zu nehmen. Der Kläger hätte mangels der versprochenen Satz- und Lastenfreistellung durch V*** die Gelegenheit gehabt, seinerseits vom Kaufvertrag zurückzutreten, oder gegenüber V*** Vertragsrücktritt die Einrede der noch nicht erfolgten Vertragserfüllung erheben können.

Nachdem das im ersten Rechtsgang gefällte klageabweisende Urteil des Erstgerichtes (ON 16) vom Berufungsgericht ohne Rechtskraftvorbehalt aufgehoben worden war (ON 21), entschied das Erstgericht im zweiten Rechtsgang im Sinne des Feststellungsbegehrens. Es stellte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest und unterzog diesen nachstehender rechtlichen Beurteilung:

Der Beklagte habe als vertragserrichtender Notar die Interessen beider Parteien zu vertreten gehabt. Er hätte sich daher auf jeden Fall davon überzeugen müssen, ob der Kläger weiß, daß auch auf der Eigentumswohnung, die er nun zu erwerben trachtete, die Belastung der Leibrente ruhte. Es gehöre gerade zu den Verpflichtungen eines berufsmäßigen Vertragserrichters, beide Parteien über etwaige Belastungen zu unterrichten und insbesondere über die Konsequenzen aufzuklären. Ebenso gehöre es zu seinen Verpflichtungen, auch für unvorhergesehene Fälle Vorsorge zu treffen und die Erfüllung des Vertrages, so gut es geht, vorzubereiten. Umsomehr hätte der Vertragserrichter die Pflicht gehabt, mit dem Kläger auch über andere Finanzierungsarten als die Barzahlung zu sprechen, da ihm ja bekannt sein müßte, daß sich die Auszahlung des Realisats aus einer Verlassenschaft verzögern bzw diese auch gar nicht zustande kommen könnte. Es sei daher dem Kläger keine ausreichende Rechtsbelehrung erteilt und der Irrtum des Klägers, die Belastung, von der er erst nach Vertragserrichtung erfahren hat, spiele keine Rolle, vom Beklagten verursacht worden. Infolge dieses Irrtums fühlte sich der Kläger an den Vertrag gebunden und versuchte ihn zu erfüllen, was aber mißlang.

Dem Kläger könne nicht der Vorwurf gemacht werden, er habe den Schaden durch seine Sorglosigkeit mitverursacht. Der Kläger sei geradezu aus dem Grund zu einem Notar gegangen, um sich nicht selbst um die Vertragserrichtung kümmern zu müssen. Daher sei es auch nicht seine Pflicht gewesen, den Vertragsentwurf auf seine Richtigkeit zu überprüfen. Er habe auf die Zusicherung des Verkäufers, die Eigentumswohnung sei bis auf den erwähnten, von ihm zu übernehmenden Kredit satz- und lastenfrei, vertrauen dürfen. Durch das Bemühen, die Wohnung dennoch durch andere Kredite zu finanzieren, habe der Kläger alles in seiner Macht Stehende getan, um den Schaden gering zu halten. Die Annahme des Kredits des ÖCI zu wesentlich ungünstigeren Bedingungen sei aber für den Kläger unzumutbar gewesen. Er sei daher seiner Schadensminderungspflicht nachgekommen. Durch das rechtswidrige und schuldhafte Verhalten des Beklagten bzw seines Erfüllungsgehilfen Dr.D*** sei dem Kläger ein Schaden erwachsen. Er leistete im Vertrauen darauf, daß es noch zur Vertragserfüllung kommen werde, die vereinbarte Anzahlung in der Höhe von S 64.000 an den Verkäufer, die dieser trotz Vertragsauflösung bis heute nicht zurückgezahlt hat. Es sei zwar richtig, daß sich der Kläger diesbezüglich an den Verkäufer Eduard V*** wenden müsse, doch sei dieser berechtigt gewesen, einen Teil der Anzahlung, über dessen Höhe in einem anderen Verfahren zu entscheiden sein werde, zurückzuhalten, so etwa einen Betrag zur Wiederinstandsetzung der benützten Wohnung. Der Teil, den der Kläger vom Verkäufer nicht zurückbekommen werde, stelle den Schaden dar, den der Beklagte zu vertreten habe. Dem Kläger könne aber im Verfahren 2 Cg 188/86 des Erstgerichtes auch noch ein weiterer Schaden erwachsen. Es stehe daher fest, daß dem Kläger durch das Verhalten des Beklagten ein Schaden erwachsen ist, die Höhe dieses Schadens sei jedoch noch fraglich. Der Kläger habe daher noch keinen Leistungsanspruch gegen den Beklagten, das Feststellungsbegehren bestehe aber zu Recht.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge, sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 60.000, nicht aber S 300.000 übersteigt, und erklärte die Revision für zulässig. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und ergänzte diese nach teilweiser Beweiswiederholung dahin, daß der Kläger nach dem Vertragsabschluß im Büro des Beklagten gegenüber V*** äußerte, daß ihm die unmittelbar zuvor mitgeteilte Leibrentenforderung (Belastung) nichts ausmache, da er ohnedies wahrscheinlich bar bezahlen werde, sowie daß sich auch der Beklagte - nach bzw parallel zu den Versuchen des Klägers - (vergeblich) bemühte, die Leibrentenberechtigte Maria L*** dazu zu bewegen, von ihrem Rang zurückzutreten. Zur Rechtsrüge des Beklagten nahm das Berufungsgericht wie folgt Stellung:

Grundsätzlich hätten Notare alle Geschäfte mit Redlichkeit, Genauigkeit und Fleiß nach den bestehenden Rechtsvorschriften zu versehen. Als Urkundenverfasser hätten sie nicht nur die rechtlichen, sondern auch die wirtschaftlichen Auswirkungen zu berücksichtigen (Reischauer in Rummel, ABGB, RZ 18 zu § 1299; JBl 1975, 328; NZ 1987, 129). Beide Vertragspartner dürften darauf vertrauen, daß der Urkundenverfasser im besonderen Ausmaß darauf bedacht sein werde, sie vor Nachteilen zu schützen und für ihre rechtliche und tatsächliche Sicherheit zu sorgen (SZ 28/57;

EvBl 1959/262; JBl 1962, 91 und 152; RZ 1966, 101; RZ 1967, 292;

SZ 43/221; NZ 1970, 73 und 104; NZ 1971, 76; NZ 1982, 142). Daß der Kläger durch die Rückabwicklung des Kaufvertrages Vermögensnachteile erlitten hat, ergibt sich schon allein aus seinem kostenpflichtigen Unterliegen im Räumungsverfahren. Der Beklagte berief sich erst im zweiten Rechtsgang des vorliegenden Verfahrens auf eine dem Kläger anzulastende schuldhaft unterlassene Erhebung einer Einwendung der Nichterfüllung des Kaufvertrages durch V***. Damit sei zu prüfen, ob der Schaden des Klägers nicht durch ein anderes, von der dem Beklagten anzulastenden Unterlassung unabhängiges weiteres Ereignis ausgelöst worden ist. Dem Beklagten sei beizupflichten, daß die einer Finanzierung über einen Bausparkassenkredit entgegenstehende Leibrentenbelastung für den Kläger so lange ohne Bedeutung sein durfte, als der Verkäufer V*** seiner Verpflichtung, die Eigentumswohnung mit Ausnahme eines Kredits der Zentralsparkasse der Gemeinde Wien "satz- und lastenfrei" zu stellen, nachkommt. Mit dieser Formulierung hat sich V*** im Zweifel verpflichtet, Zug um Zug gegen die Zahlung des Kaufpreises durch den Kläger die Leibrentenbelastung zur Tilgung zu bringen. Die nach der Vertragsunterfertigung erfolgte Mitteilung V***, daß die Eigentumswohnung mit einer Leibrentenforderung belastet ist, könne aber nur so ausgelegt werden, daß sein Abschlußwille entgegen dem schriftlichen Vertragsinhalt von allem Anfang an nicht auf eine Tilgung dieser bücherlichen Last gerichtet war und er den Kläger über seinen wirklichen Abschlußwillen aufklären wollte. Ein anderer Sinn könne diesem Vorgehen und dieser Äußerung V*** gegenüber dem Kläger nicht beigemessen werden. Eine bloße Ankündigung, in diesem einen Punkt den Vertrag nicht einhalten zu wollen, scheide aus der Betrachtung aus, weil V*** schon bei der Besprechung vor der Vertragsunterfertigung auf die Leibrentenforderung aufmerksam gemacht hat und damit gegenüber Dr.D*** zum Ausdruck brachte, daß diese vom Kläger mitübernommen werden müsse. Der Kläger hat dies, wie aus der ergänzenden Feststellung des Berufungsgerichtes hervorgeht, auch so verstanden. Die Antwort des Klägers, die Leibrentenbelastung mache ihm nichts aus, da er ohnedies wahrscheinlich bar bezahlen werde, müsse daher als Verzicht auf die Lastenfreistellung von der Leibrentenforderung gewertet werden (Rummel in Rummel, ABGB, Rz 8 und 14 zu § 863). Ein Verzicht wäre zwar im Zweifel einschränkend auszulegen (MietSlg 29.307/7), aus der Äußerung des Klägers, wahrscheinlich den Kaufpreis bar zu bezahlen, gehe aber hervor, daß er in der Übernahme dieser Belastung keine Probleme sah. Eine solche Äußerung habe der Kläger aber nur abgegeben, weil er über die möglichen Folgen einer derartigen Lastenübernahme durch den Substituten des Beklagten nicht belehrt worden ist. Die Mitteilung V***, daß die Eigentumswohnung noch mit einer Leibrentenforderung belastet ist, fand überdies auch noch in den Kanzleiräumen des Beklagten statt. Der Beklagte hat sich auch in der Folge bei der Leibrentenberechtigten L*** um eine Vorrangsüberlassung zugunsten des Klägers verwendet und hat eine Satz- und Lastenfreistellung, wie sie der Verkäufer V*** im Vertrag dem Kläger zugesichert hat, gar nicht in dessen Namen versucht. Der Kaufvertrag über die gegenständliche Eigentumswohnung sei daher entgegen dem schriftlichen Vertragstext auch vom Beklagten so verstanden worden, daß die Lastenfreistellung vom Kläger bewirkt werden müsse, damit ihm die entsprechende Finanzierung möglich ist. Infolge des Verzichts auf die Beseitigung der Leibrentenbelastung sei dem Kläger aber keine erfolgreiche Abwehr gegenüber dem Rücktrittsbegehren V*** mehr möglich gewesen. Aus diesem Grund führte die vom Kläger im Räumungsverfahren gegen den Verkäufer V*** erhobene Einwendung, daß der Verkäufer seinerseits nicht seinen Verpflichtungen nachgekommen sei, zu keinem Erfolg. Da die unterlassene Belehrung des Klägers und V*** durch Dr.D***, daß eine Leibrentenbelastung im ersten Rang einer Bausparkassenfinanzierung bzw überhaupt einer preisgünstigen Begleichung des Kaufpreises im Kreditweg entgegenstehe, kausal für den vom Kläger abgegebenen Verzicht auf die laut Kaufvertrag ihm zustehende Satz- und Lastenfreistellung war, sei dem Kläger dadurch ein Schaden erwachsen und hafte der Beklagte für die Unterlassung seines Substituten.

Da ein Interesse an der Abgrenzung der Belehrung der Klienten durch einen Vertragsverfasser bestehe, sei die Revision zuzulassen gewesen.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die auf die Revisionsgründe des § 503 Abs 1 Z 2, 3 und 4 iVm mit Abs 2 ZPO gestützte Revision des Beklagten mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Klageabweisung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, (§ 502 Abs 4 Z 1 ZPO) und auch berechtigt.

Den allgemeinen, mit der herrschenden Lehre und Rechtsprechung übereinstimmenden Ausführungen des Berufungsgerichtes über die Sorgfaltspflicht der Notare als Urkundenverfasser ist beizupflichten. Ergänzend ist hervorzuheben, daß die Anforderungen an die Sorgfalt der Notare aber nicht überspannt werden dürfen (vgl etwa NZ 1970, 104; NZ 1973, 120; NZ 1987, 129; 8 Ob 645/87 ua) und eine Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage der Vertragspartner, insbesondere deren allfälliger ungünstiger Entwicklung (vgl MietSlg 32.229), nur im Rahmen des bei objektiver und gewissenhafter Beurteilung Möglichen und Zumutbaren verlangt werden kann (NZ 1970, 104; NZ 1973, 120).

Das Berufungsgericht macht dem Beklagten nun zum Vorwurf, daß der Kläger von Dr.D*** nicht über die möglichen nachteiligen Folgen der bestehenden Leibrentenbelastung im ersten Rang für eine Bausparkassenfinanzierung oder andere preisgünstige Begleichung des Restkaufpreises im Kreditweg belehrt worden ist, wodurch es geschehen konnte, daß der Kläger auf die im Punkt IV des Kaufvertrages vereinbarte Gewährleistung des Verkäufers für die vollkommene Satz- und Lastenfreiheit (das vom Käufer zu übernehmende Darlehen der Zentralsparkasse der Gemeinde Wien ausgenommen) verzichtete. Dabei wird zunächst übersehen, daß der Kläger seinen behaupteten Schadenersatzanspruch gar nicht auf die vom Berufungsgericht vermißte Belehrung, sondern nur darauf gestützt hat, daß die Belastung durch die Leibrentenforderung im Kaufvertrag nicht erwähnt wurde. Letztere Unterlassung wurde aber durch die vom Beklagten in den Kaufvertrag aufgenommene Gewährleistung der Satz- und Lastenfreiheit durch den Verkäufer wettgemacht. Daß der Kläger nach Erlangung der Kenntnis von der Leibrentenbelastung ohne vorherige Rücksprache mit dem Beklagten oder dessen Substituten auf die bedungene Gewährleistung verzichten würde, war für den Beklagten nicht vorhersehbar. Im übrigen würde die vom Berufungsgericht geforderte Belehrung nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes bei der vorliegenden Fallgestaltung die Aufklärungs- und Sorgfaltspflicht eines Notars überspannen. Der Kläger wußte bereits vor Abschluß der beiden Kaufverträge über die Eigentumswohnungen M*** und V***, daß Bausparkassen im Falle einer Finanzierung durch sie auf dem ersten Rang ihres Pfandrechtes im Grundbuch bestehen. Wenn er Kenntnis dieses Umstandes sowie der Leibrentenbelastung der Wohnung V*** auf die Gewährleistung der Lastenfreiheit verzichtete, weil er davon ausging, er werde den Restkaufpreis wahrscheinlich ohnehin bar aufbringen oder Maria L*** auch hinsichtlich der Eigentumswohnung V*** zum Rangverzicht bewegen können, kann er das Nichtzutreffen seiner Erwartungen nicht dem Beklagten anlasten, der seinerseits keine Anhaltspunkte dafür hatte, daß der Kläger weder den Restkaufpreis in bar aufbringen noch den Rangverzicht der Maria L*** erreichen werde können.

Es war daher der Revision schon aus diesen Erwägungen Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden, ohne daß es noch erforderlich gewesen wäre, auf die weiteren Revisionsausführungen einzugehen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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