Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 27.April 1932 geborene Mietwagenunternehmer Franz F*** auf Grund der gegen ihn vom öffentlichen Ankläger wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB erhobenen und von der Privatbeteiligten Margarete G*** gemäß § 48 Z 3 StPO wegen der Vergehen der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs. 1 StGB und der Unterdrückung eines Beweismittels nach § 295 StGB (nach Rücktritt von der bezüglichen Anklage in der Hauptverhandlung - S 204/II) aufrecht erhaltenen (Subsidiar-)Anklage des Vergehens der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach § 81 Z 1 StGB (Punkt 1 des Urteilssatzes) sowie der Vergehen der Unterdrückung eines Beweismittels nach § 295 StGB (Punkt 2 a) und der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs. 1 StGB (Punkt 2 b) schuldig erkannt.
Darnach hat er am 30. September 1988
(zu 1) als Lenker des Schulbusses der Marke Toyota Hiace Diesel 4 WD, Kennzeichen N 282.558, im Ortsgebiet von Etzen und auf der Bundesstraße 38 in Richtung Groß Meinharts fahrend die vierjährige Isabella G*** unter besonders gefährlichen Verhältnissen durch unachtsames Schließen der Schiebetür des Fahrzeuges, sodaß das Kind an der Kleidung eingeklemmt, über eine Fahrstrecke von 1.350 m mitgeschleift, auf die Fahrbahn geschleudert und schließlich vom rechten Hinterrad des Fahrzeuges im Bereich des Kopfes überrollt wurde, fahrlässig getötet;
(zu 2) in Groß Gerungs und an anderen Orten dadurch, daß er die in der Schiebetür eingeklemmt gewesene Kindergartentasche der Isabella G*** an sich nahm und an einem nicht bekannten Ort verbarg "bzw." (gemeint: oder) vernichtete,
a) ein Beweisstück, das zur Verwendung in einem gerichtlichen Verfahren bestimmt war und über das er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz, zu verhindern, daß dieses Beweismittel im Verfahren gebraucht werde, vernichtet oder unterdrückt, und
b) damit (auch) eine fremde bewegliche Sache aus dem Gewahrsam der Isabella G*** (gemeint: deren Nachlasses) dauernd entzogen, ohne die Sache sich oder einem Dritten zuzueignen, wodurch (die Verlassenschaft nach) Isabella G*** geschädigt wurde. Dieser Schuldspruch beruht auf dem Wahrspruch der Geschwornen, welche nach (jeweils stimmeneinhelliger) Verneinung der auf das Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB lautenden Hauptfrage I und der auf das Verbrechen der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83, 86 StGB gerichteten Eventualfrage 1, die auf das Vergehen der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen lautende (weitere) Eventualfrage 2 ebenso einhellig bejahten, wie die auf die Vergehen nach § 295 StGB und § 135 Abs. 1 StGB gerichtete Hauptfrage II a und b.
Ausdrücklich nur den Schuldspruch wegen der Vergehen der dauernden Sachentziehung und der Unterdrückung eines Beweismittels bekämpfen sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft mit (von letzterer gleichfalls zugunsten des Angeklagten erhobenen) Nichtigkeitsbeschwerden, die von beiden Rechtsmittelwerbern auf die Gründe der Z 11 lit. a und 12, vom Angeklagten darüber hinaus auch noch auf die Z 11 lit. b des § 345 Abs. 1 StPO gestützt werden.
Rechtliche Beurteilung
Beiden Beschwerden kommt keine Berechtigung zu.
Soweit die Beschwerdeführer aus der Z 11 lit. a der eben zitierten Gesetzesstelle Straflosigkeit in Ansehung der beiden letztgenannten Vergehen mit dem Einwand reklamieren, es handle sich um "straflose Deckungshandlung", verkennen sie die Voraussetzungen für das Vorliegen einer straflosen Nachtat. Von einer straflosen Deckungshandlung kann nämlich nur gesprochen werden, wenn der Täter der Vortat zu deren Verschleierung eine Handlung setzt, ohne ein neues Rechtsgut zu verletzen und ohne über die bereits mit der Vortat verbundene Rechtsgutverletzung hinauszugehen. Nur unter diesen Voraussetzungen ist die Nachtat durch die Bestrafung der Vortat in ihrem Unrechtsgehalt mitumfaßt. Erfaßt dagegen die Haupttat den Unwert der ihr nachfolgenden Deliktshandlung nicht oder nicht vollständig, weil die Nachtat gegen ein anderes Rechtsgut gerichtet ist, dann bleibt die Deckungshandlung selbständig strafbar (vgl. ÖJZ-LSK 1976/87, 1979/22, 1981/100; Leukauf-Steininger Komm.2 § 28 RN 51 f). Gerade letzteres trifft für das Vergehen der fahrlässigen Tötung im Verhältnis zu den hier aktuellen Begleittaten gegen fremdes Vermögen (§ 135 StGB) und gegen die Rechtspflege (§ 295 StGB) zu, durch welche jeweils eine neue (zusätzliche)) Rechtsgutbeeinträchtigung erfolgte (vgl. Leukauf-Steininger aaO § 295 RN 11 betreffend das Zusammentreffen von § 295 StGB mit § 125 StGB).
Zwar kann es sich bei der Unterdrückung eines in einem Strafverfahren bedeutsamen Beweismittels durch den Verdächtigen (Beschuldigten/Angeklagten) um einen Fall der (sachlichen) Selbstbegünstigung handeln (Foregger-Serini StGB4 § 295 Erl. III). Diese wäre aber nur straflos, wenn es sich bei dem Beweismittel um ein solches handelte, über das der Täter allein verfügungsberechtigt ist. Diese Einschränkung der - aus den Bestimmungen über den Aussagenotstand (§ 290 StGB), die Begünstigung im § 299 Abs. 3 zweiter Teil StGB sowie die Gefangenenbefreiung in § 300 Abs. 2 StGB hervorgehenden grundsätzlichen, aber auch sonst nicht ausnahmslosen (vgl. § 290 Abs. 3 StGB) - Straflosigkeit einer Selbstbegünstigung beim Tatbestand des § 295 StGB steht den Beschwerden zuwider in keinem Gegensatz zu den Grundsätzen eines fairen Verfahrens. Lassen diese doch über die den Verdächtigen (Beschuldigten/Angeklagten) garantierten Rechte (Art. 6 MRK) hinaus die Interessen der Rechtspflege (vgl. Art. 6 Abs. 1, Abs. 3 lit. c MRK) im Sinne einer Verwirklichung des staatlichen Strafanspruches als (unbestrittenes) subjektives Recht des Staates (Rittler2 II, 222; Mayerhofer ÖJZ 1973, 375, 385) unberührt. Eben diesen Interessen der Rechtspflege dient der durch das StGB (neu) eingeführte Tatbestand der Beweismittelunterdrückung nach § 295 StGB ähnlich wie jener der Beweismittelfälschung nach § 293 StGB.
Da die mangelnde (ausschließliche) Verfügungsberechtigung des Angeklagten über die Kindergartentasche des getöteten Mädchens (als Voraussetzungen für die Tatbestandsmäßigkeit der Beweismittelunterdrückung) in den tatsächlichen Feststellungen des Wahrspruchs der Geschwornen ebenso Deckung findet, wie der Umstand, daß die Tasche ein Beweismittel war, dessen Verwendung in einem Verfahren - das zumindest unmittelbar bevorstand (vgl. SSt 55/9) - erfolgen sollte, haftet der Tatbeurteilung des Schwurgerichtshofes als Vergehen nach § 295 StGB ein rechtlicher Fehler nicht an.
Entgegen den weiteren auf § 345 Abs. 1 Z 12 StPO gestützten Einwänden der Beschwerdeführer kann aus der von der Rechtsprechung bejahten tatbestandsausschließenden Exklusivität zwischen Diebstahl und Urkundenunterdrückung bei der Wegnahme von Kraftfahrzeugkennzeichentafeln (vgl. EvBl. 1988/39) für das vorliegende Zusammentreffen der Vergehen der dauernden Sachentziehung nach § 135 StGB mit jenem der Beweismittelunterdrückung nach § 295 StGB nichts gewonnen werden. Denn die durch den dauernden Gewahrsamsentzug bewirkte, in § 135 StGB pönalisierte Vermögensschädigung des Gewahrsamsinhabers umfaßt nicht auch die (tätergewollte) Beeinträchtigung der Verwendung einer Sache als Beweismittel in einem gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Verfahren. Die Tathandlung wurde daher dem Angeklagten zu Recht gesondert (auch) als Vergehen nach § 295 StGB zugerechnet.
Unbegründet ist schließlich auch das auf § 345 Abs. 1 Z 11 lit. b StPO gestützte Beschwerdevorbringen des Angeklagten, mit dem er sich gegen das Subsidiaranklagerecht der Privatbeteiligten Margarete G*** - der Mutter und gesetzlichen Erbin des Unfallopfers - wendet. Die Privatbeteiligte hat in der Hauptverhandlung die Verurteilung des Angeklagten zum Ersatz der Kosten des sogenannten Leichtentrunkes von 3.138 S, der Herstellung eines Grabes in der Höhe von vorläufig 30.000 S sowie des Wertes der in Rede stehenden Kindergartentasche im Betrag von 99 S begehrt (S 206/II). Die Annahme der vom Verteidiger angebotenen Zahlung von 100 S für die Tasche war vom Rechtsvertreter der Privatbeteiligten zuvor schon abgelehnt worden (S 204/II). Mangels eines rechtmäßigen Erlages nach § 1425 ABGB kam dem Zahlungsanbot des Verteidigers in der Hauptverhandlung jedoch keine schuldbefreiende Wirkung zu. Die Privatbeteiligte war daher nach Rücktritt des öffentlichen Anklägers von der Verfolgung des Angeklagten wegen des von Punkt II der Anklageschrift (ON 16) erfaßten Verhaltens zur Subsidiaranklage jedenfalls berechtigt.
Die beiden Nichtigkeitsbeschwerden waren somit zu verwerfen. Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28, 81 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 24 Monaten, wobei es gemäß § 43 a Abs. 3 StGB einen Teil der Strafe, nämlich 16 Monate, unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah.
Bei der Strafbemessung wertete es das Zusammentreffen von drei strafbaren Handlungen verschiedener Art und den Umstand, daß der Angeklagte das Opfer bis zum Tod einem qualvollen Zustand aussetzte und daß er nach dem Wahrnehmen des Überrollens des Mädchens zunächst davonfuhr und nur kurz zum Unfallsort zurückkehrte, auch wenn ihm dieses Verhalten infolge des sofortigen Todeseintrittes nicht als Imstichlassen eines Verletzten angelastet werden konnte, als erschwerend, hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel und den Umstand, daß der Angeklagte nach dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen zwar imstande war, zu erkennen, daß er unwahre Angaben machte, seine Vorstellungen über seine eigene Person ihn aber hinderten, die Unwahrheiten zu korrigieren, als mildernd. Gemäß § 369 (Abs. 1) StPO wurde der Privatbeteiligten Margarete G*** der Betrag von 3.237 S (Kosten für den Leichentrunk von 3.138 S und für die Kindergartentasche 99 S) zugesprochen. Gemäß § 366 Abs. 2 StPO wurde sie mit ihren weiteren Ansprüchen wie auch der Privatbeteiligte Erich G*** mit seinen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Mit den Berufungen streben der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe, die Staatsanwaltschaft hingegen deren Erhöhung und die Ausschaltung der bedingten Nachsicht eines Teiles der verhängten Freiheitsstrafe an. Außerdem begehrt der Angeklagte, die Privatbeteiligte Margarete G*** mit sämtlichen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg zu verweisen.
Den Berufungen kommt keine Berechtigung zu.
Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe im wesentlichen vollständig festgestellt und auch zutreffend gewürdigt. Allerdings ist der Anklagebehörde einzuräumen, daß der vom Geschwornengericht herangezogene Umstand, daß der Angeklagte zwar erkennen konnte, daß er unwahre Angaben machte, seine Vorstellungen über seine eigene Person hingegen ihn hinderten, die Unwahrheiten zu korrigieren, keinen besonderen Milderungsgrund, sondern lediglich eine Art Erklärung zu der Erinnerungslücken behauptenden Verantwortung des Angeklagten darstellt (vgl. insbesondere S. 165 und S. 128 ff). Das von der Staatsanwaltschaft außerdem ins Treffen geführte schwere Verschulden des Angeklagten hinwieder wurde, soweit es nicht bereits vom Tatbestand erfaßt ist, vom Erstgericht ohnedies berücksichtigt (US 12).
Sachgemäßes Abwägen der vorliegenden Strafzumessungsgründe ergibt sohin, daß die vom Schöffengericht ausgesprochene Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren nach der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) des Angeklagten nicht zu gering, aber auch keineswegs zu hoch ausgemessen wurde. Der von der Staatsanwaltschaft außerdem bekämpften Gewährung bedingter Nachsicht eines Teiles der Strafe stehen mit Rücksicht auf das bisherige Wohlverhalten des im 58. Lebensjahr stehenden Angeklagten, aber auch im Hinblick darauf, daß er durch seine etwa zweieinhalbmonatige Anhaltung in Untersuchungshaft erstmals das Übel eines Freiheitsentzugs erlitten hat, entscheidende Hindernisse (noch) nicht entgegen.
Unbegründet ist schließlich auch die gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche erhobene Berufung des Angeklagten. Denn dem Zuspruch der - der Höhe nach unbestritten
gebliebenen - Kosten des sogenannten Leichtentrunkes von 3.138 S steht das unter Hinweis auf angebliche Verpflichtungen aus dem Versicherungsvertrag (mit dem Haftpflichtversicherer) unterbliebene Anerkenntnis durch den - in der Hauptverhandlung gemäß § 365 Abs. 2 StPO auch hiezu vernommenen (vgl. S 206 f) - Angeklagten nicht entgegen. Das Anbot der Zahlung des Ersatzbetrages von 99 S für die Kindergartentasche des getöteten Mädchens hinwieder bedeutet - wie bereits dargelegt wurde - kein Erlagsanbot, das einem rechtmäßigen Erlag mit schuldbefreiender Wirkung nach § 1425 ABGB entsprechen könnte. Zu Recht wurde daher der Privatbeteiligten auch der Betrag von 99 S zuerkannt.
Den Berufungen war sohin insgesamt ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.
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