Spruch:
Der Revision der beklagten Parteien wird nicht, der der klagenden Partei teilweise Folge gegeben.
Im Umfang des Abspruchs über das Feststellungsbegehren werden die Urteile der Vorinstanzen dahin abgeändert, daß die Entscheidung als Teilurteil zu lauten hat:
Es wird festgestellt, daß die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand, die drittbeklagte Partei nur im Rahmen des den LKW mit dem Kennzeichen W 744.764 zur Unfallszeit betreffenden Haftpflichtversicherungsvertrags, der klagenden Partei für den Ersatz von drei Vierteln ihrer künftigen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 22. März 1982 auf der Kreuzung Wien 23., Erlaaerstraße - Anton Baumgartnerstraße, haften.
Das Mehrbegehren der klagenden Partei auf Feststellung der Haftung der beklagten Parteien für den Ersatz eines weiteren Viertels ihrer künftigen Schäden aus diesem Verkehrsunfall wird abgewiesen. Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten. Im Umfang des Abspruchs über das Leistungsbegehren und im Kostenpunkt werden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben. In diesem Umfang wird die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 22. März 1982 ereignete sich gegen 14,35 Uhr im 23. Wiener Gemeindebezirk auf der Kreuzung Erlaaerstraße - Anton Baumgartnerstraße ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger als Lenker des Motorrads mit dem Kennzeichen W 5.906 und der Erstbeklagte als Lenker des LKW mit dem Kennzeichen W 744.764 beteiligt waren. Die Zweitbeklagte ist die Halterin, die Drittbeklagte der Haftpflichtversicherer des letztgenannten Kraftfahrzeugs. Die beiden Fahrzeuge kollidierten im Kreuzungsbereich. Dabei wurde der Kläger verletzt. Wegen dieses Verkehrsunfalls wurde gegen den Erstbeklagten zu U 1129/82 des Bezirksgerichtes Liesing ein Strafverfahren eingeleitet. Er wurde in diesem Strafverfahren mit rechtskräftigem Urteil vom 28. März 1984 von dem gegen ihn erhobenen Strafantrag gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte der Kläger aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus diesem Verkehrsunfall zuletzt (ON 51) die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 1,488.085,95 s.A. und einer monatlichen Rente von S 10.000,-- ab 1. Juli 1984 (Schmerzengeld, Verunstaltungsentschädigung, Verdienstentgang); überdies stellte er ein auf Feststellung der Haftung der Beklagten zur ungeteilten Hand, der Drittbeklagten im Rahmen des den LKW der Zweitbeklagten betreffenden Haftpflichtversicherungsvertrags, für seine künftigen Unfallschäden gerichtetes Feststellungsbegehren. Dem Grunde nach stützte der Kläger sein Begehren im wesentlichen auf die Behauptung, daß der Erstbeklagte den Unfall allein verschuldet habe, weil er den dem Kläger zukommenden Vorrang verletzt habe.
Die Beklagten wendeten dem Grunde nach im wesentlichen ein, das Alleinverschulden an diesem Verkehrsunfall treffe den Kläger. Der benachrangte Erstbeklagte habe langsam in die Kreuzung einfahren müssen, um Sicht auf den bevorrangten Querverkehr zu bekommen. Der Kläger habe eine Fahrgeschwindigkeit von 80 bis 90 km/h eingehalten und habe auf den im Kreuzungsbereich angehaltenen LKW nicht rechtzeitig durch entsprechende Reduktion dieser Geschwindigkeit reagiert. Im übrigen bestritten die Beklagten die Angemessenheit des vom Kläger verlangten Schmerzengelds und das Vorliegen der Voraussetzungen für den Zuspruch einer Verunstaltungsentschädigung und des verlangten Verdienstentgangs. Das Feststellungsinteresse des Klägers ist nicht strittig.
Das Erstgericht wies nach Einschränkung des Verfahrens auf den Grund des Anspruchs im dritten Rechtsgang das Klagebegehren ab. Die Wiedergabe der Feststellungen des Erstgerichts über den Unfallsablauf kann unterbleiben, weil das Berufungsgericht nach Beweiswiederholung zu abweichenden Feststellungen kam. Rechtlich beurteilte das Erstgericht den von ihm festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß sich der Erstbeklagte wegen seines Nachrangs äußerst vorsichtig in die Kreuzung vorgetastet habe und der Unfall lediglich darauf zurückzuführen sei, daß der Kläger mit überhöhter Geschwindigkeit von etwa 60 km/h gefahren sei und verspätet reagiert habe.
Der gegen diese Entscheidung des Erstgerichts gerichteten Berufung des Klägers gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil, das es als Zwischenurteil bezeichnete, teilweise Folge. Es änderte die Entscheidung des Erstgerichts dahin ab, daß sie zu lauten hat:
"Es wird festgestellt, daß die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand der klagenden Partei für alle gegenwärtigen Schäden und jeden in Hinkunft aus dem Verkehrsunfall vom 22. März 1982 in Wien 23., Erlaaerstraße/Anton Baumgartnerstraße erwachsenden Schaden zur Hälfte haften, wobei die Haftung der drittbeklagten Partei mit der Haftpflichtversicherungssumme für den LKW Steyr 891170, polizeiliches Kennzeichen W 744.765, begrenzt ist.
Das Mehrbegehren, der Feststellung der Haftung für eine weitere Hälfte des Schadens, wird abgewiesen." Das Berufungsgericht stellte nach Beweiswiederholung im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Der Kläger lenkte das Motorrad in der Erlaaerstraße in Richtung Anton Baumgartnerstraße und wollte die Kreuzung in Richtung Anton Baumgartnerstraße (Wohnpark Alt Erlaa) überqueren. Der Erstbeklagte lenkte den LKW der Zweitbeklagten durch die Erlaaerstraße und wollte an der Kreuzung nach links in die Erlaaerstraße in Richtung Schloß Erlaa, aus der der Kläger gekommen war, abbiegen. Die Kreuzung Erlaaerstraße/Anton Baumgartnerstraße verläuft derart, daß die Erlaaerstraße in Fahrtrichtung des Klägers gesehen eine Rechtskurve macht und sich dann etwa in einem Winkel von 90 Grad in Richtung Liesing/Perchtoldsdorf fortsetzt. Die geradlinige Fortsetzung der Erlaaerstraße in Richtung Wohnpark Alt Erlaa ist die Anton Baumgartnerstraße. Die Kreuzung ist trichterförmig. Vor der Kreuzung befindet sich in Fahrtrichtung des Erstbeklagten gesehen ein Verkehrszeichen "Halt vor Kreuzung" (Stoptafel). In Fahrtrichtung des Erstbeklagten gesehen ist die rechte Fahrbahnbegrenzung der verlängerten Linie Erlaaerstraße/Anton Baumgartnerstraße 4 m vor der linken Gehsteigkante. Links befindet sich überdies eine Mauer, die die Sicht in die Erlaaerstraße behindert.
Der Erstbeklagte hielt in Annäherung zur Kreuzung zunächst eine Geschwindigkeit von 39,7 km/h ein. Mit einer Verzögerung in der Dauer von 1,8 Sekunden reduzierte er auf einer Wegstrecke von 18,5 m die Geschwindigkeit auf 35,2 km/h und sodann durch eine weitere leichte Bremsung in der Dauer von 6,6 Sekunden auf einer Wegstrecke von 32,5 m bis zum Stillstand. Aus dieser Position betrug für den Erstbeklagten die Sicht nach links 40 m. Diese Bremsung war deshalb nötig, weil ein vor dem Erstbeklagten fahrender PKW vor der Kreuzung anhielt. Nach einer Halteperiode von 2,4 Sekunden (in einer Entfernung von 6 m vom späteren Kollisionspunkt) beschleunigte der Erstbeklagte in 1,8 Sekunden auf einer Wegstrecke von 2,5 m auf eine Geschwindigkeit von maximal 6,5 km/h; sodann brachte er den LKW durch eine schwache Bremsung in 1,5 Sekunden auf einer Wegstrecke von 1,5 m wieder zum Stillstand. Aus dieser Position betrug für den Erstbeklagten die Sicht nach links 52,5 m. Unmittelbar danach beschleunigte der Erstbeklagte in 2 Sekunden auf einer Wegstrecke von 1,5 m auf eine Maximalgeschwindigkeit von 5,9 km/h; eine von ihm darauf vollzogene Bremsung führte nach weiteren 0,5 Sekunden auf einer Wegstrecke von 0,5 m zum Stillstand. Der Kontakt mit dem vom Kläger gelenkten Motorrad erfolgte unmittelbar nach dem Stillstand des LKW im Bereich von einer Sekunde. In der Endposition des LKW ergab sich eine freie Durchfahrtsbreite von 1,5 m zwischen der Front des LKW und der verlängert gedachten doppelten Sperrlinie. Der Kläger fuhr mit einer Geschwindigkeit von ca. 60 km/h auf der Erlaaerstraße. Er wollte in der Anton Baumgartnerstraße geradeaus weiterfahren. Er hielt einen Seitenabstand zum rechten Fahrbahnrand von ca. 1 m ein.
Zu dem Zeitpunkt, als der Erstbeklagte aus der zweiten Anhalteposition wegfuhr (2,5 bis 3,5 Sekunden vor dem Kontakt), war der Kläger zwischen 42 und 26 m von der Unfallstelle entfernt und damit für den Erstbeklagten sichtbar. Der Kläger hätte das Motorrad mit einer mittleren Bremsverzögerung von 6 m/sec2 auf 39,9 m anhalten können.
Rechtlich beurteilte das Berufungsgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß es sich um eine sehr unübersichtliche Einmündung handle, vor der in Fahrtrichtung des Erstbeklagten das Vorschriftszeichen "Halt" (§ 52 Z 24 StVO) angebracht gewesen sei. Bei dieser Situation ergebe sich für den Erstbeklagten eine besondere Verpflichtung, beim Befahren dieser Kreuzung sich vorzutasten. Ein benachrangter Kraftfahrzeuglenker habe sich, um eine ihm obliegende Wartepflicht erfüllen zu können, dann, wenn es die schlechten Sichtverhältnisse erforderten, äußerst vorsichtig zur Kreuzung und auf dieser vorzutasten, um die notwendige Sicht zu gewinnen. Vortasten bedeute dabei in der Regel ein schrittweises oder zentimeterweises Vorrollen in mehreren Etappen bis zu einem Punkt, von dem aus die erforderliche Sicht möglich sei. Dieser Verpflichtung habe der Erstbeklagte nicht entsprochen, weil er zwar langsam, aber in nur zwei Etappen so weit in die Kreuzung eingefahren sei, daß er den Kläger behindert habe. Der Erstbeklagte habe daher eine Vorrangverletzung durch ein der Verkehrssituation nicht angepaßtes Fahrverhalten zu vertreten. Der Kläger hingegen habe insbesondere im Hinblick auf die örtlichen Gegebenheiten eine überhöhte Geschwindigkeit eingehalten. Bei Berücksichtigung der ungünstigen Sichtverhältnisse komme dieser Geschwindigkeitsüberschreitung besonderes Gewicht zu. Unter diesen Umständen erscheine eine Verschuldensteilung im Verhältnis von 1 : 1 gerechtfertigt.
Die Ausmittlung der Höhe werde dem Erstgericht nach Durchführung eines weiteren Beweisverfahrens obliegen.
Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts richten sich die Revisionen beider Streitteile. Der Kläger bekämpft sie insoweit, als nicht von einer Verschuldensteilung im Verhältnis von 1 : 3 zu Lasten der Beklagten ausgegangen wurde, aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, sie dahin abzuändern, "daß die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand für alle gegenwärtigen Schäden und jeden in Hinkunft aus dem Verkehrsunfall vom 22.3.1982 ... erwachsenden Schaden zu drei Vierteln haften, wobei die Haftung der drittbeklagten Partei mit der Haftpflichtversicherungssumme für den LKW Steyr 891170, pol. Kennzeichen W 744.765, begrenzt ist". Die Beklagten bekämpfen die Entscheidung des Berufungsgerichts insoweit, als ihre Haftung für die Unfallsfolgen bejaht wurde, aus den Revisionsgründen der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, sie im Sinne der Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts abzuändern; hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag.
Beide Streitteile haben Revisionsbeantwortungen mit dem Antrag erstattet, der Revision des Gegners keine Folge zu geben. Beide Revisionen sind im Hinblick auf die Höhe des Streitgegenstands, über den das Berufungsgericht entschieden hat, ohne die im § 503 Abs. 2 ZPO normierte Einschränkung der Revisionsgründe zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Sachlich kommt im Ergebnis nur der Revision des Klägers Berechtigung zu, nicht aber der der Beklagten.
Vorwegzunehmen ist, daß aus dem angefochtenen Urteil trotz der ungewöhnlichen Formulierung seines Spruchs der Entscheidungswille des Berufungsgerichts eindeutig zu entnehmen ist. Es wurde damit zunächst über das Feststellungsbegehren des Klägers in der Form abgesprochen, daß die Haftung der Beklagten für die Hälfte seiner künftigen Unfallschäden festgestellt, das Feststellungsmehrbegehren aber abgewiesen wurde. In diesem Umfang handelt es sich in Wahrheit (trotz der insoweit unzutreffenden Bezeichnung des angefochtenen Urteils als Zwischenurteil) um ein Teilurteil im Sinne des § 391 Abs. 1 ZPO. Die Fällung eines Zwischenurteils im Sinne des § 393 Abs. 1 ZPO über ein Feststellungsbegehren ist nicht zulässig, weil ein derartiges Begehren nicht nach Grund und Betrag differenziert werden kann (2 Ob 318/64; VersR 1977, 169; SZ 57/207; 2 Ob 70/88 uva.). Im Umfang des Abspruchs über das Leistungsbegehren des Klägers (daß ein solcher vom Berufungsgericht beabsichtigt war, ergibt sich eindeutig nicht nur aus der Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung als Zwischenurteil, sondern auch aus dem Hinweis des Berufungsgerichts in den Entscheidungsgründen, die Ausmittlung der Höhe der Klagsforderung werde dem Erstgericht nach Durchführung eines weiteren Beweisverfahrens obliegen) handelt es sich um ein Zwischenurteil im Sinne des § 393 Abs. 1 ZPO, mit dem zum Ausdruck gebracht werden sollte, daß die Klagsforderung dem Grunde nach zur Hälfte zu Recht und zur Hälfte nicht zu Recht besteht.
Die Rechtsmittel beider Streitteile, in denen die Zulässigkeit der Fällung eines Zwischenurteils nicht releviert wird (siehe dazu SZ 37/96; SZ 45/51; SZ 52/73; SZ 53/92 uva.), richten sich ausschließlich gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Schadensteilung. Während der Kläger im wesentlichen ausführt, daß bei seiner Meinung nach richtiger rechtlicher Beurteilung eine Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 3 zu Lasten der Beklagten vorzunehmen wäre, stellen sich die Beklagten auf den Standpunkt, daß das Alleinverschulden an diesem Verkehrsunfall den Kläger treffe. Der in der Revision der Beklagten geltend gemachte Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit liegt nicht vor, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs. 3 ZPO).
Geht man von den Feststellungen des Berufungsgerichts aus (die Beklagten tun dies in ihrer Rechtsrüge weitgehend nicht; insoweit ist ihre Rechtsrüge nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt), dann erweist sich die Rechtsrüge des Klägers im Ergebnis als berechtigt, nicht aber die der Beklagten.
Dem Kläger kam gegenüber dem Erstbeklagten im Sinne des § 19 Abs. 4 StVO der Vorrang zu. Nach ständiger Rechtsprechung ist bei schlechten Sichtverhältnissen der im Nachrang befindliche Kraftfahrer verpflichtet, an einer Kreuzung seine Geschwindigkeit bis zu einem "Vortasten" (langsames etappenweises Vorrollen des Fahrzeugs bis zur Erlangung der erforderlichen Sicht) herabzumindern, um den Vorrang eines auf der bevorrangten Verkehrsfläche herankommenden Fahrzeugs wahren zu können (ZVR 1979/65; ZVR 1987/34; ZVR 1987/66; 2 Ob 92/88 uva.). Es mag dahingestellt bleiben, ob die festgestellte Fahrweise des Erstbeklagten beim Einfahren in die Kreuzung diesem Erfordernis von vornherein genügte. Entscheidend ist, daß der Erstbeklagte nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen den von ihm gelenkten LKW nach dem zweiten Anhalten des Fahrzeugs 2,5 bis 3,5 Sekunden vor der Kollision bzw. 2 m vor der Kontaktposition neuerlich in Bewegung setzte, obwohl sich der Kläger mit seinem Motorrad bereits in seinem Sichtbereich befand und auf eine so nahe Distanz herangekommen war, daß es dem Erstbeklagten ohne weiteres erkennbar sein mußte, daß er durch seine Weiterfahrt den Kläger zum unvermittelten Bremsen bzw. zum Ablenken seines Fahrzeugs (§ 19 Abs. 7 StVO) nötigte. Mit Recht hat unter diesen Umständen das Berufungsgericht dem Erstbeklagten eine schwerwiegende Vorrangverletzung im Sinne des § 19 Abs. 4 StVO angelastet. Hingegen gestatten es die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht, dem Kläger außer der Überschreitung der im Ortsgebiet zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h (§ 20 Abs. 2 StVO) um 10 km/h ein weiteres schuldhaftes Fehlverhalten anzulasten. Zieht man in Betracht, daß das neuerliche Anfahren des LKW für den Kläger erst einen gewissen Auffälligkeitswert erlangen mußte, um für ihn als Gefahr erkennbar zu sein, dann kann ihm eine erhebliche Reaktionsverspätung nicht zur Last gelegt werden, wenn er im Zeitpunkt des Anfahrens des LKW 26 m von der Unfallstelle entfernt war, weil er bei einer Geschwindigkeit von 60 km/h für das Durchfahren dieser Strecke nur rund 1,5 Sekunden benötigte. Hier ist, da die Beklagten die Beweislast für ein allfälliges Verschulden des Klägers trifft, von den dem Kläger günstigeren Feststellungen des Berufungsgerichts auszugehen. Auch der Umstand, daß der Kläger nicht versuchte, nach links auszuweichen, ist bei dieser Sachlage nicht geeignet, sein Verschulden zu begründen, zumal er ja nicht absehen konnte, wie weit der LKW noch seine Fahrt fortsetzen werde. Es verbleibt auf Seiten des Klägers nur sein Verstoß gegen § 20 Abs. 2 StVO durch Einhaltung einer Fahrgeschwindigkeit von 60 km/h. Besondere Umstände, die es dem Kläger verboten hätten, die zulässige Höchstgeschwindigkeit auszunützen, lagen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht vor. Der im Vorrang befindliche Verkehrsteilnehmer ist nicht verpflichtet, seine zulässige Geschwindigkeit allein wegen der Annäherung an eine Kreuzung mit einer Straße ohne Vorrang oder deswegen herabzusetzen, weil diese Querstraße schlecht einzusehen ist (ZVR 1984/204; ZVR 1985/41; 8 Ob 92/88 uva.). Es verbleibt also auf Seiten des Klägers nur der Schuldvorwurf, daß er die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit um 20 % überschritten hat.
Dies rechtfertigt gegenüber der dem Erstbeklagten anzulastenden schwerwiegenden Vorrangverletzung keine Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 1, wie sie vom Berufungsgericht vorgenommen wurde, sondern nur eine solche im Verhältnis von 1 : 3 zu Lasten der Beklagten (ZVR 1976/42; ZVR 1984/73; 2 Ob 6/87 ua.). In diesem Sinne waren in Stattgebung der Berufung des Klägers die Entscheidungen der Vorinstanzen über das von ihm gestellte Feststellungsbegehren mit Teilurteil abzuändern.
Der Vorbehalt der Kosten bezüglich dieses Teilurteils beruht auf § 52 Abs. 2 ZPO.
Bezüglich des vom Kläger gestellten Leistungsbegehrens kommt die Erlassung eines von der diesbezüglichen Entscheidung des Berufungsgerichts abweichenden Zwischenurteils im Sinne des § 393 Abs. 1 ZPO durch den Obersten Gerichtshof nicht in Betracht, weil dies voraussetzte, daß jeder der geltend gemachten einzelnen Teilansprüche (Schmerzengeld, Verunstaltungsentschädigung, Verdienstentgang) mit einem wenn auch noch so geringen Teil tatsächlich zu bejahen ist (Fasching, Zivilprozeßrecht Rz 1429; SZ 41/5; SZ 52/73; SZ 53/92 uva.). Dies ist aber mangels entsprechender Feststellungen der Vorinstanzen nicht möglich. Im Umfang des Abspruchs über das Leistungsbegehren mußten daher die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben werden und war die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen (§ 510 Abs. 1 ZPO). Über das Leistungsbegehren wird unter Zugrundelegung der nunmehr als gerechtfertigt erkannten Schadensteilung nach Ergänzung des Verfahrens in Ansehung der Höhe der einzelnen vom Kläger geltend gemachten Ersatzansprüche neuerlich zu entscheiden sein. Der Vorbehalt der Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht insoweit auf § 52 ZPO.
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