OGH 2Ob83/89

OGH2Ob83/8920.6.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Kralik, Dr.Vogel, Dr.Melber und Dr.Kropfitsch als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef G***, Gendarmerieabteilungsinspektor, Gymnasiumstraße 17, 7350 Oberpullendorf, vertreten durch Dr.Johannes Schriefl und Dr.Peter Paul Wolf, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei E*** N*** B***-V***-AG, per

Adresse Roßauer Lände 47-49, 1090 Wien, vertreten durch Dr.Norbert Kosch, Dr.Ernst Schilcher, Dr.Jörg Beirer und Dr.Roman Kosch, Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, wegen S 183.853 s.A., infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Zwischenurteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 14.Dezember 1988, GZ 16 R 250/88-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 25. Juli 1988, GZ 2 Cg 186/88-4, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens wird dem Endurteil vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger wurde am 30.Juli 1987 bei einem von Erich D*** als Lenker eines bei der Beklagten haftpflichtversicherten Kraftfahrzeuges verschuldeten Verkehrsunfall schwer verletzt. Die Schadenersatzpflicht der Beklagten ist nicht strittig. Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte der Kläger aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus diesem Verkehrsunfall die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von S 183.853 s.A. im wesentlichen mit der Begründung, es handle sich bei diesem Betrag um die Kosten von Besuchsfahrten seiner sieben Kinder, deren Besuche den Heilungsverlauf bei dem schwer verletzten Kläger wesentlich beschleunigt hätten. Nach dem bei diesem Verkehrsunfall erfolgten Tod der Ehegattin des Klägers habe die Chance, ihn überhaupt wieder mobilisieren zu können, in der Aufrechterhaltung eines möglichst engen Kontakts zu seinen Kindern bestanden.

Die Beklagte wendete dem Grunde nach im wesentlichen ein, daß die Kosten der Besuchsfahrten der volljährigen, nicht im Haushalt des Klägers lebenden und ihm gegenüber nicht sorgepflichtigen Kinder nicht ersatzfähig wären. Überdies bestritt sie die Klagsforderung auch der Höhe nach.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Der Kläger erlitt bei dem Verkehrsunfall vom 30.Juli 1987 schwerste Verletzungen; seine Ehefrau kam bei diesem Verkehrsunfall ums Leben. Der Ehe des Klägers und seiner verstorbenen Ehefrau entstammen vier Söhne und drei Töchter; alle sind volljährig, die Töchter verheiratet. Bei diesen Kindern handelte es sich nach dem Ableben der Ehegattin des Klägers um die nächsten Anverwandten. Der Kläger wurde von ihnen während des Heilungsverlaufs, des Spitalsaufenthalts bzw des Kuraufenthalts besucht.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß die Beklagte für die Kosten der Besuchsfahrten der volljährigen gegenüber dem Kläger nicht sorgepflichtigen Kinder nicht ersatzpflichtig sei.

Der gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung des Klägers gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil Folge. Es änderte die Entscheidung des Erstgerichts dahin ab, daß es mit Zwischenurteil die Klagsforderung dem Grunde nach als zu Recht bestehend erkannte. Das Berufungsgericht sprach aus, daß die Revision nicht zulässig sei.

Das Berufungsgericht führte, ausgehend von den unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Erstgerichts, rechtlich im wesentlichen aus, strittig zum Anspruchsgrund sei nur, ob volljährige Kinder zum Kreis jener Verwandten zählten, deren Besuchsfahrten ersatzfähig seien. Dies sei zu bejahen. Die Kosten von Krankenhausbesuchen würden von Lehre und Rechtsprechung zu den Heilungskosten gezählt, jedenfalls dann, wenn sie den sorge- und beistandspflichtigen nächsten Verwandten entstünden. Im vorliegenden Fall sei der Kläger von seinen Kindern besucht worden. Daß diese ihm gegenüber unterhaltspflichtig gewesen seien, sei weder behauptet noch festgestellt worden. Wohl aber habe sie eine gesetzliche Beistandspflicht getroffen. Die im § 137 Abs 2 ABGB normierte gegenseitige Pflicht der Eltern und Kinder, einander beizustehen, gelte nämlich auch für volljährige Kinder. Da der Kläger durch den Unfall nicht nur schwerst verletzt worden sei, sondern auch seine Ehefrau verloren habe, habe für die Kinder die Pflicht bestanden, ihm durch Besuche jedenfalls psychischen Beistand zu leisten und insoweit zur Linderung seiner Leiden beizutragen. Unter diesen Umständen sei die Qualifizierung der Aufwendungen für Besuchsfahrten der Kinder als Heilungskosten im Sinne des § 1325 ABGB gerechtfertigt.

Die Klagsforderung bestehe demnach dem Grunde nach zu Recht, sodaß über den Anspruchsgrund mit Zwischenurteil zu erkennen sei. Über die Höhe des Anspruchs werde das Erstgericht im fortgesetzen Verfahren zu verhandeln und zu entscheiden haben.

Seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO begründete das Berufungsgericht damit, daß es in der Rechtsfrage der Qualifizierung der Kosten von Besuchsfahrten volljähriger Kinder als Heilungskosten der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gefolgt sei.

Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten. Sie bekämpft sie aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts abzuändern.

Der Kläger, dem im Sinne des § 508a Abs 2 ZPO die Beantwortung der Revision freigestellt wurde, hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision der Beklagten keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Beklagten ist zulässig. Die Voraussetzungen des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO liegen im Hinblick auf die im folgenden wiedergegebene uneinheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Ersatzfähigkeit von Besuchskosten volljähriger Kinder vor.

Sachlich ist dieses Rechtsmittel allerdings nicht berechtigt. Nach ständiger, auch von der Lehre gebilligter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gehören die angemessenen Kosten von Krankenhausbesuchen der sorge- und beistandspflichtigen nächsten Verwandten zu den Heilungskosten im Sinne des § 1325 ABGB, deren Ersatz der Geschädigte nach dieser Gesetzesstelle vom Schädiger verlangen kann (Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 16 zu § 1325 und die dort angeführte Judikatur). Eine uneinheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs in dieser Frage liegt nur insoweit vor, als in der zu 2 Ob 4/84 getroffenen Entscheidung (veröffentlicht in EFSlg 46.092) die im § 137 Abs 2 ABGB normierte gegenseitige Beistandspflicht zwischen Eltern und Kindern nicht als hinreichend angesehen wurde, um dem Verletzten einen Anspruch auf Ersatz des Aufwands für Krankenhausbesuche ihm gegenüber nicht sorgepflichtiger volljähriger Kinder zuzuerkennen, während dies im Gegensatz dazu in der zu 8 Ob 41/87 getroffenen Entscheidung ausdrücklich bejaht wurde. Bei nochmaliger Überprüfung dieser Frage schließt sich der erkennende Senat der letzterwähnten Entscheidung an. Daß die Kosten angemessener Krankenhausbesuche den Heilungskosten zuzurechnen sind, ist im wesentlichen unbestritten und damit zu begründen, daß der damit verbundene psychische Beistand die Genesung des Verletzten fördert oder zumindest zur Linderung seiner Leiden beiträgt. Die Einschränkung des Personenkreises, für den der Ersatz derartiger Besuchskosten zugesprochen werden kann, auf nach dem Gesetz beistandspflichtige Personen ist im allgemeinen deshalb erforderlich, weil ansonsten die Gefahr einer unübersehbaren Ausuferung derartiger Schadenersatzansprüche bestünde und auch damit zu rechtfertigen, daß der Verletzte üblicherweise gerade von diesen Personen Beistand erwartet und bei fehlendem Beistand solcher Personen oft psychisch belastet wird (vgl Reischauer aaO). Unter diesen Gesichtspunkten kommt es in der Regel weniger darauf an, ob die den Verletzten besuchende Person ihm gegenüber unterhaltspflichtig ist, sondern darauf, ob sie ihm gegenüber beistandspflichtig ist. Dies trifft aber im Sinne des § 137 Abs 2 ABGB auch für volljährige Kinder gegenüber ihren Eltern zu (Pichler in Rummel, ABGB, Rz 6 zu §§ 137, 137a unter Hinweis auf RV 60 BlgNR 14.GP 17 und AB 587 BlgNR 14.GP 3).

Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der in Frage stehenden Besuche der volljährigen Kinder des Klägers ist im vorliegenden Fall nicht strittig.

Der erkennende Senat billigt aus diesen Gründen die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts.

Der außerordentlichen Revision der Beklagten muß daher ein Erfolg versagt bleiben.

Der Vorbehalt der Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 393 Abs 4, 52 Abs 2 ZPO (SZ 23/243 ua).

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